Bundesgerichtshof:
Urteil vom 20. November 2006
Aktenzeichen: II ZR 176/05

(BGH: Urteil v. 20.11.2006, Az.: II ZR 176/05)

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 27. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 17. August 2004 aufgehoben.

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil der IV. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Bielefeld vom 18. September 2003 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt die Kosten der Rechtsmittelverfahren.

Von Rechts wegen.

Tatbestand

Der Kläger ist Verwalter in dem am 5. Juli 2002 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der D. AG (nachfolgend: Schuldnerin), die am 20. November 1999 mit einem Grundkapital von 691.500,00 € errichtet und am 17. Dezember 1999 in das Handelsregister eingetragen wurde. Hauptgründungsaktionäre und zugleich Mitglieder des ersten dreiköpfigen Vorstands der Schuldnerin waren der Beklagte, G. S. und W. P. , die jeweils Aktien im Wert von 128.000,00 € übernommen hatten; die restlichen 15 Gründer waren mit Aktien in Höhe von je 20.500,00 € beteiligt. Der Beklagte und seine Mitgründer zahlten ihre bar zu erbringenden Einlagen am 1. Dezember 1999 auf das Gesellschaftskonto ein.

Schon vor der Gründung der Schuldnerin waren der Beklagte zu 75 % und der ebenfalls zu den Gründungsaktionären der Schuldnerin gehörende Si. Sch. zu 25 % an der H. GmbH (nachfolgend: H. GmbH) beteiligt; zugleich waren sie deren Geschäftsführer. Der Mitgründungsaktionär S. hielt eine Mehrheitsbeteiligung von 85 % an der S. GmbH (nachfolgend: S. GmbH). Das Gründungskonzept für die Schuldnerin sah vor, die geschäftlichen Aktivitäten der H. GmbH und der S. GmbH zu bündeln und in der Schuldnerin unter dem satzungsgemäßen Unternehmensgegenstand der "Planung, Projektierung und Ausführung von Gebäudeautomations- und prozesstechnischen Anlagen" zusammenzuführen; daneben sollte die Schuldnerin - wie bis dahin die H. GmbH - Großhändlerin für eine E. GmbH (nachfolgend: E. GmbH) sein. Dementsprechend war schon bei der Errichtung der Schuldnerin unter ihren Gründungsaktionären fest vereinbart, dass sie die beiden bei der H. GmbH und der S. GmbH vorhandenen Warenlager zu übernehmen hatte.

Absprachegemäß erwarb die Schuldnerin noch im Dezember 1999 von der H. GmbH deren Warenlager zum Gesamtpreis von 377.260,61 € sowie das Warenlager der S. GmbH für 63.816,45 €; die Kaufpreise beglich sie jeweils in drei Raten in der Zeit von Januar bis Mitte Februar 2000. Die H. GmbH und die S. GmbH gaben sodann - wie geplant - ihr operatives Geschäft auf und waren fortan nur noch als Verpachtungsgesellschaften im Zusammenhang mit der Überlassung ihres "Knowhow" an die Schuldnerin tätig.

Der Kläger nimmt den Beklagten mit der Klage aus dem Gesichtspunkt einer verdeckten Sachgründung auf Zahlung der übernommenen Einlage in Höhe eines Teilbetrages von 25.000,00 € in Anspruch.

Das Landgericht hat die Voraussetzungen einer verdeckten Sacheinlage im Umfang der vom Beklagten gezahlten Einlage von 128.000,00 € wegen des schon bei der Gründung verabredeten Erwerbs des Warenlagers der von ihm beherrschten H. GmbH bejaht und deshalb der Klage stattgegeben. Demgegenüber hat das Berufungsgericht (ZIP 2005, 1138) die Klage mit der Erwägung abgewiesen, die Übertragung des Warenlagers sei ein gewöhnliches Umsatzgeschäft gewesen, durch das die Sacheinlagevorschriften nicht umgangen würden. Mit der - vom Berufungsgericht zugelassenen - Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.

Gründe

Die Revision ist begründet und führt unter Aufhebung des angefochtenen Urteils zur Wiederherstellung des der Klage stattgebenden Urteils des Landgerichts (§§ 562 Abs. 1, 563 Abs. 3 ZPO).

