Bundespatentgericht:
Beschluss vom 20. März 2000
Aktenzeichen: 30 W (pat) 178/99

(BPatG: Beschluss v. 20.03.2000, Az.: 30 W (pat) 178/99)

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Für die Waren

"Einmalartikel für den Laborbereich, nämlich Pipettenspitzen für Mikroliterpipetten im Bereich Volumenmessung"

ist zur Eintragung in das Markenregister angemeldetneoTips.

Die Markenstelle für Klasse 9 des Deutschen Patent- und Markenamts hat durch Beschluß des Prüfers die Anmeldung zurückgewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt, die angemeldete Bezeichnung stelle zwar eine Wortneuschöpfung dar, sie sei aber ohne weiteres verständlich. "Neo" stehe als Vorsatzzeichen für "neu", "tip" bedeute ua "Spitze, Düse, Tülle, spitzes Endstück". "Tip" werde für den Laborbereich ua im Zusammenhang mit Pipetten verwendet und stehe damit in direkter beschreibender Beziehung zum Bereich der Anmeldewaren. Das angemeldete Zeichen weise damit darauf hin, daß es sich um "neue Spitzen" handele. Dieser Sinngehalt erschließe sich großen Teilen des Verkehrs, da Englisch auf dem vorliegenden Warengebiet gängige Fach- und Werbesprache sei. Die Bezeichnung sei damit freizuhalten. Da zudem die schriftbildliche Wiedergabe nicht über den Rahmen werbeüblicher Gestaltung hinausgehe, fehle auch jegliche Unterscheidungskraft.

Die Anmelderin hat Beschwerde erhoben. Sie stützt diese mit näheren Ausführungen darauf, daß der Wortstamm "neo" die "Markenfamilie" der Anmelderin kennzeichne und diese Inhaberin mehrerer ähnlich aufgebauter Marken sei. Die Unterscheidungskraft ergebe sich bereits aus der schriftbildlichen Gestaltung. Ebensowenig bestehe ein Freihaltungsbedürfnis, da der Bestandteil "tip" im Deutschen als Synonym für "Spitze" nicht gebräuchlich sei. Die angemeldete Wortkombination sei weder sprachüblich noch verständlich. Insbesondere werde "neo" üblicherweise nur mit anderen Wörtern kombiniert.

Die Anmelderin beantragt sinngemäß, den Beschluß der Markenstelle aufzuheben.

II.

Die zulässige Beschwerde der Anmelderin hat in der Sache keinen Erfolg. Der Eintragung der Anmeldung stehen die Schutzhindernisse eines bestehenden Freihaltungsbedürfnisses nach § 8 Absatz 2 Nr 2 Markengesetz und der fehlenden Unterscheidungskraft gemäß § 8 Absatz 2 Nr 1 Markengesetz entgegen.

Bei der angemeldeten Wortverbindung "neoTips" handelt es sich um eine warenbeschreibende Angabe im Sinne von § 8 Absatz 2 Nr 2 Markengesetz, die dem Verkehr insbesondere zur Bezeichnung der Art und Beschaffenheit der Waren dienen kann.

Der Zeichenbestandteil "Tip" (Singularform) steht im Englischen in erster Linie für "Spitze" (Duden-Oxford, Großwörterbuch Englisch, 1990). Wie von der Markenstelle durch Katalogauszüge aus dem Laborbereich eingehend belegt, wird dieser Begriff - auch in deutschsprachigen Prospekten - für "Pipettenspitzen" verwendet. Insoweit finden sich Bezeichnungen wie "Eurotips", "Varitip", "Standard tips" sowie "Filter tips". Dieser Zeichenteil ist somit für die angesprochenen Fachkreise, die im übrigen auch der englischen Sprache kundig sein werden, ohne weiteres verständlich.

Dem Vorsatzzeichen "neo" wird zwanglos die Bedeutung "neu" entnommen. In Verbindung mit Substantiven oder Adjektiven drückt es aus, daß etwas eine Wiederbelebung erfährt oder daß an Früheres angeknüpft wird (vgl Duden, Deutsches Universalwörterbuch, 2. Aufl). Dieses Vorsatzzeichen ist im Deutschen in zahlreichen Wortverbindungen vertreten (zB Neofaschismus, Neoklassizismus, Neokolonialismus, Neolithikum, Neonatologie, Neoplasma, Neorealismus).

