Bundespatentgericht:
Beschluss vom 9. November 2009
Aktenzeichen: 33 W (pat) 27/08

(BPatG: Beschluss v. 09.11.2009, Az.: 33 W (pat) 27/08)

Tenor

Auf die Beschwerde der Widersprechenden wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 1 des Deutschen Patentund Markenamts vom 14. Januar 2008 aufgehoben, soweit der Widerspruch aus der Marke 395 07 532 zurückgewiesen worden ist hinsichtlich der Waren der angegriffenen Marke 302 61 843 "Chemische und biochemische Rohstoffe und Halbfabrikate sowie chemische Spezialitäten für gewerbliche Zwecke, nämlich zur Herstellung, Behandlung und Veredelung von Baumaterialien, Textilien, Farben, Lacken, Druckfarben, Klebstoffen für gewerbliche Zwecke, Kunststoffen, Kautschuk, Flammschutzmitteln und für die chemische Industrie; chemische Erzeugnisse und Rohstoffe für gewerbliche Zwecke und die chemische Industrie im allgemeinen; alle Waren enthalten kein Cetylpyridiniumchlorid; von allen vorgenannten Waren ausgenommen sind Polymere und Edukte zur Herstellung von oder Verwendung in Polymeren einschl. Katalysatoren zur Herstellung von oder Verwendung in Polymeren". Wegen des Widerspruchs wird insoweit die Löschung der angegriffenen Marke angeordnet.

Gründe

I.

Die am 17. Dezember 2002 als Wortmarke angemeldete Buchstabenfolge CPC ist am 18. Juli 2003 unter der Nummer 302 61 843 für zahlreiche Waren der Klassen 1 und 2 in das Markenregister eingetragen worden.

Das Warenverzeichnis dieser Marke hatte zuletzt nach Einschränkung bereits im Verfahren vor der Markenstelle und nach Klarstellung in der mündlichen Verhandlung vom 22. September 2009 folgende Fassung:

Klasse 1: Chemische und biochemische Rohstoffe und Halbfabrikate sowie chemische Spezialitäten für gewerbliche Zwecke, nämlich zur Herstellung, Behandlung und Veredelung von Baumaterialien, Textilien, Farben, Lacken, Druckfarben, Klebstoffen für gewerbliche Zwecke und für Haushaltszwecke, Kunststoffen, Kautschuk, Flammschutzmitteln, Wachswaren, Waschmitteln, Wasserreinigungsund Aufbereitungsmitteln, Kosmetika, Pharmazeutika für die Herstellung von Papier und für die chemische Industrie; chemische Erzeugnisse und Rohstoffe für gewerbliche Zwecke zur Behandlung und zur Herstellung von Lebensmitteln, zum Frischhalten und Haltbarmachen von Lebensmitteln, insbesondere Verdicker, Emulgatoren, Enzyme, Aminosäuren, Antioxidantien, Süßstoffe, Phosphate, für die Herstellung von Papier und die chemische Industrie im allgemeinen; alle Waren enthalten kein Cetylpyridiniumchlorid; von allen vorgenannten Waren ausgenommen sind Polymere und Edukte zur Herstellung von oder Verwendung in Polymeren einschl. Katalysatoren zur Herstellung von oder Verwendung in Polymeren;

Klasse 2: Farbstoffe für Nahrungsmittel; die Farbstoffe enthalten kein Cetylpyridiniumchlorid.

Nach Veröffentlichung der Eintragung am 22. August 2003 hat hiergegen die Widersprechende mit dem am 12. November 2003 beim Deutschen Patentund Markenamt eingegangenen Telefax Widerspruch eingelegt aus der am 18. Februar 1995 angemeldeten und am 18. Juli 1995 eingetragenen Bildmarke 395 07 532 die Schutz genießt für folgende Waren und Dienstleistungen:

Klasse 1: Chemische Erzeugnisse für die Kunststoffindustrie, nämlich Kunststoffe, Additive für Kunststoffe, Farbpigmente für Kunststoffe, Masterbatches, Polymercompounds;

Klasse 42: Produktplanung, Produktentwicklung, Produktdesign; Design von Industriegütern, Investitionsgütern und Gebrauchsgütern aus Kunststoffen.

