Bundespatentgericht:
Beschluss vom 19. September 2002
Aktenzeichen: 15 W (pat) 36/01

(BPatG: Beschluss v. 19.09.2002, Az.: 15 W (pat) 36/01)

Tenor

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.

Das Patent wird beschränkt aufrechterhalten mit folgenden Unterlagen:

Patentansprüche 1-5, Beschreibung S 2-9, jeweils überreicht in der mündlichen Verhandlung.

Gründe

I Auf die am 21. Mai 1996 eingereichte Patentanmeldung 196 20 415.1-43 der E... Corp. in T..., Taiwan, mit taiwanesischer Priorität vom 16. September 1995, hat das Deutsche Patentamt ein Patent mit der Bezeichnung

"Schwarze Reaktivfarbstoff-Zusammensetzung"

erteilt. Die Patenterteilung wurde am 13. August 1998 veröffentlicht.

Nach Prüfung des erhobenen Einspruchs wurde das Patent mit Beschluss der Patentabteilung 43 vom 24. Juli 2001 widerrufen.

Diesem Beschluss lag die Anspruchsfassung des erteilten Patents mit acht Sachansprüchen und folgendem Wortlaut des Anspruchs 1 zugrunde:

"1. Schwarze Reaktivfarbstoff-Zusammensetzung, enthaltend:

(a) einen schwarzen Reaktivfarbstoff der Formel (I)

(I)

(b) einen Monoazo-Reaktivfarbstoff der Formel (II)

(II)

worin X die Bedeutung -CH=CH2 oder -CH2CH2W hat, wobei W eine austretende Gruppe bedeutet und Y Wasserstoff, Hydroxyl, Amino oder Aminoderivate bedeutet; und

(c) mindestens einen Monoazo-Reaktivfarbstoff der Formeln (III) und (IV)

(III)

(IV)

worin X die Bedeutung -CH=CH2 oder -CH2CH2W hat, W eine austretende Gruppe gemäß der vorstehenden Definition ist, P und Q jeweils unabhängig voneinander Wasserstoff, Methyl, Ethyl, n-Propyl, Amino oder Aminoderivate bedeuten und Z Methyl, Ethyl, n-Propyl oder Carboxyl bedeutet, wobei die Anteile für die Komponente (a) 50 bis 94 Gew.-%, für die Komponente (b) 3 bis 47 Gew.-% und für die Komponente (c) 3 bis 30 Gew.-% betragen."

Der Beschluss war damit begründet, dass der Gegenstand des vorliegenden Patents im Hinblick auf den aus der Druckschrift KR 94-2560 B1 (1) bekannten Stand der Technik nicht mehr neu sei.

Die Beschwerde der Patentinhaberin richtet sich gegen diesen Beschluss.

Die Patentinhaberin hat in der mündlichen Verhandlung neue Patentansprüche 1 bis 5 überreicht, die wie folgt lauten:

"1. Schwarze Reaktivfarbstoff-Zusammensetzung, enthaltend:

(a) einen schwarzen Reaktivfarbstoff der Formel (I)

(I)

(b) einen Monoazo-Reaktivfarbstoff der Formel (II),

(II)

worin X die Bedeutung -CH=CH2 oder -CH2CH2W hat, wobei W eine austretende Gruppe bedeutet und Y Wasserstoff, Hydroxyl, Amino oder Aminoderivate bedeutet; und

(c) einen Monoazo-Reaktivfarbstoff der Formel (IV)

(IV)

worin X die Bedeutung -CH=CH2 oder -CH2CH2W hat, W eine austretende Gruppe ist und Z Methyl, Ethyl, n-Propyl oder Carboxyl bedeutet, wobei die Anteile für die Komponente (a) 50 bis 94 Gew.-%, für die Komponente (b) 3 bis 47 Gew.-% und für die Komponente (c) 3 bis 30 Gew.-% betragen.

