Bundespatentgericht:
Beschluss vom 12. September 2006
Aktenzeichen: 33 W (pat) 106/04

(BPatG: Beschluss v. 12.09.2006, Az.: 33 W (pat) 106/04)

Tenor

Die Beschwerde des Anmelders wird zurückgewiesen.

Gründe

I Beim Deutschen Patent- und Markenamt ist am 7. Oktober 2002 die Wortmarke Prime Standardfür nachfolgende Waren und Dienstleistungen angemeldet worden:

"Druckereierzeugnisse; Schriften; Broschüren, Bücher und Plakate Beratung bei der Organisation und Führung von Unternehmen; Beratung und Ausbildung von Unternehmen im Bereich Managementsysteme und Business Excellence; Durchführung von Qualitätssicherungsmaßnahmen und Qualitätsaudits für produzierende Unternehmen sowie Dienstleister im Bereich Industrie und Gewerbe; Beratung und Ausbildung im Bereich Arbeitssicherheit und Umweltmanagement; Dienstleistungen einer Bank, eines Börsenmaklers und/oder Finanzmaklers und/oder eines Immobilienmaklers; Börsenkursnotierungen; Finanzanalysen; Finanzberatung; Investmentgeschäfte; Versicherungswesen; Onlinebanking; Sammeln und Liefern von Nachrichten; Sammeln, Bereitstellen und Übermitteln von Informationen, Nachrichten, Texten, Zeichnungen und Bildern über Waren, Dienstleistungen, Daten und Geschehnisse aus dem Bereich der Wirtschaft, insbesondere der Finanzwirtschaft sowie des Unternehmensmanagements; Telekommunikation; E-Mail-Dienste; Onlinedienste im Internet; Bereitstellen von Zugangsmöglichkeiten zu Computernetzwerken".

Die von der Markenstelle als eventuell erforderlich angesehene Klärung des Verzeichnisses wurde wegen der Bedenken hinsichtlich der Schutzfähigkeit zunächst zurückgestellt.

Die Markenstelle für Klasse 35 hat die Anmeldung durch Beschluss vom 9. Februar 2004 vollständig gemäß §§ 37 Abs. 1, 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 MarkenG wegen Fehlens der Unterscheidungskraft und Bestehens eines Freihaltungsbedürfnisses zurückgewiesen. Zur Begründung wurde unter Bezug auf den Beanstandungsbescheid vom 11. April 2003 ausgeführt, dass sich die Anmeldemarke aus dem englischen Wort "prime" mit den Bedeutungen "vorzüglich, erstklassig, ausgezeichnet" und dem deutschen oder englischen Wort "Standard" mit den Bedeutungen "Leistungs-, Qualitätsniveau, Gütegrad" zusammensetze. Damit werde lediglich der hohe Qualitätsstandard bzw. das ausgezeichnete Niveau der beanspruchten Waren und Dienstleistungen beschrieben. Die beteiligten Verkehrskreise würden diese Bedeutung insbesondere aufgrund der klanglichen Nähe zum deutschen Wort "Primus" und wegen der Grundbedeutung von Standard (Maßstab, Norm) verstehen. Auch aus dem Umstand, dass die Anmeldemarke lexikalisch nicht nachweisbar sei, könne die Unterscheidungskraft nicht hergeleitet werden, da der Verkehr an neue Werbebegriffe gewöhnt sei. Es komme allein darauf an, ob es sich um ein Phantasiewort handele. Hingegen sei es unerheblich, wie der Anmelder auf dieses Wort gekommen sei. Des Weiteren sei die Anmeldemarke auch in ihrer Gesamtheit als beschreibend und damit nicht unterscheidungskräftig anzusehen. Schließlich könnten die vom Anmelder angeführten Voreintragungen ebenfalls nicht die Schutzfähigkeit begründen, da ihnen keine Indizwirkung zukomme, sie nicht mit der vorliegenden Marke vergleichbar seien und aus ihnen kein Anspruch auf Eintragung abgeleitet werden könne.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Beschwerde des Anmelders vom 6. März 2004. Mit ihr wurde lediglich eine Terminverlängerung zur Abgabe der Beschwerdebegründung beantragt, die allerdings nicht eingereicht wurde.

