Verwaltungsgericht Würzburg:
Beschluss vom 24. April 2013
Aktenzeichen: W 5 S 13.347
(VG Würzburg: Beschluss v. 24.04.2013, Az.: W 5 S 13.347)
Tenor
I. Die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers vom 24. April 2013 gegen Nrn. 1, 2.3, 2.5, 2.13 Hinweis Satz 3 (soweit die Einhaltung eines Immissionsrichtwerts von 70 dB(A) am nächsten Einwirkungsort vorgeschrieben wird), 2.23 (soweit im Klammerzusatz Fahnen mit dem Symbol der €schwarzen Sonne€ untersagt werden), 2.35 und 2.36 des Bescheids der Stadt Würzburg vom 18. April 2013 wird angeordnet.
Im Übrigen wird der Antrag mit der Maßgabe abgelehnt, dass sich die Regelung in Nr. 2.14 Satz 2 des Bescheids vom 18. April 2013 ausschließlich auf ein in Bewegung befindliches Fahrzeug bezieht.
II. Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 2.500,- EUR festgesetzt.
Gründe
1.
Das Verbot der Versammlung in Nr. 1 des angegriffenen Bescheides vom 18. April 2013 lässt sich nicht auf der Grundlage des Art. 15 Abs. 1 BayVersG rechtfertigen.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts kommen Versammlungsverbote nur zum Schutz elementarer Rechtsgüter in Betracht. Eine bloße Gefährdung der öffentlichen Ordnung, das heißt von ungeschriebenen Regeln, deren Befolgung nach den jeweils herrschenden sozialen und ethischen Anschauungen als unerlässliche Voraussetzung eines geordneten menschlichen Zusammenlebens innerhalb eines bestimmten Gebiets angesehen wird, rechtfertigt demgegenüber im Allgemeinen ein Versammlungsverbot nicht (BVerfG, B.v. 19.12.2007 Nr. 1 BvR 2793/04, NVwZ 2008, 671). Die Versammlungsfreiheit ist für eine freiheitlich demokratische Staatsordnung konstituierend und wird im Vertrauen auf die Kraft der freien öffentlichen Auseinandersetzung grundsätzlich auch den Gegnern der Freiheit gewährt (st. Rspr. des BVerfG, zuletzt B.v. 20.12.2012 Nr. 1 BvR 2794/10, DVBl. 2013, 267, m.w.N.).
Der Begriff der öffentlichen Sicherheit umfasst den Schutz zentraler Rechtsgüter wie Leben, Gesundheit, Freiheit, Ehre, Eigentum und Vermögen des Einzelnen sowie die Unversehrtheit der Rechtsordnung und der staatlichen Einrichtungen. Dabei wird in der Regel eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit angenommen, wenn eine strafbare Verletzung dieser Schutzgüter droht (BVerfG, B.v. 07.04.2001 Nr. 1 BvQ 17/01, Nr. 1 BvQ 18/01, NJW 2001, 2072).
Wegen der grundlegenden Bedeutung der Versammlungsfreiheit gelten strenge Anforderungen für die versammlungsrechtliche Gefahrenprognose. Die mit der Formulierung der €erkennbaren Umstände" bezeichnete Prognosebasis setzt tatsächliche Anhaltspunkte bzw. nachweisbare Tatsachen voraus, bloße Verdachtsmomente und Vermutungen reichen nicht (BVerfG, B.v. 26.01.2001 Nr. 1 BvQ 8/01, NJW 2001, 1407). Der Prognosemaßstab der €unmittelbaren Gefährdung" erfordert, dass der Eintritt eines Schadens für die Schutzgüter der öffentlichen Sicherheit mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist. Notwendig ist dabei immer ein hinreichend konkreter Bezug der Erkenntnisse oder Tatsachen zu der nun geplanten Veranstaltung. Die materielle Beweislast für das Vorliegen von Verbotsgründen liegt bei der Behörde (BVerfG, B.v. 01.05.2001 Nr. 1 BvQ 21/01, NJW 2001, 2078). Nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit setzt das Verbot einer Versammlung als Ultima Ratio in jedem Fall voraus, dass das mildere Mittel der Erteilung von Auflagen ausgeschöpft ist (BVerfG, B.v. 05.09.2003 Nr. 1 BvQ 32/03, NVwZ 2004, 90).
