Oberlandesgericht Köln:
Urteil vom 17. Dezember 1999
Aktenzeichen: 6 U 33/99

(OLG Köln: Urteil v. 17.12.1999, Az.: 6 U 33/99)

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das am 10.12.1998 verkündete Urteil der 31. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 31 O 302/98 - wird zurückgewiesen. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklag-te. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Zwangsvollstreckung durch Si-cherheitsleistung abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Die Sicherheitsleistung beträgt hinsichtlich des Unterlassungs- und des Auskunftsanspruchs jeweils 250.000,-- DM, hinsichtlich des Kostenerstattungsan-spruchs weitere 50.000,00 DM. Beiden Parteien wird gestattet, die Sicherheitsleistung auch durch unwiderrufliche, unbefristete und unbedingte selbstschuldnerische Bürgschaft eines in der Bundesrepublik Deutschland als Zoll- und Steuerbürge zugelassenen Kreditinstituts zu erbringen.

Tatbestand

Die Klägerin, die Firma L.S. Germany GmbH, ist von der Firma

L.S. & Co., der ältesten und größten Jeans-Herstellerin der

Welt, ermächtigt worden, deren Markenrechte in der Bundesrepublik

Deutschland in eigenem Namen wahrzunehmen und durchzusetzen. Die

Firma L.S. & Co. ist Inhaberin der aus Blatt 8 ff. der Akten

ersichtlichen Marken, zu denen auch die Marken "L.'S" und "L.S."

zählen. Wegen der Einzelheiten der zugunsten der Firma L.S. &

Co. eingetragenen Marken wird auf das Anlagenkonvolut K 1 zur

Klageschrift vom 16.04.1998 verwiesen.

Die für die Bundesrepublik Deutschland bestimmten und mit den

Marken gekennzeichneten Jeans der Firma L.S. & Co. werden

innerhalb der L.-S.-Gruppe an die Klägerin geliefert und von dieser

direkt an den Facheinzelhandel in der Bundesrepublik Deutschland,

Àsterreich und der Schweiz vertrieben. Entsprechendes gilt für die

L.'s-Jeans, die in den übrigen Ländern der Europäischen Union in

den Verkehr gebracht werden. Auch diese Markenjeans werden dort

direkt von den jeweiligen Verkaufsgesellschaften der L.-S.-Gruppe

vermarktet. Alle L.'s-Jeans weisen innen auf der Rückseite des sog.

"Wash & Care Labels" eine Codierung auf. Aufgrund dieser

Codierung läßt sich feststellen, wann und an welchem Ort die

jeweilige Jeans produziert worden ist.

Die Beklagte, die Firma M. AG, unterhält in der Bundesrepublik

Deutschland zahlreiche Geschäftslokale, in denen unter anderem

Jeans verkauft werden. Die Parteien streiten darüber, ob die

Beklagte in ihren Geschäftslokalen Original-L.'s-Jeans verkauft

hat, die nicht von der L.-S.-Gruppe oder mit deren Zustimmung in

der Europäischen Union oder dem Europäischen Wirtschaftsraum in den

Verkehr gebracht worden sind.

Die Klägerin hat behauptet, der für sie vormals tätige Zeuge R.

habe im Rahmen eines gezielten Testkaufes am 15.08.1996 im M.-Markt

in M.-K. die als Anlage K 3 zur Klageschrift im Original zu den

Akten gereichte schwarze, unstreitig nur für den amerikanischen

Markt bestimmte und aus den USA importierte Jeans des Typs "550"

erworben. Ferner hat die Klägerin behauptet, eine unstreitig am

03.07.1998 in einem Geschäftslokal der Beklagten angebotene und von

der Klägerin erworbene blaue L.'s-Jeans, die die Klägerin als

Anlage K 11 im Original zu den Akten gereicht hat, sei von ihr in

der Türkei hergestellt und ausschließlich für den türkischen Markt

bestimmt gewesen.