I. Das Berufungsgericht hat ausgeführt:

Der Beklagte habe die Kapitalaufbringungsvorschriften nicht unzulässig durch eine verdeckte Sacheinlage umgangen. Abgesehen davon, dass er angesichts seiner "lediglich" 75 %-igen Beteiligung an der H. GmbH das in deren Eigentum stehende Warenlager gar nicht als Sacheinlage habe leisten können, sei auch bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise im Hinblick auf den großen Unterschied zwischen dem Einlagebetrag von 128.000,00 € und dem Kaufpreis von 377.260,61 € der Einlage des Beklagten kein bestimmter Teil des einheitlichen Warenlagers zuzuordnen. Darüber hinaus sei für den Vorstand der Schuldnerin die freie Verfügung über die von dem Beklagten bar eingezahlten 128.000,00 € nicht ausgeschlossen gewesen, weil dieser trotz der an sich bindenden Vereinbarung der Gründungsaktionäre über den Erwerb des Warenlagers der H. GmbH nicht an einer anderweitigen, vertragswidrigen Verfügung über diese Barmittel gehindert gewesen sei. Letztlich entscheidend sei jedoch, dass gewöhnliche Umsatzgeschäfte zwischen Gesellschaft und Gesellschafter im Rahmen des laufenden Geschäftsverkehrs nicht als Umgehung der Sachgründungsvorschriften in Form einer verdeckten Sacheinlage anzusehen seien. Eine solche Ausnahme von dem Umgehungsverbot müsse nicht nur für Geschäfte zur Deckung des laufenden Bedarfs, sondern bei der Gründung einer Aktiengesellschaft auch für die Übernahme eines betriebsnotwendigen Warenlagers im Rahmen der Erstausstattung gelten. Dabei sei für die Annahme eines gewöhnlichen Umsatzgeschäftes entscheidend, ob das im Rahmen der Verfolgung des Unternehmenszwecks vereinbarte Rechtsgeschäft zu Konditionen abgeschlossen worden sei, wie sie auch mit einem außenstehenden Dritten vereinbart worden wären. Das sei hier der Fall gewesen, weil die Schuldnerin - wie unstreitig geworden sei - die das Warenlager umfassenden Einzelteile zu denselben Einkaufspreisen übernommen habe, die die H. GmbH dafür gezahlt habe und die auch die E. GmbH oder sonstige Hersteller der Schuldnerin seinerzeit berechnet haben würden.

II. Diese Beurteilung hält revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand.

Der Kläger hat gegen den Beklagten einen Anspruch auf Zahlung des Ausgabewertes für die von ihm übernommenen Aktien in Höhe des mit der Teilklage geltend gemachten Betrages von 25.000,00 € gemäß § 27 Abs. 3 Satz 3 AktG, weil dieser durch die Einzahlung der 128.000,00 € auf das Gesellschaftskonto am 1. Dezember 1999 die nach § 4 Abs. 2 der Satzung der Schuldnerin bar zu erbringende Einlage nicht, wie für eine ordnungsgemäße Kapitalaufbringung erforderlich, wirksam geleistet hat und damit nicht von seiner Einlageverbindlichkeit frei geworden ist (§ 362 BGB). Denn dieser Zahlungsvorgang war - entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts - wegen der von vornherein bei der Errichtung der Gesellschaft zwischen den Gründungsaktionären abgesprochenen Verknüpfung mit dem Erwerb des Warenlagers der von dem Beklagten beherrschten H. GmbH lediglich Teil eines gegen § 27 Abs. 1 Satz 1 AktG verstoßenden und damit nach § 27 Abs. 3 Satz 1 AktG gegenüber der Schuldnerin unwirksamen Umgehungsgeschäftes in Form einer verdeckten (gemischten) Sacheinlage.

