Bundespatentgericht:
Beschluss vom 15. Februar 2005
Aktenzeichen: 33 W (pat) 166/03
(BPatG: Beschluss v. 15.02.2005, Az.: 33 W (pat) 166/03)
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Gründe
I Gegen die Eintragung der Wortmarke Germania Hoffür Kl. 36: Immobilienwesen (Grundstücks- und Hausverwaltung);
Kl. 41: Unterhaltung, sportliche und kulturelle Aktivitäten;
Kl. 42: Verpflegung, Beherbergung von Gästenist Widerspruch eingelegt worden aus der Marke 2 018 864 GERMANIA für Kl. 36: Immobilien- und Hypothekenvermittlung, Vermögensanlageberatung, Vermögensverwaltung, Vermittlung von Versicherungen, Kreditvermittlung, Vermittlung von Vermögensanlagen, insbesondere Investment- und Immobilienfondsbeteiligungen sowie Wertpapieren.
Mit Beschluss vom 20. Mai 2003 hat die Markenstelle für Klasse 36 durch ein Mitglied des Patentamts unter Zurückweisung des Widerspruchs im Übrigen die teilweise Löschung der angegriffenen Marke angeordnet, nämlich für die Dienstleistung Immobilienwesen (Grundstücks- und Hausverwaltung).
Nach Auffassung der Markenstelle liegt im Umfang der Löschungsanordnung eine Gefahr von Verwechslungen i. S. d. § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG vor. Insoweit bestehe eine teilweise Identität der Dienstleistungen, da die für die Widersprechende geschützte "Immobilienvermittlung" in dem für die jüngere Marke eingetragenen Dienstleistungsbegriff "Immobilienwesen" enthalten sei. Auch würden Maklerunternehmen, die Immobilienvermittlung betreiben, häufig Grundstücks- und Hausverwaltungen anbieten. Das tatsächliche Betätigungsfeld der Inhaberin der jüngeren Marke könne hierbei keine Rolle spielen, da nur die Registerlage zu berücksichtigen sei und eine jetzige tatsächliche Verwendung der jüngeren Marke keine Prognose für zukünftige Verwendungen erlaube. Es bestehe auch eine Ähnlichkeit der Marken. Zwar gelte dies nicht für die Zeichen in ihrer Gesamtheit, denn der Widerspruchsmarke fehle das Wort "Hof". Die jüngere Marke werde jedoch hinsichtlich der im Ähnlichkeitsbereich liegenden Dienstleistungen des Immobilienwesens von ihrem Bestandteil "Germania" geprägt. Es sei zu erwarten, dass der andere Bestandteil "Hof" im Immobilienwesen als Angabe über die Stadt Hof in Bayern verstanden werde, also in der Bedeutung "die Germania in Hof". Deshalb sei mit verkürzten Wiedergaben der Marke nur mit "Germania" zu rechnen, so dass Verwechslungen mit der Widerspruchsmarke zu erwarten seien. Im Gegensatz zur Auffassung der Markeninhaberin sei auch von einer normalen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke auszugehen. In der Klasse 36 seien insgesamt nur fünf Marken mit dem Bestandteil "Germania" eingetragen, eine davon sei die angegriffene Marke und zwei weitere gehörten der Widersprechenden. Damit liege keine Schwächung durch zahlreiche Drittmarken vor. Im übrigen sei der Widerspruch mangels jeglicher Ähnlichkeit der Dienstleistungen unbegründet, denn zwischen den beiderseitigen Dienstleistungen aus dem Bereich des Finanzwesens einerseits und den Klassen 41 und 42 andererseits bestünden keinerlei Übereinstimmungen, da sie von verschiedenen Personen angeboten würden.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die Beschwerde der Inhaberin der angegriffenen Marke. Zur Begründung führt sie aus, dass die Markenstelle eine (teilweise) Verwechslungsgefahr zu Unrecht angenommen habe. Das Wort "Germania", aus dem die Widerspruchsmarke bestehe, weise eine ausgesprochen geringe Kennzeichnungskraft auf. Es werde in einer Vielzahl von Fällen benutzt, vom Verkehr als beschreibendes Element (italienisch für Deutschland) verstanden und habe insoweit keinen prägenden Charakter für die jüngere Marke "Germania Hof". Der Verkehr werde den Zusatz "Hof" also nicht übersehen oder gedanklich weglassen, weil er bemerke, dass ihm eine besondere Bedeutung zukomme. Es sei nicht nachvollziehbar, dass die Bezeichnung "Hof" mit einer Stadt in Bayern assoziiert werde, da diese Stadt außerhalb Bayerns keinen solchen Bekanntheitsgrad aufweise, dass ein beachtlicher Teil des Verkehrs die Marke im Sinne von "Germania in Hof" verstehen werde. Weitaus naheliegender seien Assoziationen