Oberlandesgericht Frankfurt am Main:
Urteil vom 6. Februar 2003
Aktenzeichen: 12 U 155/01
(OLG Frankfurt am Main: Urteil v. 06.02.2003, Az.: 12 U 155/01)
Tenor
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil der 10. Zivilkammer des Landgerichts Darmstadt vom 23.05.2001 (10 O 99/01) abgeändert. Die Klage wird abgewiesen. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger bleibt nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung von 120% des Verurteilungsbetrages abzuwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des beizutreibenden Betrages stellt. Das Urteil beschwert den Kläger mit mehr als 20.000,00 €.
Gründe
Das Landgericht hat mit Urteil vom 23. Mai 2001, auf das Bezug genommen wird, der Klage stattgegeben, weil das Schreiben geeignet sei, den Eindruck zu erwecken, als habe der Adressat gewonnen, jedenfalls stelle es eine einer Gewinnzusage vergleichbare Mitteilung dar.
Hiergegen richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Beklagten. Dieser macht geltend, dass allein das zeitlich nachfolgend dem Kläger zugegangene Schreiben, zu dessen Inhalt auf Bl. 21 der Akte Bezug genommen wird, relevant gewesen sei. Dies ergebe sich aus dem Inhalt der "Vorab-Info". Der Absender dieser "Vorab-Info" sei nur in Verbindung mit dem nachfolgenden Schreiben zu bestimmen gewesen. Im übrigen erfülle die "Vorab-Info" auch bei isolierter Betrachtung nicht die Voraussetzungen des § 661 a BGB. Der Durchschnittsverbraucher sei in Anlehnung an § 3 UWG zu bestimmen.
Der Beklagte beantragt,
unter Abänderung des angefochtenen Urteils des Landgerichts Darmstadt vom 23. Mai 2001 (Az. - 10 0 99/01 -) die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen seines Vortrags wird auf den Schriftsatz vom 10.12.2001 Bezug genommen.
Der Beklagte hat als Unternehmer (§ 14 BGB) dem Kläger als Verbraucher (§ 13 BGB) keine Gewinnzusage oder vergleichbare Mitteilung gemacht und durch die Gestaltung der "Vorab-Info" nicht objektiv den Eindruck erweckt, dass der Kläger 6.250.000,- DM gewonnen hat.
Da die "Vorab-Info" dem Kläger nach dem 29.06.2000 zugegangen ist, gilt § 661 a BGB (Art. 229 § 2 Abs. 1 EGBGB). Umfaßt sind nicht nur die Fälle der Bestellungsprovokation, sondern auch die isolierte Gewinnzusage (Lorenz, "Gewinnmitteilungen aus dem Ausland..." in: NJW 2000, 3305, 3307; Schneider, "Erfüllungszwang bei Gewinnzusagen- verfassungsmäßig" in: BB 2002, 1653, 1654). Ob es hinsichtlich des Anscheins des Preisgewinns auf einen subjektiven oder objektiven Maßstab ankommt, beantworten die Gesetzesmaterialien zu § 661 a BGB nicht (vgl. BTDrucksache 14/2658 f.). Der Senat schließt sich der in Literatur (Palandt/Sprau, 62. Aufl., § 661 a Rn. 2; Schulze, Hk -BGB, 2. Aufl., § 661 a Rn. 2; Lorenz, a. a. o, 3306) und Rechtsprechung (OLG Koblenz MDR 2002, 1359; OLG Dresden OLGR Dresden 2002, 281-284 zitiert nach juris) vertretenen Auffassung an, wonach allein die generell-abstrakte Eignung der Mitteilung, bei einem durchschnittlichen Verbraucher den Eindruck eines bereits gewonnen Preises zu erwecken, maßgebend ist. Auf die subjektive Sicht des Klägers kommt es dagegen nicht an.
Die hier vorliegende "Vorab-Info" war nicht geeignet diesen Eindruck hervorzurufen.
Das Schreiben besteht aus einem Blatt von ca. 26 cm x 20,7 cm, dessen Vorder- und Rückseite bedruckt sind. Es wurde an die Empfänger gefaltet auf ein Format von ca. 9 cm x 20,7 cm ohne Umschlag übersandt. Die Faltung ist für den Senat aufgrund des vorliegenden Originalschreibens nachvollziehbar. Danach ist auf der Vorderseite des gefalteten Schreibens die Anschrift des Empfängers - hier des Klägers - aufgedruckt, verbunden mit der Überschrift "Wichtige Vorab-Info! Bitte sofort öffnen!". Rechts davon befinden sich Absenderangaben (Postfach und Ort). Die Rückseite des gefalteten Schreibens bildet ein Wappen ab. Entfaltet zeigt das Schreiben auf der Vorderseiten auch einen einem Scheckvordrucken ähnlichen Aufdruck. Dieser trägt folgende Überschrift:
"VORLÄUFIGE AUF IHREN NAMEN AUSGESTELLTE: X Y., Z. Offizielle Auszahlungs-Benachrichtigung"
und auf einen Bar auszuzahlenden Betrag von 6,25 Millionen DM als "IHR GEWINNBETRAG" verweist.