1. a) Als verdeckte Sacheinlage wird es angesehen, wenn die gesetzlichen Regeln für Sacheinlagen dadurch unterlaufen werden, dass zwar eine Bareinlage vereinbart wird, die Gesellschaft aber bei wirtschaftlicher Betrachtung von dem Einleger aufgrund einer im Zusammenhang mit der Übernahme der Einlage getroffenen Absprache einen Sachwert erhalten soll (vgl. BGHZ 155, 329, 334; Sen.Urt. v. 16. Januar 2006 - II ZR 76/04, ZIP 2006, 665, 666, Tz. 11 - "Cash-Pool", z.V.b. in BGHZ 166, 8). Bei einer solchen Aufspaltung des wirtschaftlich zusammengehörigen Vorgangs in eine Barzeichnung und ein Erwerbsgeschäft macht es keinen Unterschied, ob das für die einzubringenden Gegenstände vereinbarte Entgelt entgegen dem Verbot des § 66 Abs. 1 Satz 2 AktG mit dem für die Aktien einzuzahlenden Betrag verrechnet wird (vgl. auch § 27 Abs. 1 Satz 2 AktG), ob die Gesellschaft die übernommenen Sachgüter zunächst bezahlt und der veräußernde Inferent alsdann mit dem Erlös seine Bareinlageschuld begleicht oder ob die Gesellschaft eine schon erbrachte Bareinlage abredegemäß alsbald wieder zur Vergütung einer Sachleistung zurückzahlt (vgl. Sen.Urt. v. 19. April 1982 - II ZR 55/81, ZIP 1982, 689, 692 - Holzmann -, insoweit nicht abgedruckt in BGHZ 83, 319). Denn in allen diesen Gestaltungsvarianten werden die dem Schutz der realen Kapitalaufbringung dienenden gesetzlichen Sacheinlageregeln über die Satzungspublizität (§ 27 Abs. 1 AktG) und die Werthaltigkeitsprüfung (§ 38 Abs. 2 AktG i.V.m. § 34 AktG) umgangen.

b) Eine derartige Aufspaltung des wirtschaftlich einheitlich gewollten Vorgangs einer Sacheinbringung in zwei rechtlich getrennte Geschäfte, bei denen der Gesellschaft zwar formal Bargeld als Einlage zugeführt, dieses jedoch im Zusammenhang mit einem zweiten Rechtsgeschäft gegen die Zuführung eines anderen Gegenstandes zurückgewährt wird, und mit dem die Gesellschaft im wirtschaftlichen Ergebnis keine Bar-, sondern eine Sacheinlage erhält, lag in Bezug auf den Beklagten vor.

Die für die Anwendung der Grundsätze über die verdeckte Sacheinlage erforderliche, den wirtschaftlichen Erfolg einer Sacheinbringung umfassende Abrede (st. Senatsrechtsprechung seit: BGHZ 132, 133, 139 m.Nachw.) ergibt sich unmittelbar aus der - tatrichterlich einwandfrei festgestellten - verbindlichen Gründungsplanung der Gründungsaktionäre. Danach sollte die Schuldnerin zwar insgesamt im Wege einer Bargründung errichtet werden. Jedoch war zugleich als Bestandteil des Gründungskonzepts zwischen allen Inferenten im Zeitpunkt der Errichtung der Schuldnerin verabredet, dass diese das Warenlager der H. GmbH, an der der Beklagte eine Mehrheitsbeteiligung von 75 % und der Mitinferent Sch. die Restbeteiligung von 25 % innehatten, gegen - aus den Bareinlagen aufzubringendes - Entgelt zu übernehmen hatte; gleichgelagert war die Situation hinsichtlich des Erwerbs des Warenlagers der - von dem Mitinferenten S. aufgrund seiner Beteiligung von 85 % beherrschten - S. GmbH. Die Notwendigkeit der Übertragung der Warenlager auf die Schuldnerin ergab sich - wie der Kläger unwidersprochen vorgetragen hat - daraus, dass der Beklagte und sein Mitgesellschafter Sch. ebenso wie S. als beherrschender Gesellschafter der S. GmbH die Übertragung der jeweiligen Warenlager auf die Schuldnerin zur Bedingung für ihre Beteiligung an deren Gründung gemacht hatten. Denn angesichts der beabsichtigten faktischen Übernahme des operativen Geschäfts beider Gesellschaften durch die Schuldnerin bestand bei diesen kein Bedarf mehr für die von ihnen bis dahin unterhaltenen umfangreichen Warenlager.

c) Die Anwendung der Grundsätze über die verdeckte Sacheinlage scheitert nicht etwa daran, dass der Beklagte - wie das Berufungsgericht gemeint hat - rechtlich an einer Sacheinbringung des im Eigentum der H. GmbH stehenden Warenlagers gehindert gewesen wäre.