mit einem Hof als Eingangs- oder Innenbereich eines Gebäudes, was eine Verwechslungsgefahr ausräume. Bekannte Gebäude mit den Zusatz "Hof", zum Beispiel der "Zähringer Hof" (Sitz des Regierungspräsidenten in Freiburg/Br.), seien weit verbreitet. Auch im Zusammenhang mit anderen Gebäuden sei bekannt, dass solche Zusätze der Individualisierung eines bestimmten Objekts dienten, zum Beispiel "Kurfürstenpassage" oder "Zeilgalerie" in Frankfurt. Der Verkehr werde daher die jüngere Marke als zusammengesetzte Marke auffassen, die verkürzt wiedergegeben keinen Bezug mehr zum damit gekennzeichneten Objekt habe, sodass Verwechslungen mit der Widerspruchsmarke nicht zu erwarten seien. Im übrigen seien sowohl der Erbringungsort der Leistungen als auch der Verwendungszweck der jüngeren Marke ein anderer als bei der Widerspruchsmarke, da mit "Germania Hof" der in Münster/Westfalen befindliche und als solcher bekannte ehemalige Firmenkomplex der Germania Brauerei, auf dem bereits ein Erlebnisbad "Germania Therme" betrieben worden sei, als Erlebniszentrum vermarktet werden solle. Über dem Gelände prange ein denkmalgeschützter Firmenturm, der mit dem Schriftzug "Germania" versehen sei.
Die Inhaberin der angegriffenen Marke beantragt sinngemäß, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und den Widerspruch zurückzuweisen.
Die Widersprechende hat sich auf die ihr zugestellte Beschwerde nicht geäußert.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II Die zulässige Beschwerde der Inhaberin der angegriffenen Marke ist nicht begründet.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist die Frage einer markenrechtlichen Verwechselungsgefahr i.S. von § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG unter Heranziehung aller Umstände des Einzelfalls umfassend zu beurteilen. Dabei ist von einer Wechselwirkung zwischen den Beurteilungsfaktoren der Waren-/Dienstleistungsidentität oder -ähnlichkeit, der Markenidentität oder -ähnlichkeit und der Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke in der Weise auszugehen, dass ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Waren/Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken oder der Kennzeichnungskraft der älteren Marke ausgeglichen werden kann und umgekehrt (st. Rspr.; vgl. BGH GRUR 2001, 544, 545 - BANK 24 m.w.N.; GRUR 2002, 1067 - DKV/OKV; GRUR 2003, 963 - AntiVir/AntiVirus).
1. Von Haus aus weist die Widerspruchsmarke eine allenfalls leicht geschwächte Kennzeichnungskraft auf. Die Bezeichnung "Germania" hat verschiedene Bedeutungen. Zum einen handelt es sich um eine Frauengestalt, die das ehemalige Deutsche Reich symbolisiert (Duden, Das große Wörterbuch der deutschen Sprache, 3. Aufl.), womit "Germania" allerdings eher als eine altbacken wirkende "klassische" Marke wirkt (wie etwa "Fortuna", "Borussia" usw.). Zum anderen stellt das Wort "Germania" auch die lateinische Form von Germanien dar, wobei es sich jedoch um eine altertümliche, nicht mehr verwendete geografische Bezeichnung handelt.
Nur als italienischer Ausdruck für "Deutschland" könnte "Germania" damit eine u.U. freihaltungsbedürftige bzw. nicht unterscheidungskräftige geografische Herkunftsangabe darstellen. Allerdings ist es auf dem hier relevanten Gebiet des Immobilienwesens selbstverständlich, dass inländische Immobilien, die dem inländischen Verkehr angeboten werden, in Deutschland belegen sind. Abgesehen von dieser Selbstverständlichkeit wird die Belegenheit im Inland auch nicht mit "Germania" ausgedrückt (s.o.). Soweit deutsche Immobilien hingegen auswärtigen Personen, z.B. Italienern, angeboten werden, sind diese Verkehrskreise als nicht inländisch zu vernachlässigen. Soweit andererseits im Ausland, z.B. in Italien, belegene Immobilien gegenüber dem inländischen Verkehr angeboten werden, ist "Germania" wiederum nicht als geografischer Hinweis geeignet, da es dann "Italia", "Mallorca" o.Ä. heißen müsste. Die Marke ist daher zwar eine zumindest anspielende geografische Angabe, die für den inländischen Verkehr jedoch eine kaum brauchbare Information enthält und eher nicht als beschreibend, sondern als betrieblicher Herkunftshinweis empfunden wird.