Die Klägerin hat in dem Verkauf dieser beiden Jeans eine

Markenverletzung gesehen und hat deshalb beantragt,

I.

die Beklagte zu verurteilen,

1.

es unter Androhung eines vom Gericht für jeden

Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu

500.000,00 DM, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu

sechs Monaten zu unterlassen, unter Verwendung der Marke "L.'s"

und/oder "L.S." Jeans einzuführen, zu bewerben, anzubieten oder zu

vertreiben, die nicht von der L.-S.-Gruppe oder mit deren

Zustimmung in der Europäischen Union oder dem Europäischen

Wirtschaftsraum in den Verkehr gebracht worden sind,

2. ihr - der Klägerin - ab dem 15.08.1996 Auskunft

zu erteilen über Namen und Anschriften der Lieferanten und anderer

Vorbesitzer und über die Menge der ausgelieferten, erhaltenen oder

bestellten Jeans-Hosen gemäß Ziffer I.1. sowie über die beim

Vertrieb dieser Jeans-Hosen erzielten Umsätze und Gewinne und

diejenigen Kosten, die vom Umsatz gewinnmindernd in Abzug zu

bringen sind, und zwar jeweils durch Óbergabe eines geordneten

Verzeichnisses,

II.

festzustellen, daß die Beklagte

verpflichtet ist, ihr - der Klägerin - denjenigen Schaden zu

ersetzen, der ihr durch die unter Ziffer I.1. bezeichneten

Handlungen seit dem 15.08.1996 entstanden ist und noch entstehen

wird.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Landgericht hat über die Behauptungen der Klägerin, der

Zeuge R. habe die als Anlage 3 zur Klageschrift zu den Akten

gereichte schwarze L.'s-Jeans am 15.08.1996 im M.-Markt in M.-K.

erworben, die unstreitig am 03.07.1998 von der Beklagten angebotene

blaue L.'s-Jeans sei in der Türkei ausschließlich für den

türkischen Markt hergestellt worden, Beweis erhoben durch

Vernehmung der Zeugen R., V.-R. und K.. Alsdann hat es durch das

angefochtene Urteil, auf das wegen der Einzelheiten verwiesen wird

(Blatt 80 ff. d.A.), die Beklagte antragsgemäß zur Unterlassung und

zur Auskunftserteilung verurteilt. Außerdem hat es die

grundsätzliche Schadenersatzverpflichtung der Beklagten

festgestellt. Zur Begründung seiner Entscheidung hat das

Landgericht im wesentlichen ausgeführt, der Zeuge R. habe sicher,

überzeugend und ohne Widersprüche seine damalige Funktion als

Testkäufer, den Kauf der schwarzen Jeans sowie die anschließende

Versendung an die Klägerin geschildert. Es bestehe keine

Veranlassung, an der Glaubhaftigkeit der Aussage des Zeugen oder

der Glaubwürdigkeit seiner Person zu zweifeln. Außerdem stehe

aufgrund der Bekundungen des Zeugen K. fest, daß die blaue Jeans

(Anlage K 11) ausschließlich für den türkischen Markt hergestellt

worden sei. Daß diese Jeans von der Tochterfirma L.-S. Istanbul in

den Europäischen Wirtschaftsraum verbracht worden sein könnte, sei

zwar nicht auszuschließen, stelle aber eine rein theoretische

Möglichkeit dar.

Gegen dieses ihr am 27.01.1999 zugestellte Urteil des

Landgerichts vom 10.12.1998 hat die Beklagte am 19.02.1999 Berufung

eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist

bis zum 19.04.1999 mit einem an diesem Tag bei Gericht

eingegangenen Schriftsatz begründet.

Die Beklagte wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches

Vorbringen und meint, den Bekundungen des Zeugen R. könne kein

Glauben geschenkt werden. Seine Bekundungen seien namentlich nicht

frei von Widersprüchen. So stimme die Originalpreisangabe auf der

schwarzen Hose nicht mit dem Quittungsbetrag überein. Außerdem

belege der von der Klägerin als Anlage K 4 zur Klageschrift zur

Akte gereichte Kassenbon nebst Quittung (Blatt 13a d.A.) den Kauf

einer blauen und nicht den einer schwarzen L.'s-Jeans 550. Daß die

von der Klägerin als Anlage K 11 vorgelegte blaue Jeans

ausschließlich für den türkischen Markt und nicht für die Einfuhr

in den Europäischen Wirtschaftsraum hergestellt worden sei, werde

weiterhin mit Nichtwissen bestritten. Insoweit - so meint die

Beklagte - obliege es der Klägerin, substantiiert darzulegen und

gegebenenfalls zu beweisen, wie sichergestellt worden sei, daß die

türkische Herstellerin die für den türkischen Markt hergestellte

Ware nicht in den Europäischen Wirtschaftsraum eingeführt habe.

