Landgericht Düsseldorf:
Urteil vom 13. März 2002
Aktenzeichen: 12 O 161/01

(LG Düsseldorf: Urteil v. 13.03.2002, Az.: 12 O 161/01)

Tenor

I.

Der Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Verfügung, und zwar wegen der besonderen Dringlichkeit ohne vor-herige mündliche Verhandlung,

1. aufgegeben,

in ihrem über den Antragsteller geführten Datenbestand den Negativeintrag "Saldo DM 590,00/13.08.2001" sowie alle mit diesem Negativeintrag verbundenen Daten, die den Antragsteller betreffen, aus ihrem Datenbestand, sowohl in schriftlicher als auch elektronischer Form, zu löschen,

2. untersagt,

diesen Negativeintrag "Saldo DM 590,00/13.08.2001" an Dritte, auch Mitgliedsunternehmen der Antragsgegnerin, weiterzuleiten.

II.

Der Antragsgegnerin werden für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen das Gebot gemäß I. 2. Ordnungsgeld bis zu 500.000,00 DM, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, und Ordnungshaft bis zu 6 Monaten angedroht.

III.

Die Kosten des Verfahrens werden der Antragsgegnerin auferlegt.

IV.

Mit diesem Beschluss soll eine Abschrift der Antragsschrift und ihrer Anlagen zugestellt werden.

V.

Der Streitwert wird auf 20.000,00 DM festgesetzt.

Gründe

Der Kläger ist Rechtsanwalt und Halter und Fahrer des Kraftfahrzeugs ALFA Romeo mit dem amtlichen Kennzeichen x.

Die Beklagte, die einen Abschleppservice betreibt, welchem u. a. auch die Durchführung von Abschleppaufträgen des Polizeipräsidiums x obliegt, schleppte am 15.12.2000 im Auftrag des Polizeipräsidiums x das im öffentlichen Straßenverkehrsraum abgestellte Kraftfahrzeug des Klägers ab und verbrachte es auf ihr Betriebsgelände in der x in x.

Noch am selben Tage verlangte der Kläger zusammen mit dem ihn begleitenden Rechtsanwalt x die Herausgabe des Fahrzeugs bei der Beklagten. Diese wurde ihm jedoch von dem zuständigen Sachbearbeiter der Beklagten verweigert. Dieser hatte zuvor mit der Leitstelle beim Polizeipräsidium x telefonisch Kontakt aufgenommen und um eine Entscheidung über die Herausgabe des Fahrzeugs ersucht, da der Kläger die der Beklagten entstandenen Unkosten nicht bar zahlen wollte. Der Anruf bei der Leitstelle hatte zu dem Ergebnis geführt, dass der zuständige Polizeibeamte die Beklagte anwies, das Fahrzeug nicht herauszugeben. Der Kläger hatte ausdrücklich seine Bereitschaft bekundet, die der Beklagten entstehenden Unkosten entweder gegen Übersendung einer Rechnung oder per Kreditkarte zu zahlen, da er Bargeld in der gewünschten Höhe nicht dabei hatte. Mit Aufforderungsbescheid vom 05.01.2001 forderte das Polizeipräsidium x den Kläger auf, das Fahrzeug unverzüglich bei der Beklagten abzuholen. Nach Zustellung des Bescheids am 10.01.2001 begab sich der Kläger erneut unverzüglich zusammen mit Herrn x zu dem Firmengelände der Beklagten. Der Geschäftsführer der Beklagten verweigerte die Herausgabe und wollte das Fahrzeug nur gegen Barzahlung herausgeben, obwohl der Kläger wiederum seine Zahlungsbereitschaft bekundete. Mit Schreiben vom 17.01.2001 erteilte das Polizeipräsidium x dem Kläger eine Verwertungsandrohung. In der Sitzung vom 06.02.2001 in einem von dem Kläger angestrengten Verfahren vor dem Verwaltungsgericht x erklärte der Prozessbevollmächtigte des Polizeipräsidiums x, er sei nunmehr damit einverstanden, dass der Kläger seinen Wagen ohne vorherige Bezahlung abhole. Am selben Tag nahm Herr x das Fahrzeug bei der Beklagten für den Kläger in Empfang.

Der Kläger ist der Auffassung, die Beklagte verstoße gegen die Bestimmungen des Rechtsberatungsgesetzes und damit zugleich gegen § 1 UWG, da sie eine erlaubnispflichtige Inkassotätigkeit ausübe, ohne eine Erlaubnis zu besitzen. Die Beklagte führe daher eine unzulässige Rechtsbesorgung aus und sei demgemäß zur Unterlassung verpflichtet.