Der Widerspruch, der zunächst unbeschränkt erhoben worden war, wurde bereits im Verfahren vor der Markenstelle durch Schriftsatz vom 23. Juni 2005 auf einen Teil der Waren beschränkt und richtet sich nach Klarstellung des Warenverzeichnisses in der mündlichen Verhandlung aktuell noch gegen folgende Waren der angegriffenen Marke:

Chemische und biochemische Rohstoffe und Halbfabrikate sowie chemische Spezialitäten für gewerbliche Zwecke, nämlich zur Herstellung, Behandlung und Veredelung von Baumaterialien, Textilien, Farben, Lacken, Druckfarben, Klebstoffen für gewerbliche Zwecke, Kunststoffen, Kautschuk, Flammschutzmitteln und für die chemische Industrie; chemische Erzeugnisse und Rohstoffe für gewerbliche Zwecke und die chemische Industrie im allgemeinen; (nicht ausdrücklich genannt ist im Widerspruch der folgende Disclaimer, der aber nach der Einschränkung des Warenverzeichnisses durch die Markeninhaberin auch für alle angegriffenen Waren gilt: "alle Waren enthalten kein Cetylpyridiniumchlorid; von allen vorgenannten Waren ausgenommen sind Polymere und Edukte zur Herstellung von oder Verwendung in Polymeren einschl. Katalysatoren zur Herstellung von oder Verwendung in Polymeren").

Die Inhaberin der angegriffenen Marke hat bereits im Verfahren vor der Markenstelle mit Schriftsatz vom 25. März 2004 die Benutzung der Widerspruchsmarke pauschal und ohne jede Einschränkung bestritten. Die Widersprechende hat daraufhin Benutzungsunterlagen eingereicht, einschließlich einer eidesstattlichen Versicherung vom 8. November 2004, in der Umsatzzahlen für die Jahre 2001 bis 2003 und anteilig für 2004 genannt sind. Dort ist zur Widerspruchsmarke unter anderem wörtlich ausgeführt:

"Die C... GmbH vertreibt unter diesem Logo insbesondere Farbkonzentrate, Farbpigmente, Farbgries, Lichtschutzmittel, Antistatika, Antioxidantien, Gleitmittel, Prozeßhilfen, Antilaminate, Nukleierungsmittel, Duftstoffe, Multify-Konzentrate, Effektpigment-Konzentrate und Trendfarben."

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die eidesstattliche Versicherung vom 8. November 2004 (Bl. 88 der Patentamtsakten 302 61 843) verwiesen.

Die Markenstelle für Klasse 1 des Deutschen Patentund Markenamts hat in einem Beschluss vom 14. Januar 2008 durch eine Beamtin des höheren Dienstes den Widerspruch zurückgewiesen. Eine Verwechslungsgefahr sei nicht feststellbar, da die von der Inhaberin der angegriffenen Marke erhobene Nichtbenutzungseinrede durchgreife. Die Widersprechende habe eine rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke in Bezug auf die Art der Benutzung nicht ausreichend glaubhaft gemacht. Die Widersprechende habe zwar eine eidesstattliche Versicherung eingereicht, in der auch Umsatzzahlen aufgeführt seien. Es fehle aber an einer Aufschlüsselung in Bezug auf die einzelnen Waren. Bei den in der eidesstattlichen Versicherung aufgeführten Waren handele es sich nicht nur um solche, für welche die Widerspruchsmarke geschützt sei, nämlich die explizit aufgeführten chemischen Erzeugnisse für die Kunststoffindustrie. Es sei damit nicht nachvollziehbar, welche Umsatzanteile auf die einzelnen Produkte entfielen. Es sei nicht auszuschließen, dass ein Großteil des Umsatzes auf Waren entfalle, die nicht Bestandteil des Warenund Dienstleistungs-Verzeichnisses der Widerspruchsmarke seien, z. B. Antistatika, Antioxidantien, Gleitmittel, Duftstoffe usw.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden vom 18. Februar 2008. Die Widersprechende hat ihre Beschwerde mit einem Telefax begründet, das einen Tag vor der mündlichen Verhandlung vom 22. September 2009 bei Gericht eingegangen ist.

