Bundespatentgericht:
Beschluss vom 2. September 2003
Aktenzeichen: 33 W (pat) 134/02

(BPatG: Beschluss v. 02.09.2003, Az.: 33 W (pat) 134/02)

Tenor

Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 19 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 7. März 2002 aufgehoben.

Gründe

I Am 27. Dezember 2000 ist beim Deutschen Patent- und Markenamt die Wortmarke Turbodachfür folgende Waren angemeldet worden:

Klasse 1: Chemische Erzeugnisse für gewerbliche Zwecke, Klebemassen für gewerbliche Zwecke.

Klasse 2: Anstrichfarben, Lacke, Spachtelmassen, Rostschutzmittel, Holzkonservierungsmittel, Bautenschutzmittel, nämlich Anstrichmittel, Kitte, Fugenvergußmassen, Emulsionen und Dispersionen.

Klasse 17: Dichtungen und Packungen, Wärmeschutz- und Isoliermittel, bituminöse Isolieranstriche, insbesondere Asphalt- und andere Anstrichmittel, Halbfabrikate aus Asphalt- und Kunststoffprodukten in Form von Stücken, Folien, Platten, Blöcken, Stangen, Rohren, Profilen, aus gleichen Ausgangsstoffen hergestellte Form- oder Spritzgußteile (Halbfabrikate) für Beläge, Auskleidungen und Dichtungen, Kunststoffolien (Halbfabrikate) glatt und geprägt, auch als Kombinationsprodukte untereinander, Kunststoff-Fugenbänder und Dichtungsprofile für den Bausektor, Dichtungsmittel aus Metall- und Kunststoffolien, Kunststoffe in flüssiger Form als Beschichtungsmittel für Flachdach-Abdichtungen auf Beton, Bitumen, Asphalt, Dachpappe und Metall; Kunststoffschäume als Fertigprodukte in Form von Platten, Bahnen und Profilteilen zur Wärme- und Schallisolierung sowie verschäumbare Kunstharze für Abdichtungszwecke, Abdichtungen für den Stollenausbau unter Verwendung von wasserabstoßenden Stoffen, nämlich Kunststoffen; Faser-, Muffen-, Rohr- und Holzpflasterkitt.

Klasse 19: Kunststoff- oder mit Thermo- bzw. Duroplasten modifizierte bituminöse Bahnen aller Art, insbesondere Dach- und Dichtungsbahnen, trägerlos sowie mit Vlies- oder Gewebeeinlage sowie kombiniert mit Metallbändern, Kunststoff-Formteile, nämlich Lichtkuppeln, Lichtbänder, Fassadenplatten, tragende Bauteile sowie Formteile für den Innenausbau, Kunststeine, Straßenbaustoffe, Straßendecken und Bodenbeläge auf Bitumenbasis mit oder ohne Kunststoff-Zusatz, Gußasphalt, Asphalt, Dachpappen, Baustoffe, Belagmassen für Fußböden, Decken und Wände aus Kunststoff- und Bitumenerzeugnissen für sich und in Mischung untereinander. Vergußmassen aus Bitumen, Kunstharzen bzw Kunststoffen; Bitumenemulsionen, bituminöse Bindemittel, Betonzuschlagmaterial, Verputzmaterial; Kunststoff- bzw. mit Thermo- oder Duroplasten modifizierte Bautenschutzmittel, nämlich Spritzmassen.

Mit Beschluss vom 7. März 2002 hat die Markenstelle für Klasse 19 durch einen Beamten des gehobenen Dienstes die Anmeldung nach §§ 37 Abs. 1, 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 MarkenG zurückgewiesen. Nach Auffassung der Markenstelle vermittelt die angemeldete Marke den Sinngehalt, dass die Waren schnell, beschleunigt, wie durch einen Turbo unterstützt, in Zusammenhang mit Dächern bzw. auf Dächern ihre Funktion erfüllten, es sich also z.B. um schnell trocknende Farben oder schnell abbindende bzw. schnell weiter verarbeitbare flüssige Kunststoffe handele. Hierzu verweist sie auf das Wörterbuch der Werbesprache und eine Anzahl von Entscheidungen des Bundespatentgerichts zu Marken mit dem Bestandteil "Turbo". Auch wenn es sich um eine in der Fach- oder Umgangssprache (noch) nicht nachweisbare Wortverbindung handele, sei sie als sprachübliche Wortbildung, deren Bestandteile auch insgesamt für die Verkehrskreise eine erkennbar beschreibende Aussage enthielten, für die Mitbewerber freizuhalten und ihr fehle jegliche Unterscheidungskraft.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Anmelderin, mit der sie sinngemäß beantragt, den angefochtenen Beschluss aufzuheben.