Wegen der weiteren Einzelheiten des zweitinstanzlichen Vorbringens

der Beklagten wird der Inhalt ihrer Berufungsbegründung vom

19.04.1999 (Blatt 116 ff. d.A.) und ihres nachgelassenen

Schriftsatzes vom 12.11.1999 (Blatt 204 ff. d.A.) in Bezug

genommen.

Die Beklagte beantragt,

das am 10.12.1998 verkündete Urteil der

31. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 31 0 302/98 - zu ändern und

die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Auch sie wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches

Vorbringen und verteidigt das angefochtene Urteil. Sie behauptet

weiterhin, der Zeuge R. habe die als Anlage K 3 zur Klageschrift zu

den Akten gereichte schwarze L.'s-Jeans 550 am 15.08.1996 im

M.-Markt der Beklagten in M.-K. erworben. Die als Anlage K 11 zum

Schriftsatz vom 12.07.1998 zu den Akten gereichte blaue Jeans, die

sie unstreitig am 03.07.1998 im M.-Markt M.-K. erworben habe, sei

ausschließlich für den türkischen Markt produziert und auch nur für

den Vertrieb im türkischen Markt bestimmt gewesen. Wegen der

weiteren Einzelheiten des zweitinstanzlichen Sachvorbringens der

Klägerin wird der Inhalt ihrer Berufungserwiderung vom 29.06.1999

(Blatt 128 ff. d.A.) und ihres Schriftsatzes vom 15.10.1999 (Blatt

164 ff. d.A.) in Bezug genommen.

Durch Beweisbeschluß vom 27.08.1999 hat der Senat mit Rücksicht

auf die Reichweite des geltend gemachten Auskunftsanspruchs und den

Umfang der erhobenen Schadenersatzfeststellungsansprüche die

erneute Vernehmung der Zeugen R. und V.-R. zu der Frage angeordnet,

ob der Zeuge R. die als Anlage K 3 zu den Akten gereichte schwarze

Jeans am 15.08.1996 bei der Beklagten im M.-Markt M.-K. erworben

hat. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme, auch hinsichtlich

der vom Senat im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 29.10.1999

beschlossenen Vernehmung der Zeugin Rechtsanwältin Dr. E.S., wird

auf den Inhalt der Sitzungsniederschrift vom 29.10.1999 (Blatt 181

ff. d.A.) verwiesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird

auf den in der mündlichen Verhandlung vorgetragenen Inhalt der

zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst sämtlichen

Anlagen Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Berufung der Beklagten hat in der Sache keinen

Erfolg.

Der von der Klägerin in zulässiger Prozeßstandschaft erhobene

Unterlassungsanspruch ist aus §§ 4 Nr. 1, 14 Abs. 2 Nr. 1, 14 Abs.

5 MarkenG begründet. Nach § 14 Abs. 5 MarkenG kann von dem Inhaber

der Marke auf Unterlassung in Anspruch genommen werden, wer ein

Zeichen entgegen § 14 Abs. 2 MarkenG benutzt. § 14 Abs. 2 Nr. 1

MarkenG verbietet es Dritten, ohne Zustimmung des Inhabers der

Marke im geschäftlichen Verkehr ein mit der Marke identisches

Zeichen für Waren oder Dienstleistungen zu benutzen, die mit

denjenigen identisch sind, für die sie Schutz genießt. Deshalb

stellt es eine Markenverletzung dar, wenn der Verwender die von dem

Inhaber der Marke mit der jeweiligen Marke gekennzeichneten Waren

selbst im deutschen Markt anbietet, obschon diese Waren nicht mit

Zustimmung des Markeninhabers in der Europäischen Union oder dem

Europäischen Wirtschaftsraum in den Verkehr gebracht worden sind.