Die Anschriftenfelder mit der Klägeradresse (auf dem Scheckähnlichen Aufdruck sowie dem Adressfeld der Vorderseite) sind jeweils mit dem farbig abgesetzten Aufdruck "Status: Finalist" unterlegt. Auf einen noch zu übersendenden Brief mit der Code-Nr: ... wird hingewiesen.
Die Rückseite des Blattes wendet sich anonymisiert an den Leser mit dem Hinweis auf einen "schon sehr bald bevorstehenden 6,25 Millionen DM Gewinn". Es wird dort weiter ausgeführt:
"...wurden Sie ausgewählt, in Kürze wichtige und offizielle Gewinn-Unterlagen zu erhalten, die berechtigen, bereits in wenigen Wochen Millionär zu werden. ...achten Sie ...auf das Kuvert in ihrem Briefkasten, das die CODE-NR: ... ...trägt... Öffnen Sie das Kuvert... Und handeln sie ... sofort. Nur so sichern Sie sich Ihre Chance."
Das Anschreiben trägt die Unterschrift des Beklagten.
Der Eindruck eines bereits gewonnenen Preises wird bei der hier notwendigen Gesamtschau des Inhalts des Anschreibens nicht erweckt. Zwar liegt bei nur isolierter Beurteilung der sogenannten vorläufigen offiziellen Auszahlungs-Benachrichtigung ein von dem Normzweck des § 661 a BGB umfaßter Eindruck eines bereits vollzogenen Gewinns, trotz der Verwendung des Begriffs "vorläufig" nahe. Dem Eindruck eines bereits vollzogenen Gewinns stehen aber die relativierenden Formulierungen entgegen, wonach der Empfänger aufgrund der noch ausstehenden Gewinn-Unterlagen "in wenigen Wochen" Millionär werden könne und durch Öffnen des codierten Kuverts seine "Chance sichern" müsse. Damit wird unmissverständlich darauf hingewiesen, dass die Vergabe des Gewinns noch nicht vollzogen ist, der Empfänger unter bestimmten weiteren Voraussetzungen aber in Zukunft Gewinner werden könnte. Die zitierten Hinweise im Textteil verhindern die abstrakte Eignung der Mitteilung zum Anschein eines Preisgewinns, da sie nach der Gestaltung der gesamten Werbemaßnahme auch nicht zurücktreten. Dies wird insbesondere durch die Faltung des Blattes, das Fehlen eines gesonderten Umschlags und die dadurch hervorgerufene räumliche und auch gedankliche Verknüpfung zwischen der vorläufigen Auszahlungs-Benachrichtigung und dem Wortlaut des Textes bewirkt. Hinzu kommt der zweifache Hinweis auf den "Status" als "Finalist". Auch einem durchschnittlichen Verbraucher ist der Begriff "Finale" von Sport- und Gewinnveranstaltungen geläufig. Er kann ableiten, dass ein Finalist ein Endrundenteilnehmer ist, der Gewinner aus der Reihe der Finalisten aber erst noch ermittelt werden muß. Damit korrespondieren in dem umseitigen Anschreiben die oben zitierten Textpassagen. Auch wendet sich das Anschreiben zu dem 6,25 Millionen Gewinn sodann anonymisiert an die "verehrte Leserin" und den "verehrten Leser", was dem Eindruck eines bereits persönlich an den Empfänger vergebenen Gewinns widerspricht. Der einem Scheckvordruck ähnelnde Ausdruck verweist auf eine Barauszahlung, was in Widerspruch zu seiner bildlichen Gestaltung steht.
Schließlich ist auch zu berücksichtigen, dass es sich bei 6,25 Millionen DM um einen außergewöhnlich hohen Betrag handelt, dem hier kein vorhergehender Einsatz des Empfängers gegenüberstehen würde. Einen Gewinn dieser Höhe ohne eigenen Einsatz zu erhalten, widerspricht der Lebenserfahrung. In einer solchen Situation ist die Konzentration des hier maßgebenden durchschnittlichen Verbrauchers, mit der er sich dem Anschreiben auch hinsichtlich der Textteile widmet, auch aus diesem Grund erhöht.
Ob bei der Ermittlung des Anscheins eines Preisgewinns im Sinne des § 661 a BGB die Rechtsprechung zu § 3 UWG bei der Ermittlung des Verkehrsverständnisses heranzuziehen ist, mußte nicht entscheiden werden, da es bereits nach den allgemein zu § 661 a BGB angewandten Auslegungsgrundsätzen an dem Anschein eines Preisgewinns nach abstrakt-objektivem Maßstab fehlte. Ebenso konnte offen bleiben, ob die "Vorab-Info" isoliert oder - wie der Beklagte meinte - nur in Zusammenhang mit der klarstellenden nachfolgenden Zusendung von Werbematerial bezüglich des Ankaufs von Losen auszulegen ist, da bereits bei der hier vorgenommenen isolierten Auslegung die Voraussetzungen des § 661 a BGB nicht gegeben sind (vgl. hierzu LG Wuppertal NJW-RR 2001, 1275).
Die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen fallen dem Kläger zur Last, weil er unterlegen ist, § 91 Abs. 1 ZPO.
Der Ausspruch der vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ § 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordern, § 543 Abs. 2 ZPO.
OLG Frankfurt am Main:
Urteil v. 06.02.2003
Az: 12 U 155/01
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