Bundespatentgericht:
Beschluss vom 5. Dezember 2006
Aktenzeichen: 5 W (pat) 9/06
(BPatG: Beschluss v. 05.12.2006, Az.: 5 W (pat) 9/06)
Tenor
Die Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamts - Gebrauchsmusterstelle - vom 12. Dezember 2005 wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Die Antragsteller und Beschwerdeführer (im folgenden: Beschwerdeführer) haben nach Ablauf der 3-jährigen Schutzdauer für das Gebrauchsmuster 201 04 049 die am 31. März 2004 fällige Aufrechterhaltungsgebühr weder rechtzeitig zum 1. Juni 2004 noch entsprechend dem Hinweis der Gebrauchsmusterstelle vom 16. August 2004 zusammen mit dem Verspätungszuschlag zum 30. September 2004 entrichtet. Dies ist erst mit anwaltlichem Schreiben vom 28. September 2005, eingegangen beim Deutschen Patent- und Markenamt am 29. September 2005, erfolgt, mit dem die Beschwerdeführer auch Wiedereinsetzung in die versäumte Zahlungsfrist beantragt haben.
Der Antrag wurde mit Beschluss der Gebrauchsmusterstelle des Deutschen Patent- und Markenamts vom 12. Dezember 2005 zurückgewiesen, da die für die Wiedereinsetzung vorgetragenen Tatsachen nicht ergeben hätten, dass die Zahlungsfrist unverschuldet versäumt worden sei. Die Antragsteller hätten zunächst vorgetragen, dass der Beschwerdeführer zu 1) eine Notiz über ein Gespräch mit dem Beschwerdeführer zu 2) am 4. September 2004 verlegt oder verloren habe, bei dem es um die Entscheidung gegangen sei, das Gebrauchsmuster aufrecht zu erhalten. Dies sei als schuldhaft zu werten, da der Beschwerdeführer zu 1) keine geeigneten Vorkehrungen getroffen habe, um einen ungewollten Verlust der Gesprächsnotiz zu verhindern. Der spätere, am 11. November 2005 beim Deutschen Patent- und Markenamt eingegangene Vortrag, dass dieser Verlust mit hoher Wahrscheinlichkeit auf ein für die Beschwerdeführer unvorhersehbares Verhalten einer dritten Person zurückzuführen sei, die sich am Ablagekorb des Beschwerdeführers zu 1) zu schaffen gemacht habe, könne nicht berücksichtigt werden. Denn dieses Vorbringen stelle keine Konkretisierung des bisher Vorgetragenen dar, sondern überschreite dessen inhaltlichen Rahmen. Als weitere, die Wiedereinsetzung begründende Tatsachen hätten diese innerhalb der 2-Monats-Frist nach Wegfall des Hindernisses für die Fristwahrung am 22. August 2005 (Samstag), mithin bis zum 24. Oktober 2005 (Montag) vorgetragen werden müssen.
Gegen die Zurückweisung des Wiedereinsetzungsantrags richtet sich die Beschwerde, mit der die Beschwerdeführer geltend machen, dass in dem angefochtenen Beschluss die Begründung des Wiedereinsetzungsantrags und die eidesstattliche Versicherung des Beschwerdeführers zu 1) weder vollständig noch zutreffend gewürdigt worden seien. Danach habe dieser das Gespräch vom 4. September 2004 über die Verlängerung des Gebrauchsmusters auf einem Schreiben der ihn vertretenden Patentanwälte notiert und das Schreiben sicher eingesteckt. So verfahre er oft mit privaten oder geschäftlichen Schriftstücken, wobei ihm noch nie ein Fristversäumnis oder ein sonstiger Fehler unterlaufen sei. Da es nicht zu dem geplanten Anruf bei den Patentanwälten gekommen sei, müsse er das Schreiben verloren haben. Der Schluss der Gebrauchsmusterstelle, der Beschwerdeführer zu 1) habe nicht die gebotene Sorgfalt aufgewendet, weil er die Notiz verlegt oder verloren habe, lasse den Vortrag unberücksichtigt, dass er seine Aufzeichnungen sicher verwahrt habe und dass dieses stets praktizierte Verhalten noch nie zu einem Fehler geführt habe. Die Beschwerdeführer hätten den entsprechenden Hinweis im Schreiben der Gebrauchsmusterstelle vom 17. Oktober 2005 als Aufforderung verstanden, das Vorbringen hinsichtlich des vermuteten Verlierens zu ergänzen. Hierzu sei ihnen eine Frist bis 20. November 2005 gesetzt worden. Das Schreiben vom 10. November 2005 enthalte nur eine ergänzende Detaildarstellung bezüglich der stets fehlerlosen Weiterbearbeitung derartiger Notizen und keinen neuen Sachvortrag. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Beschwerdebegründung vom 25. Juli 2006 (Bl. 12/15 der Gerichtsakten) Bezug genommen.
