Oberlandesgericht Bamberg:
Urteil vom 12. Mai 2005
Aktenzeichen: 1 U 143/04
(OLG Bamberg: Urteil v. 12.05.2005, Az.: 1 U 143/04)
Tenor
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Endurteil des Landgerichts Bayreuth vom 14. Oktober 2004 in Ziffer I. und Ziffer III. wie folgt abgeändert:
I. Die Beklagte hat es zu unterlassen, E-mails an die Adresse ....de zu versenden.
III. Die Beklagte hat die über den Kläger bei ihr gespeicherten personenbezogenen Daten (insbesondere den Namen des Klägers, dessen Geburtsdatum (insoweit fehlerhaft eingegeben), seine Berufsbezeichnung, die Art der von ihm ausgeübten Tätigkeit, deren Form und Schwerpunkte, die Telefonnummern des Klägers (Handy und Festanschluss), das Unternehmen, bei dem der Kläger seine Berufstätigkeit ausübt, und die Anschrift dieses Unternehmens) mit Ausnahme der vom Kläger eingerichteten E-mail-Adresse: ....de zu löschen.
Die letztgenannte E-mail-Adresse hat die Beklagte zu sperren.
2. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
3. Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 4.000,€ Euro abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
5. Die Revision gegen Ziffer 1. III. dieses Urteils wird zugelassen.
Gründe
1. Hinsichtlich der tatsächlichen Feststellungen wird Bezug genommen auf das angefochtene Urteil des Landgerichts Bayreuth vom 14.10.2004 (Bl. 39 ff. d. A.).
Die Beklagte greift das Urteil des Landgerichts Bayreuth an mit der Erwägung, dass im vorliegenden Fall eine Unterlassung der Versendung von E-Mails an die Adresse des Klägers bzw. an dessen E-Mail-Adresse ....de nicht verlangt werden könne, da eine Wiederholungsgefahr nicht gegeben sei. Unmittelbar nach Erhalt der Mitteilung des Klägers, dass dieser keine weiteren Nachrichten bekommen möchte, sei dessen E-mail-Adresse aus dem entsprechenden Verteiler der Beklagten entfernt worden. Weitere E-Mails habe der Kläger in der Folgezeit nicht erhalten. Ohnehin seien ihm nur drei kurze Mails zugesandt worden, so dass eine völlig unerhebliche Beeinträchtigung vorliege. Zudem sei der Kläger darauf hingewiesen worden, dass die Beklagte von einer ordnungsgemäßen Anmeldung des Klägers zu dem von der Beklagten unterhaltenen Nachrichtendienst ausging. Schließlich sei der Kläger bereits in der ersten E-Mail um umgehende Mitteilung gebeten worden für den Fall, dass eine unrechtmäßige Anmeldung vorliegen sollte und er die Zusendung weiterer E-mails nicht wünsche. Hätte er hierauf reagiert, wäre seine Adresse sogleich gelöscht und gesperrt worden.
Soweit die Beklagte verurteilt worden sei, die über den Kläger bei ihr gespeicherten Daten zu löschen, werde ihr eine unmögliche Leistung auferlegt. Um die Unterlassungsverpflichtung bezüglich neuerlicher E-Mail-Zusendungen an den Kläger zu erfüllen, sei es erforderlich, dass die E-Mail-Adresse des Klägers in einem Filter hinterlegt werde. Nur in dieser Weise könne ausgeschlossen werden, dass zukünftig im Falle einer unbefugten Anmeldung des Klägers durch Dritte erneut E-Mail-Nachrichten an den Kläger versandt würden. Damit liege der Ausnahmetatbestand des § 35 (Abs. 3) Nr. 2, 3 BDSG vor; durch eine Löschung würden schutzwürdige Interessen des Betroffenen beeinträchtigt. Eine Sperrung der E-Mail-Adresse trage somit gerade Rechnung.
Die Beklagte beantragt,
das am 14.10.2004 verkündete Urteil des Landgerichts Bayreuth mit dem Az. 13 KHO 43/04 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.