Ausgehend hiervon erweist sich das Versammlungsverbot vorliegend als erkennbar rechtswidrig.
Verkehrsbeeinträchtigungen, Beeinträchtigungen von Passanten, Anliegern und Gewerbetreibenden, Lärmbelästigungen und dergleichen sind der Versammlung und dem Demonstrationszug immanent und grundsätzlich hinzunehmen (vgl. Dietel/Gintzel/Kniesel, Versammlungsgesetz, 16. Aufl., RdNr. 188 zu § 15).
Nicht gerechtfertigt werden kann das Verbot mit den Sicherheitsbedenken der Antragsgegnerin bezüglich der vom Antragsteller angemeldeten Aufzugsstrecke. Insofern kommt anstatt eines Totalverbots jedenfalls als milderes Mittel eine Änderung der geplanten Wegstrecke in Betracht.
Auch die von der Antragsgegnerin besorgte Gefahr von Auseinandersetzungen und Ausschreitungen trägt das Verbot nicht. Die diesbezüglichen Befürchtungen der Antragsgegnerin sind spekulativ. Dass Ausschreitungen und Straftaten (wie die Antragsgegnerin ausführt) nicht oder €nicht endgültig ausgeschlossen werden€ können, rechtfertigt ein Versammlungsverbot nicht. Durchgreifende Anhaltspunkte für die Annahme, dass die Polizei nicht in der Lage wäre, etwaige Konfrontationen mit Dritten zu verhindern, erkennt die Kammer unter Berücksichtigung der Gefahrenprognose des Polizeipräsidiums Unterfranken (Stand 24.4.2013) nicht. Als Grundlage der versammlungsbehördlichen Gefahreneinschätzung sind aber konkrete und nachvollziehbare tatsächliche Anhaltspunkte erforderlich. Gegen die friedliche Versammlung selbst kann nur unter den besonderen Voraussetzungen des polizeilichen Notstandes eingeschritten werden (BVerfG, B.v. 20.12.2012, a.a.O.). Dies setzt voraus, dass die Versammlungsbehörde und die Polizei mit hinreichender Wahrscheinlichkeit andernfalls wegen der Erfüllung vorrangiger staatlicher Aufgaben und trotz des Bemühens, gegebenenfalls externe Polizeikräfte hinzuzuziehen, zum Schutz der angemeldeten Versammlung nicht in der Lage wären. Dies erscheint hier eher fernliegend.
Abgesehen davon sind über bloße Vermutungen hinausgehende Annahmen zu unfriedlichem Verhalten von Teilnehmern der angemeldeten Versammlung nicht zu erkennen. Soweit sich der Veranstalter und die Versammlungsteilnehmer grundsätzlich friedlich verhalten und Störungen der öffentlichen Sicherheit vorwiegend aufgrund des Verhaltens Dritter zu befürchten sind, ist die Durchführung der Versammlung zu schützen. Behördliche Maßnahmen sind dann primär gegen die Störer zu richten (BVerfG, B.v. 20.12.2012, a.a.O., m.w.N.). Dies gilt auch und gerade bei Blockadeaktionen gegen die Versammlung. Vorliegend sind nach den behördlichen Prognosen Gewalttätigkeiten ausschließlich von Gegendemonstranten zu erwarten.
Nach alledem reichen die von der Antragsgegnerin angeführten Gründe, sowohl für sich betrachtet als auch bei Zusammenschau, nicht für ein Versammlungsverbot nach Art. 15 Abs. 1 BayVersG aus.