Die Beschwerdeführer beantragen sinngemäß, den Beschluss der Gebrauchsmusterstelle vom 12. Dezember 2005 aufzuheben und Wiedereinsetzung in die versäumte Frist zur Zahlung der ersten Aufrechterhaltungsgebühr zu gewähren.
II.
Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg, da die Gebrauchsmusterstelle den Wiedereinsetzungsantrag zu Recht zurückgewiesen hat. Die Beschwerdeführer haben nicht - insbesondere nicht innerhalb der Jahresfrist des § 123 Abs. 2 S. 4 PatG - dargetan, dass sie kein Verschulden daran trifft, dass sie die Frist zur Zahlung der Aufrechterhaltungsgebühr versäumt haben. Nach § 21 Abs. 1 GebrMG i. V. m. § 123 Abs. 1 PatG muss die Wiedereinsetzung grundsätzlich innerhalb von zwei Monaten nach Wegfall des Hindernisses für die Fristwahrung schriftlich beantragt werden, wobei der Antrag die Angabe der die Wiedereinsetzung begründenden Tatsachen enthalten muss, insbesondere die, aus denen sich ein fehlendes Verschulden ergibt. Ein Jahr nach Ablauf der Frist kann ein Antrag auf Wiedereinsetzung nicht mehr gestellt werden. Nach Ablauf der Frist können auch fehlende Angaben nicht mehr nachgeholt werden (vgl. Zöller, ZPO, 23. Aufl. 2002, § 234 Rn. 12, § 236 Rn. 6a). Bis zum Ablauf der Jahresfrist am 30. September 2005 waren nicht sämtliche für einen Wiedereinsetzungsantrag erforderlichen Tatsachen vorgetragen. Zudem geht aus dem Vorbringen der Beschwerdeführer hervor, dass das Fristversäumnis schuldhaft war.
Laut Schriftsatz vom 28. September 2005 und ihren beigefügten eidesstattlichen Versicherungen haben die Beschwerdeführer anlässlich eines Gesprächs am 4. September 2004 beschlossen, die Aufrechterhaltungsgebühr für das 4. bis 6. Schutzjahr samt Verspätungszuschlag für das Gebrauchsmuster zu entrichten. Der Beschwerdeführer zu 1) sollte den Patentanwälten den entsprechenden Auftrag erteilen, was er sich auf deren Erinnerungsschreiben vom 24. August 2004 notierte. Dieses Erinnerungsschreiben hat er gemäß dem weiteren Vortrag vom 28. September 2005 verloren und sich nicht mehr an den gemeinsamen Beschluss erinnert, so dass es zur Versäumung der Frist kam.
Diesen Vortrag hat die Gebrauchsmusterstelle zu Recht nicht als ausreichenden Nachweis für mangelndes Verschulden angesehen. Soweit die Beschwerdeführer darauf hinweisen, dass der Beschwerdeführer zu 1) üblicherweise private oder geschäftliche Schriftstücke für Notizen nutze, wobei ihm noch nie ein Fristversäumnis oder ein sonstiger Fehler unterlaufen sei, ist dieser Vortrag nicht geeignet, das Verschulden auszuschließen. Insbesondere kann daraus, dass ein bestimmtes Verhalten in der Vergangenheit nicht zu einem Fehler geführt hat, nicht der Schluss gezogen werden, es entspräche der für den Umgang mit Fristen erforderlichen Sorgfalt. Ob ein Verschulden im Sinne der Wiedereinsetzungsvorschriften vorliegt, bestimmt sich nach dem objektivabstrakten Maßstab des § 276 Abs. 2 BGB. Maßgebend ist die Sorgfalt eines ordentlichen Verfahrensbeteiligten (vgl. Zöller a. a. O., § 233 Rn. 12). Fahrlässig handelt in jedem Fall der Beteiligte, der nicht die für einen gewissenhaften, seine Belange sachgerecht wahrnehmenden Verfahrensbeteiligten gebotene und ihm nach den konkreten Umständen zumutbare Sorgfalt aufbringt. Die Verfahrenssituation kann besondere Sorgfalt erfordern (vgl. Busse, PatG, 6. Aufl. 2003, § 123 Rn. 36 m. w. N.). So war es hier, nachdem die reguläre Frist zur Bezahlung der Verlängerungsgebühr im Zeitpunkt des Gesprächs der Beschwerdeführer am 4. September 2004 bereits abgelaufen und der Erhalt des Schutzrechts nur bei rechtzeitiger Zahlung der Verlängerungsgebühr samt Verspätungszuschlag gewährleistet war. Vor diesem Hintergrund ist es zwar nicht