2. Zusammensetzung nach Anspruch 1, wobei X die Bedeutung -CH2CH2OSO3H hat und Y Hydroxyl oder Amino bedeutet.

3. Zusammensetzung nach Anspruch 1, wobei Z Methyl oder Carboxyl bedeutet.

4. Zusammensetzung nach Anspruch 1, wobei W Halogen, Phosphat, Sulfonat oder Trisulfat bedeutet.

5. Zusammensetzung nach Anspruch 4, wobei W Sulfonat bedeutet."

Zur Begründung ihrer Beschwerde hat die Patentinhaberin vorgetragen, die Druckschrift (1) und auch die weiteren im Einspruchsbeschwerde-Verfahren befindlichen Druckschriften stünden der antragsgemäßen Lehre deswegen nicht patenthindernd entgegen, weil die Verwendung der Komponente mit der Formel (IV) als dritter Mischungspartner in der entsprechenden Reaktivfarbstoff-Zusammensetzung weder vorbeschrieben sei noch nahegelegen habe.

Die Einsprechende hat dem Vorbringen der Patentinhaberin widersprochen und im wesentlichen geltend gemacht, dass es dem Gegenstand der geltenden Anspruchsfassung an der erfinderischen Tätigkeit fehle, weil es im üblichen Rahmen der Tätigkeit des Fachmanns liege, am Markt vorhandene Farbstoffe mit Gelb- oder Orangetönen, wie die der Typen mit den allgemeinen Formeln (II) und (IV) mit dem Farbstoff (I) abzumischen und zu testen, um vorteilhafte, schwarze Reaktivfarbstoff-Zusammensetzungen zu erhalten. Sämtliche beim geltenden Patentbegehren eingesetzten Farbstoffe seien gängige Farbstoffe. Alle gäbe es auf dem Markt. Diese zu mischen sei naheliegend.

Die Patentinhaberin erklärt die Teilung. Weiter erklärt sie:

"Für den Fall der Unwirksamkeit der Teilungserklärung verzichte ich auf den abgetrennten Teil.

Gegenstand der Teilanmeldung soll der heute in der mündlichen Verhandlung eingereichte Anspruchssatz sein."

Damit sind die Ausführungsformen Gegenstand der Trennanmeldung, die als Komponente c) mindestens einen Monoazo-Reaktivfarbstoff der Formel (III) gemäß patentiertem Anspruch 1 enthalten.

Die Patentinhaberin stellt den Antrag, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und das Patent mit folgenden Unterlagen beschränkt aufrechtzuerhalten, Patentansprüche 1-5, Beschreibung S 2-9, jeweils überreicht in der mündlichen Verhandlung.

Die Einsprechende stellt den Antrag, die Beschwerde zurückzuweisen.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten verwiesen.

II Die Beschwerde der Patentinhaberin ist zulässig (PatG § 73). Sie führt nach Beschränkung des Patentgegenstands auch zum Erfolg.

Bezüglich ausreichender Offenbarung der Gegenstände der Patentansprüche 1 bis 5 bestehen keine Bedenken, da deren Merkmale sowohl aus den ursprünglich eingereichten Unterlagen (vgl die ursprünglichen Ansprüche 1, 3, 4, 6 und 8 bis 10) als auch aus der deutschen Patentschrift DE 196 20 415 C2 (vgl die Ansprüche 1, 3, 4 und 6 bis 8) zu entnehmen bzw daraus herleitbar sind.

Auch die Neuheit der Reaktivfarbstoff-Zusammensetzung nach geltendem Patentanspruch 1 ist anzuerkennen:

Im Einspruchs- und Einspruchsbeschwerdeverfahren wurden vier Druckschriften genannt:

Eine von diesen, nämlich die Literaturstelle "D.M. Lewis, S.M. Smith, Dyes and Pigments, Vol 29 (1995), No 4, Seiten 275 bis 294 (3)" ist als nachveröffentlicht zu betrachten, weil der Nachweis einer Veröffentlichung vor dem Prioritätstag des Streitpatents nicht zu erbringen war. Sie spielt daher im Verfahren keine Rolle mehr.

Druckschrift KR 94-2560 B1 (1) liegt im Original und in englischsprachiger Übersetzung vor; die Zitierungen beziehen sich auf die Übersetzung.

