Oberlandesgericht Hamm:
Urteil vom 23. Oktober 2012
Aktenzeichen: I-4 U 134/12
(OLG Hamm: Urteil v. 23.10.2012, Az.: I-4 U 134/12)
Zur Frage, ob und wann ein Zahlungsanspruch statt eines Freistellungsanspruchs hinsichtlich anwaltlicher Abmahnkosten ohne vorherige Tilgung derselben bestehen kann
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das am 30. Mai 2012 verkündete Urteil der 2. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Essen abgeändert.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger die durch die Abmahnung vom 09.09.2011 entstandenen Kosten in Höhe von 924,40 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 23.09.2011 zu zahlen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar
Gründe
A.
Der Kläger verkauft gewerblich auf der Internetplattform eBay unter der Bezeichnung „H“ u.a. Haushaltsartikel (Anlage FN1 zur Klageschrift vom 19.10.2010/Bl. 9ff. d.A.). Die Beklagte verkauft ebenfalls auf der Internetplattform eBay unter „F“ im gewerblichen Umfang identische Waren.
Der Kläger erteilte seinem jetzigen Prozessbevollmächtigten mit E-Mail vom 08.09.2011 (Anlage FN7 zum Schriftsatz vom 28.12.2011/Bl. 67 d.A.) den Auftrag, den Internetauftritt der Beklagten zu prüfen und diese gegebenenfalls abzumahnen.
Der Kläger mahnte die Beklagte mit Schreiben vom 09.09.2011 (Anlage FN3 zur Klageschrift vom 19.10.2011/Bl.23 ff.d.A.) ab. Er beanstandete, dass sich im Angebot der Beklagten kein Hinweis gemäß § 355 Abs. 1 BGB auf das dem Verbraucher zustehende Widerrufsrecht finde, dass im Impressum keine Angabe zum Registergericht gemacht und schließlich nicht gemäß §§ 312c Abs. 2 und 312e BGB i.V.m. Art. 246 § 3 Nr. 2 EGBGB darüber informiert werde, ob der Vertragstext nach Vertragsschluss gespeichert werde und dem Kunden zugänglich sei. Gleichzeitig forderte er die Beklagte zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung bis zum 15.09.2011 und zur Überweisung der für die Abmahnung entstandenen anwaltlichen Kosten in Höhe von 924,40 € bis zum 22.09.2011 „auf das angegebene Konto“ auf.
Hierüber erteilte der Prozessbevollmächtigte des Klägers diesem am 15.09.2011 eine Rechnung. Wegen der Einzelheiten dieser Rechnung wird auf die als Anlage zum Schriftsatz vom 07.03.2012 (Bl. 108 d.A.) zu den Akten gereichte Kopie derselben Bezug genommen.
Mit anwaltlichem Schreiben vom 16.09.2011 (Anlage FN4 zur Klageschrift vom 19.10.2011/Bl.29ff.d.A.) wies die Beklagte die geltend gemachten Unterlassungsansprüche zurück. Gleichwohl gab sie eine strafbewehrte Unterlassungserklärung ab, die der Kläger mit anwaltlichem Schriftsatz vom selben Tag annahm.
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien erster Instanz einschließlich der Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
Der Kläger macht im Hinblick auf die allein im Streit befindliche Erstattung der Kosten der Abmahnung vom 09.09.2012 ausschließlich einen Zahlungsanspruch geltend. Er begehrt hingegen nicht, und zwar auch nicht hilfsweise die Freistellung von diesen Anwaltskosten.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und dies wie folgt begründet:
Die Klage sei unbegründet.
Denn dem Kläger stehe kein Anspruch gemäß § 12 Abs. 1 S. 2 UWG auf Zahlung der geltend gemachten Abmahnkosten zu.
Der Kläger habe nicht bewiesen, dass er eine entsprechene Aufwendung tatsächlich getätigt habe. Dies sei jedoch Voraussetzung für den Zahlungsanspruch. Denn die eindeutige Regelung des § 257 BGB sehe einen Freistellungsanspruch vor, wenn der Aufwand im Eingehen einer Verbindlichkeit bestehe. Eine analoge Anwendung des § 250 BGB komme mangels planwidriger Gesetzeslücke ebenso wenig in Betracht wie ein konkurrierender Schadensersatzanspruch, der im Hinblick auf Abmahnkosten ohnehin nur in Ausnahmefällen angenommen werden könne.