Er ist der Auffassung, dass ein Ausnahmefall, bei dem eine Wiederholungsgefahr trotz nicht abgegebener strafbewehrter Unterlassungserklärung verneint werden könne, nicht vorliege. In dem Schreiben der Beklagten käme nicht zum Ausdruck, dass der Kläger mit der Zusendung weiterer E-Mails nicht mehr zu rechnen habe. Deshalb sei die für den Unterlassungsanspruch erforderliche Wiederholungsgefahr zu vermuten.
Die Beklagte habe keinen Anspruch darauf, Daten des Klägers zu speichern. Es liege ein Verstoß gegen §§ 3, 5 TDDSG vor. Der Hinweis auf § 35 Abs. 3 Nr. 2, Nr. 3 BDSG gehe fehl. Es sei nicht möglich, im Netz ein System zu unterhalten, dem die Problematik innewohne, die verarbeiteten Daten nicht vollständig löschen zu können, um damit eine bloße Sperrung der unzulässigerweise gespeicherten Daten zu rechtfertigen. Dies würde die Interessen der Nutzer bzw. der vermeintlichen Nutzer des Teledienstes nicht wahren.
II.
Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt.
In der Sache jedoch hat sie nur teilweise Erfolg. Das Landgericht Bayreuth hat die Beklagte in dem angefochtenen Urteil zu Recht dazu verurteilt, es zu unterlassen, E-Mails an die vom Kläger unterhaltene E-Mail-Adresse ... de zu versenden und die über den Kläger bei ihr im Zusammenhang mit dem von ihr unter der Adresse www.....de im Internet betriebenen Brancheninformationsdienst gespeicherten Daten zu löschen. Bezüglich der E-Mail-Adresse des Klägers ....de steht ihr jedoch nur ein Anspruch auf Sperrung zu.
1. Der Senat folgt der Auffassung des Landgerichts Bayreuth, dass dem Kläger gegen die Beklagte ein Anspruch aus § 823 Abs. 1, § 1004 Abs. 1 BGB auf Unterlassung der Zusendung von E-Mails an die E-Mail-Adresse ....de zusteht. Hierbei kann dahingestellt bleiben, ob sich dieser Anspruch aus einem Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb herleitet, wie der Umstand nahe legt, dass es sich bei der angegebenen E-Mail-Adresse offensichtlich um eine geschäftlich unterhaltene Adresse handelt, oder es sich um einen Anspruch zum Schutz der Privatsphäre handelt. Denn in beiden Fällen wird durch die gefestigte Rechtsprechung ein solcher Anspruch auf Unterlassung zuerkannt (Palandt, BGB, 64. Auflage, § 823, Rn 117 bezüglich eines Eingriffs in das allgemeine Persönlichkeitsrecht und Rn 132 zum Eingriff in den eingerichteGewerbebetrieb € jeweils m. w. N. zur Rechtsprechung).
a) Unstreitig hat die Beklagte an die besagte Adresse des Klägers insgesamt drei E- Mails mit werbendem Charakter versandt. Zutreffend hat das Landgericht Bayreuth darauf hingewiesen, dass eine konkludente Einverständniserklärung mit dem Erhalt der E-Mails nicht anzunehmen ist, da die Beklagte die Beweislast für diesen Umstand trägt und den entsprechenden Nachweis nicht zu führen vermochte.
b) Der hieraus resultierende Unterlassungsanspruch wird nicht dadurch beeinflusst, dass € wie die Beklagte vorträgt € dem Kläger lediglich drei E-Mails zugesandt wurden. Die nur geringe Anzahl der unerwünscht zugegangenen Mails hat keine Bedeutung. Bereits die Zusendung einer einzigen E-Mail mit werbendem Charakter kann die Voraussetzungen eines Anspruchs nach § 823 Abs. 1 BGB erfüllen (vgl. BGH NJW 2004, 1655 zu einem Verstoß gegen § 1 UWG). Vorliegend jedenfalls wurde die unerwünschte Zusendung von E-Mails mehrfach vorgenommen, was vom Kläger nicht hinzunehmen ist.
Ebenso wenig ist es von Bedeutung, welchen Umfang der Inhalt der jeweiligen E-Mail ausmacht. Der Empfänger einer unaufgefordert zugesandten E-Mail ist gehalten, sich mit dieser auseinanderzusetzen. Um den Inhalt abzuklären, ist es erforderlich die E-Mail zu öffnen, wenn sich nicht aus dem Betreff selbst bereits ablesen lässt, dass es sich um Werbung handelt. Ein derartiger Aufwand ist nicht als völlig bedeutungslos zu qualifizieren.
