Oberlandesgericht Hamm:
Beschluss vom 9. März 2010
Aktenzeichen: I-10 W 95/09
(OLG Hamm: Beschluss v. 09.03.2010, Az.: I-10 W 95/09)
Wirtschaftsfähigkeit
Tenor
Die Beschwerde des Beteiligten C2 gegen den am 19. Mai 2009 verkündeten Beschluss des Amtsgerichts - Landwirtschaftsgericht - Beckum
wird zurückgewiesen.
Für den ersten Rechtszug verbleibt es bei der Kostenentscheidung des Amtsgerichts.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Antragsteller und Beschwerdeführer einschließlich der außergerichtlichen Kosten der übrigen Beteiligten.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten um die Hoferbfolge nach der 18.05.1885 geborenen und am 23.03.1973 als Witwe und ohne damals noch lebende Abkömmlinge verstorbenen C, die bis zu ihrem Tod Eigentümerin des oben genannten Hofes in X war. Der Hof D verfügt über ca. 41 Hektar landwirtschaftliche Flächen und wird derzeit von den Beteiligten C3 und C4 bewirtschaftet.
Die Erblasserin C hatte diesen Hof von ihrer Mutter, der am 18.02.1852 geborenen C5, durch notariellen Hofübergabevertrag vom 06.10.1922 erworben. Die Mutter der Erblasserin hatte den Hof von ihrem Ehemann, den am 04.10.1835 geborenen C6, geerbt. Dieser war in 2. Ehe (geschlossen am 20.11.1872) mit der Mutter der Erblasserin verheiratet. Aus dieser Ehe gingen neben C noch sieben weitere Kinder hervor. C6 war zuvor in 1. Ehe (geschlossen am 28.10.1868) mit I3 verheiratet. Aus dieser Ehe stammte ein Kind, die am 05.08.1869 geborene C7.
Nach dem Tod der C wurde im Rahmen eines vor dem Amtsgericht Beckum durchgeführten Hoferbenfeststellungsverfahren (Beiakte : Amtsgericht Beckum; 1 LwH 20/80) mit Beschluss vom 23.04.1982 rechtskräftig festgestellt, dass die Nichte der Erblasserin, die am 21.04.1912 geborene I, nicht befreite Vorerbin des Hofes D geworden ist. Weiter wurde festgestellt, dass Hofesnacherbe derjenige ist, der als gesetzlicher Hoferbe der Frau C berufen sein würde, falls diese bis zum Tod der Frau I gelebt hätte. Ein Grundbuchvermerk diesen Inhalts wurde am 09.07.1984 eingetragen.
Die Hofvorerbin, I, verstarb am 24.02.2004. Die Halbschwester der Erblasserin sowie ihre sieben weiteren Geschwister waren zu diesem Zeitpunkt sämtlichst schon verstorben. Die Nachkommen dieser Geschwister streiten nun darüber, wer als gesetzlicher Hoferbe der Erblasserin C zum Hofesnacherben des Hofes D berufen ist.
So haben die Tochter G2 des ältesten Bruders der Erblasserin, C8, sowie der Ur-Urenkel dieses Bruders, U, die Hofnacherbschaft nach Ältestenrecht beansprucht. Der Antrag der G2 ist inzwischen zurückgenommen worden. Der Antrag des U ist durch Beschluss des Amtsgerichts Beckum vom 26.11.2004 ( AZ: 10 Lw 66/04), bestätigt durch den Senat mit Beschluss vom 27.04.2006 (AZ: 10 W 149/04), rechtskräftig zurückgewiesen worden. Daneben hat noch der Beteiligte zu 3., als Adoptivsohn der Nacherbin I und Enkel der Schwester der Erblasserin, G, die Hofnacherbschaft beansprucht. Dieser Antrag ist mit inzwischen rechtskräftigem Beschluss des Amtsgericht Beckum vom 19.05.2009 zurückgewiesen worden.