Die isoliert schutzunfähigen, warenbeschreibenden Zeichenbestandteile behalten diesen Inhalt auch in ihrer Wortzusammenfügung (vgl BGH GRUR 1996, 68 - COTTON LINE; EuG WRP 2000, 296 - COMPANYLINE). Die beiden Bestandteile werden entsprechend ihrem ursprünglichen, rein beschreibenden Wortsinn verwendet und weisen darauf hin, daß es sich bei den gegenständlichen Waren um neue, dh insbesondere neu gestaltete Pipettenspitzen handelt, die entsprechend der oben genannten Bedeutung von "neo" durchaus auch an ein bereits bekanntes Design anknüpfen und dieses ggf weiterentwickeln können. Damit besteht ein direkter beschreibender Bezug zu den Anmeldewaren.

Der Verkehr wird die beiden Zeichenbestandteile auch im Wortzusammenhang erkennen und nicht das Gesamtzeichen als Phantasiewort ohne beschreibenden Inhalt ansehen. Zum einen ist die angemeldete Bezeichnung sprachüblich gebildet und insbesondere der Zeichenteil "neo" - wie in der deutschen und englischen Sprache üblich - vorgeschaltet. Zudem erleichtert die Schreibweise des Zeichens, in der der Zeichenbestandteil "Tips" mit einem großen "T" eingeleitet wird, die Erkennbarkeit der Zeichenteile. Diese, den Wortzwischenraum weglassende Schreibweise ist im übrigen werbeüblich und für sich nicht schutzbegründend (PAVIS PROMA-Kliems, Beschluß vom 18. Februar 1998, 29 W (pat) 101/97 - DataSearch).

Die Annahme eines (aktuellen) Freihaltungsbedürfnisses ist auch nicht davon abhängig, ob die angemeldete Bezeichnung als solche bereits für den hier einschlägigen Laborbereich nachweisbar ist. Nach dem ausdrücklichen Wortlaut des § 8 Absatz 2 Nr 2 Markengesetz, der lediglich voraussetzt, daß die fraglichen Bezeichnungen zur Beschreibung "dienen können" ergibt sich, daß auch die erstmalige Verwendung dieser Zeichenzusammensetzung nicht schutzbegründend ist (vgl BGH GRUR 1996; 770 - MEGA; BPatGE 37, 190, 192 - FERRO-BRAUSE).

Die hier verwendete Zeichenkombination kann für den Bereich der Anmeldewaren auch nicht generell als ungewöhnlich angesehen werden. So weist auf den Bereich der Arzneimittel die "Rote Liste" zahlreiche Produkte aus, die das Vorsatzzeichen "neo" mit einem bereits bekannten Wirkstoff oder einer Indikationsangabe verbinden. In diesem Zusammenhang handelt es sich zwar um eine markenmäßige Verwendung, die jedoch nichts daran ändert, daß der Verkehr an diese Art der Zeichengestaltung gewöhnt ist und die Herausstellung der "Neuigkeit" entsprechend versteht. Von diesem Ausgangspunkt liegt es auch unter Berücksichtigung der genannten deutschen Begriffe mit dem Zeichenteil "neo" nicht fern, diese Art der Zeichenbildung und die damit verbundene Sachangabe auch auf das hier vorliegende Warengebiet zu übertragen. Darin unterscheidet sich die vorliegende Fallgestaltung von der Entscheidung des 27. Senats (PAVIS PROMA-Kliems, Beschluß vom 30. März 1999, 27 W (pat) 4/99 - Nanotip), in der die dort zugrunde liegende Wortzusammenstellung für die beanspruchten Laboreinmalartikel nicht als ohne weiteres naheliegend angesehen wurde.

Als warenbeschreibende Angabe fehlt dem angemeldeten Zeichen für die beanspruchten Waren auch jegliche Unterscheidungskraft nach § 8 Absatz 2 Nr 1 Markengesetz, da der Verkehr wegen des beschreibenden Inhalts in ihr nicht einen Hinweis auf die Herkunft der damit gekennzeichneten Erzeugnisse aus einem bestimmten Geschäftsbetrieb sehen wird.

Daran ändert auch der von der Anmelderin angeführte Umstand, daß der Wortstamm "neo" in eine entsprechende "Markenfamilie" Eingang gefunden hat und sich zudem in der Firmenbezeichnung wiederfindet, nichts. Auch unter diesem Hintergrund wird der Zeichenbestandteil "neo" im vorbezeichneten Sinne in gleicher Weise als beschreibend angesehen werden wie die entsprechend gebildete Firmenbezeichnung auf ein neues bzw neu gestaltetes Labor hinweist.

Dr. Buchetmann Sommer Schrammbr/Fa






BPatG:
Beschluss v. 20.03.2000
Az: 30 W (pat) 178/99


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