Die Widerspruchsmarke "Germania" ist auch nicht durch zahlreiche eingetragene Drittmarken geschwächt. Neben drei Registermarken der Beteiligten sind noch drei weitere Marken mit dem Bestandteil "Germania" in der Klasse 36 registriert, von denen nur die Wort-/Bildmarke 302 61 749 - "Auctio Germania" für Immobilienwesen eingetragen ist. Dies reicht für eine auch nur geringe Schwächung der Widerspruchsmarke selbstverständlich nicht aus.
Der Senat hat allerdings die unwidersprochen gebliebene Behauptung der Markeninhaberin zu berücksichtigen, dass "Germania" in einer "Vielzahl von Fällen" benutzt werde, was sich sinngemäß auf eine Verwendung als Drittkennzeichnungen (Unternehmenskennzeichen und betriebliche Herkunftshinweise, wie etwa Benutzungsmarken) bezieht. Insofern ist eine Schwächung der Widerspruchsmarke als unwidersprochen und damit liquide zugrundezulegen.
2. Die allein noch streitgegenständliche Dienstleistung der angegriffenen Marke "Immobilienwesen (Grundstücks- und Hausverwaltung)" ist von der Markenstelle zu Recht als mit der für die Widersprechende geschützten Dienstleistung "Immobilien- und Hypothekenvermittlung" teilidentisch angesehen worden. In welchem wirtschaftlichen Zusammenhang die Dienstleistungen von den Beteiligten im Einzelnen erbracht werden und ob es in der Praxis überhaupt zu Kollisionen kommen kann, ist für die rein registerrechtliche Beurteilung im Widerspruchsverfahren nicht relevant. Daher können die Ausführungen der Markeninhaberin zu dem örtlich und wirtschaftlich beschränktem Umfeld, in dem sie (gegenwärtig) ihre Dienstleistungen erbringen will, nicht zu ihren Gunsten berücksichtigt werden. Vielmehr beurteilt sich die Ähnlichkeit der Waren oder Dienstleistungen, ebenso wie auch die Ähnlichkeit der Marken allein anhand der beiderseitigen Waren, Dienstleistungen und Marken, wie sie im Register eingetragen sind.
b) Angesichts der teilweisen Überschneidung, im Übrigen hochgradigen Ähnlichkeit der Dienstleistungen hält die angegriffene Marke den, trotz der zu berücksichtigenden Schwächung der Widerspruchsmarke, erforderlichen noch deutlichen Abstand zu dieser jedenfalls in klanglicher Hinsicht nicht ein.
Zwar sind die Marken wegen des nur in der angegriffenen Marke enthaltenen zusätzlichen Worts "Hof" offensichtlich so deutlich unterscheidbar, dass eine Verwechslungsgefahr nicht mehr in Betracht kommt, sofern man die Marken in ihrer Gesamtheit betrachtet. Dennoch besteht eine zur Feststellung einer Verwechslungsgefahr führende Identität der Marken, da sie in ihrem Bestandteil "Germania" übereinstimmen. Grundsätzlich ist zwar von der registrierten Form der Marken auszugehen, wobei es in der Regel nicht zulässig ist, aus der angegriffenen Marke ein Element herauszugreifen und dessen Übereinstimmung mit der Widerspruchsmarke festzustellen. Dies zwingt indessen nicht dazu, die Marken stets in allen jeweiligen Merkmalen zu vergleichen. Vielmehr kann auch ein Markenbestandteil eine selbständig kollisionsbegründende Bedeutung haben, wenn er den Gesamteindruck der mehrgliedrigen Marke prägt, indem er eine eigenständige kennzeichnende Funktion aufweist (vgl. Ströbele/Hacker, Markengesetz, 7. Aufl., § 9, Rdnr. 370, 373 m.w.N.).