Die Beklagte sei desweiteren zur Erstattung des Schadens verpflichtet, der dem Kläger dadurch entstanden sei, dass sie ihm sein Fahrzeug rechtswidrig vorenthalten habe. Er sei als Rechtsanwalt täglich auf die Nutzung eines Kraftfahrzeuges angewiesen und habe daher noch am Abschlepptage, dem 15.12.2000, ein Ersatzfahrzeug angemietet, das er bis zur Herausgabe seines Fahrzeugs am 06.02.2001 habe nutzen müssen. Ihm seien dadurch Mietwagenkosten in Höhe von insgesamt 6.784,00 DM entstanden. Ferner habe er sich zweimal vergeblich zum Betriebshof der Beklagten begeben, um das Fahrzeug in Empfang zu nehmen/Hierdurch seien ihm Kosten in Höhe von insgesamt 14,56 DM entstanden.

Der Kläger beantragt,

1.

zu erkennen wie geschehen;

2.

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger Schadenersatz in Höhe von 3.501,61 EUR nebst 12,5 % Zinsen zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Ansicht, nicht zur Unterlassung und zur Leistung von Schadenersatz verpflichtet zu sein. Sie, die Beklagte, übe keine unzulässige Inkassotätigkeit aus. Sie werde als Abschleppunternehmen nicht selbständig tätig, denn sie sei sowohl vertraglich als auch wirtschaftlich und tatsächlich in jedem Einzelfall an die Weisungen des Polizeipräsidiums x bzw. der zuständigen Behörde gebunden und verfüge nicht über eine eigene Entscheidungskompetenz, sondern trete vielmehr als verlängerter Arm der zuständigen Behörde auf und fungiere lediglich als Zahlungsstelle. Das Fahrzeug dürfe zudem nur gegen Erstattung der Unkosten herausgegeben werden. Dies ergebe sich aus dem Merkblatt zum Abschleppen von Fahrzeugen, welches der Polizeipräsident x herausgebe. In dem Fall, in dem der Kraftfahrzeughalter nicht bereit sei, die Kosten zu erstatten, sei die Leitstelle des Polizeipräsidiums von diesem Vorgang zu informieren; diese entscheide dann, ob besondere Gründe vorlägen, das Fahrzeug ohne Kostenerstattung herauszugeben. An diese Entscheidung sei die Beklagte gebunden. Ein Handeln der Beklagten im pflichtgemäßen Ermessen sei dieser demnach nicht möglich. Aufgrund der eindeutigen Weisungsgebundenheit liege keine Selbständigkeit im Handeln vor und damit auch keine Inkassotätigkeit. Es werde bestritten, dass der Kläger die angebliche Mietwagenrechnung in Höhe von 6.784,00 DM auch ausgeglichen habe. Auch werde bestritten, dass das Fahrzeug tatsächlich in der angegebenen Zeit genutzt worden sei. Jedenfalls sei die Beklagte, da sie rechtmäßig gehandelt habe, schon dem Grunde nach nicht zur Leistung von Schadenersatz verpflichtet.

Wegen des Vorbringens der Parteien im übrigen wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

E n t s c h e i d e n g s g r ü n de :

Die Klage ist zum überwiegenden Teil begründet; im übrigen war sie abzuweisen.

Die Beklagte ist zur Unterlassung der beanstandeten Inkassotätigkeit verpflichtet Dem Kläger steht dagegen kein Anspruch auf Leistung von Schadenersatz gegen die Beklagte zu.

1.

Die von der Beklagten ausgeübte Tätigkeit - die Vereinnahmung von Abschleppkosten für das Polizeipräsidium x - stellt eine erlaubnispflichtige Inkassotätigkeit nach Artikel 1 § 1 Abs. 1 Nr. 5 Rechtsberatungsgesetz dar und begründet zugleich einen Verstoß gegen § 1 UWG.

Die von der Beklagten eingezogenen Forderungen sind für diese fremd, da sie unstreitig der Stadt x zustehen. Die Stadt x hat ihre aus dem Abschleppvorgang entstandenen Forderungen nicht abgetreten und ist deshalb rechtlich Inhaberin der Forderungen gegen den Betroffenen geblieben. Wie sich aus dem "Merkblatt zum Abschleppen von Fahrzeugen - Verfahren, Kosten, Anhörung -" ergibt, hat die Stadt x (das Polizeipräsidium x) die Beklagte gebeten, die Forderungen für sie einzuziehen bzw. "Zahlungen auf Wunsch entgegenzunehmen". Letzteres ist der Einziehung von Forderungen gleichzusetzen. Die Beklagte macht zudem geltend, sie sei aufgrund des Merkblattes "wegen der Zahlung und Herausgabe des Fahrzeugs" den Weisungen der Stadt x unterworfen. Für diese Weisungen wäre indes kein Raum, wenn es sich um eigene Forderungen der Beklagten handelte.