Auch die Verbotsvoraussetzungen des Art. 15 Abs. 2 Nr. 1 BayVersG liegen nicht vor. Der 1. Mai ist evident kein Tag, dem ein an die nationalsozialistische Gewalt- und Willkürherrschaft erinnernder Sinngehalt mit gewichtiger Symbolkraft zukommt. Geschützt von der Vorschrift sind nur Tage, an denen während des NS-Regimes gewichtige Ereignisse stattgefunden haben, die diesen noch heute bekannte historische Bedeutung verleihen. Dies trifft auf den 1. Mai nicht zu, der im Allgemeinen als €Tag der Arbeit", €Maifeiertag" oder €Tag der Arbeiterbewegung" und nicht als ein speziell der Erinnerung an das Unrecht des Nationalsozialismus und den Holocaust dienender Tag oder ein vergleichbarer Gedenktag verstanden wird ( VGH Baden-Württemberg, B.v. 30.04.2002 Nr. 1 S 1050/02; OVG Rheinland-Pfalz, B.v. 29.04.2009 Nr. 7 B 10414/09).
2.
Nr. 2.3 des Bescheides verstößt gegen das Selbstbestimmungsrecht des Veranstalters. Der Veranstalter einer Versammlung gibt deren zeitlichen Rahmen vor, er bestimmt grundsätzlich über den Zeitpunkt und die Dauer der Versammlung (vgl. VG Würzburg, U. v. 14.3.2013 Nr. W 5 K 12.322). Die Einschätzung der Versammlungsbehörde, die von ihr vorgegebene Zeit sei €ausreichend für den Fußmarsch und die Kundgebung und ermöglicht genügend Zeit für die Aktionen des Bündnisses€, verkennt die Reichweite des Selbstbestimmungsrechts des Veranstalters (vgl. im Einzelnen Ridder/Breitbach/Rühl/Steinmeier, Versammlungsrecht, Rdnr. 190 zu § 15 VersG). Die von der Versammlungsbehörde zur weiteren Begründung herangezogene befürchtete Erschwernis der Durchsetzung polizeilicher Maßnahmen und die besorgte Erhöhung des Gefährdungsrisikos rechtfertigen nach Aktenlage die zeitliche Limitierung der Versammlung nicht. Auch in der Antragserwiderung vermag die Antragsgegnerin nicht ausreichend darzulegen, warum eine zeitliche Beschränkung das einzige Mittel der Wahl zur Gefahrenabwehr sein soll. Der vom Veranstalter vorgesehene Zeitrahmen trägt gerade den von der Versammlungsbehörde befürchteten Gewalteinwirkungen und Blockadeaktionen der Gegendemonstranten Rechnung.
3.
Nr. 2.5 des Bescheides ist voraussichtlich rechtswidrig. Die Auflage geht über die Verpflichtungen hinaus, die in Art. 4 BayVersG dem Leiter einer Versammlung auferlegt werden. Nach dem Sinn und Wortlaut des Bayerischen Versammlungsgesetzes besteht für den Versammlungsleiter lediglich eine Pflicht zur Anwesenheit (und damit wohl auch Erreichbarkeit), wobei nach der Gesetzesbegründung (vgl. LT-Drs. 16/1270) keine ständige Anwesenheit erforderlich ist. Es besteht auch keine gesetzliche Verpflichtung, sich beim Einsatzleiter der Polizei zu melden und diesem als Ansprechpartner stets zur Verfügung zu stehen (VG Bayreuth, U.v. 31.7.2012 Nr. B 1 K 12.138). Eine Rechtspflicht, ein Handy eingeschaltet mitzuführen (bzw. überhaupt ein solches zu besitzen), existiert nicht (VG Bayreuth, a.a.O.).