Und selbst wenn der werbende Inhalt einer E-Mail sogleich feststellbar wäre, könnte es dem Empfänger einer unerwünschten E-Mail nicht zugemutet werden, erbetene von nicht erbetenen E-Mails zu trennen, um letztere zu löschen. Ansonsten bestünde die Gefahr, dass sich Betroffene angesichts der weiten Verbreitung des E-Mail-Verkehrs in ganz erheblichem Umfang mit einer solchen Sortierarbeit zu beschäftigen hätten, bevor sie den gewünschten Nutzen aus dem von ihnen gebrauchten Kommunikationsmittel ziehen könnten. Um derartige Eingriffe zu verhindern, ist generell vor der Zusendung unerwünschter E-mails mit werbendem Charakter durch die Zuerkennung eines Unterlassungsanspruchs zu schützen.
Deshalb kann es den klägerischen Anspruch auch nicht zu Fall bringen, dass in der ersten zugesandten E-mail ein expliziter Hinweis enthalten gewesen sein soll, wonach die Beklagte um eine umgehende Mitteilung für den Fall gebeten habe, dass eine unrechtmäßige Anmeldung zu dem von ihr betriebenen Nachrichtendienst vorliege.
c) Die für einen Unterlassungsanspruch regelmäßig erforderliche Wiederholungsgefahr besteht.
Eine vorangegangene rechtswidrige Beeinträchtigung begründet in der Regel die tatsächliche Vermutung für das Bestehen der Wiederholungsgefahr (BGH NJW 1986, 2503, 2504). Das bloße Versprechen, eine störende Handlung nicht zu wiederholen, kann die Wiederholungsgefahr nur dann ausräumen, wenn es mit derErklärung einer Vertragsstrafe verbunden wird (BGH NJW 1989, 902, 904; Palandt/ Bassenge, BGB, 64. Auflage, § 1004 BGB, Rdnr. 32; OLG Düsseldorf RDV 2005, 27 f. unter Abänderung des von der Beklagten zitierten Urteils des Landgerichts Düsseldorf € 12 O 384/03). An die Widerlegung der Wiederholungsgefahr durch den Störer sind hohe Anforderungen zu stellen. Deshalb genügt es nicht, wenn die Beklagte darauf hinweist, dass sie den Kläger sogleich aus dem Verteiler genommen und ihm mitgeteilt habe, dass er nicht mehr als Mitglied geführt, sondern gesperrt worden sei.
d) Das Landgericht Bayreuth hat entsprechend dem klägerischen Antrag die Beklagte zusätzlich dazu verurteilt, es zu unterlassen, E-mails an "die Adresse des Klägers" zu übersenden. Insoweit geht der Senat davon aus, dass sich der Unterlassungsanspruch des Klägers ausschließlich auf die im Tenor in Ziffer 1. I. nunmehr konkret benannte E-mail-Adresse ....de bezogen hat, da weder vorgetragen noch ersichtlich ist, dass eine Zusendung unerwünschter E-mails an weitere E-mail-Adressen des Klägers vorgenommen worden wäre oder auch nur erstmals gedroht hätte. Nach dem gesamten Sachvortrag des Klägers war lediglich die Adresse ....de von der Zusendung unerwünschter E-mails betroffen. Das erkennbare Interesse des Klägers bezog sich ausschließlich auf die Unterbindung der Übersendung weiterer E-mails an diese Adresse. Nach Auslegung des klägerischen Begehrens war deshalb im Tenor die maßgebliche Einschränkung zur Klarstellung vorzunehmen. Ein Teilunterliegen des Klägers ist hierin nicht zu sehen.
2. Der Kläger hat einen Anspruch auf Löschung der im Tenor Ziffer 1. III. Satz 1 benannten und bei der Beklagten gespeicherten personenbezogenen Daten nach § 35 Abs. 2 S. 2 Nr. 1 BDSG i. V. m. § 1 Abs. 2, 3, 5 TDDSG (Teledienstedatenschutzgesetz i. d. F. vom 21.12.2001).