Die Beklagte zieht die Forderungen der Stadt x auch ein. Die Einziehung der Forderungen setzt keine gerichtliche Durchsetzung, sondern nur eine Maßnahme voraus, die auf die Geltendmachung der Forderung gerichtet ist (vgl. BGH NJW 1996, 393). Es genügt deshalb, dass die Beklagte die Eigentümer oder Halter der abgeschleppten Fahrzeuge zur Begleichung der Abschleppkosten auffordert. Nach dem übereinstimmenden Vortrag beider Parteien verfährt die Beklagte gegenüber den Haltern solcher Fahrzeuge in der beschriebenen Weise. Sie verlangt von jedem, der sein Fahrzeug holen will, die vorherige Zahlung der Abschleppkosten und verweigert im Regelfall - wie auch im vorliegenden Fall - die Herausgabe, wenn der Betroffene zur Zahlung nicht bereit ist. Die Beklagte kann sich insoweit auch auf den Inhalt des Merkblatts des Polizeipräsidiums x stützen.

Die Beklagte handelt auch geschäftsmäßig. Dies ergibt sich schon daraus, dass sie die Forderungen in Verbindung mit ihrer beruflichen Tätigkeit einzieht (vgl. Rennen/Caliebe, Rechtsberatungsgesetz, Art 1 § 1 Rn. 42). Es genügt deshalb die Absicht, die Tätigkeit in gleicher Weise zu wiederholen, und dadurch zu einem wiederkehrenden oder dauernden Bestandteil der Beschäftigung zu machen (vgl. OLG Düsseldorf, Entscheidung vom 08.03.2001 -2 U 137/00, Seite 13).

Entgegen der Ansicht der Beklagten ist auch die im Rahmen der Geschäftsmäßigkeit erforderliche Selbständigkeit der Betätigung der Beklagten gegeben. Sie fehlt nur dann, wenn jemand als Angestellter oder in ähnlicher Position weisungsgebunden fremde Rechtsangelegenheiten erledigt (vgl. BGH NJW 1963, 441). In einer solchen Position befindet sich die Beklagte gegenüber der Stadt x nicht. Dabei kann dahinstehen, ob die Beklagte mit der Stadt x - ebenso wie die Firma Y-GmbH; vgl. insoweit OLG Düsseldorf, Entscheidung vom 08.03.2001 - einen Vertrag zur Regelung ihrer Beziehungen abgeschlossen hat, der ihr für bestimmte Sachlagen eine eigenständige Entscheidungsbefugnis in Bezug auf eine Herausgabe des Kraftfahrzeuges ohne Zahlung der Abschleppkosten gibt. Die Weisungen, die die Beklagte von der Stadt x einholen muss, wenn der Betroffene die Zahlung der Abschleppkosten verweigert, basieren jedenfalls auf den vertraglichen Vereinbarungen mit der Stadt x, die an der Selbständigkeit der die Forderung einziehenden Beklagten nichts ändern. Sie sind Weisungen des Mandanten an seinen Rechtsanwalt vergleichbar, die dieser beim Forderungseinzug zu beachten hat, ohne dass seine Selbständigkeit hierdurch in Frage gestellt wird (vgl. OLG Düsseldorf, Entscheidung vom 08.03.2001, Seite 14 m.w.N.).

Aus den soeben wiedergegebenen Ausführungen ergibt sich, dass auch die Herausgabeverweigerung selbst erlaubnispflichtig ist, weil sie im Rahmen der Forderungseinziehung als Druckmittel eingesetzt wird, um den Betroffenen zur sofortigen Zahlung der Abschleppkosten zu veranlassen.

Der Verstoß gegen die Bestimmungen des Rechtsberatungsgesetzes stellt zugleich einen Verstoß gegen § 1 UWG dar. Das Rechtsberatungsgesetz dient dem Schutz eines wichtigen Gemeinschaftsgutes, nämlich der Rechtspflege. Deshalb handelt es sich bei seinen Bestimmungen um wertbezogene Normen, deren Einhaltung auch einem sittlichrechtlichen Empfinden der Allgemeinheit entspricht, so dass ein Verstoß gegen dieses Gesetz ohne weiteres auch einen Verstoß gegen die guten Sitten im Sinne des § 1 UWG darstellt, ohne dass weitere Unlauterkeitsmomente hinzuzutreten brauchen (vgl. BGHZ 48, 12, 17 - Wirtschaftsprüfer). Der Kläger, dessen zu erbringende Leistung die rechtliche Beratung seiner Mandanten darstellt, ist befugt den Unterlassungsanspruch gegen die Beklagte geltend zu machen, da diese gleichfalls - wie bereits dargelegt - die Rechtsbesorgungsleistungen ausführt.