Vor dem Patentamt hat der Anmelder in seiner Erwiderung auf den Beanstandungsbescheid vom 11. April 2003 u. a. ausgeführt, dass die Einzelbegriffe "Prime" als Umschreibung für höchste Qualität und "Standard" als Umschreibung für Richtlinie in Kombination mit anderen Begriffen schutzfähig seien. In diesem Zusammenhang hat der Anmelder auf verschiedene nationale, europäische und internationale Eintragungen von Marken mit den Bestandteilen "Prime". oder "Standard" verwiesen. Des Weiteren sei das Element "Prime" im Duden nur in der Bedeutung "der Musik erster Ton der diatonischen Tonleiter" bzw. "Intervall im Einklang" nachweisbar. Darüber hinaus sei die Anmeldemarke insbesondere in Wirtschaftslexika nicht und in der Presse nur sehr eingeschränkt nachweisbar. Schließlich bestehe auch keine Kollision zu der identischen von der Deutschen Börse verwendeten Bezeichnung, da diese wegen der erforderlichen Klärung der Begrifflichkeiten erst später angemeldet worden sei. Im Übrigen sei auch ein urheberrechtlicher Markenanspruch gegeben, da die Wortfolge von ihm entdeckt worden sei.

Die vorläufige Rechtsauffassung des Senats wurde dem Anmelder vorab mitgeteilt. Eine Stellungnahme hierzu erfolgte nicht.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II 1. Die Beschwerde ist zulässig. Der Beschwerdeführer hat zwar keinen konkreten Antrag auf Aufhebung des angegriffenen Beschlusses gestellt. Allerdings ist ein solcher für die Zulässigkeit einer Beschwerde nicht erforderlich. Fehlt ein Antrag, muss von einer Anfechtung des Beschlusses in vollem Umfang ausgegangen werden (vgl. Ströbele/Hacker, Markengesetz, 8. Auflage, § 66, Rdnr. 33).

Die angekündigte, aber noch nicht eingereichte Beschwerdebegründung muss nicht angemahnt werden. Ihr Fehlen lässt die Zulässigkeit unberührt. Da seit Einlegung der Beschwerde eine angemessene Frist verstrichen ist, kann nunmehr über sie entschieden werden (vgl. Ströbele/Hacker, a. a. O., § 66, Rdnr. 34).

2. Die Beschwerde ist nicht begründet. Nach Auffassung des Senats stehen der Eintragung der Marke entsprechend den Ausführungen in dem Beschluss vom 9. Februar 2004 die Schutzhindernisse gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 MarkenG entgegen:

Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die einer Marke, gleich welcher Kategorie, innewohnende (konkrete) Eignung, die angemeldeten Waren oder Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend zu kennzeichnen und diese Waren oder Dienstleistungen somit von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden (vgl. u. a. EuGH GRUR 2004, 428 - Henkel; GRUR 2004, 1027 - DAS PRINZIP DER BEQUEMLICHKEIT). Insbesondere fehlt einer Marke, die Merkmale von Waren oder Dienstleistungen beschreibt, zwangsläufig die Unterscheidungskraft in Bezug auf diese Waren oder Dienstleistungen (vgl. EuGH GRUR 2004, 674 - Postkantoor).