Die Beklagte hatte unstreitig den Namen des Klägers, sein Geburtsdatum (insoweit jedoch fehlerhaft), seine Berufsbezeichnung, die Art der von ihm ausgeübten Tätigkeit, deren Form und Schwerpunkte, die Telefonnummern des Klägers (Handy und Festanschluss), das Unternehmen, bei dem der Kläger seine Berufstätigkeit ausübte, und die Anschrift dieses Unternehmens gespeichert.
a) Insoweit handelt es sich um personenbezogene Daten im Sinne des § 1 Abs. 1 TDDSG. Die Begriffsbestimmung richtet sich gemäß § 1 Abs. 2 TDDSG nach der in § 3 Abs. 1 BDSG enthaltenen Definition. Danach sind als personenbezogene Daten Einzelangaben über persönliche oder sachliche Verhältnisse einer bestimmten oder bestimmbaren natürlichen Person anzusehen. Die angesprochenen gespeicherten Informationen erfüllen diese Voraussetzungen. Sie enthalten Angaben, die den Betroffenen selbst als Person beschreiben und ihn in seiner beruflichen Beziehung charakterisieren (Schulz in Roßnagel, Recht der Multimediadienste, Loseblattsammlung, C. H. Beck-Verlag, Stand Juni 2004, § 1 TDDSG, Rn 27 € 30).
b) Der Geltungsbereich des Teledienstedatenschutzgesetzes nach § 1 TDDSG ist auch im Übrigen eröffnet. Bei der Beklagten handelt es sich um eine Dienstanbieterin im Sinne des § 2 S. 1 Nr. 1 TDDSG, da die Beklagte mit ihremInternetauftritt www.....de einen kostenfreien Brancheninformationsdienst für Versicherungsdienstleister i. S. d. § 2 Abs. 2 Nr. 2 TDG (Teledienstegesetz i. d. F. vom 21.12.2001) betreibt. Der Kläger ist als Nutzer des Teledienstes anzusehen (§ 2 S. 1 Nr. 2 TDDSG), obwohl er ausführt, eine Anmeldung zum Brancheninformationsdienst über die Homepage der Beklagten selbst nicht vorgenommen zu haben. Der Anwendungsbereich des TDDSG muss auch eröffnet sein, wenn eine Anmeldung von einem Dritten gegen den Willen eines sodann innerhalb des Brancheninformationsdienstes als Teilnehmer geführten Nutzers vorgenommen wird. Ansonsten wäre der Schutz einer Person, die sich nicht willentlich an einen Telediensteanbieter wendet, nicht hinreichend gewährleistet (Schulz, a. a. O., § 2 TDDSG, Rn 22).
c) Nach § 3 TDDSG darf die Beklagte als Diensteanbieterin zur Durchführung von Telediensten personenbezogene Daten nur erheben, verarbeiten und nutzen, soweit dieses Gesetz oder andere Rechtsvorschriften es erlauben oder der Nutzer eingewilligt hat.
(1) Das Speichern der personenbezogenen Daten des Klägers ist als Verarbeiten der Daten in diesem Sinne zu verstehen. Zur Begriffsbestimmung ist gemäß § 1 Abs. 2 TDDSG wiederum auf die gesetzliche Definition in § 3 Abs. 4 S. 1 BDSG abzustellen (Bizer in Rossnagel, § 3 TDDSG, Rn 98).
(2) Der Kläger bestreitet, eine Anmeldung zum Brancheninformationsdienst vorgenommen und damit eine konkludente Einwilligung zur Verwendung der entsprechenden personenbezogenen Daten erklärt zu haben. Die Beklagte ist insoweit nachweispflichtig, da sie aus der Einwilligung des Klägers ein Recht zur Nutzung der Daten herleiten möchte. Der erforderliche Nachweis gelingt ihr nicht, wie oben zum Unterlassungsanspruch bereits festgestellt wurde. Es ist nicht auszuschließen, dass ein unbekannter Dritter die Anmeldung ohne Einwilligung des Klägers vorgenommen hat.
