Amtsgericht Viersen:
Urteil vom 6. Mai 2003
Aktenzeichen: 17 C 469/02
(AG Viersen: Urteil v. 06.05.2003, Az.: 17 C 469/02)
Tenor
Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger von einem restlichen Anwaltsvergütungsanspruch seines Prozess bevollmächtigten in Höhe von 160,14 EUR (313,20 DM) zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 18.04.2001 freizustellen.
Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Berufung wird nicht zugelassen.
Gründe
Die Klage ist begründet.
Dem Kläger steht gegenüber der Beklagten ein Anspruch aus dem Versicherungsvertragsverhältnis auf Freistellung von der restlichen Gebührenforderung gemäß der Kostennote vom 28.02.2001 zu.
Das Bestehen des Rechtsschutzversicherungsvertrages sowie die Eintrittspflicht der Beklagten sind unstreitig.
Der Kläger schuldet seinem Prozeßbevollmächtigten für die Verteidigung in dem Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Fulda 3 Js 12945/99 eine Verteidigergebühr gemäß den §§ 84 II, 83 1 Nr. 3 BRAGO, nachdem das staatsanwaltliche Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Fulda mit Verfügung vom 16.11.1999 gemäß § 153 1 5. 1 StPO eingestellt worden ist.
Auf die zwischen den Parteien und gleichermaßen in Rechtsprechung und Schrifttum umstrittene Frage, ob der Rechtsanwalt, der zeitlich nacheinander zunächst in einem staatsanwaltlichen Ermittlungsverfahren und nach dessen Einstellung in einem Bußgeldverfahren für den Mandanten tätig wird, in einer gebührenrechtlichen Angelegenheit im Sinne des § 13 II BRAGO oder aber in zwei getrennten Angelegenheiten tätig wird und hier die Kosten separat abrechnen kann, kommt es nicht entscheidungserheblich an.
Der Kläger macht mit seiner Klage keine Freistellung von den Kosten sowohl des staatsanwaltlichen Ermittlungsverfahrens als auch des Bußgeldverfahrens geltend, sondern Gegenstand seines Freistellungsbegehrens sind ausschließlich die durch die Verteidigung im staatsanwaltlichen Ermittlungsverfahren entstandenen Verteidigergebühren. Ein etwaiger Anspruch für eine Verteidigung im Bußgeldverfahren ist nicht Gegenstand des Rechtsstreits. Der Kläger trägt hierzu im übrigen selbst vor (Seite 4 des Schriftsatzes vom 7.03.2003, Bl. 71 d. A.), daß sein Prozeßbevollmächtigter in dem Verkehrsordnungswidrigkeitenverfahren gar nicht tätig geworden ist. Dieses war durch Zahlung des dem Kläger angebotenen Verwarngeldes in Höhe von 75,00 DM bereits im Dezember 1999 abgeschlossen.
Von Interesse ist der kontroverse Meinungsstand im vorliegenden Rechtsstreit allenfalls für die Frage, ob bei Einstellung des staatsanwaltlichen Ermittlungsverfahrens und Abgabe der Sache an die Verwaltungsbehörde gemäß § 43 1 OWiG eine nicht nur vorläufige Einstellung im Sinne des § 84 II BRAGO vorliegt. Dies ist zu bejahen.
Mit dieser Regelung werden die Fälle der Verfahrenseinstellung mit dem Ziel der Endgültigkeit der Einstellung erfasst, unter anderem § 153 I StPO. Das Gesetz verwendet das Tatbestandsmerkmal "nicht nur vorläufig eingestellt", um diejenigen Einstellungen von seinem Anwendungsbereich auszugrenzen, welche von vornherein auf eine bloß vorläufige Einstellung ausgerichtet sind (etwa vorläufige Einstellung gemäß § 153 a StPO bis zur Erfüllung der Auflagen und Weisungen; zur Einstellung des Strafverfahrens gemäß § 153 I StPO als nicht nur vorläufig vgl. Gerold/Schmidt/von Eicken/Madert 13. Auflage § 84 Randziffer 7 a).
Dass sich an das staatsanwaltliche Ermittlungsverfahren noch ein Verkehrsordnungswidrigkeitenverfahren angeschlossen haben mag, steht der Bewertung als "nicht nur vorläufig eingestellt" nicht entgegen. Die Regelung der Vergütung des Verteidigers in einem staatsanwaltlichen Ermittlungsverfahren und in einem Bußgeldverfahren sind in verschiedenen Abschnitten der BRAGO geregelt.
Die Regelung des § 84 II im 6. Abschnitt der BRAGO über die Gebühren in Strafsachen knüpft nicht - selbst wenn man das staatsanwaltliche Ermittlungsverfahren und das sich an dessen Einstellung anschließende Bußgeldverfahren als einheitliche Angelegenheit im Sinne der BRAGO erachtet - an "eine nicht nur vorläufige Erledigung der Angelegenheit" an, sondern an eine nicht nur vorläufige Einstellung des Verfahrens, womit aufgrund der systematischen Stellung im 6. Abschnitt der BRAGO die nicht nur vorläufige Einstellung des Strafverfahrens gemeint ist.
Die Einstellung eines Strafverfahrens gemäß § 153 I StPO ist auch dann auf eine endgültige Einstellung des Strafverfahrens gerichtet, wenn sich an dieses noch ein Ordnungswidrigkeitenverfahren anschließt.
Die von dem Prozeßbevollmächtigten des Klägers liquidierte Gebühr in Höhe von 770,00 DM entspricht billigem Ermessen im Sinne des § 12 I BRAGO.
Zwischen dem Kläger und seinem Prozeßbevollmächtigten haben unstreitig 3 Besprechungen stattgefunden. Die Beratung hatte ferner Entschädigungsansprüche nach dem StrEG zum Gegenstand. Mit dem Vorwurf des unerlaubten Entfernens vom Unfallort drohte eine Entziehung der Fahrerlaubnis einherzugehen, nachdem der Führerschein des Klägers noch am 24.10.1999 an Ort und Stelle von der Polizeistation Lauterbach bereits beschlagnahmt worden war. Die Beschlagnahme des Führerscheins durch die örtliche Polizeibehörde rund 400 km vom Wohnsitz des Klägers entfernt begründete eine besondere Belastung des Klägers, die seinem Prozeßbevollmächtigten eine unverzügliche und höchst dringliche Bearbeitung des Mandates, wie sie mit anwaltlichem Schriftsatz vom 25.10.1999 gegenüber der Polizeistation Lauterbach auch tatsächlich aufgenommen wurde, gebot.
Anhaltspunkte, die die Bemessung der liquidierten Gebühr in Höhe von 770,00 DM als unbillig erscheinen lassen, sind nicht ersichtlich.
Der Zinsanspruch ist begründet gemäß § 284 III, 288 I BGB (a. F.)
Die Kostenentscheidung beruht auf § 911 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Grundlage in den § 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO.
Gründe für die Zulassung der Berufung (§ 511 IV ZPO) liegen nicht vor.
Streitwert: 160,14 EUR
AG Viersen:
Urteil v. 06.05.2003
Az: 17 C 469/02
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