Bundespatentgericht:
Beschluss vom 24. Juni 2003
Aktenzeichen: 24 W (pat) 231/01

(BPatG: Beschluss v. 24.06.2003, Az.: 24 W (pat) 231/01)

Tenor

Auf die Beschwerde der Widersprechenden wird der Beschluß der Markenstelle für Klasse 42 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 10. Oktober 2001 aufgehoben, soweit der Widerspruch aus der international registrierten Marke 470 395 für die Waren "Mineralwasser und andere alkoholfreie Getränke, Frucht-, Sirupe-Getränke; kohlensäurehaltige Wässer" zurückgewiesen worden ist. Insoweit wird die Löschung der Marke 396 51 290 aufgrund des Widerspruchs aus der international registrierten Marke 470 395 angeordnet.

Im übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Gründe

I.

Die nachfolgend wiedergegebene schwarzweiße Wort-Bildmarkeist für die Waren und Dienstleistungen

"Biere, Mineralwasser und andere alkoholfreie Getränke, Frucht-, Sirupe-Getränke; kohlensäurehaltige Wässer; alkoholische Getränke; Verpflegung im Sinne Catering"

unter der Nummer 396 51 290 in das Markenregister eingetragen worden.

Dagegen hat die Inhaberin der prioritätsälteren, für die Waren

"Boissons non alcooliques, gazeuses ou non"

international registrierten Wortmarke 470 395 MARESCA Widerspruch erhoben.

Die Markenstelle für Klasse 42 des Deutschen Patent- und Markenamts hat den Widerspruch mit Beschluß vom 10. Oktober 2001 durch eine Beamtin des höheren Dienstes zurückgewiesen. Die zu vergleichenden Marken könnten sich zum Teil auf identischen Waren begegnen, zum Teil bestehe ein mittlerer Warenabstand. Die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke sei durchschnittlich. Insgesamt sei daher ein deutlicher Abstand der jüngeren Marke von der Widerspruchsmarke erforderlich, um Verwechslungen auszuschließen. Dieser werde im vorliegenden Fall trotz der Übereinstimmungen in den Buchstaben bzw. Lauten "MA-RE-SC(K)" noch eingehalten. Die klanglichen und schriftbildlichen Unterschiede reichten angesichts der übersichtlichen und nicht besonders langen Markenwörter zur Unterscheidung der Zeichen aus. Die Abweichungen in der Wortmitte und am Wortende würden nicht überhört oder übersehen, denn sie seien klanglich markant, bewirkten eine deutlich differierende Silbengliederung und verliehen den Marken ein deutlich unterschiedliches Gepräge. Hinzu komme, daß der Wortcharakter der angegriffenen Marke eher osteuropäisch anmute, während die Widerspruchsmarke Assoziationen zur spanischen Sprache hervorrufe. Für eine Verwechslungsgefahr aus anderen als klanglichen oder schriftbildlichen Gründen fehle jeder Anhaltspunkt.

Hiergegen wendet sich die Beschwerde der Widersprechenden. Sie trägt vor, die Zeichen könnten sich vorwiegend auf identischen Waren begegnen, im übrigen bestehe große Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen. Auch die Markenwörter seien hochgradig ähnlich, wobei die geringfügige grafische Ausgestaltung der jüngeren Marke nur schwach kennzeichnungskräftig sei, so daß der Wortbestandteil die Marke allein präge. Die Wörter stimmten in den Lauten am Wortanfang, der sich besonders gut einpräge und stark beachtet werde, und den Anfangsvokalen überein. Die geringfügigen Abweichungen in der Wortmitte und am Wortende träten dagegen im Gesamteindruck der relativ langen Wörter zurück und könnten insbesondere dann Verwechslungen nicht ausschließen, wenn die Marken nicht nebeneinander aufträten. Das Publikum werde die Markenwörter aufgrund des gemeinsamen Wortstammes "MARE-S" auch begrifflich miteinander in Verbindung bringen. Außerdem seien die Markenwörter bei der Schreibung ausschließlich in Großbuchstaben schriftbildlich ähnlich.

Die Widersprechende beantragt, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und die Löschung der angegriffenen Marke anzuordnen.

Der Inhaber der angegriffenen Marke beantragt, die Beschwerde der Widersprechenden zurückzuweisen.