(3) Die von der Beklagten gespeicherten Daten waren vorliegend für die Begründung und inhaltliche Ausgestaltung des vermeintlichen Vertragsverhältnisses des Klägers mit der Beklagten bestimmt. Es handelte sich demzufolge nicht um sogenannte Nutzungsdaten i. S. d. § 6 TDDSG, die dazu dienen, die Inanspruchnahme des von der Beklagten betriebenen Teledienstes zu ermöglichen und abzurechnen, sondern um Bestandsdaten i. S. d. § 5 TDDSG. Demzufolge war die Beklagte nur berechtigt, diese Daten zu speichern, soweit sie für die Begründung, inhaltliche Ausgestaltung oder Änderung des Nutzungsverhältnisses erforderlich waren. Da der Kläger jedoch mit der Beklagten zu keinem Zeitpunkt ein derartiges Nutzungsverhältnis nachweisbar eingegangen ist, war die Beklagte zur Speicherung der Daten von Anfang an nicht berechtigt.
Die weitere Verwendung der Daten ist ebenfalls unzulässig (vgl. Dix in Rossnagel, a. a. O., § 5 TDDSG, Rn 49). Dies muss schon deshalb gelten, weil selbst im Falle einer ordnungsgemäßen Anmeldung durch den Kläger nach Beendigung des Vertragsverhältnisses das Recht der Beklagten zur Speicherung der Datenentfiele, da diese Daten für die Durchführung des Vertragsverhältnisses nicht mehr "erforderlich" sind im Sinne des § 5 TDDSG. Für die Annahme eines evt. anzuerkennenden Ausnahmefalls wegen bestehender (quasi-)nachvertraglicher Ansprüche gibt der Sachverhalt nichts her.
(4) Das Vorliegen der Voraussetzungen einer sonstigen Vorschrift i. S. d. § 3 Abs. 1 TDDSG, die eine Speicherung der Daten zuließe, ist nicht ersichtlich, zumal die Berechtigung zur Speicherung auf andere Rechtsvorschriften nur dann gestützt werden könnte, wenn diese nach dem Wortlaut und dem Willen des Gesetzgebers gegenüber den Regelungen des TDDSG eine speziellere Regelung enthielten. Hieran fehlt es jedoch bislang (Bizer in Roßnagel, § 3 TDDSG, Rn 111).
d) Dem Kläger steht gegen die Beklagte demzufolge ein Anspruch auf Löschung nach § 35 Abs. 2 S. 2 Nr. 1 BDSG zu.
(1) § 35 Abs. 2 BDSG ist gemäß § 1 Abs. 2 TDDSG anwendbar, da im Bereich der Bestandsdaten anders als bei der Bestimmung zu den Nutzungsdaten i. S. d. § 6 TDDSG (vgl. § 4 Abs. 4 S. 1 Nr. 2, S. 2, 6 Abs. 8 S. 2 TDDSG) eine explizite Regelung zur Löschung nicht getroffen wurde (Dix in Rossnagel, a. a. O., § 5 TDDSG, Rn 50). Die Speicherung der personenbezogenen Daten des Klägers war nicht zulässig, wie oben bereits festgestellt wurde. Somit sind die Daten zu löschen.
Ob sich der Anspruch auf Löschung daneben bereits aus dem in der Regelung des § 5 TDDSG enthaltenen Erforderlichkeitsgrundsatz selbst herleiten ließe (so Dix a. a. O.), kann dahingestellt bleiben.
(2) Soweit die Beklagte darauf hinweist, dass die Daten (mit Ausnahme der E- Mail-Adresse) bereits gelöscht seien, hat der Kläger dies zulässigerweise mit Nichtwissen bestritten (§ 138 Abs. 4 ZPO). Die Beklagte hat den auch insoweit ihr obliegenden Nachweis nicht erbracht.
(3) Umstände, die eine bloße Sperrung der Daten anstelle einer Löschung rechtfertigen könnten, sind bezüglich der hier angesprochenen personenbezogenen Daten weder ersichtlich noch dargetan.
e) Zum Zwecke der Konkretisierung des Löschungsanspruchs des Klägers wurde die Änderung des Tenors unter Auslegung des klägerischen Begehrens vorgenommen. Ein Teilunterliegen ist hierin nicht zu sehen.
3. Hinsichtlich der von der Beklagten gespeicherten E-Mail-Adresse ....de steht dem Kläger gegen die Beklagte gemäß § 35 Abs. 3 Nr. 2 BDSG lediglich ein Anspruch auf Sperrung zu.