Der Kläger habe auch nicht bewiesen, dass die Gebührenforderung durch wirksame Aufrechnung erloschen sei. Die Vorlage des Schreibens der Klägervertreter vom 15.09.2011 rechtfertige nicht die Annahme, dass die hier fragliche Gebührenforderung mit einer wirksamen Aufrechnungserklärung zum Erlöschen gebracht worden sei. Es erscheine bereits fraglich, ob das vorgelegte Schreiben eine Aufrechnungserklärung oder lediglich die Geltendmachung eines Zurückbehaltungsrechtes darstelle. Jedenfalls komme dem Schreiben nur der in § 416 ZPO vorgesehene Beweiswert zu. Beweiskraft für die inhaltliche Richtigkeit messe das Gesetz einer privatschriftlichen Erklärung nicht zu. Da die Beklagte bestritten habe, dass der Erklärung reale Vorgänge zugrunde lägen, habe es dem Kläger oblegen, weiteren Beweis anzutreten. Allein aufgrund des Umstandes, dass der Klägervertreter eine solche Erklärung zu den Akten gereicht habe, vermöge die Kammer nicht auf die Richtigkeit derselben zu schließen. Dem Schreiben lasse sich ein so detaillierter und nachvollziehbarer Lebenssachverhalt, dass dessen Bestehen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit angenommen werden könne, nicht entnehmen. Eine generelle Beweisvermutung, dass schriftliche Erklärungen von Anwälten zutreffend seien, bestehe nicht. Die Beurteilung der Glaubwürdigkeit sei einzelfallbezogen und nicht berufsgruppenprivilegiert. Die Kammer verfüge über keine tragfähigen personenbezogenen Erkenntnisse aus anderen Verfahren, die hier Eingang in die Beweiswürdigung finden könnten.
Somit käme nur eine Verurteilung der Beklagten zur Freistellung in Betracht, die der Kläger allerdings ausdrücklich nicht begehre. Da eine Verurteilung zur Freistellung damit nicht als gewolltes „Minus“, sondern als nicht gewünschtes „Aliud“ anzusehen sei, stehe § 308 ZPO einer entsprechenden Verurteilung entgegen.
Hiergegen richtet sich der Kläger unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens mit der Berufung wie folgt:
Er habe nachgewiesen, dass er durch Fremdgeldverrechnung den gegen ihn bestehenden Zahlungsanspruch seiner Prozessbevollmächtigten aufgrund der ausgesprochenen Abmahnung erfüllt habe. Es sei ausdrücklich vorgetragen und dargelegt worden, dass der Brutto-Rechnungsbetrag für die Abmahnung der Beklagten dem Fremdgeldkonto zugunsten des Klägers bei dessen Prozessbevollmächtigten entnommen und auf den streitgegenständlichen Fall verrechnet worden sei. Hierbei sei sogar ausdrücklich der Hinweis auf das Insolvenzrisiko auf der Beklagtenseite sowie auf die Notwendigkeit der erfolgreichen Prozessführung erfolgt. Die Rechnung sei für ihn (den Kläger) zur Geltendmachung der Vorsteuer geeignet. In Anbetracht dessen könne kein Zweifel bestehen, dass er mit dem Nettobetrag von 924,40 € belastet worden sei. Für ihn sei unerheblich, ob er selbst eine entsprechende Anweisung tätige oder ob in der Kanzlei seines Prozessbevollmächtigten ein entsprechender Buchungsvorgang stattfinde, da dies für ihn wirtschaftlich zum selben Ergebnis führe.
Dass das Landgericht diese eindeutige Dokumentation nicht habe ausreichen lassen, sei unverständlich, zumal er (der Kläger) in der ersten mündlichen Verhandlung angehört und gleichermaßen wie sein anwesender Prozessbevollmächtigter eine „Bezahlung“ der Rechnung zu Protokoll erklärt habe. Zudem sei seitens seines Prozessbevollmächtigten schriftsätzlich deutlich gemacht worden, dass die Rechnung zutreffe. Jede andere Annahme unterstelle damit einen Prozessbetrug.
Es komme einer Ausforschung gleich, wenn er Auskunft geben müsse, welchem Vorgang das Fremdgeld entstamme. Es sei nicht ersichtlich, wieso es erheblich sei, wer ihm Geld schulde und welche Raten verrechnet würden. Auch im Falle einer Überweisung oder Barzahlung spiele es keine Rolle, woher das Geld stamme.
Es sei auch unverständlich, wieso der vom Aussteller unterschriebenen Rechnung ein geringerer Beweiswert zukommen solle als beispielsweise einem Kontoauszug. Tatsächlich sei der einzig wirklich belastbare Nachweis eine schriftliche Erklärung des Zahlungsempfängers. Denn nur dieser könne klar stellen, ob ihn das Geld erreicht und ob es so wie vom Rechnungsempfänger gewünscht verbucht worden sei.
Angesichts der eindeutigen Rechnung und der Stellungnahme seines Prozessbevollmächtigten sei klar gewesen, dass dieser auch keine andere Zeugenaussage getroffen hätte. Es gebe keinen Ansatz dafür, dem keinen Glauben zu schenken. Vorsorglich biete sich sein Prozessbevollmächtigter insoweit als Zeuge an.
Soweit das Landgericht im angefochtenen Urteil den Begriff der „Aufrechnung“ verwende, gehe es womöglich irrig davon aus, dass eine insoweit streitige Willenserklärung zu beweisen sei. Tatsächlich handele es sich jedoch um das Innenverhältnis zu seinem Prozessbevollmächtigten, das sie beide dargelegt hätten.