Der Tatbestand einer Umgehung der Kapitalaufbringungsregeln setzt - wie das Berufungsgericht an anderer Stelle seines Urteils im Ansatz zutreffend erkannt hat - die personelle Identität zwischen dem Inferenten und dem "Auszahlungsempfänger" nicht voraus. Es genügt vielmehr, dass der Inferent durch die Leistung des Dritten bzw. an den Dritten mittelbar in gleicher Weise begünstigt wird wie durch die unmittelbare Leistung; u.a. bei der Einbindung eines von dem Inferenten beherrschten Unternehmens in den Kapitalaufbringungsvorgang und die damit verbundenen Leistungshin- und -rückflüsse ist dies nach der Rechtsprechung des Senats der Fall (vgl. Sen.Urt. v. 16. Januar 2006 - II ZR 76/04, aaO Tz. 17 f.; vgl. auch: BGHZ 153, 107, 111; 125, 141, 144). Diese Voraussetzungen sind hier schon deshalb erfüllt, weil der Beklagte nicht nur - was bereits ausreichte - Gesellschafter-Geschäftsführer der H. GmbH mit einer Mehrheitsbeteiligung von 75 % war, sondern auch der Mitgesellschafter Sch. zu den Gründungsaktionären der Schuldnerin gehörte, mit denen einvernehmlich die von vornherein beabsichtigte Einbringung des Warenlagers der GmbH in die Schuldnerin verabredet war. Durch die Zahlung des - die Einlagen sowohl des Beklagten als auch des Mitgesellschafters Sch. von 128.000,00 € 128.000,00 € bzw. 20.500,00 € übersteigenden - Kaufpreises von 377.260,61 € an die H. GmbH sind der Beklagte und sein Mitgesellschafter auch (mindestens) mittelbar in gleicher Weise begünstigt worden, wie wenn ihnen der Betrag unmittelbar selbst zugeflossen wäre.

d) Eine Anwendung der Regeln über die verdeckte Sacheinlage ist auch nicht etwa deshalb ausgeschlossen, weil - wie das Oberlandesgericht offenbar meint - der von dem Beklagten geschuldeten Einlage von 128.000,00 € wegen der großen Wertdifferenz zu dem Kaufpreis von über 377.000,00 € kein bestimmter oder bestimmbarer Teil des als Sacheinheit anzusehenden Warenlagers zugeordnet werden könnte. Das Berufungsgericht verkennt, dass es sich bei dieser Konstellation der Wertverschiedenheit um den typischen Fall einer sog. gemischten Sacheinlage handelt.