Die streitgegenständliche Auflage geht damit über die gesetzlichen Aufgaben der Versammlungsleitung hinaus, ohne dass hierfür eine konkrete Begründung im Bescheid enthalten ist oder erkennbar ist, aus welchen Gründen nach pflichtgemäßem Ermessen die jeweilige Verpflichtung erforderlich wäre. Sie legt dem Antragsteller im Bayerischen Versammlungsgesetz nicht vorgesehene Handlungspflichten auf. Es mag sein, dass die als Auflagen formulierten Handlungsweisen sich in der Vergangenheit bei anderen Versammlungen als zweckmäßig (oder aus polizeilicher Erfahrung heraus als wünschenswert) herausgestellt haben. Nach Auffassung des Gerichts spricht auch nichts dagegen, wenn eine Versammlungsleitung diesen Erfahrungen folgt; eine verständige und verantwortungsbewusste Versammlungsleitung sollte sicherlich in vergleichbarem Umfang kooperationsbereit sein. Allerdings kann es sich vor dem Hintergrund des Grundrechts auf Versammlungs- und Meinungsfreiheit grundsätzlich nur um Anregungen handeln, nicht um vollziehbare Auflagen. Es muss der Entscheidung der betreffenden Versammlungsleitung selbst überlassen bleiben, ob und in welchem Umfang sie mit der Polizei kooperieren will und kooperieren kann (vgl. VG Bayreuth, a.a.O.). Davon abgesehen hat die Kammer angesichts der zu erwartenden Lautstärke und Hektik der Versammlung bzw. der Gegendemonstranten erhebliche Zweifel, ob eine Auflage, dass die Versammlungsleitung während der gesamten Versammlung über Handy erreichbar sein muss, zur Sicherstellung der Kommunikation zwischen Polizei und Versammlungsleitung überhaupt geeignet ist.
4.
Die Lautstärkebegrenzung auf 70 dB(A) am nächsten Einwirkungsort in Nr. 2.13 des Bescheids genügt nicht dem Erfordernis der Bestimmtheit von Verwaltungsakten (Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG). Einerseits ist bei summarischer Prüfung nicht erkennbar, ob hiermit eine verbindliche Regelung getroffen wird, wovon die Antragsgegnerin ausweislich der Antragserwiderung aber offenbar ausgeht, oder ob es sich entsprechend der Überschrift des Absatzes um einen unverbindlichen Hinweis handeln soll. Andererseits genügt die Bestimmung auch inhaltlich nicht den Bestimmtheitsanforderungen. Zwar kann die zuständige Versammlungsbehörde grundsätzlich im Hinblick auf nicht mehr hinnehmbare Lärmbelästigungen Dritter die Lautsprecherlautstärke auf einen Maximalpegel festlegen (vgl. zu Beispielen aus der Rechtsprechung OVG Lüneburg, B.v. 10.11.2010 Nr. 11 LA 298/10; OVG Sachsen-Anhalt, B.v. 13.02.2012 Nr. 3 L 257/10; VG Regensburg, B.v. 15.06.2007 Nr. RO 7 S 07.862). Voraussetzung ist allerdings, dass für den Versammlungsleiter erkennbar ist, wie der Lautstärkepegel zu bemessen ist. Insbesondere ist darzulegen, ob es sich um einen Mittelungspegel, einen Spitzenpegel oder einen Dauerschallpegel handeln soll. Fehlen solche Angaben, ist die Auflage zu unbestimmt (Merk/Wächtler in Wächtler/Heinhold/Merk, BayVersG, Rdnr. 104 zu Art. 15). Bei Lärmbeschränkungen ist im Übrigen Zurückhaltung geboten (Heinhold, a.a.O., RdNr. 86 zu Art. 1; OLG Celle, B.v. 9.12.1976 Nr. 2 Ss (OWi) 388/76, NJW 77, 444; vgl. zu alledem VG Würzburg, U. v. 25.10.2012 Nr. W 5 K 12.54). Die Belange der Versammlung müssen gewährleistet bleiben und gehen im Zweifel anderen Erwägungen vor (Heinhold, a.a.O.). Überdies ist die Lärmentwicklung von Gegendemonstrationen zu berücksichtigen.
5.
Soweit in Nr. 2.23 des Bescheids Fahnen mit dem Symbol der €schwarzen Sonne€ untersagt werden, ist diese Auflage nach summarischer Prüfung voraussichtlich rechtswidrig. Zur Frage des Mitführens von Fahnen hat sich die Kammer bereits im Beschluss vom 29.3.2013 Nr. W 5 S 13.264 ausführlich geäußert. Die Parteien dieses Verfahrens sind mit dem vorliegenden Verfahren identisch. Auch für das Verbot des Mitführens von Fahnen mit schwarzer Sonne gibt es keine Rechtsgrundlage (vgl. auch VG Augsburg, U. v. 4.4.2007 Nr. Au 4 K 06.1058; VG Gießen, B. v. 16.4.2010 Nr. 9 L 867/10.GI).
