Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg:
Beschluss vom 11. November 1996
Aktenzeichen: 6 S 3006/96
(VGH Baden-Württemberg: Beschluss v. 11.11.1996, Az.: 6 S 3006/96)
1. Klagt ein Sozialhilfeempfänger unmittelbar auf Zahlung solcher Sozialhilfeleistungen, die sich ausschließlich auf - vor einer Antragstellung beim Sozialhilfeträger beziehungsweise vor dem Bekanntwerden der Notlage (§ 5 BSHG) liegende Zeiträume beziehen, ist bei der Festsetzung des Streit-/Gegenstandswerts für eine entsprechende Anwendung des § 17 Abs 1 GKG unter Ausschluß des Absatzes 4 der Vorschrift kein Raum. Der Streit-/Gegenstandswert ist dann vielmehr gemäß § 13 Abs 2 GKG in Höhe des geltend gemachten Betrages festzusetzen.
Gründe
Die Beschwerde ist zwar zulässig (§ 10 Abs. 3 BRAGO), jedoch unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat zu Recht den Gegenstandswert für das vorangegangene Klagverfahren gemäß den §§ 8 und 10 BRAGO in Verbindung mit § 13 Abs. 2 GKG auf 39.523,-- DM festgesetzt. Der Gegenstandswert bestimmt sich nach § 8 BRAGO nach den für Gerichtsgebühren geltenden Wertvorschriften, im vorliegenden Fall also nach der Bestimmung des § 13 Abs. 2 GKG. Danach ist in dem Fall, in dem die Klage eine Geldleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, deren Höhe maßgeblich. Nach § 51 Abs. 2 BRAGO bestimmt sich in Verfahren über die Bewilligung von Prozeßkostenhilfe der Gegenstandswert nach dem für die Hauptsache maßgebenden Wert.
Nach den vorstehenden Bestimmungen ist der vom Verwaltungsgericht festgesetzte Gegenstandswert nicht zu beanstanden, denn er entspricht dem Betrag, den der Antragsteller in der vorangegangenen Klage begehrt hatte (S. 3 der Klageschrift vom 27.05.1994). Dagegen kann der Antragsteller eine Reduzierung des Gegenstandswerts nicht unter Berufung auf § 17 GKG verlangen. Zwar entspricht es ständiger Rechtsprechung des Senats, daß bei auf laufende Sozialhilfe-Leistungen gerichteten Klagen der Wert in entsprechender Anwendung des § 17 Abs. 1 S. 1 GKG in Höhe des Jahresbetrages der wiederkehrenden Leistungen festzusetzen ist, es sei denn, daß die Hilfe für einen kürzeren Zeitraum begehrt wird (vgl. Beschl. d. Senats v. 17.05.1976 - VI 829/77; v. 17.08.1976 - VI 1273/76; v. 04.07.1990 - 6 S 1165/90; v. 10.12.1990 - 6 S 2322/90; v. 25.11.1992 - 6 S 2353/92 - und vom 01.03.1993 - 6 S 442/93). Dabei ist die Vorschrift des § 17 Abs. 4 GKG, wonach Rückstände aus der Zeit vor Klagerhebung dem (Jahreswert) Wert hinzuzurechnen sind, im Regelfall nicht anwendbar, weil bezüglich solcher Beträge in Wahrheit deshalb keine Rückstände vorliegen, weil sie im Wege einer auf Erlaß eines Verwaltungsakts gerichteten Verpflichtungsklage geltend zu machen sind (vgl. Beschl. d. Senats v. 17.05.1977 - VI 829/77 - und v. 23.06.1977 - VI 1210/77).
Die letzteren Grundsätze kommen indes auf den vorliegenden Fall nicht zur Anwendung, da der Antragsteller mit der Klage tatsächlich keine wiederkehrenden Leistungen im Sinne des § 17 Abs. 1 GKG geltend gemacht hat. Aus der entsprechenden Anwendung des § 17 Abs. 1 GKG folgt nämlich, daß wiederkehrende Leistungen im Sinne der Bestimmung nur solche Leistungen sind, die nach der beim Sozialhilfeträger erfolgten Antragstellung oder nach dem Bekanntwerden der Notlage (§ 5 BSHG) zum wiederholten Mal hintereinander anfallen, also insoweit einen, bezogen auf die genannten Umstände, zukünftigen Zeitraum zum Gegenstand haben. Hieran fehlt es aber im vorliegenden Fall, weil der Antragsteller mit der vorangegangenen Klage Beträge geltend gemacht hat, die angeblich bereits Jahre vor der Antragstellung bzw. vor dem Bekanntwerden der Notlage in der Vergangenheit entstanden waren. Damit betrifft die Klage nicht wiederkehrende Leistungen im Sinne der entsprechenden Anwendung des § 17 Abs. 1 GKG. Demgemäß ist auch der vom Senat in diesem Zusammenhang vertretene Ausschluß der Bestimmung des § 17 Abs. 4 GKG im vorliegenden Fall nicht einschlägig, denn dieser Ausschluß betrifft gerade den hier nicht vorliegenden Fall, daß Sozialhilfe in Form von wiederkehrenden Leistungen im Sinne des § 17 Abs. 1 GKG geltend gemacht wird.
Unabhängig aber davon fehlt es an der inneren Rechtfertigung für den Ausschluß des § 17 Abs. 4 GKG, wie er in der erwähnten Rechtsprechung des Senats vertreten worden ist. Tragender Grund für die Unanwendbarkeit des § 17 Abs. 4 GKG in den Fällen der Geltendmachung wiederkehrender Leistungen ist nämlich die Erwägung, daß bei einer ausstehende Sozialhilfeleistungen betreffenden Klage Rückstände im Sinne der genannten Vorschrift deshalb nicht vorliegen, weil insoweit erst auf Erlaß eines entsprechenden Verwaltungsaktes im Wege der Verpflichtungsklage geklagt werden muß. Dieser Gesichtspunkt kommt aber im vorliegenden Fall deshalb nicht zum Zuge, weil der Antragsteller bezüglich der ausstehenden Beträge keine Verpflichtungsklage, sondern eine unmittelbare Leistungsklage erhoben hat. Der Rechtfertigungsgrund für den Ausschluß des § 17 Abs. 4 GKG ist mithin im vorliegenden Fall nicht gegeben.
Eine Kostenentscheidung ist entbehrlich, da das Beschwerdeverfahren gerichtsgebührenfrei ist und auch außergerichtliche Kosten nicht erstattet werden (§ 25 Abs. 3 GKG).
VGH Baden-Württemberg:
Beschluss v. 11.11.1996
Az: 6 S 3006/96
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