In diesem Fall ist Erschöpfung im Sinne des § 24 Abs. 1 MarkenG

nicht eingetreten. Nachdem in der Vergangenheit der Grundsatz der

sog. "weltweiten" Erschöpfung gegolten hat, ist insoweit

(spätestens) durch das Inkrafttreten des Markengesetzes am

01.01.1995, und zwar durch § 24 Abs. 1 MarkenG, eine Ànderung der

Rechtslage eingetreten. Während bislang das Inverkehrbringen einer

Ware mit der Marke irgendwo auf der Welt einer späteren

Geltendmachung von markenrechtlichen Ansprüchen gegen die

Verwendung der Marke für identische Waren in der Bundesrepublik

Deutschland durch Dritte entgegenstand, gilt das jetzt nur noch

dann, wenn die Ware zuvor durch den Markeninhaber ebenfalls in

Deutschland oder in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen

Union oder in einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den

Europäischen Wirtschaftsraum in Verkehr gebracht worden ist. Das

entspricht - soweit ersichtlich - allgemeiner Meinung und wird auch

von der Beklagten zu Recht nicht in Zweifel gezogen (vgl. hierzu

BGH GRUR 1996, 271, 273 f. - "Gefärbte Jeans" -; OLG Düsseldorf,

Mitteilungen der deutschen Patentanwälte 1998, 372, 373; OLG

München, Mitteilungen der deutschen Patentanwälte 1998, 186; Senat,

Urteil vom 23.04.1999 in dem Rechtsstreit 6 U 14/98; Sack, WRP

1999, 1088, 1091/1092; Plassmann, WRP 1999, 1011). Selbst etwaige

nationale bilaterale Vereinbarungen, die eine weltweite Erschöpfung

oder eine entsprechende Verbürgung der Gegenseitigkeit bei

Drittstaaten zum Gegenstand haben, sind mit Artikel 7 Abs. 1 der

ersten Markenrechtsrichtlinie (89/104 EWG), dessen Umsetzung in

deutsches nationales Recht § 24 Abs. 1 MarkenG darstellt, nicht

vereinbar (vgl. hierzu: EuGH GRUR Int. 1998, 695 ff. - "Silhouette"

- und EuGH WRP 1999, 803, 805 - "Sebago" -). Da die als Anlage K 3

zur Klageschrift von der Klägerin überreichte schwarze L.'s-Jeans

550 von der L.-S.-Gruppe unstreitig ausschließlich für den

US-amerikanischen Markt hergestellt und auch nur dort in den

Verkehr gebracht worden ist, Erschöpfung im Sinne des § 24 Abs. 1

MarkenG mithin nicht eingetreten ist, erweist sich demgemäß das

angefochtene Urteil als zutreffend, wenn in tatsächlicher Hinsicht

von der Richtigkeit des Sachvortrags der Klägerin ausgegangen

werden kann, der Zeuge R. habe die als Anlage K 3 zur Klageschrift

überreichte schwarze L.'s-Jeans 550 am 15.08.1996 im M.-Markt in

M.-K. erworben. Genau das hat aber die vor dem Senat durchgeführte

und zum Teil wiederholte Beweisaufnahme ergeben.

Auf der Basis des protokollierten Inhalts der Bekundungen des

Zeugen R. im Termin zur Beweisaufnahme vor dem Landgericht hatte

der Senat allerdings Bedenken, dem Zeugen R. ohne weiteres in

seinen Bekundungen zu folgen, er habe die fragliche Jeans im

M.-Markt in M.-K. vorgefunden. Denn nach Aktenlage war es in der

Tat auffällig, daß der Kassenbon (Blatt 13a d.A.) den Kauf einer

"blue jeans" dokumentiert und zudem der dort angegebene Preis von

88,00 DM nicht mit der Originalpreisangabe auf der schwarzen Jeans

550 übereinstimmt. Diese Bedenken hat er nicht mehr, nachdem er

Gelegenheit hatte, den Zeugen selbst zu befragen und sich von ihm

ein eigenes Bild zu machen. Nach dem Ergebnis der vor dem Senat

durchgeführten Beweisaufnahme, namentlich auch aufgrund des

persönlichen Eindrucks, den der Zeuge R. bei den Mitgliedern des

Senats hinterlassen hat, steht zu seiner sicheren Óberzeugung fest

(§ 286 Abs. 1 ZPO), daß die Bekundungen des Zeugen R. zum Erwerb

der schwarzen Jeans wahr sind, mithin der streitige Sachvortrag der

Klägerin den wahren Geschehensablauf richtig wiedergibt.