6.
Für die Untersagung € jeglichen Verkaufs von Merchandising-Artikeln etc. am 1. Mai€ in Nr. 2.35 findet sich keine Begründung im Bescheid. Welche Rechtsgrundlage die Antragsgegnerin für ein Verkaufsverbot heranziehen wollte, bleibt folglich unklar. In Betracht käme ggf. das Straßen- und Wegerecht oder das Ladenschlussgesetz. Davon abgesehen ist die Auflage aber auch wegen fehlender Bestimmtheit unwirksam, da nicht feststeht, auf welche Art von Artikeln sich das Verkaufsverbot bezieht.
Zudem dürfte das umfassende Verbot des Verkaufs von Merchandisingartikeln, jedenfalls soweit diese auf Selbstkostenbasis angeboten werden, in Nr. 2.35 rechtswidrig sein. So ist etwa der Zeitungs- und Broschürenvertrieb im Rahmen von Versammlungen erlaubnisfrei. Bei Versammlungsbezug gilt auch das Ladenschlussgesetz nicht (Ridder/Breitbach/Rühl/Steinmeier, Versammlungsrecht, Rdnr. 231 zu § 15 VersG). Der Verkauf von Druckerzeugnissen, Broschüren und dergleichen, die Bezug zum Kundgebungsthema haben, kann nach Art. 15 BayVersG nicht verboten werden (VG München, B.v. 10.12.1982 Nr. M 5722 VII/82; Dietel/Gintzel/Kniesel, Versammlungsgesetz, Rdnr. 50 zu § 15; Köhler/Dürig-Friedl, Demonstrations- und Versammlungsrecht, Rdnr. 17 zu § 15 VersG). Nichts anderes kann für themenbezogene Flugblätter, Sticker oder T-Shirts gelten.
7.
Die generelle Untersagung der Ausgabe von Speisen und Getränken auf öffentlichen Flächen in Nr. 2.36 des angegriffenen Bescheids ist voraussichtlich ebenfalls rechtswidrig. Versammlungsrechtlich zulässig und vom Versammlungsrecht geschützt ist zwar nur, was notwendiger Bestandteil der Versammlung ist und der Durchsetzung des für die demokratische Willensbildung geradezu konstituierenden und unabdingbaren Inhaltes der Versammlungsfreiheit dient (VG Würzburg, B. v. 19. April 2012 Nr. W 5 S 12.326, m.w.N.). Die Erfordernisse sind eng zu fassen (VG Würzburg, a.a.O.). Betätigungen, die der demokratischen Meinungsbildung nicht wesensimmanent sind, werden nicht vom Versammlungsrecht geschützt, sondern von dem jeweils einschlägigen und einschränkbaren Freiheitsrecht (VG Stuttgart, B. v. 23.8.2006 Nr. 5 K 3128/06; Kanther, Zur Infrastruktur von Versammlungen: Vom Imbissstand bis zum Toilettenwagen, NJW 01, 1239). Die Abgabe von Speisen und Getränken hat regelmäßig keinen funktionalen Bezug zu der angemeldeten Versammlung. In Anbetracht der Umstände der Versammlung des Antragstellers kommt dem Reichen einfacher Verpflegung aber vorliegend ausnahmsweise doch eine funktionale Bedeutung zu (vgl. Dietel/Gintzel/Kniesel, Versammlungsgesetz, 16. Aufl., Rdnr. 60 zu § 1). Der Aufzug soll in einer Art Korridor erfolgen. Den Teilnehmern ist es voraussichtlich nur schwer möglich, ohne Angebot in der Versammlung eine Versorgung mit Wasser und einfachen Speisen sicherzustellen, die aber eine Grundvoraussetzung der physischen Präsenz ist. Ohne die Zurverfügungstellung einfacher Speisen kann die Versammlung voraussichtlich nicht wirkungsvoll durchgeführt werden. Die Versammlungsteilnehmer haben aufgrund der tatsächlichen örtlichen Situation (Absperrgitter, Gegendemonstranten) keine Gelegenheit, unter kurzfristigem Verlassen der Versammlung ihre aufgrund der Anreisezeit und der Dauer der Versammlung sich ergebenden Grundverpflegungsbedürfnisse zu befriedigen, ohne dass der eigentliche Versammlungszweck dadurch beeinträchtigt würde.