Das Wort "Germania" hat innerhalb der Gesamtkennzeichnung "Germania Hof" eine eigenständig kennzeichnende Funktion. Maßgebend ist hierbei, dass das weitere Wort "Hof" für einen zumindest nicht unbeachtlichen Teil des Verkehrs in einer Weise zurücktritt, dass es für den Gesamteindruck vernachlässigt werden kann. Zwar ist eine beschreibende Funktion dieses Worts nicht zu erkennen, soweit der Verkehr "Hof" als offene Fläche in oder an Gebäuden, als landwirtschaftlichen Betrieb oder als Fürstenhaushalt versteht (allenfalls die Pluralform "Höfe" könnte insoweit eine Angabe über den Gegenstand der Dienstleistungen sein). Für diese Verkehrsteile hat "Hof" also durchaus eine mitprägende Wirkung. Dies gilt erst recht für Verkehrsteilnehmer, die die jüngere Marke aus bestimmten Gründen als Gesamtbegriff oder Gesamtkennzeichnung auffassen, wie sie etwa die Markeninhaberin im Hinblick auf ihr spezielles Tätigkeitsgebiet verstanden wissen will. Für diesen Teil des Verkehrs könnte damit keine Prägung durch "Germania" festgestellt werden.
Anders ist dies jedoch bei Verkehrsteilnehmern, die "Hof" als Stadt oder als den gleichnamigen Landkreis verstehen. Da geografische Belegenheitsangaben - sowohl was die Lage der Immobilien als auch die Belegenheit des Dienstleistungserbringers (vor Ort) betrifft - gerade für Immobilienwesen äußerst wichtige Merkmalsangaben darstellen, wird das Wort "Hof" von Verkehrsteilnehmern, für die es als geografische Angabe in Betracht kommt, selbst hinter einem geschwächten "Germania" derart zurücktreten, dass es für den Gesamteindruck der Gesamtkennzeichnung vernachlässigt werden kann. Hierfür spricht nicht zuletzt auch die Großzügigkeit, mit der die Rechtsprechung selbst bei wirtschaftlich weniger bedeutenden Orten ein Freihaltungsbedürfnis bzw. mangelnde Unterscheidungskraft annimmt (EuGH GRUR 1999, 723 - Chiemsee; BPatG GRUR 2001, 741 - Lichtenstein, bestätigt in BGH GRUR 2003, 882; BPatG GRUR 2000, 1050 - Cloppenburg). Dies gilt auch dann, wenn "Germania", wie die Markeninhaberin sinngemäß behauptet, in einer Vielzahl von Drittkennzeichnungen verwendet wird, da "Germania" in diesem Fall dem Verkehr gerade als (wenn auch abgegriffener) Unternehmens- oder Betriebsherkunftshinweis geläufig ist und in dieser Funktion aufgefasst wird. Dementsprechend wird es neben der geografischen Angabe "Hof" als einziger markenrechtlich kennzeichnender Teil der Gesamtkennzeichnung aufgefasst. Für diese Verkehrsteile wird der Gesamteindruck der Widerspruchsmarke daher allein durch "Germania" geprägt.
Dieser Teil der für Immobilienwesen in Betracht kommenden Gesamtverkehrskreise des Bundesgebiets ist auch nicht unbeachtlich. Zwar handelt es sich sowohl bei der Stadt als auch beim Landkreis Hof um ein nicht sonderlich großes oder wirtschaftlich besonders bedeutendes Gebiet. Dennoch muss für weite Teile der bayerischen und vogtländischen, d.h. teilweise auch sächsischen und thüringischen Verkehrskreise davon ausgegangen werden, dass ihnen "Hof" als geografische Angabe geläufig ist. Für einen gegen Verwechslungsgefahr zu schützenden, nicht unbeachtlichen Teil des Verkehrs prägt "Germania" daher den Gesamteindruck der jüngeren Marke. Insofern ist von einer Identität der Marken bzw. ihrer prägenden Bestandteile auszugehen.
4. Bei einer Gesamtwürdigung der in Wechselwirkung zueinander stehenden Faktoren ist damit angesichts der Teilidentität der Dienstleistungen auf dem Gebiet des Immobilienwesens und der Identität der Marken bzw. ihrer prägenden Bestandteile selbst bei geschwächter Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke von einer Verwechslungsgefahr für die streitgegenständlichen Dienstleistungen auszugehen.
Winkler Dr. Hock Kätker Cl
BPatG:
Beschluss v. 15.02.2005
Az: 33 W (pat) 166/03
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