Er trägt vor, die Marken wiesen ausreichende Unterschiede auf. Auch hinsichtlich der Tätigkeitsbereiche der Verfahrensbeteiligten gebe es große Abweichungen, da die Beschwerdeführerin mit ihrer Marke Getränke kennzeichne, während der Beschwerdegegner unter der angegriffenen Marke ein Catering-Unternehmen betreibe, das lediglich u.a. auch im Rahmen des Caterings Gäste mit Getränken anderer Hersteller versorge.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde der Widersprechenden hat in der Sache auch teilweise Erfolg. Zwischen den Marken besteht teilweise die Gefahr von Verwechslungen gemäß §§ 112, 116 Abs. 1, § 42 Abs. 2 Nr. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG.

Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften zu Art. 4 Abs. 1 Buchst. b der Markenrechtslinie, die für die Auslegung der in Umsetzung dieser Richtlinienbestimmung erlassenen Vorschrift des § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG von maßgeblicher Bedeutung ist, ist die Frage der Verwechslungsgefahr unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls umfassend zu beurteilen. Zu den dabei maßgebenden Umständen gehören insbesondere die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke sowie der Grad der Ähnlichkeit zwischen den Marken und zwischen den damit gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen. Bei der umfassenden Beurteilung ist hinsichtlich der Ähnlichkeit der Marken auf den Gesamteindruck abzustellen, den diese hervorrufen. Hierbei kommt es entscheidend darauf an, wie die Marke auf den Durchschnittsverbraucher der jeweils in Frage stehenden Waren und Dienstleistungen wirkt (vgl. EuGH GRUR 1998, 387, 389 f "Sabèl/Puma"; GRUR Int. 1999, 734, 736 "Lloyd"). Die umfassende Beurteilung der Verwechslungsgefahr impliziert auch eine gewisse Wechselbeziehung zwischen den in Betracht kommenden Faktoren, insbesondere der Ähnlichkeit der Marken und der damit gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen. So kann ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken ausgeglichen werden und umgekehrt (EuGH GRUR Int. 1998, 875, 876 f. "Canon"; GRUR Int. 2000, 899, 901 "Adidas/Marca Moda"; BGH GRUR 2002, 544, 545 "BANK 24"). Nach diesen Grundsätzen ist vorliegend die Gefahr von Verwechslungen gegeben.

Im Verfahren vor dem Deutschen Patent- und Markenamt und vor dem Bundespatentgericht ist die Registerlage zugrunde zu legen. Die Frage, wie die Marken tatsächlich verwendet werden, kann lediglich bei der hier nicht aufgeworfenen Frage der Benutzung der Waren der Widerspruchsmarke relevant sein. Es ist darum im vorliegenden Fall von einer teilweisen Identität der Waren auszugehen, weil die Waren "Mineralwasser und andere alkoholfreie Getränke, Frucht-, Sirupe-Getränke; kohlensäurehaltige Wässer" der jüngeren Marke unter den Oberbegriff "alkoholfreie Getränke mit oder ohne Kohlensäure" der Widerspruchsmarke fallen. Hinsichtlich "Biere" und "alkoholischen Getränken" besteht nach ständiger Rechtsprechung mittlere Warenähnlichkeit zu alkoholfreien Getränken (vgl. Richter/Stoppel, Die Ähnlichkeit von Waren und Dienstleistungen, 12. Aufl., S. 80 re. Sp. unten Bier ./. alkoholfreie Getränke, Tendenz zu immer engerer Ähnlichkeit; S. 47 m. Sp. unten alkoholfreie Getränke ./. alkoholische Getränke, entferntere Ähnlichkeit; alkoholfreie Getränke ./. alkoholische Getränke, mittlere Ähnlichkeit). "Verpflegung von Gästen" und "alkoholfreie Getränke" sind ohne weiteres ähnlich (Richter/ Stoppel, aaO., S. 396 re. Sp. unten). Jedoch stellt "Verpflegung im Sinne Catering" eine speziellere Dienstleistung dar, bei der der Anbieter mit einer gewissen Sorgfalt ausgewählt wird und die im allgemeinen nicht geringwertig ist.

Anhaltspunkte für eine verminderte Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke bestehen nicht.

