Bundespatentgericht:
Beschluss vom 5. Oktober 2005
Aktenzeichen: 28 W (pat) 194/04

(BPatG: Beschluss v. 05.10.2005, Az.: 28 W (pat) 194/04)

Tenor

Auf die Beschwerde der Markeninhaberin wird der Beschluss der Markenstelle des Deutschen Patent- und Markenamts für Klasse 29 vom 12. Mai 2004 aufgehoben, soweit die Löschung der angegriffenen Marke auch für "zubereitetes Gemüse" angeordnet worden ist.

Hinsichtlich dieser Waren ist das Widerspruchsverfahren durch Rücknahme des Widerspruchs erledigt.

Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Die Marke 302 58 215 Frutellaist für Waren Fruchtfüllungen, Marmeladen, Konfitüren, Fruchtgelees und Fruchtgallerten; Honig, Invertzuckercreme; zubereitetes Obst und Gemüsein das Markenregister eingetragen worden. Die Inhaberin der rangälteren Marke 301 26 261 Frutellihat dagegen Widerspruch erhoben. Diese Marke ist für die Waren Schokolade, Schokoladenwaren, einschließlich Pralinen; Fein- und Dauerbackwaren; Zuckerwarengeschützt.

Die Markenstelle für Klasse 29 des Deutschen Patent- und Markenamts hat mit Beschluss eine Verwechslungsgefahr bejaht und die Löschung der jüngeren Marke angeordnet. Die angegriffenen Waren eigneten sich sämtliche als Brotaufstriche oder Desserts, womit eine mittlere Ähnlichkeit zu den Waren der Widerspruchsmarke vorliege. Der hierfür notwendig durchschnittliche Abstand der Marken werde von der angegriffenen Marke nicht eingehalten, denn die Abweichung in nur einem Buchstaben am Wortende genüge nicht, um eine klangliche Verwechslungsgefahr hinreichend sicher auszuschließen.

Gegen diesen Beschluss wendet sich die Markeninhaberin mit ihrer Beschwerde. Sie ist der Ansicht, "Fruchtfüllungen" seien sog Halbfertigfabrikate, was an sich schon gegen eine Ähnlichkeit dieser Waren zu den Endprodukten der älteren Marke spreche. Auch gebe es kein größeres Unternehmen, das Obst und Gemüse zu Fruchtwaren verarbeite und gleichzeitig Schokoladeprodukte herstelle. Dies sei dem Verbraucher auch bekannt. Zudem bestehe keine relevante Ähnlichkeit der Marken, denn die Abweichung im Endvokal lasse ein deutlich unterschiedliches Klangbild entstehen.

Die Widersprechende weist auf die Firmen Zentis und Schwartau hin, die beide sowohl Konfitüren, als auch Süßwaren, bzw Waren mit Schokoladenüberzug (zB Müsliriegel) herstellten. "Fruchtfüllungen" könnten auch für den Endverbraucher bestimmt sein, denn sie würden zB in Backmischungen oder als Tiefkühlkost angeboten werden. Der patentamtliche Beschluss sei also zu Recht ergangen.

Hinsichtlich der Ware "zubereitetes Gemüse" hat die Widersprechende den Widerspruch in der mündlichen Verhandlung zurückgenommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den angefochtenen Beschluss sowie auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde ist zulässig (§§ 165 Abs 4, 66 Abs 1 MarkenG) und hat in der Sache - nach Rücknahme des Widerspruchs bezüglich der Ware "zubereitetes Gemüse" - keinen Erfolg. Die Markenstelle hat zutreffend eine Verwechslungsgefahr im Sinne des § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG bejaht.

Die Rechtsfrage, ob Verwechslungsgefahr vorliegt, erfordert - unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls - eine Gewichtung der Faktoren Waren/Dienstleistungsidentität oder -ähnlichkeit, Markenidentität oder -ähnlichkeit und Kennzeichnungskraft der älteren Marke in dem Sinn, dass der höhere Grad einer der Faktoren durch den niederen Grad eines anderen Faktors ausgeglichen werden kann (st Rspr zB BGH MarkenR 2004, 253 - dcfix/CD-FIX).

Anders als die Markeninhaberin meint, besteht zwischen den jeweiligen Produkten durchaus eine Warenähnlichkeit, die etwa im mittleren Bereich anzusiedeln ist. Eine "Fruchtfüllung" ist nichts anderes als "zubereitetes Obst" in konservierter oder tiefgefrorener Form, das als Füllung von Dessertspeisen oder Backwaren gedacht ist. Wenn solche "Fruchtfüllungen" von Bäckereien oder Konditoreien zur Herstellung von Backwaren oder Süßwaren verwendet werden, mögen sie sog Halbfertigfabrikate sein. Fruchtzubereitungen sind aber weit häufiger im Haushalt anzutreffen, denn jede Früchtemischung - zB Früchte im Glas oder Tiefkühlware, oder die den Backmischungen beigegebene Fruchtfüllung - wird zur "Fruchtfüllung", wenn mit ihr Gebäck oder Desserts gefüllt werden. Da aber auch die Waren der Widersprechenden, nämlich die Schokoladen- und Zuckerwaren als Backzutat Verwendung finden, können die sich gegenüberstehenden Waren beim Gebrauch unmittelbar aufeinander treffen und sich gegenseitig ergänzen. Wie die Widersprechende zudem ausführt, gibt es einige Hersteller, die sowohl Fruchtzubereitungen als auch Waren mit erheblichem Schokoladenanteil anbieten (zB Nuss-Nougat-Cremes), so dass der Verbraucher, wenn er die jeweiligen Produkte mit einer identischen Kennzeichnung antrifft, an eine gemeinsame Produktverantwortung der Hersteller denken wird. Es liegt deshalb eine Warenähnlichkeit im mittleren Bereich vor.

In Anbetracht eines durchschnittlichen Schutzumfanges der Widerspruchsmarke - "Frut" deutet zwar erkennbar auf "Frucht" hin, in ihrer Gesamtheit ist die Marke jedoch durchaus zur Kennzeichnung der Waren geeignet - sowie unter Beachtung der hier anzusetzenden durchschnittlichen Aufmerksamkeit des Verbrauchers beim Erwerb dieser Lebensmittel des täglichen Gebrauchs, reicht der Abstand der jüngeren Marke zur hinreichend sicheren Vermeidung von Verwechslungen nicht mehr aus. Frutella und Frutelli sind beides Phantasieworte, deren augenscheinliche Gemeinsamkeit in der Kombination des beschreibenden Wortteils "Frut" mit der wie eine Verkleinerungsform wirkende Endung "ella" bzw "elli" liegt. Trotz der Klangunterschiede am Wortende ist es daher vor allem diese Übereinstimmung in dem Bestandteil "Frutell", die in der Erinnerung verbleibt und die es erschwert, die Marken ausreichend sicher auseinander zu halten. Die Markenstelle hat eine Verwechslungsgefahr daher zu Recht bejaht und die Beschwerde ist ohne Erfolg.

Eine Kostenentscheidung war nicht veranlasst, § 71 Abs 1 Satz 2 Markengesetz.

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BPatG:
Beschluss v. 05.10.2005
Az: 28 W (pat) 194/04


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