Der für die Klägerin schon seit Oktober 1997 nicht mehr tätige

Zeuge R. hat auch vor dem Senat seine erstinstanzlichen Bekundungen

als richtig bekräftigt, wonach er zur damaligen Zeit bei der

Klägerin im Außendienst angestellt und insbesondere auch für die

sog. Testkäufe zuständig gewesen sei. Er sei damals von der

Klägerin angewiesen worden, den M.-Markt der Beklagten in M.-K.

aufzusuchen, um dort gezielt nach parallel importierten Jeans aus

dem US-amerikanischen Markt zu suchen. Er habe nach einer Jeans des

Typs "501" gesucht, eine solche jedoch nicht gefunden, sei dann

aber auf die schwarze Jeans 550 aufmerksam geworden. Infolge seiner

Branchenkenntnisse sei ihm bekannt gewesen, daß Jeans solchen Typs

damals auf dem deutschen Markt nicht vertrieben worden seien,

deshalb habe er sich die Hosen näher angeschaut und festgestellt,

daß es sich um für den amerikanischen Markt bestimmte Ware

gehandelt habe. Wenngleich er natürlich nicht mehr sagen könne, ob

die jetzt dem Gericht vorliegende schwarze Jeans 550 diejenige sei,

die er damals in M.-K. erworben habe, habe er jedenfalls eine feste

Erinnerung daran, daß er bei einem seiner Besuche im M.-Markt in

M.-K. eine schwarze Jeans 550 aus amerikanischer Herstellung

vorgefunden und erworben habe. Er erinnere sich daran, weil dort

seinerzeit überwiegend blaue und nur wenige schwarze Jeans

angeboten worden seien und weil schwarze Jeans 550 damals in

Deutschland überhaupt nicht auf dem Markt gewesen seien.

Auch unter Berücksichtigung der Tatsache, daß der Zeuge auch im

Termin zur Beweisaufnahme vom 29.10.1999 nicht zu erklären

vermochte, warum auf dem Kassenbon von einer blauen Jeans die Rede

ist und warum der Preis auf dem Kassenbon nicht mit dem auf der bei

der Akte befindlichen schwarzen Jeans 550 übereinstimmt, und

wenngleich der Einwand der Beklagten zutrifft, daß der Zeuge im

Termin zur Beweisaufnahme vor dem Senat hinsichtlich des Ablaufs

der Quittungserteilung nebst Óbergabe des Kassenbons etwas anderes

bekundet hat als vor dem Landgericht, hält der Senat den Zeugen für

glaubwürdig und seine Aussage für glaubhaft. Nach dem Eindruck, den

der Zeuge R. bei den Mitgliedern des Senats hinterlassen hat, war

er sehr und erfolgreich bemüht, nur das wahrheitsgemäß als seine

Aussage zu Protokoll zu geben, was er wirklich noch erinnerte. Er

hat erkennbar zurückhaltend und vorsichtig bekundet, soweit Fragen

in Rede standen, die er aus der eigenen Erinnerung heraus nicht

mehr beantworten konnte. Das gilt namentlich für das von der

Klägerin behauptete Kaufdatum, den 15.08.1996. Demgegenüber war er

sich ganz sicher, die hier in Rede stehende schwarze Hose im Markt

in M.-K. erworben zu haben. Der Senat schließt aus, daß das

Erinnerungsvermögen des Zeugen in dem maßgeblichen Punkt getrübt

sein oder der Zeuge gar bewußt etwas Falsches bekundet haben

könnte. Der Zeuge war schon zum Zeitpunkt seiner Vernehmung vor dem

Landgericht nicht mehr für die Klägerin tätig, ein Interesse, das

ihn veranlaßt haben könnte, in einer für ihn jetzt unbedeutenden

Angelegenheit wahrheitswidrig etwas zugunsten der Klägerin zu

bekunden, ist nicht ersichtlich und erst recht nicht dargetan. Den

Senat hat überzeugt, daß und wie der Zeuge bekundet hat, er könne

sich an den Kauf einer schwarzen Jeans 550 im M.-Markt in M.-K.