Sie führt unter anderem aus, dass die angegriffene Entscheidung den Grundsatz des rechtlichen Gehörs verletze. Sie sei auf Gründe gestützt, zu denen sich die Widersprechende nicht habe äußern können. Die vorgelegten Glaubhaftmachungsunterlagen seien entgegen der Auffassung der Markenstelle vollständig und bedürften keiner Ergänzung. Gegenstand des Warenverzeichnisses der Widerspruchsmarke seien "Additive für Kunststoffe". Dies seien Hilfsstoffe oder Zusatzstoffe, die den Kunststoffen in geringen Mengen zugesetzt würden, um bestimmte Eigenschaften zu erreichen oder zu verbessern. Dabei könne es sich um Trockenstoffe, Weichmacher, Lichtschutzmittel, Antioxidationsmittel, Antistatika und auch Gleitmittel handeln. Mit der im Verfahren vor dem DPMA vorgelegten eidesstattlichen Versicherung sollte entgegen der Auffassung der Markenstelle gerade nicht ausgeschlossen werden, dass ein Großteil der in der eidesstattlichen Versicherung angegebenen Umsätze auf Kunststoffadditive entfalle. Auch bei einem Masterbatch handele es sich um ein Kunststoffadditiv in Form von Granulaten mit hohen Gehalten an Farbmitteln, die zum Einfärben oder zur Veränderung von Farbeigenschaften dem Rohkunststoff beigemischt würden. Farbkonzentrate, Farbpigmente und Farbgries seien ebenso wie Lichtschutzmittel Gegenstand der eidesstattlichen Versicherung. Deshalb sei auch der Nachweis erbracht, dass die Widerspruchsmarke für Masterbatches benutzt werde. Auch ein Compound könne ohne weiteres Kunststoffadditive enthalten, wobei unter einem Compound ein Gemisch aus sortenreinen Grundstoffen zu verstehen sei. Auch derartige Gemische seien Gegenstand der eidesstattlichen Versicherung. Die Widerspruchsmarke sei also völlig ausreichend benutzt für "Polymercompounds, Masterbatches, Farbpigmente für Kunststoffe und eine Vielzahl von einzelnen Additiven für Kunststoffe". Die Benutzung der Widerspruchsmarke sei von der Markenstelle aufgrund von Unkenntnis der technischen Zusammenhänge nicht anerkannt worden.

Die Widersprechende hat in der mündlichen Verhandlung eine weitere, von ihrem Prokuristen S... unterzeichnete eidesstattliche Versicherung vom 21. September 2009 vorgelegt, die neben den Umsatzzahlen für die Jahre 2004 bis 2008 (jährliche Umsätze zwischen ... und knapp ... Euro) und anteilig für das Jahr 2009 im Wesentlichen die gleichen Angaben enthält wie die eidesstattliche Versicherung vom 8. November 2004, wobei nach der Aufzählung der unter der Widerspruchsmarke vertriebenen Waren zusätzlich noch Folgendes ausgeführt ist:

"Alle diese Waren sind Additive für Kunststoffe und werden von uns zum Verkaufszwecke in Kunststoffe eingearbeitet und als so genannter Masterbatch oder Compound vermarktet."

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die eidesstattliche Versicherung vom 21. September 2009 (Bl. 72 der Akten) verwiesen.

Die Widersprechende beantragt unter Berücksichtigung der in der mündlichen Verhandlung erklärten weiteren Beschränkung des Widerspruchs sinngemäß, den angefochtenen Beschluss der Markenstelle für Klasse 1 des Deutschen Patentund Markenamts vom 14. Januar 2008 teilweise aufzuheben und die angegriffene Marke im zuletzt mit dem Widerspruch angegriffenen Umfang zu löschen.

Die Markeninhaberin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

In der mündlichen Verhandlung hat die Markeninhaberin die Verspätung des am 21. September 2009 eingegangenen Schriftsatzes der Widersprechenden und der in der mündlichen Verhandlung übergebenen eidesstattlichen Versicherung vom gerügt. Der Senat hat der Markeninhaberin zur Erwiderung auf den am 21. September 2009 eingegangenen Schriftsatz und die in der mündlichen Verhandlung vorgelegte eidesstattliche Versicherung einen Schriftsatz nachgelassen und eine Entscheidung an Verkündungs Statt nicht vor dem 13. Oktober 2009 angekündigt.