Wenn das Landgericht weiteren Beweis habe erheben wollen, hätte es eines Hinweises bedurft. Der gerichtliche Hinweis vom 19.04.2012 habe weitere Darlegungen und keine Beweisangebote erfordert.
Für das Bestehen eines Zahlungsanspruchs käme es auf den vorherigen Ausgleich der Abmahnkosten im Innenverhältnis rechtlich nicht an. Denn die Beklagte habe die Erfüllung der geltend gemachten Kostenforderung durch Zurückweisung der Abmahnung als unberechtigt sowie nochmals ausdrücklich durch Stellung des Klageabweisungsantrages verweigert. Dies führe dazu, dass der bestehende Freistellungsanspruch sich gemäß § 250 BGB unmittelbar in einen Zahlungsanspruch umgewandelt habe. § 250 BGB sei auch im Hinblick auf den Aufwendungsersatzanspruch gemäß § 12 Abs. 1 S. 2 UWG zu bejahen.
Der Kläger beantragt deshalb,
unter Abänderung des am 30.05.2012 verkündeten Urteils des Landgerichts Essen, Az.: 42 O 70/11 die Beklagte zu verurteilen, an ihn die durch die Abmahnung vom 09.09.2011 entstandenen Kosten in Höhe von 924,40 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 23.09.2011 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie trägt unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens vor:
Es sei gerade nicht zutreffend, dass es für die Berechtigung des Zahlungsanspruches des Klägers nicht darauf ankommen könne, ob die Anwaltskosten von diesem bezahlt oder der Anspruch auf Zahlung auf andere Weise erfüllt worden sei. Dem stehe die eindeutige Regelung des § 257 BGB entgegen.
Soweit die Rechtsprechung gelegentlich einen derartigen Zahlungsanspruch für berechtigt erachtet habe, sei dies im Wege des Schadensersatzes erfolgt. Insoweit könne aber nicht mehr als das verlangt werden, was als Schaden tatsächlich entstanden sei. Insoweit weist die Beklage auf ihren Vortrag hin, nach dem der Kläger grundsätzlich von Rechtsanwaltsgebühren der hier streitgegenständlichen Art freigestellt werde. Dieser Vortrag sei hinreichend substantiiert.
Dem stehe nicht entgegen, dass der Kläger ein Schreiben vom 15.09.2012 als „Zahlnachweis“ vorgelegt habe. Das Schreiben sei in sich nicht stimmig, weil es eine Rechnungsnummer trage, die auf einen Vorgang aus dem Jahre 2008 bezogen sei, also eine Zeit, in der der Kläger noch kein Mandat erteilt habe. Mit der Vorlage dieses Schreibens ohne weiteren Beweisantritt sei der Kläger für das Entstehen eines entsprechenden Schadens beweisfällig geblieben. Der Kläger habe auch nach dem Hinweis vom 19.04.2012 und der Erörterung in der mündlichen Verhandlung vom 30.05.2012 keinen Beweis angetreten, sondern sich darauf versteift, es bestehe ein Zahlungsanspruch. Der nunmehr erfolgte Beweisantritt durch die Benennung seines Prozessbevollmächtigten als Zeugen sei als verspätet zurückzuweisen.
Wegen des weiteren Vorbringens wird auf den Inhalt der Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
B.
Die zulässige Berufung des Klägers ist begründet.
Denn die zulässige (Zahlungs-)Klage ist begründet.
I.
Dem Kläger steht nicht („lediglich“) ein Anspruch auf Freistellung von den ihm seitens seines Prozessbevollmächtigten in Höhe von 924,40 € in Rechnung gestellten Abmahnkosten, sondern ein Anspruch auf die mit der Klage ausdrücklich allein - und dies hat der Kläger unmissverständlich klar gestellt - begehrte Zahlung des entsprechenden Betrages zu.
1.
Dem Kläger stand gemäß § 12 Abs. 1 S. 2 UWG der noch mit der Abmahnung geltend gemachte Anspruch auf Freistellung nach § 257 S. 1 BGB von den durch die Abmahnung entstandenen Kosten in der begehrten, nicht in Streit stehenden Höhe zu.
Die Voraussetzungen des § 12 Abs. 1 S. 2 UWG sind erfüllt.
Denn die Abmahnung vom 09.09.2011 war berechtigt.
a)
Der Kläger war gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG zum Ausspruch dieser Abmahnung berechtigt.
Denn die Parteien sind Mitbewerber.
Das nach der Legaldefinition des § 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG hierfür erforderliche konkrete Wettbewerbsverhältnis, an das im Interesse eines wirksamen lauterkeitsrechtlichen Individualschutzes ohnehin keine allzu hohen Anforderungen zu stellen sind (BGH GRUR 2004, 877, 878 - Werbeblocker), liegt vor.