Unter einer gemischten Sacheinlage ist die Übertragung eines Vermögensgegenstandes zu verstehen, dessen Wert den Betrag der übernommenen Einlage übersteigt und für den der Gründer deshalb im Umfang der Einlage Aktien der Gesellschaft, hinsichtlich des darüber hinausgehenden Wertes hingegen ein anderes Entgelt erhält (vgl. Röhricht in Großkomm.z.AktG 4. Aufl. § 27 Rdn. 106; Pentz in MünchKomm.z.AktG 2. Aufl. § 27 Rdn. 62 - jew. m.w.Nachw.). Bei dieser Art der Kapitalaufbringung liegt eine Kombination von Sacheinlage und Sachübernahme vor, die jedenfalls dann, wenn sie - wie hier bezüglich der Sachgesamtheit des Warenlagers - eine kraft Parteivereinbarung unteilbare Leistung betrifft, als einheitliches Rechtsgeschäft zu behandeln und in ihrem gesamten Umfang den Regeln über Sacheinlagen zu unterwerfen ist (vgl. Röhricht aaO Rdn. 107; Pentz aaO Rdn. 68 - jew. m.w.Nachw.). Das bedeutet insbesondere, dass derartige gemischte Sacheinlagen der in § 27 Abs. 1 Satz 1 AktG bestimmten Festsetzung in der Satzung bedürfen. Dabei ist nicht nur die Einbringung als Sacheinlage gegen Gewährung von Aktien in Höhe eines bestimmten Nennbetrages zu verlautbaren, sondern - zur Vermeidung eines unrichtigen Eindrucks über die Kapitalausstattung - auch offenzulegen, dass der Gründer zusätzlich Anspruch gegen die Gesellschaft auf Vergütung des darüber hinausgehenden Mehrwertes des von ihm einzulegenden Gegenstandes haben soll. Da die Gründer der Schuldnerin diesen Weg der gemischten Sacheinlage hinsichtlich der Einbringung des Warenlagers der H. GmbH durch den Beklagten (und dessen Mitgesellschafter Sch. ) nicht beschritten haben, ist der Beklagte nach den Regeln der verdeckten Sacheinlage den aus § 27 Abs. 3 Satz 1 AktG resultierenden Unwirksamkeitsfolgen und der Verpflichtung zur Bareinzahlung nach § 27 Abs. 3 Satz 3 AktG zu unterwerfen, ohne dagegen mit der von ihm zweitinstanzlich erklärten Hilfsaufrechnung mit Gegenforderungen durchzudringen (vgl. § 66 Abs. 1, 2 AktG).

e) Die Rechtsfolgen der verdeckten Sacheinlage sind im vorliegenden Fall in Bezug auf den Beklagten auch dann nicht ausgeschlossen, wenn man es bei der Gründung der Aktiengesellschaft - anders als bei der Kapitalerhöhung - grundsätzlich als zulässig ansieht, dass ein Gründer, der als Einlage einen Vermögensgegenstand in die Gesellschaft einbringen will, nach § 27 Abs. 1 Satz 1 AktG anstelle einer (regulären) Sacheinlage auch den Weg der Aufspaltung in eine Bareinlage und eine davon getrennte Sachübernahmevereinbarung wählen kann (vgl. dazu Lutter/Gehling, WM 1989, 1445, 1451 f. m.w.Nachw.). Denn ein solcher Weg der Verbindung von Barzeichnung und gleichzeitiger Sachübernahme, bei der die Gesellschaft einen Gegenstand von dem Gesellschafter gegen Zahlung eines - aus den Bareinlagen zu entrichtenden - Entgelts übernimmt, kann von dem Inferenten bei der Gründung allenfalls deshalb gewählt werden, weil das Gesetz an diesen Vorgang die gleichen Anforderungen stellt wie an die Leistung einer Sacheinlage (BGHZ 110, 47, 58). Regelungszweck der Sachübernahmeregelung des § 27 Abs. 1 Satz 1 AktG ist es nicht etwa, die Handlungsweisung aus den zwingenden Sacheinlagevorschriften an die Gesellschaftsorgane zu begrenzen und den Inferenten durch Einräumung von Gestaltungsfreiheit zu privilegieren. Vielmehr waren die Sachübernahmevorschriften bereits bei ihrer Einführung im Jahre 1870 (vgl. Art. 209 b ADHGB 1870; s. dazu Entwurf eines AktG 1870 nebst Motiven, Protokolle der Reichstagsverhandlungen 1870, Bd. 4, Aktenstück Nr. 158, S. 655) als Umgehungsschutz im Sinne der Ergänzung der Sacheinlagevorschriften konzipiert: Nicht nur der Sacherwerb vom Gründer, sondern auch von jedem Dritten wurde im Gründungsstadium den Offenlegungs- und Wertprüfungsvorschriften unterstellt.