In der am 12. Oktober 2009 eingegangenen Beschwerdeerwiderung führt die Markeninhaberin aus, dass die Benutzung der Widerspruchsmarke nach wie vor nicht glaubhaft gemacht worden sei. Die in der mündlichen Verhandlung vorgelegte eidesstattliche Versicherung weise die gleichen inhaltlichen Mängel auf wie die eidesstattliche Versicherung vom 8. November 2004. Sie unterscheide sich von dieser nur durch den neuen Referenzzeitraum von 2004 bis 2009. Bei beiden eidesstattlichen Versicherungen sei nicht erkennbar, ob und in welchem Umfang die Widerspruchsmarke für die eingetragenen Waren benutzt worden sei. Die Aufzählung der vertriebenen Waren enthalte nach wie vor solche, die nicht im Warenverzeichnis der Widerspruchsmarke enthalten seien. Der hinzugefügte Satz, dass diese Waren Additive für Kunststoffe seien, werde bestritten. Aus den Ausführungen der Widersprechenden gehe auch nicht hervor, warum die Additive für Kunststoffe neben den übrigen Waren "Farbpigmente für Kunststoffe, Masterbatches und Polymer-Compounds" einzeln aufgeführt seien. Aus der eidesstattlichen Versicherung sei ferner nicht ersichtlich, dass die dort aufgeführten Waren chemische Erzeugnisse für die Kunststoffindustrie seien. Diese Waren könnten auch für andere Industrien wie die Lebensmitteloder Parfümindustrie benutzt werden. Die eidesstattliche Versicherung sei auch deshalb widersprüchlich, weil sie nicht erkennen lasse, ob es sich bei den genannten Umsatzzahlen um solche für Additive für Kunststoffe handele oder für Masterbatches oder Compounds. Gemäß der eidesstattlichen Versicherung würden die Additive zum Verkaufszwecke in Kunststoffe eingearbeitet und als sogenannte Masterbatches oder Compounds vermarktet. Dies bedeute, dass die Additive gar nicht selbständig verkauft würden und somit eine Benutzung für Additive ganz entfalle. Schließlich scheitere die Glaubhaftmachung der Benutzung auch daran, dass die Widersprechende keine weiteren Mittel der Glaubhaftmachung vorgelegt habe. Rechnungskopien fehlten gänzlich und Produktaufkleber, Warenverpackungen fehlten für den Zeitraum nach § 43 Abs. 1 Satz 2 MarkenG. Soweit die Benutzung auf Etiketten und Warenverpackungen in der eidesstattlichen Versicherung behauptet würde, werde dies bestritten. Die aufgeführten Unklarheiten und Unzulänglichkeiten der Benutzung gingen zu Lasten der Widersprechenden. Schließlich seien die in der mündlichen Verhandlung vom 22. September 2009 vorgebrachten neuen Tatsachen verspätet und gemäß § 296 ZPO zurückzuweisen. Das verspätete Vorbringen beruhe auch auf grober Nachlässigkeit. Schließlich sei auch eine Verzögerung eingetreten, weil der Senat nicht in der mündlichen Verhandlung habe entscheiden können, sondern der Markeninhaberin einen Schriftsatznachlass bis zum 13. Oktober 2009 eingeräumt habe.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde der Widersprechenden ist zulässig, insbesondere statthaft sowie formund fristgerecht eingelegt, § 66 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 MarkenG. Sie hat nach der im Beschwerdeverfahren erfolgten Glaubhaftmachung der Benutzung der Widerspruchsmarke in dem zuletzt noch streitgegenständlichen Umfang auch in der Sache Erfolg. Nach Auffassung des Senats besteht zwischen den Vergleichsmarken insoweit Verwechslungsgefahr gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG.

1. Die Markeninhaberin hat die Benutzung der Widerspruchsmarke in zulässiger Weise für die Zeiträume nach § 43 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 MarkenG bestritten. Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung der Eintragung der jüngeren Marke war die Widerspruchsmarke bereits mehr als fünf Jahre im Register eingetragen. Das undifferenzierte Bestreiten der Benutzung der Widerspruchsmarke durch die Markeninhaberin ist dabei als Erhebung der Einreden nach beiden Zeiträumen des § 43 Abs. 1 MarkenG auszulegen, sofern -wie hier -die tatbestandlichen Voraussetzungen gegeben sind (vgl. Ströbele/Hacker, MarkenG, 9. Aufl., § 43 Rdn 19).

Die Widersprechende hat die Benutzung der Widerspruchsmarke für die Waren "Chemische Erzeugnisse für die Kunststoffindustrie, nämlich Additive für Kunststoffe" bzw. "Chemische Erzeugnisse für die Kunststoffindustrie, nämlich Masterbatches bzw. (Polymer)Compounds" für die relevanten Benutzungszeiträume nach § 43 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 MarkenG, nämlich vom 22. August 1998 bis 22. August 2003 und vom 22. September 2004 bis 22. September 2009 nach Auffassung des Senats in noch hinreichender Weise glaubhaft gemacht.

Bei der Frage der Glaubhaftmachung sind die vorgelegten Glaubhaftmachungsmittel im Zusammenhang und in ihrer Gesamtheit frei zu würdigen, wobei die Glaubhaftmachung im Gegensatz zum Beweis nicht zur vollen Überzeugung führen muss, sondern es genügt, dass eine überwiegende Wahrscheinlichkeit für die behaupteten Tatsachen spricht (vgl. Ströbele/Hacker, MarkenG, 9. Aufl., § 43 Rdn. 39). Dies ist vorliegend trotz gewisser Unzulänglichkeiten der vorgelegten Unterlagen der Fall. Nach Auffassung des Senats spricht nach den vorgelegten Unterlagen eine überwiegende Wahrscheinlichkeit für eine rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke für die genannten Waren in den maßgeblichen Benutzungszeiträumen.