deshalb so genau erinnern, weil er eigentlich auf der Suche nach

einer anderen Jeans, nämlich des Typs 501 gewesen ist, daß ihm dann

aber wegen seiner Sachkunde aufgefallen sei, daß im M.-Markt M.-K.

schwarze Jeans des Typs 550 angeboten worden seien, die seinerzeit

im deutschen Markt überhaupt nicht hätten auftauchen dürfen.

Steht demnach aufgrund der Bekundungen des Zeugen R. fest, daß

er im Auftrag der Klägerin im M.-Markt in M.-K. gezielt nach

parallelimportierten L.'s-Jeans gesucht hat und insoweit fündig

geworden ist, als er dort eine schwarze L.'s-Jeans 550 erworben

hat, die ausschließlich für den US-amerikanischen Markt bestimmt

war, vermochte der Zeuge allerdings aus der Erinnerung bzw. eigenem

Wissen heraus nicht (mehr) sicher zu bekunden, wann genau der

Testkauf stattgefunden hat und ob es sich bei der bei den Akten

befindlichen Jeans um diejenige Jeans handelt, die er in M.-K. im

Rahmen eines Testkaufs an sich gebracht hat. Das ist jedoch

jedenfalls deshalb unschädlich, weil die im Termin zur

Beweisaufnahme vom 29.10.1999 vernommene Zeugin Rechtsanwältin Dr.

E.S. glaubhaft eine Tatsache bekundet hat, die dem Senat mit dem

für § 286 ZPO nötigen Grad der Gewißheit den Rückschluß erlaubt,

daß es sich zum einen bei der vorgelegten schwarzen L.'s-Jeans 550

um diejenige handelt, die der Zeuge R. in M.-K. bei der Beklagten

erworben hat, zum anderen, daß der Testkauf tatsächlich wie von der

Klägerin behauptet am 15.08.1996 stattgefunden hat. Die Zeugin Dr.

S. hat nämlich bekundet, sie habe seinerzeit als für die Klägerin

tätige Rechtsanwältin die amerikanischen Parallelimporte betreut,

sie erinnere sich daran, daß in der fraglichen Zeit nur zwei Hosen

aus dem M.-Markt in K. bei ihr eingetroffen seien, nämlich eine

schwarze Jeans 550 und später eine blaue Jeans, die in der Türkei

hergestellt worden und für den türkischen Markt bestimmt gewesen

sei. Die Zeugin hatte eine sichere Erinnerung daran, daß ihr nur

eine schwarze Jeans 550 von der Klägerin mit dem Bemerken übersandt

worden ist, diese Jeans sei in einem M.-Markt erworben worden. Bei

dieser Sachlage kann aus Sicht des Senats kein vernünftiger Zweifel

daran bestehen, daß es sich dann bei dieser Jeans um diejenige

Jeans handelt, die die Klägerin mit ihrem aus Blatt 208 d.A.

ersichtlichen Schreiben vom 03.09.1996 an die Zeugin mit dem

Bemerken versandt hat, die diesem Schreiben anliegende L.'s-Jeans

(US-Ware) sei am 15.08.1996 von dem Außendienstmitarbeiter T. R.

bei M. in M.-K. gekauft worden. Dies gilt um so mehr, als die

Zeugin gesagt hat, aus der Kennzeichnungsnummer LS ./. M. 9607/130

könne sie mit Sicherheit rekonstruieren, daß es sich um die

nämliche Hose handelt, diese Kennzeichnungsnummer sei in der

Anwaltskanzlei, in der sie tätig sei, auf der Hose angebracht

worden. Wenngleich die Zeugin im Verlaufe ihrer weiteren Aussage

nicht hat erklären können, warum das erste Schreiben an die

Beklagte vom 01.08.1996 das interne Aktenzeichen des

Grundsatzvorgangs 9607/079 getragen hat, obschon nach den

Bekundungen der Zeugin der Óbung in ihrem Anwaltsbüro entsprechend

das Schreiben eigentlich ein anderes internes Aktenzeichen hätte

tragen müssen, sieht der Senat keinen Anlaß, die Glaubhaftigkeit

ihrer übrigen Bekundungen oder aber die Glaubwürdigkeit ihrer

Person in Zweifel zu ziehen.