Die Voraussetzungen des § 35 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 TDDSG, wonach auch diese E-Mail-Adresse des Klägers zu löschen wäre, sind erfüllt.
a) Auch die bloße E-Mail-Adresse stellt ein personenbezogenes Datum i. S. d. § 1 Abs. 2 TDDSG i. V. m. § 3 Abs. 1 BDSG dar. Die Adresse ist geeignet, einen Bezug zu der natürlichen Person des Klägers herzustellen. Es handelt sich um eine Einzelangabe. Ein persönliches Verhältnis des Klägers ist jedenfalls deshalb betroffen, weil sein Vor- und Nachname in der E-mail-Adresse enthalten ist und darüber hinaus die Domain den Namen eines am Markt existierenden Unternehmens enthält. Die maßgebliche E-mail-Adresse verkörpert wie eine Postanschrift eine Adresse, unter der der Kläger jederzeit im E-mail-Verkehr erreichbar ist, und kann schon deshalb als Einzelangabe im maßgeblichen Sinn verstanden werden. Darüber hinaus beinhaltet sie vorliegend auch Angaben, die den Betroffenen selbst als Person beschreiben und ihn in seiner beruflichen Beziehung charakterisieren (Schulz in Roßnagel, a. a. O, § 1 TDDSG, Rn 27 € 30; Gola/Schomerus, BDSG, 8. Auflage, § 3, Rn 3 ff.). Es lässt sich ein derartiges Verhältnis des Klägers zu dem Unternehmen, "..." herstellen.
Die personenbezogenen Daten sind, wenn nicht "bestimmt", so doch zumindest hinreichend "bestimmbar" im Sinne des § 3 Abs. 1 BDSG. Mit Hilfe leicht zu erlangender zusätzlicher Kenntnisse ist es der Beklagten möglich, den Kläger als die betroffene Person zu identifizieren. Denn eine bloße Suchanfrage im Internet genügt, um die auf der Homepage der ... Versicherungen befindliche E-mail-Adresse dem Kläger persönlich zuordnen (vgl. Schulz in Rossnagel, a. a. O. § 1 TDDSG, Rn 35, zu statischen IP-Nummern, wenn Zusatzinformationen zur Identifizierung zur Verfügung stehen).
b) Die Speicherung der E-mail-Adresse des Klägers ist nicht zulässig i. S. d. §§ 3 TDDSG, 35 Abs. 2 S. 2 Nr. 1 BDSG.
Im vorliegenden Fall verfolgt die Beklagte nicht das Ziel, die maßgeblichen personenbezogenen Daten des Klägers zu speichern, um die Inanspruchnahme von Telediensten zu ermöglichen und abzurechnen (§ 6 TDDSG). Zweck der Speicherung ist vielmehr zu verhindern, dass dem Kläger zukünftig unerwünschte E-Mails mit werbendem Inhalt zugesandt werden, selbst wenn erneut eine nicht autorisierte Anmeldung des Klägers als Nutzer des Brancheninformationsdienstes der Beklagten durch Dritte vorgenommen würde.
Die Beklagte benötigt die Daten nicht für die inhaltliche Ausgestaltung, die Begründung oder Änderung eines Vertragsverhältnisses im Sinne des § 5 TDDSG. Ihr ist der Nachweis nicht gelungen, dass der Kläger mit der Beklagten ein solches jemals eingegangen wäre.
c) Hieraus folgt, dass die E-Mail-Adresse als personenbezogenes Datum, dessen Speicherung unzulässig war, grundsätzlich zu löschen ist (§ 35 Abs. 2 S. 2 Nr. 1 BDSG i. V. m. § 1 Abs. 2 TDDSG).
d) Die Beklagte dringt jedoch mit ihrem Einwand durch, dass von ihr lediglich eine Sperrung der E-mail-Adresse nach § 35 Abs. 3 Nr. 2, 3 BDSG in der Weise verlangt werden kann, dass die maßgebliche Adresse von ihr in einen sogenannten Sperrfilter einzustellen ist.
(1) Nach Auffassung des Senats ist § 35 Abs. 3 BDSG im Zusammenhang mit dem Schutz personenbezogener Daten der Nutzer von Telediensten jedenfalls in engen Grenzen, die hier nicht überschritten werden, anwendbar.