Soweit die Markeninhaberin einwendet, dass unklar sei, ob und in welchem Umfang die Widerspruchsmarke für die eingetragenen Waren benutzt worden sei, weil auch die in der eidesstattlichen Versicherung vom 21. September 2009 enthaltene Aufzählung der vertriebenen Waren nach wie vor solche enthalte, die nicht im Warenverzeichnis der Widerspruchsmarke enthalten seien, teilt der Senat diese Auffassung aufgrund der im Beschwerdeverfahren vorgelegten Unterlagen nicht mehr. Die in der mündlichen Verhandlung vorgelegte eidesstattliche Versicherung enthält im Gegensatz zur ersten eidesstattlichen Versicherung vom 8. November 2004 den Zusatz, dass es sich bei den dort genannten Waren um "Additive für Kunststoffe" handelt. Dass die genannten Waren als Additive verwendet werden, wird für einen großen Teil dieser Waren durch die von der Widersprechenden vorgelegten weiteren Unterlagen belegt -wie etwa in Anlage 1 bis 3 zum Schriftsatz 18. September 2009 (Bl. 33/39 d. A.) für "Gleitmittel, Antistatika, Lichtschutzmittel (UV-Stabilisatoren), Nukleierungsmittel, Farbkonzentrate, -pigmente und -gries und Trendfarben (Farbstoffe)", in Anlage 4 zum Schriftsatz 18. September 2009 (Bl. 40 d. A.) für "Antistatika", in Anlage 5 zum Schriftsatz 18. September 2009 (Bl. 41 d. A.) für "Antioxidantien". Durch die oben bezeichnete ergänzende Erklärung in der eidesstattlichen Versicherung vom 21. September 2009 wird ferner klargestellt, dass diese Waren, welche die Widersprechende unter der Widerspruchsmarke vertreibt, speziell für den Einsatz als Additive für Kunststoffe und nicht etwa für andere Zwecke bestimmt sind. Dass es sich bei diesen Waren zudem um chemische Produkte handelt, liegt nach Auffassung des Senats angesichts der Art der Waren und des Bestimmungszwecks auf der Hand und bedarf keiner Erläuterung. Im Hinblick auf den bezeichneten Zusatz in der eidesstattlichen Versicherung ist außerdem hinreichend klargestellt, dass es sich auch bei den weiteren in der eidesstattlichen Versicherung genannten Waren "Prozeßhilfen, Antilaminate, Duftstoffe, Multify-Konzentrate und Effektpigment-Konzentrate" um Additive für Kunststoffe handelt, wobei hier ebenfalls die Eigenschaft der Waren als chemische Erzeugnisse auf der Hand liegt. Der Umstand, dass diese Produkte in Kunststoffe eingearbeitet und als Masterbach oder Compound vermarktet werden, führt zu keiner anderen Beurteilung. Nach den vorgelegten Unterlagen handelt es sich bei den Begriffen "Masterbatch" bzw. "Farbgranulat" um Kunststoffadditive in Form von Granulaten mit Gehalten an Farbmitteln oder Additiven, die höher sind als in der Endanwendung (Anlage 7 zum Schriftsatz 18. September 2009, Bl. 46 d. A.), also letztlich um Konzentrate. Ein Warenmuster entsprechender Farbgranulate hat die Widersprechende bereits im Verfahren vor der Markenstelle vorgelegt (Bl. 92 der Patentamtsakten 302 61 843). Der Begriff "Compound" bezeichnet Gemische aus sortenreinen Grundstoffen bei der Kunststoffherstellung, die auch bestimmte Additive enthalten können (Anlage 7 zum Schriftsatz 18. September 2009, Bl. 37 d. A.).

Der Umstand, dass im Warenverzeichnis der angemeldeten Marke sowohl die "Additive für Kunststoffe" als auch "Masterbatches" und "Polymercompounds" enthalten sind, führt zu keinen durchgreifenden Bedenken in Bezug auf die Glaubhaftmachung der Benutzung. Die "Additive" sind nach den vorgelegten Unterlagen und den Erklärungen in der eidesstattlichen Versicherung in den "Masterbatches" bzw. in den "(Polymer)Compounds" enthalten, so dass von einer Benutzung sowohl für "Additive für Kunststoffe" als auch für "Masterbatches" und "Polymercompounds" auszugehen ist. Der Umstand, dass durch die Bezeichnungen "Masterbatches" und "Polymercompounds" quasi die spezielle Art der Aufbereitung bzw. Darreichung der "Additive für Kunststoffe" beschrieben werden, mag zunächst verwirrend sein, führt aber im Ergebnis zu keiner anderen Beurteilung, zumal die Widersprechende hierzu entsprechend nachvollziehbare Erläuterungen abgegeben und diese mit den vorgelegten Unterlagen belegt hat.