Insgesamt genügt hinsichtlich "Biere" und "alkoholischen Getränken" daher ein mittlerer, hinsichtlich "Verpflegung im Sinne Catering" ein geringerer Abstand der Marken. In bezug auf die Waren "Mineralwasser und andere alkoholfreie Getränke, Frucht-, Sirupe-Getränke; kohlensäurehaltige Wässer" muß dagegen ein sehr deutlicher Abstand vorliegen, um Verwechslungen auszuschließen.

Bei der jüngeren Marke wird der klangliche Gesamteindruck durch das Wort "Marensky" bestimmt, da dieses die unkomplizierteste und kürzeste Art der Benennung ist (vgl. Ströbele/Hacker, Markengesetz, 7. Aufl., § 9 Rn. 434). Die beiden Markenwörter "Marensky" und "MARESCA" unterscheiden sich durch den zusätzlichen Konsonanten "n" in der jüngeren Marke sowie die Endvokale. Diese Abweichungen haben auch Auswirkungen auf den klanglichen Gesamteindruck. Insbesondere der wie "i" gesprochene Selbstlaut "y" der angegriffenen Marke hebt sich markant von dem wesentlich dunkler klingenden "A" in der älteren Marke ab, deren Gesamtklangbild maßgeblich durch die beiden A-Laute in der Eingangs- und Schlußsilbe bestimmt wird. Die genannten Unterschiede reichen aus, um klangliche Verwechslungen zu verhindern, sofern sich nicht identische Waren gegenüberstehen.

Schriftbildlich bestehen bei sämtlichen Möglichkeiten schriftlicher Wiedergabe der Zeichenwörter deutliche Abweichungen. Bei Schreibung in Kleinbuchstaben mit Versalien an den Wortanfängen sind die Ober- und Unterlänge bei der angegriffenen Marke, die bei der IR-Marke nicht vorkommen, nicht zu übersehen. Bei Schreibung ausschließlich in Versalien stehen den überwiegend eckigen, nach oben offenen Buchstaben "-NSKY" die meist runden, nach oben geschlossenen Formen der Buchstaben "-SCA" gegenüber, die das jeweilige Gesamtbild markant beeinflussen. Begriffliche Gemeinsamkeiten liegen ebenfalls nicht vor, weil weder die jüngere noch die ältere Kennzeichnung einen eindeutig erkennbaren bestimmten Sinngehalt aufweisen. Auch eine assoziative Verwechslungsgefahr ist nicht ersichtlich, weil die als Stammbestandteil in Betracht kommenden Buchstabenfolgen nicht eigenständig im Sinne eines gemeinsamen Serienstamms hervortreten und außerdem so stark voneinander abweichen, daß sie nicht für wesensgleich gehalten werden können.

Soweit sich die Marken indessen auf identischen Produkten begegnen, reichen ihre phonetischen Abweichungen nicht aus, um den insoweit erforderlichen deutlicheren Abstand in klanglicher Hinsicht zu gewährleisten. So darf nicht unberücksichtigt bleiben, daß die Vergleichsmarken neben den oben genannten Unterschieden auch wesentliche phonetische Gemeinsamkeiten aufweisen, daß insbesondere bei beiden Zeichen Silbenanzahl und Betonung identisch sind. Außerdem handelt es sich bei dem zusätzlichen "n" um einen klangschwachen Konsonanten, der sich in einer Mittelsilbe eines längeren Wortes befindet. Die Unterschiede in den Vokalen betreffen die Endsilben, die in der Regel nicht besonders stark beachtet werden und für das Gesamtklangbild weniger entscheidend sind (vgl. Ströbele/Hacker, Markengesetz, 7. Aufl., § 9 Rn. 188, 195). Auch wird der Verkehr die Zeichen nicht analysieren, um sie einem bestimmten Sprachbereich zuzuordnen. Die Abweichungen sind daher nicht geeignet, angesichts der sonstigen Übereinstimmungen in Silbengliederung und Vokalfolge Verwechslungen in bezug auf die hier streitgegenständlichen identischen Waren sicher zu auszuschließen.

Es besteht kein Anlaß, einer der Verfahrensbeteiligten die Kosten des Beschwerdeverfahrens aufzuerlegen (§ 71 Abs. 1 MarkenG).

Dr. Ströbele Dr. Hacker Guth Fa






BPatG:
Beschluss v. 24.06.2003
Az: 24 W (pat) 231/01


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