Zwar enthält das TDDSG mit seinen Regelungen über die Grundsätze, Pflichten und Erlaubnistatbestände gegenüber den Bestimmungen des BDSG die spezielleren Vorschriften. Diese sind insoweit abschließend (BT-Drs. 14/6098 S. 14; Bizer in Rossnagel, a. a. O. § 3, Rn 80). Jedoch sind dem TDDSG nur sehr rudimentär Anordnungen zur Löschung und zur Sperrung von Daten zu entnehmen. Die entsprechenden Regelungen beziehen sich allesamt auf Nutzungsdaten (§ 4 Abs. 4 S. 1 Nr. 2, S. 2, § 6 Abs. 4 S. 2, Abs. 8 S. 2 TDDSG). Bei derartigen Daten besteht die Gefahr, dass die Erzeugung von personenbezogenen Nutzungsprofilen gegen den Willen der Nutzer erfolgt. Hierdurch könnten Daten über das Verhalten der Nutzer im Netz gesammelt und zu Zwecken verwendet werden, mit denen die Nutzer von vornherein nicht einverstanden sind (Dix/Schaar in Rossnagel, a. a. O. § 6, Rn 2). Deshalb muss die Erhebung, Verarbeitung und Nutzung derartiger Daten ganz engen rechtlichen Grenzen unterworfen werden. Der Anwendungsbereich des § 35 Abs. 3 BDSG ist deshalb hier nicht eröffnet, da ansonsten der gewollte starke Schutz der Nutzer nicht gewährleistet wäre.
Soweit jedoch nicht Nutzungsdaten sondern lediglich Daten betroffen sind, die zu den Bestandsdaten gehören, ist es zum Schutz der Nutzer nicht in gleicher Weise erforderlich, die Sperrung von Daten zu untersagen. Es ist hinnehmbar, wenn auch Interessen der Diensteanbieter berücksichtigt werden. Dies wird durch eine Anwendung der Regelung des § 35 Abs. 3 BDSG, auf den nach Auffassung des Senats § 1 Abs. 2 TDDSG verweist, ermöglicht (so auch Dix in Rossnagel, a. a. O. § 5, Rn 50 zur Anwendbarkeit von § 35 Abs. 2 BDSG).
(2) Die Voraussetzungen des § 35 Abs. 3 BDSG sind vorliegend auch erfüllt.
Zwar greift nicht Nr. 3 dieser Regelung, wie die Beklagte meint. Denn es ist weder dargelegt noch ersichtlich, dass aufgrund einer besonderen Art der Speicherung eine Löschung nicht oder nur mit unverhältnismäßig hohem Aufwand möglich ist.
Jedoch kann sich die Beklagte auf § 35 Abs. 3 Nr. 2 BDSG berufen. Es besteht Grund zu der Annahme, dass durch eine Löschung der E-Mail-Adresse ....de eine Beeinträchtigung schutzwürdiger Interessen der Beklagten bewirkt würde.
Zwar ist grundsätzlich davon auszugehen, dass die Löschung unzulässig gespeicherter Daten die Interessen des Betroffenen nicht verletzt. EinAnwendungsfall § 35 Abs. 3 Nr. 2 BDSG wird etwa dann anerkannt, wenn der Betroffene die gespeicherten Daten zum Beweis für von ihm geltend gemachte Ansprüche benötigt (Gola/Schomerus, BDSG, § 35, Rdnr. 16). Auf derartige unmittelbar kommerzielle, die Vertragsabwicklung betreffende Ziele sind aber die maßgeblichen schutzwürdigen Interessen nicht beschränkt. Ziel des Gesetzes über den Datenschutz bei Telediensten war es, einen Ausgleich zwischen den berechtigten Nutzerbedürfnissen einerseits und dem Wunsch nach freiem Wettbewerb sowie öffentlichen Ordnungsinteressen andererseits zu schaffen (vgl. Bundestagsdrucksache 13/7385, Seite 21). Dieses Ziel wird erreicht, wenn der Beklagten gestattet wird, die maßgebliche E-Mail-Adresse zu sperren, indem sie diese ausschließlich in einen Sperrfilter einstellt. Hierdurch wird bewirkt, dass im Falle einer unautorisierten Anmeldung eines vermeintlichen Nutzers des von ihr unter der Adresse www.....de im Internet betriebenen Brancheninformationsdienstes dieser nur scheinbare Teilnehmer unerwünschte E- Mails mit werbendem Inhalt nicht zugesandt bekommt. Folge hiervon wiederum ist, dass sie verhindert, Unterlassungsansprüchen des vermeintlichen Nutzers und entsprechenden Klagen ausgesetzt zu sein.