8.
Die in Nr. 2.11 des angegriffenen Bescheides verfügte Anzahl der einzusetzenden Ordner ist bei summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage nicht zu beanstanden. Zwar ist nach der Rechtsprechung des BayVGH, der die Kammer folgt (vgl. U. v. 14.3.2013, a.a.O.), grundsätzlich ein Ordner pro angefangene 25 Teilnehmer als ausreichend anzusehen (vgl. B.v. 23.10.2008 Nr. 10 ZB 07.2665; vgl. auch Merk/Wächtler in Wächtler/Heinhold/Merk, Bayerisches Versammlungsgesetz, RdNr. 104 aE zu Art. 15). Vorliegend rechtfertigen aber besondere Umstände die Verpflichtung zum Einsatz einer größeren Zahl von Ordnern. Der Antragsteller erwartet ausweislich seiner Anmeldung ca. 300 Versammlungsteilnehmer. Die Aufzugsstrecke ist relativ lang. Es ist mit einer großen Anzahl von Gegendemonstranten und der Versammlung ablehnend gegenüberstehenden Dritten zu rechnen, von denen jeweils nach Aktenlage ein erhebliches Gewaltpotential ausgeht. Durch das Mitführen eines Kraftfahrzeugs (Lautsprecherwagen) im Aufzug schafft der Antragsteller zudem eine besondere zusätzliche Gefahrenquelle. Die von der Versammlung durch diese Umstände ausgehenden und auf diese einwirkenden Gefahren für die öffentliche Sicherheit liegen auf der Hand und rechtfertigen die im Übrigen nicht sehr weitreichende Erhöhung der Ordnerzahl gegenüber der sonst für eine Demonstration dieser Größenordnung angezeigten Ordnerzahl. Die Voraussetzungen des Art. 13 Abs. 7 BayVersG liegen deshalb vor. Die von der Antragsgegnerin vorgesehene Zahl der Ordner hält sich in Anbetracht der Umstände im Rahmen des Verhältnismäßigen (vgl. zu dieser Problematik VG Würzburg, U. v. 25.10.2012 Nr. W 5 K 12.54, B. v. 16.12.2011 Nr. W 5 S 11.1023).
Die Beschränkung in Nr. 2.11 des angegriffenen Bescheides, der zufolge die Ordner vom Versammlungsleiter vor Beginn der Versammlung in Anwesenheit der Polizei über ihre Rechte und Pflichten belehrt und dazu angehalten werden müssen, gegen Störer in angemessener Weise einzuschreiten, begegnet keinen durchgreifenden Bedenken (vgl. BayVGH, B. v. 2.7.2012 Nr. 10 CS 12.1419, BayVBl 2012, 756; VG Würzburg, B. v. 19.6.2012 Nr. W 5 S 12.494).
9.
Die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der gegen Nr. 2.14 Satz 2 des angegriffenen Bescheids gerichteten Klage wird mit der Maßgabe abgelehnt, dass sich die Regelung ausschließlich auf ein in Bewegung befindliches Fahrzeug bezieht. Der Bescheid geht zurecht davon aus, dass der Lautsprecherwagen in der Demonstration mitfährt. Dann liegt es auf der Hand, dass sich in seiner näheren Umgebung keine Versammlungsteilnehmer aufhalten dürfen, während sich das Fahrzeug fortbewegt (vgl. VG Würzburg, B.v. 16.12.2011 Nr. W 5 S 11.1023).
10.