Die Gestaltungsmöglichkeit, statt der an sich gebotenen regulären Sacheinlage den Aufbringungsvorgang in eine Barzeichnung und eine Sachübernahme aufzuspalten, ist daher dem Inferenten bei der Gründung der Aktiengesellschaft ausnahmsweise nur dann eröffnet, wenn er die in § 27 Abs. 1 Satz 1 AktG als Schutz vor Umgehung der Sacheinlagevorschriften für die Sachübernahme in gleicher Weise angeordneten strengen Regeln über die Offenlegung in der Satzung - die durch die Wertprüfungsvorschriften in §§ 38 Abs. 2, 34 AktG "flankiert" werden - einhält. Tut er dies - wie im vorliegenden Fall die Gründer der Schuldnerin trotz Vereinbarung einer Sachübernahme des Warenlagers (vgl. zu den Voraussetzungen einer solchen Absprache: RGZ 121, 99, 102; RGZ 167, 99, 108; Pentz aaO § 27 Rdn. 62; eingehend Röhricht aaO § 27 Rdn. 117 m.w.Nachw.) - nicht, so steht ihm ein Wahlrecht hinsichtlich der daraus resultierenden Rechtsfolgen im Sinne einer Beschränkung der Unwirksamkeit auf das isolierte Sachübernahmegeschäft nicht zu. Vielmehr gebietet der Schutzzweck der Vorschriften über die Kapitalaufbringung - wie er auch in der Fiktion des § 27 Abs. 1 Satz 2 AktG über die Behandlung eines "typischen Umgehungsfalls" einer Sachübernahme als Sacheinlage zum Ausdruck kommt (vgl. BT-Drucks. 8/1678, S. 12) -, auch eine derartige Umgehungskonstellation, wie die hier vorliegende, uneingeschränkt den Rechtsfolgen der Regeln über die verdeckte Sacheinlage zu unterwerfen.

f) Schon im Ansatz verfehlt ist die Ansicht des Berufungsgerichts, die Grundsätze der verdeckten Sacheinlage stünden einer wirksamen Erfüllung der Bareinlageschuld durch Leistung der 128.000,00 € seitens des Beklagten am 1. Dezember 1999 "zur endgültig freien Verfügung" der Geschäftsleitung der Schuldnerin nicht entgegen, weil der Vorstand trotz der verbindlichen Vereinbarung der Gründungsaktionäre über den Erwerb des Warenlagers der H. GmbH nicht an einer abredewidrigen Verwendung der Einlagemittel gehindert gewesen sei. Eine derartige Ansicht, durch welche die dem Schutz der verbindlichen Kapitalaufbringungsvorschriften gegen Umgehung dienenden Regeln über die verdeckte Sacheinlage stets nach Belieben der Organe der Gesellschaft "ausgehebelt" werden könnten, ist schlechthin unvertretbar und steht in Widerspruch zur ständigen Senatsrechtsprechung (vgl. bereits Sen.Urt. v. 19. Dezember 1974 - II ZR 177/72, WM 1975, 177, 178; vgl. auch BGHZ 113, 335, 347 f.); die vom Berufungsgericht als vermeintlicher Beleg für seine Auffassung zitierte Senatsentscheidung vom 11. November 1985 (II ZR 109/84, NJW 1986, 837, 839 f.), die sich mit der Bankenhaftung für Konkursverschleppung befasst, ist ersichtlich nicht einschlägig.

2. Schließlich ist auch die vom Berufungsgericht als letztlich entscheidungstragend angesehene Annahme, die Übertragung des Warenlagers stelle trotz der unstreitigen verbindlichen Absprache der Gründungsaktionäre im Zusammenhang mit der Errichtung der Schuldnerin als gewöhnliches Umsatzgeschäft zwischen Gesellschaft und Gesellschafter im Rahmen des laufenden Geschäftsverkehrs keine unzulässige Umgehung der Sachgründungsvorschriften dar, in mehrfacher Hinsichtlich rechtlich nicht haltbar.

a) Eine vollständige Ausklammerung der vom Berufungsgericht so genannten "gewöhnlichen Umsatzgeschäfte im Rahmen des laufenden Geschäftsverkehrs" aus dem Anwendungsbereich der verdeckten Sacheinlage - wie sie das Berufungsgericht im Anschluss an Stimmen im Schrifttum (so insbesondere Henze, ZHR 154 (1990), 105, 112 f.; zum Meinungsstand vgl. Röhricht aaO § 27 Rdn. 204 m.w.Nachw.) vertritt - hält der Senat jedenfalls für den hier zu entscheidenden Bereich der Gründung der Aktiengesellschaft nicht für zulässig.