Die Bekundungen der Zeugin V.-R. sind demgegenüber nicht

geeignet, die hiernach aufgrund der Bekundungen der Zeugen R. und

Dr. S. gewonnene sichere Óberzeugung des Senats von der Richtigkeit

des streitigen Vortrags der Klägerin in Zweifel zu ziehen. Soweit

die Zeugin V.-R. sinngemäß und verkürzt wiedergegeben bekundet hat,

sie sei zwar seinerzeit noch nicht in ihrer jetzigen Stellung für

die Beklagte tätig gewesen, anhand der ihr vorliegenden Unterlagen

könne sie aber ausschließen, daß die Beklagte bei einem ihrer

Zulieferer schwarze, nur für den US-amerikanischen Markt bestimmte

L.'s-Jeans 550 bestellt haben könnte, hindert das die

Óberzeugungsbildung des Senats im vorbezeichneten Sinne nicht. Denn

gerade die Bekundung der Zeugin, damals habe man im Rahmen einer

bundesweiten Werbeaktion 5.000 Stück blaue L.'s-Jeans 550 bestellt,

davon seien 25 Stück direkt vom Lieferanten nach M.-K. geliefert

worden, belegt, daß die Zeugin gerade nicht ausschließen kann, daß

aufgrund der zentralen Bestellung damals - versehentlich - auch

schwarze, nur für den US-amerikanischen Markt bestimmt L.'s-Jeans

Nr. 550 ausgeliefert worden sind. Die weitere Bekundung der Zeugin

V.-R., die Zentrale der Beklagten werde automatisch und stets von

der Annahmestelle der Filiale informiert, wenn infolge eines

Fehlers Jeans eines bestimmten Postens nicht wie bestellt

angeliefert würden, überzeugt den Senat nicht. Denn zum einen

könnten die Mitarbeiter der Filiale die etwaige Falschlieferung

schon nicht bemerkt haben. Zum anderen ist es durchaus denkbar und

auch naheliegend, daß eine Reklamation durch einen

Filialmitarbeiter unterbleibt, wenn die erkannte Abweichung relativ

unbedeutend ist und die Mühe einer Reklamation nicht lohnt, etwa

dann, wenn zum Beispiel statt 25 blauer L.'s-Jeans 550 nur 20 blaue

und 5 schwarze Jeans geliefert worden sein sollten.

Ist demnach auch mit Blick auf die Bekundungen der Zeugin V.-R.