2.

Der Kläger ist indes nicht berechtigt, von der Beklagten zu verlangen, dass diese Schadenersatz in Höhe von 6:848,56 DM leistet. Das Mitverschulden des Klägers ist derart schwerwiegend, dass ein etwaiges Verschulden der Beklagten dagegen nicht mehr ins Gewicht fällt (§ 254 Abs. 2 Satz 1 BGB). Ein Mitverschulden im Sinne des § 254 BGB ist gegeben, wenn der Geschädigte die Maßnahmen unterlässt, die ein ordentlicher und verständiger Mensch zur Schadensabwendung oder -minderung ergreifen würde; dabei ist der entscheidende Abgrenzungsmaßstab der Grundsatz von Treu und Glauben (vgl. Palandt/Heinrichs, BGB, 56. Aufl., § 254 BGB, Rn. 32). Der Kläger hat vorgetragen, als Rechtsanwalt täglich auf die Nutzung eines Kraftfahrzeuges angewiesen zu sein. Er hatte schon - wie er vorträgt - am 15.12.2000, also an dem Tage, als sein Fahrzeug abgeschleppt worden war, ausdrücklich seine Bereitschaft bekundet, die der Beklagten entstehenden Unkosten entweder gegen Übersendung einer Rechnung oder per Kreditkarte zu zahlen, da er Bargeld in der gewünschten Höhe nicht dabei hatte. Auch nach Zustellung des Schreibens des Polizeipräsidiums x vom 05.01.2001 war der Kläger auf dem Firmengelände der Beklagten anwesend und hat gegenüber der Beklagten wiederum seine Zahlungsbereitschaft bekundet. Schließlich hat der Kläger später den entsprechenden Geldbetrag an die Regierungshauptkasse überwiesen. Der Kläger, der demnach bereits am 15.12.2000 Zahlungsbereitschaft bekundet hat und letztlich auch gezahlt hat, hat nach allem einen Schaden entstehen und auflaufen lassen, obwohl er - der auf ein Kraftfahrzeug angewiesen war - sofort am 15.12.2000 hätte bar zahlen können. Er war am 15.12.2000 in Begleitung eines Zeugen bei der Beklagten erschienen und hätte mit diesem Zeugen - oder auch allein mit Hilfe eines Taxis - zu seiner Wohnung fahren und dort Geld abholen können. Der Kläger war auch nach Zustellung des Aufforderungsbescheids des Polizeipräsidiums x vom 05.01.2001 wiederum bei der Beklagten und hat nach eigenem Vortrag erneut seine Zahlungsbereitschaft bekundet. Auch zu diesem Termin hätte der Kläger wiederum Bargeld mitbringen können und die Abschleppkosten bar bezahlen können mit der Folge, dass er spätestens zu diesem Termin sein Kraftfahrzeug wiederbekommen hätte. Der Kläger hat nach allem bewusst die Entstehung des Schadensbetrages schuldhaft mitverursacht und damit gegen seine Schadensminderungspflicht verstoßen. Es ist kein Grund dafür ersichtlich, dass der Kläger - der sowohl am 15.12.2000 als auch um den 10.01.2001 herum ausdrücklich zahlungsbereit war - nicht seine Bereitschaft hätte wahrmachen können und bereits am 15.12.2000 den Geldbetrag bar der Beklagten hätte übergeben können. Der Schaden hätte sich, gerade weil der Kläger schon von Anfang an zahlungsbereit war, zur Gänze vermeiden lassen. Eine Abwägung des gegenseitigen Verschuldens hat dabei zur Folge, dass ein Anspruch auf Schadenersatz letztlich zu verneinen ist

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 92 Abs. 1, 708 Nr. 11, 709 Satz 1, 711 Satz 1 und 108 Abs. 1 ZPO.

Streitwert:

Antrag zu 1: 7.669,38 EUR (15.000,00 DM);

Antragzu2: 3.501,61 EUR( 6.848,56 DM).






LG Düsseldorf:
Urteil v. 13.03.2002
Az: 12 O 161/01


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/3541914902cf/LG-Duesseldorf_Urteil_vom_13-Maerz-2002_Az_12-O-161-01




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