Denn die Parteien sind auf der Internetplattform eBay bundesweit auf demselben räumlichen und mit dem Angebot von Gebrauchsartikeln wie beispielsweise Schuhanziehern auch auf demselben sachlichen Markt tätig.
Dies hat der Kläger mit Vorlage entsprechender Screenshots als Anlagen FN1 und FN2 zur Klageschrift vom 19.10.2011 (Bl. 9ff. d.A.) substantiiert dargelegt, ohne dass dies im Weiteren von der Beklagten in erheblicher Weise bestritten worden wäre. Die pauschale Behauptung, bei den klägerischen Produkten handele es sich nicht um Gebrauchsartikel, sondern ausnahmslos um Dekoartikel ist vor allem im Hinblick auf das streitgegenständliche Angebot nicht nachvollziehbar. Entscheidend ist allein die hier gegebene Austauschbarkeit der Artikel aus Sicht des Verbrauchers.
b)
Der Abmahnung des Klägers stand auch nicht etwa von vorneherein der materiellrechtliche Einwand des Rechtsmissbrauchs nach § 8 Abs. 4 UWG entgegen.
Ein Missbrauch im Sinne des § 8 Abs. 4 UWG setzt voraus, dass das beherrschende Motiv des Mitbewerbers bei der Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs sachfremde Ziele sind. Als typischen Beispielsfall des sachfremden Motivs umschreibt das Gesetz das Gebührenerzielungsinteresse. Damit wird die Art der unzulässigen Geltendmachung eines solchen Anspruchs näher charakterisiert, aber der Weg zu anderen Missbrauchsformen durch die Rechtsverfolgung offen gelassen. Das beschriebene Vorgehen selbst oder jedenfalls die Art des Vorgehens muss rechtsmissbräuchlich sein. Der Anspruchsberechtigte muss mit der Geltendmachung des Anspruchs überwiegend sachfremde, für sich gesehen nicht schutzwürdige Interessen verfolgen und diese müssen unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalls als die eigentliche Triebfeder und das beherrschende Motiv der Verfahrenseinleitung erscheinen (vgl. u.a. BGH GRUR 2002, 260 - Vielfachabmahner; Senat GRUR-RR 2005, 141, 142; Köhler/Bornkamm, 30. Aufl., § 8 UWG, Rn. 4.10).
Darlegungs- und beweispflichtig für die Voraussetzungen des § 8 Abs. 4 UWG ist der Verletzer, mithin hier die Beklagte. Erst wenn in ausreichendem Umfang Indizien vorgetragen sind, die für eine rechtsmissbräuchliche Geltendmachung des Unterlassungsanspruches sprechen, obliegt es sodann dem Anspruchsteller, diese zu widerlegen (BGH, GRUR 2001, 178 - Impfstoffversand an Ärzte; GRUR 2006, 243 - MEGA-Sale; Köhler/Bornkamm, 30. Aufl., § 8 UWG, Rn. 4.25).
Die hierzu seitens der Beklagten angeführten Umstände lassen weder für sich genommen noch in ihrer Gesamtheit den Schluss zu, dass der Kläger mit der in Rede stehenden Abmahnung überwiegend sachfremde, für sich gesehen nicht schutzwürdige wettbewerbsrechtliche Interessen verfolgte.
aa)
Die Behauptung der Beklagten, der Kläger habe in den vergangenen Monaten mindestens 50 Abmahnungen ausgesprochen, wird nicht ansatzweise belegt und ist damit als solche „in`s Blaue hinein“ unerheblich.
Die vom Kläger demgegenüber eingeräumte Zahl von einer Abmahnung pro Monat, mithin 12 Abmahnungen binnen eines Jahres gibt keinen Anlass zur Annahme sachfremder Interessen.
bb)
Dies gilt umso mehr, als selbst eine eigene umfangreiche Abmahntätigkeit des Klägers für sich genommen nicht geeignet wäre, einen Missbrauch zu belegen (vgl. BGH GRUR 2005, 433 - Telekanzlei). Dies wäre nur dann der Fall, wenn die Abmahntätigkeit des Klägers sich gleichsam verselbständigt hätte, d.h. in keinem vernünftigen Verhältnis mehr zur eigentlichen Geschäftstätigkeit stehen und damit bei objektiver Betrachtung an der Verfolgung bestimmter Wettbewerbsverstöße kein nennenswertes wirtschaftliches Interesse außer dem Gebührenerzielungsinteresse mehr bestehen könnte (vgl. BGH GRUR 2001, 260 - Vielfachabmahner; Köhler/Bornkamm, 30. Aufl., § 8 UWG, Rn. 4.12).