Zur Begründung führt sie aus, dass es sich bei der Marke nicht um eine Sachangabe handele. Selbst wenn "Turbo" den Sinngehalt von "sehr schnell, beschleunigt, wie durch einen Turbo unterstützt" aufweise, so fehle der Marke eine eindeutige, konkret und ohne Weiteres erkennbare beschreibende Bedeutung. Die von der Markenstelle behauptete Bedeutung von schnell trocknenden Farben oder schnell abbindenden Kunststoffen komme beim Ausdruck "Turbodach" erst aufgrund mehrerer Gedankenschritte in Betracht. Auch seien andere Deutungen möglich, etwa dass ein Turbodach besonders geeignet sei, Wind und Wetter abzuwehren oder durch eingebaute Turbinen Strom erzeuge, wie etwa Sonnenkollektoren. Außerdem spreche gegen ein zukünftiges Freihaltungsbedürfnis, dass die Zusammensetzung aus den beiden geläufigen Begriffen "Turbo" und Dach" bisher noch nie als beschreibende Angabe für die einschlägigen Waren benutzt worden sei.

Der Anmelderin ist das Ergebnis einer vom Senat durchgeführten Recherche mitgeteilt worden.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II Die Beschwerde ist begründet.

Entgegen der Beurteilung der Markenstelle hält der Senat die angemeldete Marke für hinreichend unterscheidungskräftig und nicht rein beschreibend. Absolute Schutzhindernisse gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 MarkenG stehen der Eintragung der Anmeldemarke gemäß §§ 33 Abs. 2, 41 MarkenG somit nicht entgegen.

Es bestehen keine ausreichenden tatsächlichen Anhaltspunkte für die Annahme eines Freihaltungsbedürfnisses i.S.d. § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG. Nach dieser Vorschrift sind Marken von der Eintragung ausgeschlossen, die ausschließlich aus Angaben bestehen, die im Verkehr zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der Bestimmung, der geographischen Herkunft, der Zeit der Herstellung der Waren oder der Erbringung der Dienstleistungen oder zur Bezeichnung sonstiger Merkmale der Waren oder Dienstleistungen dienen können.

Die angemeldete Marke setzt sich erkennbar aus den Begriffen "Turbo" und "Dach" zusammen, wobei das vorangestellte Wortelement "Turbo" neben dem (hier nicht ernsthaft in Betracht kommenden) Hinweis auf eine Turbine einen umgangs- und werbesprachlichen Modebegriff für "schnell, leistungsstark, wirksam" darstellt (vgl. BPatG, 24. Sen. v. 11.04.2000, 24 W (pat) 131/99 - TURBO-TABS; 32. Sen. v. 26.11.1997, 32 W (pat) 87/97- Turbomix; 30. Sen. v. 30.09.1999, 30 W (pat) 111/99 - TURBOSCAN). Es erscheint schon fraglich, ob die sich damit ergebende Gesamtbedeutung eines schnellen, effektiven und/oder leistungsstarken Dachs überhaupt eine Angabe darstellt, die der Verkehr ohne weitere Überlegungen als direkte Beschreibung eines Dachs verstehen würde. Denn Dächer erfüllen ihre Funktion regelmäßig rein statisch, so dass der zumeist für aktiv funktionierende Gegenstände verwendete Wortbestandteil "Turbo" zum Nachdenken anregt, was an einem so bezeichneten Dach "turbomäßig" sein soll. Abgesehen von Verwendungen der Anmelderin hat der Senat das Markenwort auch nur einmal in Zusammenhang mit einem schnell aufbaubaren Zelt belegen können, wobei er allerdings nicht in erkennbar beschreibender Form verwendet wird (www.wams.de/data/2003/03/30/60570.html€prx=1).