Soweit in der eidesstattlichen Versicherung vom 8. November 2004 der Zusatz fehlt, dass es sich bei den dort genannten Waren um "Additive für Kunststoffe" handelt, ist dies nach Maßgabe der vorgelegten weiteren Unterlagen einschließlich der in der mündlichen Verhandlung übergebenen weiteren eidesstattlichen Versicherung entsprechend zu ergänzen, zumal die genannten Umsatzzahlen mit der steigenden Umsatzentwicklung bis zum Jahr 2007 und die Umsatzzahlen in dem sich überschneidenden Jahr 2004 in beiden eidesstattlichen Versicherungen schlüssig zueinander passen.

Die Umsatzzahlen für die Jahre 2001 bis 2004 und 2004 bis 2009 erfassen beide maßgeblichen Zeiträume des § 43 Abs. 1 MarkenG und belegen angesichts der Jahresumsätze von ... bis ... auch vom Umfang her in jeder Beziehung eine ausreichende Benutzung, was keiner weiteren Begründung bedarf.

Der Umstand, dass keine Rechnungskopien vorgelegt wurden und für den Zeitraum von 2004 bis 2009 auch nicht erneut Produktaufkleber und Warenproben, rechtfertigt angesichts der im Verfahren vorgelegten Unterlagen keine ernsthaften Zweifel an der rechtserhaltenden Benutzung der Widerspruchsmarke. Die Vorlage von Rechnungskopien kann zwar zur Ergänzung der Angaben einer eidesstattlichen Versicherung sinnvoll sein, ist aber nicht in jedem Fall notwendig. Gleiches gilt für die Warenproben. Im Übrigen hat die Widersprechende in der mündlichen Verhandlung vom 22. September 2009 einen Verpackungssack für "Masterbatches" vorgelegt und zu den Akten gereicht und außerdem noch einen Verpackungskarton als Muster mitgebracht. Auf sämtlichen eingereichten bzw. in der mündlichen Verhandlung gezeigten Prospekten und Verpackungsmaterialien ist die Widerspruchsmarke in farbiger Gestaltung deutlich zu erkennen. Dies stellt eine funktionsgemäße Benutzung der Widerspruchsmarke dar, wobei durch farbige Gestaltung der kennzeichnende Charakter der Widerspruchsmarke nicht verändert wird, was von der Markeninhaberin auch nicht in Frage gestellt wird, so dass auch unter diesem Aspekt keine Bedenken gegen eine rechtserhaltende Benutzung bestehen (§ 26 Abs. 3 MarkenG).

Das Vorbringen der Widersprechenden zur Benutzung der Widerspruchsmarke im Telefax vom 18. September 2009, das erst einen Tag vor der mündlichen Verhandlung eingegangen ist, kann ebenso wenig wie die in der mündlichen Verhandlung vorgelegte eidesstattliche Versicherung vom 21. September 2009 gemäß § 82 Abs. 1 Satz 1 MarkenG i. V. m. § 296 Abs. 2 ZPO als verspätet zurückgewiesen werden. Zwar wird bei Fragen des Benutzungszwangs der in markenrechtlichen Verfahren ansonsten gemäß § 73 Abs. 1 MarkenG geltende Untersuchungsgrundsatz durch den Beibringungsgrundsatz verdrängt, so dass über § 82 Abs. 1 Satz 1 MarkenG die Präklusionsvorschriften der ZPO grundsätzlich anwendbar sind. Zweifellos waren der entsprechende Sachvortrag und die Vorlage der eidesstattlichen Versicherung verspätet gemäß § 296 Abs. 2 ZPO, wobei mangels irgendeiner Erklärung dieses sehr späten Vorbringens seitens der Widersprechenden auch grobe Nachlässigkeit angenommen werden muss. Die Widersprechende hat mehr als 18 Monate weder ihre Beschwerde begründet noch den Versuch einer auch nur annähernd nachvollziehbaren und vollständigen Glaubhaftmachung der Benutzung gemacht. Dies geschah erst einen Tag vor der mündlichen Verhandlung bzw. in der mündlichen Verhandlung selbst. Gleichwohl können weder das Beschwerdevorbringen noch die Glaubhaftmachung als verspätet zurückgewiesen werden, da deren Zulassung die Erledigung des Rechtsstreits nicht verzögert i. S. d. § 296 Abs. 2 ZPO. Die zur Glaubhaftmachung der Benutzung vorgelegten Unterlagen können vom Senat abschließend bewertet werden, wobei die Markeninhaberin zur Beschwerdebegründung und zu den Glaubhaftmachungsunterlagen im nachgelassenen Schriftsatz 9. Oktober 2009 Stellung nehmen konnte. Der Umstand, dass der Senat nicht bereits in der mündlichen Verhandlung vom 22. September 2009, sondern erst nach Ablauf der Frist für den nachgelassenen Schriftsatz gemäß § 283 ZPO entscheiden konnte, kann entgegen der Auffassung der Markeninhaberin nicht als relevante Verzögerung i. S. d. § 296 Abs. 2 ZPO gewertet werden (so h.M., vgl. Ströbele/Hacker, MarkenG, 9. Aufl., § 43 Rdn. 37; vgl. auch Thomas/Putzo ZPO, 30. Aufl., § 296 Rdn. 20 m. w. N., insbesondere unter Hinweis auf BVerfG NJW 1989, 705).