Hiervon kann mit allein über 3000 Bewertungen auf der Verkaufsplattform eBay in den letzten 12 Monaten nicht die Rede sein, zumal der Kläger einen wesentlichen Teil seines Umsatzes (unstreitig) über seinen eigenen Onlineshop erwirtschaftet. Der Umfang der Geschäftstätigkeit des Klägers gibt damit keinen Anlass zum Misstrauen angesichts (nur) einer Abmahnung im Monat.
cc)
Anhaltspunkte dafür, dass der Prozessbevollmächtigte des Klägers das Abmahngeschäft für diesen gleichsam „in eigener Regie“ betreibt (vgl. hierzu OLG Frankfurt, GRUR-RR 2007, 56; Köhler/Bornkamm, 30. Aufl., § 8 UWG, Rn. 4.12 m.w.N.), liegen nicht vor.
Im Gegenteil wird dieser Vorwurf durch die E-Mail des Klägers vom 08.09.2011 an seinen jetzigen Prozessbevollmächtigten (Anlage FN7 zum Schriftsatz vom 28.12.2011/ Bl. 67 d.A.) widerlegt. Denn hiermit erteilte der Kläger den Auftrag zur Überprüfung und Abmahnung der Beklagten. Dass der Auftrag die später beanstandeten Wettbewerbsverstöße nicht benennt, stellt das grundsätzlich wettbewerbliche Interesse des Klägers an der Ahndung von Wettbewerbsverstößen nicht in Frage. Denn die vorherige rechtliche Überprüfung, ob und welche Tatbestände des UWG erfüllt sind, konnte er dem von ihm hiermit beauftragten Rechtsanwalt überlassen.
c)
Das vom Kläger beanstandete Internetangebot der Beklagten stellt ein Handeln im geschäftlichen Verkehr im Sinne der § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG dar.
d)
Das mit der Abmahnung gerügte Verhalten des Beklagten war unlauter i.S.d. § 4 Nr. 11 UWG.
Zwar hat die Beklagte mit der Unterlassungserklärung „... ohne Anerkennung einer Rechtspflicht und ohne Präjudiz für die Sach- und Rechtslage sowie unter Verwahrung gegen die Kostenlast ...“ vom 16.09.2011 (Anlage FN6 zur Klageschrift vom 19.10.2011/Bl. 29f. d.A.) weder die Anerkennung der Rechtswidrigkeit der gerügten Verletzungshandlung noch das Anerkenntnis des Unterlassungsanspruchs oder einer Schadensersatzpflicht erklärt (Köhler/Bornkamm, 30. Aufl., § 12 UWG, Rn. 1.112) und auch den diesen Vorwurf begründenden Sachverhalt nicht unstreitig gestellt.
Jedoch kann die Beklagte nunmehr - so ihr Schriftsatz vom 30.01.2011 (Bl. 100 d.A.) - selbst nicht mehr ausschließen, dass das in Rede stehende Internetangebot zum Zeitpunkt der Abmahnung die beanstandete Erscheinungsform aufwies. Das diesbezügliche Vorbringen des Klägers ist damit unstreitig.
aa)
Das Angebot der Beklagten verstieß mangels Hinweises auf das den angesprochenen Verbrauchern nach §§ 312d Abs. 1 S. 1, 355 Abs. 1 BGB zustehende Widerrufsrecht gegen § 312c Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 246 § 1 Abs. 1 Nr. 10 EGBGB.
Es verstieß zudem mangels Informationen zum Abruf und zur Speicherung des Vertragstextes gegen § 312g Abs. 1 Nr. 2 BGB i.V.m. Art. 246 § 3 Nr. 2 EGBGB.
Die vorgenannten Vorschriften stellen Marktverhaltensregeln zum Schutze des Verbrauchers nach § 4 Nr. 11 UWG dar, deren Verletzung die Interessen der Verbraucher spürbar i.S.d. 3 Abs. 2 UWG beeinträchtigt (BGH GRUR 2010, 1142 - Holzhocker; Köhler/Bornkamm, 30. Aufl., § 4 UWG Rdnr. 11.170).
Der Verstoß gegen diese Verbraucherrechte hat europarechtlichen Bezug.
Das Vorenthalten dieser Informationen stellt einen Wettbewerbsverstoß im Sinne von § 5a Abs. 2 UWG dar. Bei den vorenthaltenen Angaben handelt es sich auf Grund der gesetzlichen Vermutung des § 5a Abs. 4 UWG um gemäß Art. 7 Abs. 5 der Richtlinie 2005/29/EG („UGP-Richtlinie“) „wesentliche“ Informationen, da die genannten Vorschriften die FernabsatzRG sowie die E-CommerceRL 5, 10 und 11 umsetzen (Palandt-Grüneberg, 71. Aufl., § 312c BGB Rdnr.1, § 312g BGB Rdrn.1). Das Vorenthalten der nach § 5a Abs. 4 UWG als wesentlich in Bezug genommenen Verbraucherinformationen nach den gemeinschaftsrechtlichen Richtlinien ist unwiderleglich als „spürbare Beeinträchtigung“ der Entscheidungsfähigkeit des Verbrauchers i.S.d. § 3 Abs. 2 UWG anzusehen (BGH GRUR 2010, 852 - Gallardo Spyder).
bb)
Mangels Angabe des Registergerichts entsprach das Impressum der Beklagten nicht den Vorgaben des § 5 Abs. 1 Nr. 4 TMG.