Dieses Interesse der Beklagten ist auch schutzwürdig. Selbst wenn man davon ausginge, dass die bloße Sperrung von Daten anstelle der Löschung grds. voraussetze, dass die Daten im Rahmen eines Abwicklungsverhältnisses eines ursprünglich tatsächlich bestehenden Vertrages von Bedeutung sind, liegen hier besondere Umstände vor, die eine Abweichung von diesem Grundsatz rechtfertigen. Maßgeblich für die Beurteilung der Schutzwürdigkeit muss sein, welche Gefahr der Beklagten bei einer Löschung statt Sperrung droht und wie intensiv sich der Eingriff in schutzwürdige Rechte des Klägers gestaltet.
Würde man eine Sperrung nicht zulassen, bestünde die Gefahr, dass beliebige Dritte (ggf. wiederholt) eine unberechtigte Anmeldung des Klägers zum Brancheninformationsdienst vornehmen könnten. Die Beklagte müsste sich sodann gegen Unterlassungsansprüche des Klägers gegen einen drohende Vollstreckung des im Urteil des Landgerichts bereits angedrohten Ordnungsgeldes bzw. der Ordnungshaft zur Wehr zu setzen. Dem kann sie durch Sperre der E-Mail-Adresse effektiv begegnen. Auf Seiten des Klägers ist die Beeinträchtigung schutzwürdiger Interessen dagegen als gering und zumutbar zu erachten. Denn es darf nicht übersehen werden, dass die E-Mail-Adresse des Klägers, wie dieser bereits in der Klagebegründung selbst angibt, ohnehin im Internet jederzeit auf der Homepage der ... Versicherung frei abrufbar ist.
Der Einwand des Klägers, dass sich die Beklagte nicht darauf berufen könne, eine "Sicherheitslücke" in ihrem System auf Kosten des Klägers zu schließen, vermag hieran angesichts der angesprochenen Zielrichtung des TDDSG, nämlich für einen Ausgleich zwischen dem berechtigten Schutzbedürfnis der Nutzer und dem Wunsch nach freiem Wettbewerb zu sorgen, letztlich nichts zu ändern.
e) Da der Kläger mit dem geltend gemachten Anspruch auf Löschung nicht insgesamt erfolgreich war, sondern bezüglich der E-Mail-Adresse lediglich eineSperrung beanspruchen kann, war die Berufung der Beklagten teilweise erfolgreich und das Urteil des Landgericht Bayreuth insoweit abzuändern.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Eine Kostenteilung kam nicht in Betracht, da die Änderungen bezüglich des Tenors nach Ziffer 1. I. des Urteils und nach Ziffer 1. III. Satz 1 lediglich der Klarstellung dienen und der Erfolg der Berufung der Beklagten gemäß Ziffer 1. III. Satz 2 des Urteils hinsichtlich der bloßen Sperrung der E-Mail-Adresse anstelle einer Löschung verhältnismäßig geringfügig ist und keine besonderen Kosten veranlasst hat (§ 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO analog).
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt den Regelungen aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
IV.
Der Senat sah sich veranlasst, die Revision zuzulassen, soweit Ziffer 1. III. des Urteils betroffen ist.
Eine höchstrichterliche Entscheidung zur Frage, ob eine bloße E-Mail-Adresse als personenbezogenes Datum im Sinne der §§ 1 TDDSG, 3 Abs. 1 BDSG anzuerkennen ist, liegt ersichtlich ebenso wenig vor wie zu der Frage, ob § 35 BDSG im Rahmen des TDDSG Anwendung finden kann.
Angesichts des Umstandes, dass das Anmeldesystem der Beklagten im Internet eine weite Verbreitung findet, scheint die Herbeiführung einer höchstrichterlichen Rechtsprechung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache angezeigt.
OLG Bamberg:
Urteil v. 12.05.2005
Az: 1 U 143/04
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