2. Zwischen den Vergleichsmarken besteht im Umfang der streitgegenständlichen Waren Verwechslungsgefahr. Die Frage der Verwechslungsgefahr im Sinne von § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG ist unter Heranziehung aller Umstände des Einzelfalls umfassend zu beurteilen. Dabei ist insbesondere maßgeblich die Identität oder Ähnlichkeit der Waren oder Dienstleistungen, der Grad der Ähnlichkeit der Vergleichsmarken und die Kennzeichnungskraft der prioritätsälteren Marke. Diese Faktoren sind zwar für sich gesehen voneinander unabhängig, bestimmen aber in ihrer Wechselwirkung den Rechtsbegriff der Verwechslungsgefahr, wobei unter diesem Gesichtspunkt ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Waren oder Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken oder durch eine gesteigerte Kennzeichnungskraft der älteren Marke ausgeglichen werden kann und umgekehrt (vgl. Ströbele/Hacker, MarkenG, 9. Aufl., § 9 Rdn. 32; vgl. die ständige Rechtsprechung, u. a. EuGH GRUR 1998, 387 ff. (Nr. 22) "Sabèl/Puma"; GRUR 2005, 1042 (Nr. 27) "THOMSON LIFE"; BGH GRUR 2006, 859, 860 (Nr. 16) "Malteserkreuz"; GRUR 2008, 905 (Nr. 12) -Pantohexal). Es ist grundsätzlich auf den durch die Zeichen hervorgerufenen Gesamteindruck abzustellen, wobei insbesondere ihre kennzeichnungskräftigen und dominierenden Elemente zu berücksichtigen sind. Für die umfassende Beurteilung der Verwechslungsgefahr kommt es entscheidend darauf an, wie die Marke auf den Durchschnittsverbraucher dieser Waren wirkt (vgl. EuGH Mitt. 2006, 512 -LIFE/THOMSON und jüngst GRUR 2008, 343 -BAINBRIDGE/Bridge, Nr. 33 m. w. N.). Dies sind vorliegend Fachverkehrskreise aus dem Bereich der chemischen Industrie.

Eine Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen ist anzunehmen, wenn diese unter Berücksichtigung aller erheblichen Faktoren, die ihr Verhältnis zueinander kennzeichnen -insbesondere ihrer Beschaffenheit, ihrer regelmäßigen betrieblichen Herkunft, ihrer regelmäßigen Vertriebsoder Erbringungsart, ihrem Verwendungszweck und ihrer Nutzung, ihrer wirtschaftlichen Bedeutung, ihrer Eigenart als miteinander konkurrierende oder einander ergänzende Produkte und Leistungen oder anderer für die Frage der Verwechslungsgefahr wesentlicher Gründe so enge Berührungspunkte aufweisen, dass der Verkehr der Meinung sein könnte, sie stammten aus denselben oder wirtschaftlich verbundenen Unternehmen, sofern sie -was zu unterstellen ist -mit identischen Marken gekennzeichnet sind (vgl. Ströbele/Hacker, MarkenG, 9. Aufl., § 9 Rdn. 90 i. V. m. 49; HK-MarkenR, 2. Aufl., § 9 Rdn. 51 ff., jeweils mit zahlreichen Nachweisen).