Der Markenbestandteil "Prime" bildet mit dem weiteren Element "Standard" einen Gesamtbegriff und wird demzufolge vornehmlich als englisches Adjektiv mit den Bedeutungen "wesentlich" bzw. "erstklassig" aufgefasst werden. Die weiteren Bedeutungen von "Prime" im Englischen (Substantiv im Sinne von "Blütezeit" bzw. "Primzahl", Verb im Sinne von u. a. "vorbereiten" bzw. "grundieren") treten im Hinblick auf die beanspruchten Waren und Dienstleistungen demgegenüber in den Hintergrund (vgl. Pons, Großwörterbuch, Englisch - Deutsch, 1. Auflage 2002, Seite 693). Das Gleiche gilt für die deutschen Bedeutungen von "Prime" (erster Ton der diatonischen Tonleiter oder die am Fuß der ersten Seite eines Bogens stehende Kurzfassung des Buchtitels, vgl. Duden, Rechtschreibung, 21. Auflage, Seite 586). Das Element "Standard" ist der sowohl im Deutschen als auch im Englischen geläufige Begriff für u. a. "Maßstab" bzw. "Richtschnur" (vgl. Duden, a. a. O., Seite 704; Pons, a. a. O., Seite 880). In ihrer Gesamtheit weist die Anmeldemarke folglich vor allem die Bedeutungen "Erstklassiger Standard" oder "Wesentlicher Maßstab" auf.

Zwar lässt sich die Wortfolge "Prime Standard" nicht als feststehender allgemeiner Begriff der deutschen oder englischen Sprache nachweisen (vgl. "http://wortschatz.informatik.unileipzig.de/" und "http://dict.leo.org/ende€lp=-ende&lang=de&searchLoc=0&cmpType=relaxed§Hd..."). Dennoch ist davon auszugehen, dass wesentliche Teile der deutschen Verkehrskreise die Bezeichnung "Prime Standard" in dem oben genannten Sinne verstehen werden. Insbesondere ist auch die Bedeutung des Wortes "Prime" im Inland weitgehend bekannt, zumal es fast identische deutsche Begriffe mit ähnlichem Sinngehalt gibt (u. a. "prima" oder "primär", vgl. Duden, a. a. O., Seite 586). Außerdem lässt sich die Verwendung von "Prime" zur Bezeichnung von Qualitätsklassen (vgl. "http://www.ferienwohnung.com/accomodation/35384-30238/region_Neuseeland/-cou...") als auch in verschiedenen Wortzusammensetzungen wie beispielsweise "prime time" (vgl. "http://de.wikipedia.org/wiki/Prime-Time") nachweisen.

Unabhängig davon wird der Gesamtbegriff "Prime Standard" in einem sehr speziellen Zusammenhang im Inland beschreibend verwendet. Im Börsenbereich bezeichnet er ein Zulassungssegment für Unternehmen an der Frankfurter Wertpapierbörse, die sich international positionieren wollen (vgl. "http://de.wikipedia.org/wiki/Prime_Standard" und "http://www.foerderland.de/807+M5cbaf64515b.-98.html").

Unter Berücksichtigung dieser Bedeutungen kann der Anmeldemarke im Hinblick auf die angemeldeten Waren und Dienstleistungen kein Herkunftshinweis entnommen werden. Die tatsächliche Verwendung im Aktienbereich schließt nicht aus, dass die Anmeldemarke auch in anderem Zusammenhang als Sachangabe verstanden wird. Die Bezeichnung "Prime Standard" enthält eine sehr weitgehende und auf alle, insbesondere auch auf die angemeldeten Waren und Dienstleistungen anwendbare Aussage. Mit ihr wird zum Ausdruck gebracht, dass diese eine weit über dem Durchschnitt liegende Qualität aufweisen oder der Herbeiführung einer solchen dienen. Dies wird beispielsweise deutlich anhand der beanspruchten Dienstleistung "Durchführung von Qualitätssicherungsmaßnahmen und Qualitätsaudits für produzierende Unternehmen sowie Dienstleister im Bereich Industrie und Gewerbe", deren Gegenstand von der Anmeldemarke ausdrücklich benannt wird. Selbst ohne ausdrücklichen Hinweis stellt Qualität jedoch auch bei den übrigen Waren und Dienstleistungen ein herausragendes Merkmal dar.