zu beanstanden, dass der Beschwerdeführer zu 1) sich auf dem Erinnerungsschreiben der Patentanwälte notiert hat, diese mit der Gebührenzahlung zu beauftragen. Dies bot sich angesichts des sachlichen Zusammenhangs durchaus an. Soweit der Beschwerdeführer zu 1) in seiner eidesstattlichen Versicherung vom 29. September 2005 aber ausgeführt hat: "Das Schreiben der Patentanwälte muss ich verloren haben ...", entschuldigt ihn das nicht. Hierzu hätte nämlich - und zwar innerhalb der Jahresfrist bis zum 30. September 2005 - vorgetragen werden müssen, dass der Verlust mit großer Wahrscheinlichkeit nicht in dem Bereich eingetreten ist, für den der Beschwerdeführer zu 1) verantwortlich war (Zöller a. a. O. Rn. 23, Stichwort "Verlust"). Schon aus diesem Grund war der Antrag auf Wiedereinsetzung zurückzuweisen, da bis zum Ablauf der Ausschlussfrist kein Sachvortrag vorlag, der sämtliche Tatsachen enthielt, aus denen sich das mangelnde Verschulden ergab (vgl. Zöller a. a. O., § 234 Rn. 12, § 236 Rn. 6a; Thomas/Putzo, ZPO, 27. Aufl. 2005, § 236 Rn. 6). Das Nachschieben fehlender Tatsachen stellt keine Ergänzung unvollständiger Tatsachen dar. Zwar hatten die Beschwerdeführer in der Begründung ihres Widereinsetzungsantrags die Tatsache des Verlustes der Notiz vorgetragen. Hierzu beinhaltete der Schriftsatz keine Ergänzung, denn er befasst sich mit der Frage der des bisher nicht vorgetragenen Verantwortungsbereichs und betraf damit neue Tatsachen als Beleg für fehlendes Verschulden. Das Schreiben der Gebrauchsmusterstelle vom 17. Oktober 2005 kann nicht als Aufforderung zu weiterem Sachvortrag verstanden werden, sondern sollte der Wahrung des rechtlichen Gehörs dienen.
Dies kann aber letztlich offen bleiben. Denn auch die Angaben im Schriftsatz vom 10. November 2005 zeigen, dass die Frist schuldhaft versäumt worden ist. Aufgrund welcher Umstände die Beschwerdeführer die Auffassung vertreten, der Verlust des Schriftstücks aus dem Ablagekorb im Büro des Beschwerdeführers zu 1) falle nicht in dessen Verantwortungsbereich, ist nicht nachvollziehbar. Dass möglicherweise Dritte den Verlust des Schreibens verursacht haben, lässt die Verantwortung des Beschwerdeführers zu 1) für die fragliche Notiz nicht entfallen. Vielmehr entspricht es nicht der für die Bearbeitung fristgebundener Vorgänge erforderlichen Sorgfalt, diese in einen ungeschützten, einer Vielzahl von Personen zugänglichen Ablagekorb abzulegen. Eine Erledigung der erkennbar in keinem Zusammenhang mit der Tätigkeit einer Wirtschaftsprüfer- und Steuerberatungsgesellschaft stehenden Notiz des Beschwerdeführers zu 1), nämlich die Beauftragung der Patentanwälte, die Gebühr zu bezahlen, durch Mitarbeiter der Niederlassung erscheint ausgeschlossen. Wie das vorliegende Verfahren zeigt, birgt die Aufbewahrung eines wichtigen Schriftstücks an einem allgemein zugänglichen Ort aber die Gefahr in sich, dass es verloren geht. Dies kann auch versehentlich, also nicht bewusst und entgegen einer Anweisung geschehen, in dem es unbemerkt mit einem anderen Vorgang entnommen wird und so außerhalb der Kontrolle des für die Einhaltung der Frist Verantwortlichen, hier des Beschwerdeführers zu 1), gerät. Der Sorgfaltsmangel liegt somit bereits in der fehlerhaften Aufbewahrung des Schriftstücks.
Dass der Beschwerdeführer zu 1) aufgrund des von ihm zu vertretenden Verlustes seiner Gesprächsnotiz die für die Fristwahrung erforderliche Handlung, nämlich die Beauftragung der Patentanwälte, vergessen hat, ist grundsätzlich als schuldhaft anzusehen (vgl. Zöller a. a. O., § 233, Rn. 23, Stichwort "Vergessen").
BPatG:
Beschluss v. 05.12.2006
Az: 5 W (pat) 9/06
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