Nach diesen Grundsätzen besteht nach der Erkenntnis des Senats teilweise Identität und im Übrigen zumindest eine mittelgradige Ähnlichkeit zwischen sämtlichen noch angegriffenen Waren der jüngeren Marke, nämlich "chemische und biochemische Rohstoffe und Halbfabrikate sowie chemische Spezialitäten für gewerbliche Zwecke, nämlich zur Herstellung, Behandlung und Veredelung von Baumaterialien, Textilien, Farben, Lacken, Druckfarben, Klebstoffen für gewerbliche Zwecke, Kunststoffen, Kautschuk, Flammschutzmitteln, und für die chemische Industrie; chemische Erzeugnisse und Rohstoffe für gewerbliche Zwecke und die chemische Industrie im allgemeinen" einerseits und den auf Seiten der Widerspruchsmarke zu berücksichtigenden Waren, nämlich "chemische Erzeugnisse für die Kunststoffindustrie, nämlich Additive für Kunststoffe, Masterbatches und Polymercompounds" andererseits. Bei den Vergleichswaren handelt es sich jeweils um Roh-, Halbfertigoder Zwischenprodukte der chemischen Industrie.

Die Widerspruchsmarke verfügt ohne Berücksichtigung von Benutzungsfaktoren originär über normale Kennzeichnungskraft. Es kann als nicht entscheidungserheblich dahinstehen, ob ihr angesichts der langjährigen Benutzung mit erheblichen jährlichen Umsatzzahlen im zweistelligen Millionenbereich eine erhöhte Kennzeichnungskraft zukommt, da selbst bei normaler Kennzeichnungskraft eine Verwechslungsgefahr zu bejahen ist, soweit die Waren der jüngeren Marke noch angegriffen sind.

Ausgehend von Identität bzw. zumindest mittelgradiger Ähnlichkeit der Vergleichswaren und einer normalen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke haben die Vergleichsmarken zur Vermeidung einer Verwechslungsgefahr auch im Bereich nur mittelgradiger Warenähnlichkeit einen nicht zu geringen Abstand einzuhalten, der nicht gewahrt ist. Die Widerspruchsmarke, die zwar Schutz als Bildmarke genießt, wird gleichwohl durch die Buchstabenfolge "cpc" geprägt und stimmt insoweit identisch mit der angegriffenen Marke überein. Die Ausgestaltung der Widerspruchsmarke stellt eine übliche graphische Ausgestaltung dar, die bei mündlicher Benennung jedenfalls völlig in den Hintergrund tritt und der Verwechslungsgefahr nicht in nennenswertem Umfang entgegenwirkt.

3. Zur Klarstellung sei abschließend für das anschließende Eintragungsverfahren vor dem Deutschen Patentund Markenamt noch darauf hingewiesen, dass die nachfolgend bezeichneten Waren mit dem Widerspruch nicht mehr angegriffen und deshalb auch nicht streitgegenständlich waren:

Chemische und biochemische Rohstoffe und Halbfabrikate sowie chemische Spezialitäten für gewerbliche Zwecke, nämlich zur Herstellung, Behandlung und Veredelung von Klebstoffen für Haushaltszwecke, Wachswaren, Waschmitteln, Wasserreinigungsund Aufbereitungsmitteln, Kosmetika, Pharmazeutika für die Herstellung von Papier; chemische Erzeugnisse und Rohstoffe zur Behandlung und zur Herstellung von Lebensmitteln, zum Frischhalten und Haltbarmachen von Lebensmitteln, insbesondere Verdicker, Emulgatoren, Enzyme, Aminosäuren, Antioxidantien, Süßstoffe, Phosphate, für die Herstellung von Papier; alle Waren enthalten kein Cetylpyridiniumchlorid; von allen vorgenannten Waren ausgenommen sind Polymere und Edukte zur Herstellung von oder Verwendung in Polymeren einschl. Katalysatoren zur Herstellung von oder Verwendung in Polymeren.

Die Widersprechende hat zwar in ihrem Widerspruch die Oberbegriffe "Chemische und biochemische Rohstoffe und Halbfabrikate sowie chemische Spezialitäten für gewerbliche Zwecke, nämlich ..." in ihrem Widerspruch genannt, dann aber in der nachfolgenden Aufzählung einige Waren nicht in den Widerspruch miteinbezogen. Da diese nicht genannten Waren ohne die vorangestellten Oberbegriffe überhaupt nicht verständlich wären, ist bei sachgerechter Auslegung des Widerspruchs davon auszugehen, dass der Widerspruch diese Waren einschließlich des vorangestellten Oberbegriffs nicht erfasst.

4. Zu einer Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen bot der Streitfall keinen Anlass, (§ 71 Abs 1 MarkenG).

Bender Kätker Knoll Cl






BPatG:
Beschluss v. 09.11.2009
Az: 33 W (pat) 27/08


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