Diese Vorschrift stellt eine Marktverhaltensregel zum Schutz des Verbrauchers i.S.d. § 4 Nr. 11 UWG dar (Köhler/Bornkamm, 30. Aufl., § 4 UWG Rdnr. 11.169).
Der Verstoß gegen diese Vorschrift ist ebenfalls erheblich i.S.d. § 3 Abs. 2 UWG.
Auch das Vorenthalten dieser Informationen stellt zugleich einen Wettbewerbsverstoß i.S.v. § 5a Abs. 2 UWG dar. Bei den vorenthaltenen Informationen handelt es sich auf Grund der gesetzlichen Vermutung des § 5a Abs. 4 UWG um „wesentliche“, da § 5 Abs. 1 Nr. 4 TMG den Art. 5 Abs. 1 Buchst. d, g der Richtlinie 2000/31/EG („Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr“) umsetzt (hierzu KG MMR 2012, 240). Das Vorenthalten der Informationen ist damit unwiderleglich als „spürbare Beeinträchtigung“ i.S.d. § 3 Abs. 2 UWG anzusehen.
e)
Die Wiederholungsgefahr wird aufgrund des bereits verwirklichten Verstoßes tatsächlich vermutet (Köhler/Bornkamm, 30. Aufl., § 8 UWG, Rn. 1.33).
2.
Der Kläger kann die Beklagte unter den gegebenen Umständen statt auf Freistellung nach § 12 Abs. 1 S. 2 UWG (unmittelbar) auf Zahlung in Anspruch nehmen, und zwar gemäß §§ 280 Abs. 1, Abs. 3, 281 Abs. 1 S. 1, 249 Abs. 1, 250 S. 2 BGB.
a)
Der Abmahnende kann zwar grundsätzlich gemäß § 12 Abs. 1 S. 2 UWG „nur“ den Ersatz der für die Abmahnung erforderlichen Aufwendungen verlangen.
Denn mit der Normierung der Kostentragungspflicht in § 12 Abs. 1 S. 2 UWG hat der Gesetzgeber (lediglich) „die Rechtsprechung nachvollzogen, die über Regeln der Geschäftsführung ohne Auftrag einen Aufwendungsersatzanspruch des Abmahnenden hergeleitet hat“ (Köhler/Bornkamm, 30. Aufl., § 12 UWG Rdnr. 1.77 mit Zitat der Begründung des RegE BT-Drucks 15/1487 S. 25).
Dementsprechend steht dem Abmahnenden ein Anspruch auf Freistellung von der Honorarforderung des von ihm mit der Abmahnung betrauten Rechtsanwaltes zu, und zwar nach § 257 S.1 BGB. Danach kann der Berechtigte nicht den zur Tilgung seiner Verbindlichkeit erforderlichen Geldbetrag verlangen (Köhler/Bornkamm, 30. Aufl., § 12 UWG Rdnr. 1.92a; MünchKomm-Krüger, 6. Aufl., § 257 BGB Rdnr. 4; Staudinger/Bittner, Neub. 2009, § 257 BGB Rdnr. 7). Denn die im Interesse des Abgemahnten erbrachte Aufwendung besteht in der Eingehung der entsprechenden Verbindlichkeit. Insoweit gilt wie im Schadensrecht der Grundsatz der Naturalrestitution. Wie bei der schadensersatzrechtlichen Naturalrestitution nach § 249 Abs. 1 BGB steht es dem Befreiungsschuldner damit frei, wie er diese Freistellung konkret bewirkt. In Betracht kommen außer der schuldbefreienden Leistung an den Drittgläubiger (§ 267 Abs. 1 Satz 1 BGB) etwa die Aufrechnung (§ 387 BGB) oder andere Erfüllungssurrogate, aber auch eine befreiende Schuldübernahme (§ 414 BGB).
Die Vorschrift des § 250 BGB ist auf diesen Aufwendungsersatzanspruch aus § 12 Abs. 1 S. 2 UWG jedenfalls nicht unmittelbar anwendbar. Denn die Regelung des § 250 BGB ermöglicht (nur) dem Geschädigten, mithin dem Schadensersatzgläubiger den Übergang von der Naturalrestitution auf den Geldersatz.
Eine analoge Anwendung würde eine planwidrige Regelungslücke voraussetzen. Eine solche Lücke kann man in Anbetracht der Regelung des § 257 Abs. 1 BGB grundsätzlich nicht ohne weiteres annehmen (so auch Hess, jurisPR-WettbR 10/2011 Anm. 3 zur wohl a.A. des OLG Frankfurt BeckRS 2011, 24257).
b)
Im vorliegenden Fall kann der Kläger jedoch gemäß § 281 Abs. 1 S.1 BGB statt der Leistung nach § 12 Abs. 1 S. 2 UWG Schadensersatz in Geld (§ 250 S. 2 BGB) verlangen (hierzu MünchKomm-Krüger, 6. Aufl., § 257 BGB Rdnr. 12) - und dies hat er mit der Klageerhebung wirksam getan (hierzu Palandt-Grüneberg, 71. Aufl., § 281 BGB Rdnr. 50).
aa)
Die Voraussetzungen der §§ 280 Abs. 1, Abs. 3, 281 Abs. 1 S. 1 BGB sind erfüllt.