Nr. 2.16 ist voraussichtlich nicht zu beanstanden. Nr. 2.17 und Nr. 2.16 ergänzen sich. Verhindert werden soll, dass die Umstände des Demonstrationszuges diesem ein einschüchterndes, aggressives und an die nationalsozialistische Gewaltherrschaft erinnerndes Gepräge verleihen. Aufmärsche mit paramilitärischen oder in vergleichbarer Weise aggressiven und einschüchternden Begleitumständen werden nicht durch Art. 8 GG geschützt (BVerfG, B.v. 2.9.2003, NVwZ 2004, 90). Die Regelungen stellen sicher, dass € etwa in Verbindung mit dem recht weitreichenden Einsatz der vom Antragsteller vorgesehenen Fahnen € keine Veranstaltung mit paramilitärischem Gesamteindruck entsteht (vgl. Dietel/Gintzel/Kniesel, Versammlungsgesetz, Rdnr. 49 zu § 15; OVG Weimar, B. v. 3.9.1999, Nr. 3 ZEO 669/99 DVBl. 1999, 1754; BVerfG, EA v. 14.7.2000 Nr. 1 BvR 1245/00, NJW 2000, 3051). Sie erscheinen insgesamt moderat. Das Mitführen und die Verwendung von Trommeln wurden nicht untersagt. Die Trommeln dürfen nur keinen Marschtakt erzeugen.
11.
Das Verbot der Verwendung sog. Knüppelfahnen (Nr. 2.21 des Bescheides) begegnet keinen Bedenken. Fahnen, deren Stangen als Knüppel oder sonstige Waffe genutzt werden können, haben auf einer Versammlung nichts verloren (vgl. bereits VG Würzburg, B. v. 29.3.2013 Nr. W 5 S 13.264). Es erscheint grundsätzlich aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung sachgerecht, die Länge und Stärke von Stangen, die bei einer Versammlung mitgeführt werden, zu regeln (BayVGH, B. v. 9.12.2005 Nr. 24 CS 05.3215). Andernfalls besteht die Gefahr, dass Gegenstände mitgeführt werden, die, ohne dass dies für Zwecke der Versammlung erforderlich wäre, als Waffen genutzt und herangezogen werden können. Art. 15 BayVersG erlaubt es, solche Gefahren abzuwehren (BayVGH, a.a.O.). Die Einschränkung der Versammlungsteilnehmer ist im Übrigen auch hier marginal.
12.
Das in Nr. 2.34 des angegriffenen Bescheides geregelte Verbot des Fotografierens von Gegendemonstranten und unbeteiligten Dritten ist voraussichtlich gleichfalls nicht zu beanstanden (VG Würzburg, B. v. 29.3.2013 Nr. W 5 S 13.264; vgl. Ullrich, Typische Rechtsfragen bei Demonstrationen und Gegendemonstrationen/Gegenaktionen, DVBl. 2012, 666). Grundsätzlich dürfen zwar nach § 23 Abs. 1 Nr. 2 KunstUrhG Bilder von Versammlungen, Aufzügen und ähnlichen Vorgängen, an denen die dargestellten Personen teilgenommen haben, ohne die nach § 22 KunstUrhG erforderliche Erlaubnis verbreitet und zur Schau gestellt und damit auch gefertigt werden. Dies gilt aber nicht uneingeschränkt. Etwas anderes gilt schon für die Abbildung einzelner oder mehrerer Individuen (OLG Frankfurt, U. v. 15.6.2004 Nr.11 U 5/04; OLG München, U.v. 13.11.1987 Nr. 21 U 2979/87, NJW 88, 915). Der BayVGH hält ein Fotografierverbot im Wege der versammlungsrechtlichen Auflage für rechtlich denkbar (U. v. 9.10.2007 Nr. 24 B 06.3067). Vorliegend ist es Ziel des Fotografierverbots, zu verhindern, dass durch Individualisierung von Gegendemonstranten und Passanten eine einschüchternde Wirkung erzielt wird. Das ist bei summarischer Prüfung nicht zu beanstanden. Zudem ist es nicht Sache der Versammlungsteilnehmer, sondern der Polizei, Straftaten Dritter zu dokumentieren. Auch die im Antragsschriftsatz aufgeführten Interessen sind versammlungsrechtlich nicht geschützt (VG Würzburg, a.a.O.).
13.
Die Kosten des Verfahrens hat die deutlich überwiegend unterlegene Antragsgegnerin zu tragen (§ 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO). Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2 und § 63 Abs. 2 GKG.
VG Würzburg:
Beschluss v. 24.04.2013
Az: W 5 S 13.347
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