weiterhin davon auszugehen, daß der Zeuge R. am 15.08.1996 die bei

den Akten befindliche schwarze L.'s-Jeans 550 bei der Beklagten in

M.-K. erworben hat, und erweist sich demgemäß der geltend gemachte

Unterlassungsanspruch aus §§ 4 Nr. 1, 14 Abs. 2 Nr. 1, 14 Abs. 5

MarkenG schon wegen des Verkaufs dieser Jeans als begründet, kommt

es im übrigen nicht mehr darauf an, ob die blaue, als Anlage K 11

zu den Akten gereichte Jeans, die die Zeugin I. Sch. unstreitig am

03.07.1998 bei der Beklagten im M.-Markt M.-K. erworben hat,

ausschließlich für den türkischen Markt produziert worden ist, und

ob diese Jeans nicht von der L.-S.-Gruppe oder mit deren Zustimmung

in der Europäischen Union oder dem Europäischen Wirtschaftsraum in

den Verkehr gebracht worden ist. Insoweit hätte der Senat

allerdings keine Bedenken, sich mit dem Landgericht aufgrund der

detaillierten, nachvollziehbaren und glaubhaften Bekundungen des

Zeugen K. namentlich zu der Bedeutung der Codierungen auf den Wash

& Care Labels und der Codierungspraxis der Klägerin die

Óberzeugung zu bilden, daß diese unstreitig in den Geschäftsräumen

der Beklagten angebotene Jeans zum einen in der Türkei produziert

worden ist und zum anderen nur für den türkischen Markt bestimmt

war. In Anbetracht der Tatsache, daß zur Óberzeugung des Senats

namentlich aufgrund der Bekundungen der Zeugen R. und Dr. S. aber

ohnehin ein Sachverhalt feststeht, der die Unterlassungs- und auch

die Folgeansprüche der Klägerin bereits ab dem 15.08.1996 und nicht

erst ab dem 03.07.1988 auslöst, kommt es hierauf jedoch ebensowenig

an, wie auf die in der Rechtsprechung und dem juristischen

Schrifttum nicht einheitlich beantwortete Frage, wer die

Darlegungs- und Beweislast dafür trägt, daß die mit der Marke

versehene Ware weder vom Markeninhaber noch mit seiner Zustimmung

in Deutschland, in einem der übrigen Mitgliedstaaten der

Europäischen Union oder in einem anderen Vertragsstaat des

Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum in Verkehr gebracht

worden ist (zum Meinungsstand vergleiche zum Beispiel die zum Teil

nicht rechtskräftigen Entscheidungen der Oberlandesgerichte München

(Mitteilungen der deutschen Patentanwälte 1998, 186 ff.), Karlsruhe

(GRUR 1998, 343 ff.), Düsseldorf (Mitteilungen der deutschen

Patentanwälte 1998, 372 ff.) und Hamburg (NJW-RR 1998, 402 f.)

sowie aus dem juristischen Schrifttum zum Beispiel Plassmann, WRP

1999, 1011 ff.; Klados, WRP 1999, 1018 ff.; Sack, WRP 1999, 1088

ff. und Pickrahn, GRUR 1996, 383 ff.).

Das Auskunfts- und Schadenersatzfeststellungsbegehren der

Klägerin ist aus §§ 14 Abs. 2 Ziff. 1, Abs. 6, § 19 MarkenG in

Verbindung mit § 242 BGB begründet. Die Beklagte hat durch den

bewiesenen Vertrieb der nicht für den europäischen Markt bestimmten

schwarzen L.'s-Jeans 550 zumindest fahrlässig gegen die Vorschrift

des § 14 Abs. 1 Nr. 1 MarkenG verstoßen. Sie ist der Klägerin daher

gemäß § 14 Abs. 6 MarkenG zum Ersatz des ihr entstandenen Schadens

verpflichtet. Da die Klägerin den Umfang des ihr entstandenen

Schadens im übrigen erst dann zuverlässig ermitteln kann, wenn sie

das tatsächliche Ausmaß der zu unterlassenden Handlungen der

Beklagten kennt, ist die Beklagte gemäß § 19 MarkenG in Verbindung

mit § 242 BGB zur Erteilung der begehrten Auskunft, beginnend mit

dem Zeitpunkt der ersten schuldhaften Verletzungshandlung, also dem

15.08.1996, verpflichtet.

Auch der Feststellungsantrag der Klägerin ist begründet. Das

nach § 256 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse liegt vor. Ohne

die begehrte Auskunft kann die Klägerin die Höhe ihres Schadens

nicht näher beziffern. Selbst nach Auskunftserteilung ist für sie

eine eingehende Prüfung des Schadensausmaßes erforderlich, so daß

die Feststellungsklage im Hinblick auf die Nachteile drohender

Verjährung als der geeignete prozessuale Rechtsbehelf erscheint.

Das Feststellungsbegehren ist auch begründet, weil nach der

Lebenserfahrung eine hinreichende Wahrscheinlichkeit dafür besteht,

daß der Klägerin durch das angegriffene, zumindest fahrlässige

Verhalten der Beklagten ein Schaden entstanden ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die

Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708

Nr. 10, 711, 108 ZPO.

Der Wert der gemäß § 546 Abs. 2 ZPO festzusetzenden Beschwer der

Beklagten übersteigt 60.000,00 DM.






OLG Köln:
Urteil v. 17.12.1999
Az: 6 U 33/99


Link zum Urteil:
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