Die dafür gegebene Begründung, dass der Zweck der Bestimmungen über die Kapitalaufbringung ihre Einbeziehung nicht gebiete, weil der Wert solcher Gegenstände leicht und zuverlässig zu ermitteln sei, trifft in dieser Verallgemeinerung nicht zu. Der Zulassung einer generellen Bereichsausnahme stehen die §§ 27 Abs. 1, 34, 38 AktG entgegen, die unabhängig von der Bestimmbarkeit des Wertes des jeweiligen Gegenstandes die Gründer ausnahmslos dazu verpflichten, ihre vorabgesprochenen Geschäfte sowohl bei der Sacheinlage als auch - dem gleichgestellt - bei einer Sachübernahme, die mit einer Bargründung kombiniert werden soll, in der Satzung offenzulegen und einer präventiven Werthaltigkeitskontrolle unterziehen zu lassen (vgl. Röhricht aaO § 27 Rdn. 204); zudem ist für das Eingreifen der Regeln über die verdeckte Sacheinlage nicht die Werthaltigkeit des Gegenstandes, sondern allein die Umgehung der Sacheinlagevorschriften entscheidend (so zutreffend Pentz aaO § 27 Rdn. 97).

b) Für "normale" (alltägliche) Umsatzgeschäfte des laufenden Geschäftsverkehrs der Gesellschaft mit ihrem Gesellschafter wird im Schrifttum erörtert (vgl. u.a. Pentz aaO § 27 Rdn. 397; Röhricht aaO § 27 Rdn. 205 - jew. m. umfangreichen Nachw.), ob von der sonst allgemein befürworteten, an den engen sachlichen und zeitlichen Zusammenhang zwischen Einlageleistung und Verkehrsgeschäft anknüpfenden Vermutung abgesehen werden kann, dass den Geschäften eine zur Anwendung der Sacheinlagevorschriften führende Zweckabrede zugrunde liegt. Zur effektiven Durchsetzung der Kapitalschutzvorschriften erscheint es nicht in jedem Fall zwingend geboten, dem Inferenten den Nachweis des Fehlens einer Vorabsprache aufzuerlegen, wenn er einige Zeit nach der Gründung der Gesellschaft mit ihr ein normales Umsatzgeschäft des laufenden Geschäftsverkehrs wie mit jedem Dritten abschließt (vgl. dazu auch für den Bereich der Nachgründung die Ausnahme in § 52 Abs. 9 AktG).

Der vorliegende Fall gibt indessen zu einer näheren Erörterung dieser Frage schon deswegen keinen Anlass, weil das Berufungsgericht revisionsrechtlich einwandfrei festgestellt hat, dass die beteiligten Personen eine entsprechende - wie oben ausgeführt: schädliche - Abrede getroffen haben.

Steht eine derartige Absprache, durch die im wirtschaftlichen Ergebnis die zu erbringende Bareinlage in Gestalt einer Vergütung für eine Sachleistung wieder an den Gründer zurückfließen soll, fest, so kommt es auf den zeitlichen Abstand zwischen Gründung oder Erfüllung der Einlageverpflichtung und der Abwicklung des Gegengeschäfts sowie die Frage, ob ein Umsatzgeschäft gegeben ist, nicht an; denn dann spielen Indizien und Darlegungs- bzw. Beweislastfragen keine Rolle, weil bei Vorliegen der Abrede stets von einer verdeckten Sacheinlage auszugehen ist (vgl. BGHZ 132, 133, 140; so auch: Röhricht aaO § 27 Rdn. 201; Traugott/Groß, BB 2003, 481, 483; im Ansatz wohl auch Ulmer, ZHR 154 (1990), 128, 140 f.).

c) Abgesehen davon stellte aber der Erwerb des Warenlagers sowohl der vom Beklagten beherrschten H. GmbH als auch desjenigen der von dem Mitgründer S. beherrschten S. GmbH kein "gewöhnliches Umsatzgeschäft im Rahmen des laufenden Geschäftsverkehrs" zwischen der Schuldnerin und jenen Gesellschaften der betreffenden Gründer dar.