(1)
§ 281 BGB gilt grundsätzlich für alle Schuldverhältnisse, mithin auch für das durch den vorangegangenen Wettbewerbsverstoß begündete und die Abmahnung konkretisierte gesetzliche Schuldverhältnis zwischen Gläubiger und Schuldner und damit auch für den Aufwendungsersatzanspruch aus § 12 Abs. 1 S. 2 UWG.
Vom Anwendungsbereich des § 281 BGB ausgenommen sind lediglich Schadensersatzansprüche auf Naturalrestitution - und um einen solchen handelt es sich gerade nicht -, für die § 250 BGB als lex specialis die Funktion von § 281 BGB übernimmt (BeckOK-Schubert, Stand: 01.11.2011, § 250 BGB Rdnr. 1; Palandt-Grüneberg, 71. Aufl., § 281 BGB Rdnr. 6).
Ferner ist nur bei Ansprüchen auf Leistung von Geld - und auch um einen solchen handelt es sich nicht - ist eine Umsetzung in eine Schadensersatzverbindlichkeit regelmäßig nicht von Interesse. Die Vorschrift des § 281 BGB ist insoweit funktionslos, da der dem Gläubiger durch die Nichtleistung von Geld entstehende Schaden einschließlich aller Folgeschäden durch § 280 Abs. 2 BGB i.V.m. § 286 BGB vollständig erfasst wird (BeckOK-Unberath, Stand: 01.03.2011, § 281 BGB Rdnr. 7; MünchKomm-Ernst, 6. Aufl., § 281 BGB Rdnr. 9).
(2)
Eine angemessene Frist zur Erfüllung der Freistellungspflicht gemäß § 281 Abs. 1 S. 1 BGB hat der Kläger der Beklagten bereits mit der Abmahnung vom 09.09.2012 gesetzt. Die zu begleichende Forderung ist in der Abmahnung im Einzelnen dargetan. Dass womöglich erst hierdurch die Fälligkeit des Freistellungsanspruches eingetreten ist, steht der Wirksamkeit der (gleichzeitigen) Fristsetzung nicht entgegen (vgl. Palandt-Grüneberg, 71. Aufl., § 286 BGB Rdnr. 16 zur Mahnung).
Tatsächlich war eine solche Fristsetzung gemäß § 281 Abs. 2 BGB aber auch spätestens mit der Reaktion der Beklagten auf diese Abmahnung ohnehin entbehrlich. In ihrem anwaltlichen Schreiben vom 16.09.2011 wies die Beklagte die geltend gemachten Unterlassungsansprüche nämlich generell zurück und stellte damit auch den Freistellungsanspruch des Klägers dem Grunde nach in Abrede.
(3)
Die Möglichkeit des Klägers, nunmehr ohne weiteres Schadensersatz statt der Leistung zu verlangen, und zwar ohne Ablehnungsandrohung (§ 326 BGB a.F.) oder rechtskräftiges Leistungsurteil (§ 283 BGB a.F.) rechtfertigt sich aus der Pflichtverletzung der Beklagten. Sie beruht auf der Nichterfüllung der ihr aus §§ 12 Abs. 1 S. 2 UWG, 257 BGB obliegenden Verpflichtung, den Kläger von dessen Verbindlichkeit gegenüber seinem Anwalt freizustellen.
bb)
Der Kläger kann somit gemäß §§ 249 Abs. 1, 250 S. 2 BGB Schadensersatz, und zwar in Geld verlangen.
Zwar fehlt es in der Abmahnung vom 09.09.2011 an einer Ablehnungsandrohung i.S.d. § 250 S. 1 BGB. Jedoch macht die mit dem Schreiben der Beklagten vom 16.09.2011 ernsthafte und endgültige Verweigerung der Freistellung dem Grunde nach auch eine Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung nach § 250 S. 1 BGB entbehrlich (vgl. hierzu Palandt-Grüneberg, 71. Aufl., § 250 BGB Rdnr. 2).
Der Beklagten steht damit nunmehr keine Alternative im Rahmen der Naturalrestitution des Schadens nach § 249 S. 1 BGB mehr zu. Denn das Interesse der Beklagten, als Befreiungsschuldner selbst zu bestimmen, wie sie die ihr obliegende Freistellung bewirkt, ist nur solange schützenswert, als sie überhaupt zur Leistung bereit ist. Lehnt sie diese generell ab, tritt ihr Interesse hinter dem des Gläubigers wegen des Verzuges nicht in Vorleistung treten zu müssen, wenn er zur Vereinfachung - ähnlich einem Vorschussverlangen nach § 669 BGB - unmittelbar auf Zahlung klagen kann, zurück.