Diese Übersetzung enthält eine Reihe von offensichtlichen Fehlern und auch Ungereimtheiten, die nach den Ausführungen der Abteilung im Einspruchsbeschluss den Fachmann aber nicht hindern, die in ihr patentierte technische Lehre zu verstehen und auch nachzuvollziehen (vgl dazu S 6 Abs 2 des Beschlusses). Diese Auffassung macht sich der Senat zu eigen.

Die Literaturstelle (1) betrifft demnach eine Reaktivfarbstoff-Zusammensetzung aus drei Komponenten, von denen zwei den streitpatentgemäßen Komponenten (I) und (II) entsprechen (vgl S 2, erstes und drittes Formelbild). Die dritte Komponente nach (1) enthält aber zwingend ein diazotiertes Diaminobenzolsulfonat, wohingegen in der streitpatentgemäßen Zusammensetzung mit einer Substanz nach Formelbild (IV) ein diazotiertes Hydroxypyrazolderivat als dritte Komponente vorliegt.

Die Druckschrift "Falbe, J.; Regitz, M.: Römpp Chemie Lexikon; neunte, erw. u. neubearb. Aufl. Stuttgart: New York: Thieme, 1992, Bd 5, S 3804, Stichwort "Reaktivanker" (2) betrifft lediglich allgemeine technologische Ausführungen zu Reaktivfarbstoffen und enthält keine konkreten Reaktivfarbstoff-Zusammensetzungen, so dass ihr gegenüber die Neuheit des beanspruchten Patentgegenstands schon von daher gegeben ist.

In "Technische Dienste-Information der Hoechst AG, "¨Remazol- und ¨Solidazol P-Farbstoffe im Textildruck", März 1993, S 15-21" (4) sind zwar zwei schwarze Reaktivfarbstoff-Zusammensetzungen genannt (vgl S 17 unten), eine chemische Ähnlichkeit zum Gegenstand des Streitpatents wurde aber nicht geltend gemacht und ist aus den zitierten Handelsnamen auch nicht ersichtlich.

Die Zusammensetzung gemäß Patentanspruch 1 beruht auch auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Als Aufgabe ist die Verbesserung von schwarzen Reaktivfarbstoff-Zusammensetzungen hinsichtlich der Eignung für verschiedene Färbeverfahren insbesondere für den Ätzdruck und hinsichtlich der Färbebeschaffenheit zu betrachten (Streitpatent S 2 iVm S 3 Z 16-20). Zu lösen hat sie ein Chemiker mit Erfahrung auf dem Gebiet der Reaktivfarbstoffe.

Weder in (1) alleine, noch in Zusammenschau mit (2) oder (4) findet er eine Anregung, zur Herstellung einer die Aufgabe lösenden schwarzen Reaktivfarbstoff-Zusammensetzung mit zwei Komponenten der Strukturen nach den Formeln (I) und (II) des geltenden Patentanspruchs 1 eine dritte auf Basis eines diazotierten Hydroxypyrazolderivats einzusetzen.

Das grundsätzliche Vorgehen, zu Reaktivfarbstoffen der Formel (I) andere Reaktivfarbstoffe mit Orange- und Gelbtönen beizumischen, um wirklich tiefschwarze Reaktivfarbstoff-Zusammensetzungen zu erhalten, mag zwar bekannt gewesen sein, aber bei Fehlen eines konkreten Hinweises auf Strukturen nach (IV) bedurfte es - gemessen am Gesamtmarkt der Reaktivfarbstoffe - einer erfinderischen Leistung, gerade die streitpatentgemäße Mischung zur Lösung der gestellten Aufgabe vorzusehen.

Nach alledem ist der Gegenstand des Patentanspruchs 1 patentfähig.

Das gleiche gilt für die weiteren, auf den Patentanspruch 1 rückbezogenen Ansprüche, welche bevorzugte, nicht selbstverständliche Ausführungsformen des Patentgegenstands betreffen.

Kahr Jordan Klante Kellner Pü






BPatG:
Beschluss v. 19.09.2002
Az: 15 W (pat) 36/01


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