Schon der Umstand, dass hier im Rahmen des Gründungskonzepts die Warenlager beider Gesellschaften, die faktisch mit ihrem operativen Geschäft in der neu zu gründenden Schuldnerin aufgehen sollten, durch die Schuldnerin erworben werden mussten, steht der Qualifizierung dieser Übernahmen als gewöhnliche Umsatzgeschäfte entgegen, abgesehen davon, dass auch der Gesamtwert der Transaktionen, der sich auf über 60 % des Grundkapitals der Schuldnerin belief, gegen eine derartige Einstufung spricht. Vor allem aber ist auch das zusätzlich erforderliche Kriterium, dass sich normale Umsatzgeschäfte im Rahmen des laufenden Geschäftsverkehrs abgespielt haben müssten, bei sachgerechter Einordnung dieses Kriteriums nicht erfüllt. Denn die Lieferung eines kompletten Warenlagers gehörte ersichtlich nicht zum jeweiligen üblichen Geschäftsbetrieb der H. GmbH bzw. der S. GmbH. Vielmehr steht die Veräußerung der beiden Warenlager als Sachgesamtheiten faktisch der Übertragung des jeweiligen wesentlichen Aktivums der beiden übertragenden Gesellschaften gleich. Auch aus der Sicht der die Warenlager erwerbenden Schuldnerin handelte es sich um einmalige außergewöhnliche Transaktionen, die darin begründet lagen, dass die beiden veräußernden Gesellschaften jeweils ihr operatives Geschäft mit der Gründung der Schuldnerin einstellen sollten.

Hinzu kommt schließlich, dass es im Gründungsstadium der Aktiengesellschaft regelmäßig an einem schützenswerten bereits "laufenden Geschäftsverkehr" fehlt; ein solcher findet in der Regel erst mit einer bestehenden Gesellschaft statt. Durch eine derartige restriktive Interpretation des Begriffs der laufenden Geschäfte für den Bereich der Gründung einer Aktiengesellschaft wird im Übrigen die Handlungsfähigkeit der Gesellschaft nicht beschränkt, sondern lediglich die ordnungsgemäße Kapitalaufbringung im Sinne von § 27 Abs. 1 AktG durchgesetzt; will oder soll ein Gesellschafter im Einzelfall Sachwerte in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit der Bareinlagezahlung an die Gesellschaft veräußern, so ist den Beteiligten die Einhaltung der Sacheinlage- bzw. Sachübernahmeregeln zuzumuten (so zutreffend Priester bereits: ZIP 1991, 345, 353; ders. in GroßKomm.z.AktG 4. Aufl. § 52 Rdn. 92 ff. - zur Auslegung von § 52 Abs. 9 AktG).

Angesichts dessen ist für eine Einstufung der Übertragung der beiden Warenlager als gewöhnliche Umsatzgeschäfte im Rahmen eines laufenden Geschäftsverkehrs - entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts - kein Raum (so auch in Bezug auf die vorliegende Fallkonstellation: Reiff, EWiR § 27 AktG 2005, 413, 414; Hueck/Fastrich in Baumbach/Hueck, GmbHG 18. Aufl. § 19 Rdn. 40; vgl. auch Traugott/Groß aaO S. 483; OLG Hamburg, ZIP 1988, 372, 373; zweifelnd auch Röhricht aaO § 27 Rdn. 204; a.A. wohl OLG Hamm, BB 1990, 1221, 1222).

III. Aufgrund der aufgezeigten Rechtsfehler unterliegt das Berufungsurteil der Aufhebung. Da weitere rechtlich erhebliche tatrichterliche Feststellungen nicht in Betracht kommen und damit der Rechtsstreit zur Endentscheidung reif ist, hat der Senat in der Sache selbst durch Wiederherstellung des der Klage stattgebenden landgerichtlichen Urteils zu entscheiden (§ 563 Abs. 3 ZPO).

Goette Kurzwelly Kraemer Gehrlein Reichart Vorinstanzen:

LG Bielefeld, Entscheidung vom 18.09.2003 - 13 O 31/03 -

OLG Hamm, Entscheidung vom 17.08.2004 - 27 U 189/03 -






BGH:
Urteil v. 20.11.2006
Az: II ZR 176/05


Link zum Urteil:
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