Außerdem bezeichnet die angemeldete Marke nach ihrer unmittelbaren Wortbedeutung nur ein Dach, nicht aber die angemeldeten Waren selbst. Zwar können die beanspruchten Waren bei der Herstellung und Instandhaltung von Dächern eingesetzt werden. In der mündlichen Verhandlung hat die Anmelderin auch darauf hingewiesen, dass es ihr um Waren des Dachdeckerbedarfs geht und sie in diesem Bereich über eine bedeutende Marktstellung verfüge. Der in Bezug auf diese Waren einzig als beschreibend in Betracht kommende Bedeutungsgehalt im Sinne von Anstrichen, Klebstoffen, Dichtungen usw., die zur schnellen Errichtung oder Ausbesserung von Dächern bestimmt und geeignet sind, erschließt sich aus dem Wort "Turbodach" jedoch gerade nicht, jedenfalls nicht unmittelbar. Denn im Gegensatz zu Begriffen wie "Turbokleber" oder "Turbodachkleber" usw. geht aus der Wortkombination "Turbodach" weder die Bestimmung noch ein sonstiges Merkmal der angemeldeten Waren selbst hervor. Nachdem das Markenwort im Gegensatz zu Begriffen wie etwa "Flachdach" oder "Strohdach" die Art des mit den angemeldeten Waren zu errichtenden oder auszubessernden Dachs ebenfalls nicht unmittelbar verständlich beschreibt (s.o.), ist der Begriff "Turbodach" auch nicht als Angabe der Art von Dächern geeignet, auf die die Waren spezialisiert sind.

Eine unmittelbar beschreibende Bedeutung käme nach Auffassung des Senats allenfalls dann in Betracht, wenn die Waren als Set, also als kompletter Dach-Bausatz angeboten würden, mit dem sich ein Dach schnell errichten lässt. Ein solcher Schnellbausatz könnte werblichumgangssprachlich als "Turbodach" bezeichnet werden, worauf auch der o.g. Beleg hindeuten mag. Dabei würde es sich jedoch um eine eigenständige Warenart handeln, die im Verzeichnis der angemeldeten Marke gesondert enthalten sein müsste, was hier nicht der Fall ist. Damit kann ein Freihaltungsbedürfnis i.S.d. § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG nicht festgestellt werden.

Die angemeldete Marke weist auch die erforderliche Unterscheidungskraft auf (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG). Unterscheidungskraft im Sinne dieser Vorschrift ist die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel für die angemeldeten Waren eines Unternehmens gegenüber solchen anderer Unternehmen aufgefasst zu werden (vgl. BGH GRUR 2001, 413, 414 - SWATCH, m.w.N.; GRUR 2001, 240, 241 - SWISS ARMY; MarkenR 2001, 407 - antiKALK). Hierbei ist grundsätzlich von einem großzügigen Maßstab auszugehen. Kann einer Wortmarke kein für die fraglichen Waren im Vordergrund stehender beschreibender Begriffsinhalt zugeordnet werden und handelt es sich auch sonst nicht um ein gebräuchliches Wort der deutschen oder einer bekannten Fremdsprache, das vom Verkehr - etwa auch wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung - stets nur als solches und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden wird, so gibt es keinen tatsächlichen Anhalt dafür, dass ihr die Unterscheidungseignung und damit jegliche Unterscheidungskraft fehlt (vgl. BGH MarkenR 2001, 408, 409 - INDIVIDUELLE m.w.N.).

Den danach an die Unterscheidungskraft einer Marke zu stellenden Anforderungen wird die angemeldete Bezeichnung gerecht. Wie oben dargelegt, konnte ihr ein eindeutiger, im Vordergrund stehender beschreibender Bedeutungsgehalt nicht zugeordnet werden. Auch waren keine Anhaltspunkte dafür vorhanden, dass sie nur als solche und nicht als betriebliches Unterscheidungsmittel verstanden wird. Vielmehr regt sie als - wenn auch sprechendes Zeichen - zum Nachdenken an, welche Bedeutung dem Wort "Turbodach" rein sprachlich überhaupt zukommt und welchen sachlichen Zusammenhang diese Bedeutung in Zusammenhang mit den beanspruchten Waren aufweisen kann. Die angemeldete Marke weist damit den für die Zuerkennung von Unterscheidungskraft erforderlichen Phantasiegehalt auf.

Vorsitzender Richter Winkler ist wegen Urlaubs gehindert, zu unterschreiben.

Baumgärtner Baumgärtner Kätker Cl






BPatG:
Beschluss v. 02.09.2003
Az: 33 W (pat) 134/02


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