Insbesondere "Dienstleistungen einer Bank, eines Börsenmaklers und/oder Finanzmaklers", "Börsenkursnotierungen; Finanzanalysen; Finanzberatung; Investmentgeschäfte" und "Onlinebanking" können des Weiteren mit dem oben erwähnten Zulassungssegment an der Frankfurter Wertpapierbörse in Zusammenhang stehen. So ist es nicht ausgeschlossen, dass diese Tätigkeiten den Handel mit Prime-Standard-Aktien oder seine Vorbereitung betreffen. Demzufolge ist diesbezüglich ein weiterer Sachbezug der Anmeldemarke gegeben. Auch wenn davon ausgegangen wird, dass der Ausdruck "Prime Standard" erst nach Anmeldung durch den Beschwerdeführer von der Frankfurter Wertpapierbörse verwendet wurde, so kann diese Tatsache nicht die Schutzfähigkeit der Anmeldemarke begründen. Denn weder zum Zeitpunkt der Anmeldung noch zum Zeitpunkt der Eintragung dürfen die Schutzhindernisse gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 MarkenG vorliegen (vgl. Ströbele/Hacker, a. a. O., § 8, Rdnr. 12). Der vor Eintragung erfolgende Gebrauch durch einen Dritten kann dementsprechend auch ohne Zutun des Anmelders der beanspruchten Bezeichnung einen beschreibenden Sinngehalt verleihen.

Da es sich bei der Bezeichnung "Prime Standard" folglich um eine klar erkennbare und allgemein gültige Sachangabe handelt, die keine besondere Eigenart aufweist, bietet sie sich zur unmittelbaren Beschreibung der Eigenschaften der angemeldeten Waren sowie Dienstleistungen an. Sie ist damit für die Mitbewerber des Anmelders auch freizuhalten (zum Freihaltungsbedürfnis an dem Zeichenbestandteil "Prime" in Alleinstellung vgl. auch PAVIS, BPatG, 27 W (pat) 193/95 und 32 W (pat) 189/96).

Aus der Tatsache, dass die Anmeldemarke eine Wortneubildung darstellt, kann entgegen der Auffassung des Anmelders die Schutzfähigkeit ebenfalls nicht abgeleitet werden, da für die Annahme des Schutzhindernisses gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ein lexikalischer oder sonstiger Nachweis nicht erforderlich ist (vgl. EuGH GRUR 2004, 1027, insbesondere Nr. 46 - DAS PRINZIP DER BEQUEM-LICHKEIT). Darüber hinaus bedarf es auch im Rahmen des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG keiner Feststellung, dass die Anmeldemarke insbesondere bereits in Zusammenhang mit den angemeldeten, nicht den Aktienhandel betreffenden Waren und Dienstleistungen verwendet wird (vgl. Ströbele/Hacker, a. a. O., § 8, Rdnr. 199).

Die von dem Beschwerdeführer geltend gemachten Voreintragungen auf nationaler, europäischer und internationaler Ebene begründen unabhängig von ihrer fehlenden Bindungswirkung ebenfalls nicht die Eintragbarkeit. Zum einen betreffen die ausdrücklich genannten HABM- sowie Inlandseintragungen andere Waren/Dienstleistungen und insbesondere andere Marken. Zum anderen ist nicht erkennbar, auf welche weiteren Voreintragungen sich der Beschwerdeführer konkret noch beruft.

Schließlich führt auch die Tatsache, dass der Anmelder nach seinem Vortrag die Marke entwickelt hat und sie unter Umständen urheberrechtlichen Schutz genießt, nicht zur Schutzfähigkeit der gegenständlichen Bezeichnung. Dem Eintragungsantrag kann nur dann stattgegeben werden, wenn die Anmeldungserfordernisse erfüllt sind und - was vorliegend nicht der Fall ist - keine absoluten Hindernisse der Eintragung entgegenstehen (§ 33 Abs. 2 Satz 2 MarkenG).






BPatG:
Beschluss v. 12.09.2006
Az: 33 W (pat) 106/04


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