3.
Dementsprechend kann dahinstehen, ob der Kläger die Aufwendungen bereits erbracht, d.h. die Rechnung seines Anwalts bereits beglichen hat, und ihm schon aus diesem Grund ein Anspruch auf Zahlung statt auf Freistellung zusteht (vgl. Köhler/Bornkamm, 30. Aufl., § 12 UWG Rdnr. 1.92a; MünchKomm-Krüger, 6. Aufl., § 257 BGB Rdnr.5; Staudinger-Bittner, Neub. 2009, § 257 BGB Rdnr. 8 mit jeweils unterschiedlicher Begründung zum selben Ergebnis).
Allerdings kann man auch hiervon ausgehen.
Der Kläger behauptet dies nicht nur, wenn er vorträgt, dass die insoweit offene Rechnung seines Prozessbevollmächtigten vom 15.09.2011 bereits (einvernehmlich) mit einem ihm zustehenden Fremdgeldbetrag verrechnet worden sei. Sein Vorbringen ist auch hinreichend substantiiert. Denn der Kläger kommt seiner diesbezüglichen Substantiierungslast jedenfalls mit Vorlage der Rechnung (Anlage zum Schriftsatz vom 07.03.2012/Bl. 108 d.A.), die eine entsprechende Verrechnung ausweist, nach. Einer weiteren Darlegung hätte es allenfalls bedurft, wenn Zweifel an der Plausibilität des klägerischen Vorbringens bestanden hätten. Dies war nicht der Fall. Dass der persönlich angehörte Kläger in der mündlichen Verhandlung vom 07.03.2012 (Bl. 105 d.A.9 erklärt hatte: „Die Rechnung ist bezahlt.“, stellt die Behauptung einer Verrechnung nicht in Frage. Denn für den juristischen Laien ist der Begriff der „Zahlung“ regelmäßig gleichbedeutend mit jedweder Form der Erfüllung.
Der Kläger hat mit Vorlage der Rechnung die Verrechnung auch bewiesen. Zwar erbringt eine (echte) Privaturkunde vollen Beweis nur in formeller Hinsicht. Jedoch besteht regelmäßig eine tatsächliche Vermutung für die Richtigkeit der über das Rechtsgeschäft aufgenommenen Urkunde (vgl. hierzu u.a. Zöller-Geimer, 29. Aufl., § 416a ZPO Rdnr. 10). Dementsprechend begründet die vom Prozessbevollmächtigten des Klägers unterschriebene Urkunde die tatsächliche Vermutung, dass dieser den offenen Rechnungsbetrag mit einem Fremdgeldbetrag verrechnet hat. Insoweit gilt nichts anderes als für die Beweiskraft einer Bankquittung (vgl. hierzu BGH NJW-RR 1988, 882). Der hier maßgeblichen Rechnung ist nahezu derselbe Beweiswert zuzumessen, zumal sie die Verrechnung quittiert. Immerhin stammt sie von einem Rechtsanwalt, mithin einem Organ der Rechtspflege. Schon dies rechtfertigt per se das Vertrauen in den Wahrheitsgehalt der Erklärung - und insoweit ist die Prüfung des Beweiswertes ausnahmsweise durchaus berufsgruppenspezifisch. Es ist davon auszugehen, dass gerade der Rechtsanwalt, dem die Bedeutung auch einer privatschriftlichen Urkunde bewusst ist, eine solche Erklärung durchdenkt, bevor er sie schriftlich niederlegt. Dieser Beweiswert wird noch dadurch unterstrichen, dass der Prozessbevollmächtigte des Klägers die mit der Rechnung dokumentierte Verrechnung im Laufe des Prozesses mehrfach (selbst) schriftsätzlich bestätigt hat. Am Wahrheitsgehalt dieser „Versicherung“ wird man nicht zweifeln können, ohne dem Rechtsanwalt vorzuwerfen, (zumindest) massiv gegen seine Grundpflichten nach § 43a Abs. 3 BRAO zu verstoßen. Hierfür besteht kein Anlass.
Die Echtheit dieser Urkunde wird von der Beklagten nicht in Frage gestellt, so dass es auch nicht der Vorlage des Originals derselben bedurfte (vgl. hierzu u.a. Zöller-Geimer, 29. Aufl., § 416a ZPO Rdnr. 1).
II.
Darüber hinaus steht dem Kläger ein Zinsanspruch aus §§ 280 Abs. 1, Abs. 2, 286 Abs. 1 Abs. 2 Nr. 3, 288 Abs. 1 BGB zu.
C.
Die Entscheidungen zur Kostentragung und vorläufigen Vollstreckbarkeit beruhen auf den §§ 91 Abs.1, 709 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
OLG Hamm:
Urteil v. 23.10.2012
Az: I-4 U 134/12
Link zum Urteil:
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