Der Antragsteller und Beschwerdeführer ist das zehnte von elf Kindern des ältesten Bruders C8 der Erblasserin. Er hat die Meinung vertreten, dass nur er nach den rechtsverbindlich festgestellten Grundsätzen in Verbindung mit dem in X geltenden Ältestenrecht als Hoferbe in Betracht komme. Dem stehe insbesondere nicht sein Alter (Geburtsdatum des Antragstellers: 05.04.1932) entgegen, weil er nach wie vor körperlich rüstig und in Vollbesitz seiner geistigen Kräfte sei. Auch sei er neben anderen hauptberuflichen Tätigkeiten - als Polier, Maurer und Fensterbauer - stets in der Landwirtschaft tätig gewesen. Mit Eintritt ins Rentenalter habe er 1994 seinen landwirtschaftlichen Betrieb an seinen Sohn C9 verpachtet, der diesen im Nebenerwerb weiter bewirtschafte, und den er nach wie vor unterstütze.
Schließlich beanspruchen noch die Beteiligten C4, als Ur-Enkelin der Halbschwester der Erblasserin, und I2, als Enkel der Halbschwester der Erblasserin, und M2, als Enkel der Schwester der Erblasserin, M3, die Hoferbfolge.
Mit Beschluss vom 19.05.2009 hat das Amtsgericht den Antrag des Antragstellers auf Erteilung eines Hoffolgezeugnisses zurückgewiesen.
Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Nach der hier maßgeblichen Entscheidung des BGH vom 24.11.2006 (AZ: Blw 14/06) richte sich die Erbfolge der Abkömmlinge der Geschwister der Erblasserin nach dem Stammesprinzip. Danach käme der Antragsteller als zehntes Kind des ältesten Bruders der Erblasserin grundsätzlich als Hoferbe nach dem im Bereich X geltenden Ältestenrecht in Betracht. Eine Erbscheinserteilung scheide hier aber wegen grundlegender Bedenken im Hinblick auf seine Wirtschaftsfähigkeit aus. Dabei gebe das hohe Alter des Antragstellers Veranlassung zu besonderer Prüfung. Gleiches gelte, wenn mehrere Anwärter gleicher Ordnung um das Erbe streiten. Zudem werde vom Erbanwärter grundsätzlich erwartet, dass er die Bewirtschaftung des Hofes selbst übernehme und hierzu auch in der Lage sei. Auch eine fehlende Bewirtschaftungsabsicht sei von Bedeutung. Nach diesen strengen Kriterien könne nicht von der Wirtschaftsfähigkeit des Antragstellers ausgegangen werden, der keine landwirtschaftliche Ausbildung absolviert und nie eine Haupterwerbstätigkeit in der Landwirtschaft ausgeübt habe. Insoweit falle ins Gewicht, dass es sich bei dem Erbhof um einen Betrieb mit fast 42 Hektar Größe, also einen kleinen Vollerwerbsbetrieb, handele, der mit der vom Antragsteller betriebenen kleinen Nebenerwerbslandwirtschaft nicht zu vergleichen sei. Im Übrigen werde letztere seit 1994 von seinem Sohn betrieben. Insoweit komme auch dem fortgeschrittenen Alter des Antragstellers Bedeutung zu, weil der Erbhof zu klein sei, um ihn mit Ertrag unter Einsatz von Personalaufwand zu bewirtschaften. Die erforderliche dauerhafte Mitarbeit könne der Antragsteller nicht mehr leisten, zumal er eine solche Vollzeittätigkeit in der Landwirtschaft auch früher nie ausgeübt habe. Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf den angefochtenen Beschluss (Bl. 460- 471 d.A.) Bezug genommen.
Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde des Antragstellers, mit der er sein erstinstanzliches Begehren, Erteilung eines Hoffolgezeugnisses, weiterverfolgt. Er rügt, das Amtsgericht habe hinsichtlich der Wirtschaftsfähigkeit auf eine streng formale Betrachtung abgestellt. Er habe auf dem elterlichen Hof schon als Kind mitgearbeitet und sei im Alter von 10 bis fast 14 Jahren der einzige " Mann" dort gewesen. Auch danach habe er bis zum 21. Lebensjahr auf dem elterlichen Hof mitgearbeitet. Mit seiner Heirat im Jahre 1955 sei er auf den Hof seiner Ehefrau gezogen und habe neben der Landwirtschaft hauptberuflich in der Bauwirtschaft gearbeitet. In Anbetracht der in seiner Kindheit erlernten Tätigkeiten, die er ein Leben lang ausgeübt habe, könne ihm aber nicht abgesprochen werden, einen Betrieb in Größe des Erbhofes zu bewirtschaften. Insoweit sei es ohne Belang, dass er die Tätigkeit als Landwirt nur nebenberuflich ausgeübt habe. Im übrigen werde der Erbhof zur Zeit zu ¾ mit lohnunternehmergestützter Getreidewirtschaft und nur zu ¼ mit Weidewirtschaft geführt. Er selbst pflüge noch im eigenen Betrieb. Auch sei er imstande, alle erforderlichen Anträge form- und fristgerecht zu stellen. Zwar habe er 1994 mit Beginn des Rentenalters seinen Betrieb seinem Sohn übergeben. Rein tatsächlich habe sich seitdem aber nichts geändert. Schließlich sei hinsichtlich seines Alters der Nacherbfall, hier also der 24.02.2004, maßgebend. Da hier das Stammesprinzip gelte, dürfe zudem nicht auf andere sicher wirtschaftsfähige Bewerber abgestellt werden.
Der Antragsteller und Beschwerdeführer beantragt,
den Beschluss des Landwirtschaftsgerichts vom 19.05.20009 aufzuheben und ihm das Hoffolgezeugnis zum Hof D, eingetragen im Grundbuch von X, Bl. 2551, zu erteilen.
Die Beteiligten C3 und M2 beantragen,
die Beschwerde des Antragstellers zurückzuweisen.
Der Beteiligte C3 verteidigt den erstinstanzlichen Beschluss. Er trägt vor, dass sich ausschließlich seine Familie bisher um die Belange des Erbhofes gekümmert habe. Insoweit sei er immer auch von seiner Ehefrau, der Beteiligten C4, unterstützt worden.
Die Beteiligte C4 beansprucht für sich die Hoferbfolge, da sie die Ur-Enkelin der ältesten Halbschwester, C7, der Erblasserin sei. Zudem habe sie eine landwirtschaftliche Ausbildung absolviert und bewirtschafte seit 25 Jahren den Erbhof zusammen mit ihrem Ehemann, dem Beteiligten C3.
Der Beteiligte M2 rügt zunächst die Postulationsfähigkeit des Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers. Sodann verteidigt er den erstinstanzlichen Beschluss. Die Darstellung des Antragstellers zu seiner Mitarbeit auf dem elterlichen Hof sei maßlos übertrieben und werde bestritten. Auch könne der Hof der Ehefrau des Antragstellers nicht mit dem Erbhof verglichen werden, dessen Gebäude im Übrigen nicht verfallen seien. Auch würde die Getreidewirtschaft dort nicht mit Lohnunternehmern sondern meist in Eigenbewirtschaftung betrieben. Im Übrigen besitze der Antragsteller gar keine Maschinen für die Weidewirtschaft und kümmere sich auch nicht um den Erhalt des Erbhofes.
Der weitere Beteiligte I2 beansprucht als Enkel der C7 für sich den Erbhof D. Er trägt vor, dass er erfolgreich eine landwirtschaftliche Ausbildung absolviert habe und als Vollerwerbslandwirt seinen eigenen Hof bewirtschafte.
Der Antragsteller hat die Abstammung der Beteiligten zu 2. mit Nichtwissen bestritten und meint im Übrigen, dass nach dem Testament der Erblasserin vom 20.01.1960 nur ein Abkömmling in der Blutslinie bzw. aus der Familie der C in Betracht komme. Hierzu gehöre nicht der Abkömmling einer Halbschwester der Erblasserin.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
Der Senat hat die Akten des Amtsgerichts Beckum - 2 IV 68/73, 1 Lw 20/80 und 10 Lw 59 /04 - beigezogen sowie die Beteiligten und den Vertreter der Landwirtschaftkammer, Herrn F, persönlich angehört. Wegen des Ergebnisses der Anhörung wird auf den Berichterstattervermerk vom 09.03.2010 (Bl. 690, 692 d. A.) Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde des Antragstellers hat in der Sache keinen Erfolg.
1.
Zunächst bestehen hinsichtlich der Postulationsfähigkeit des Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers keine Bedenken.
Zwar hat der Verfahrensbevollmächtigte des Antragstellers, Rechtsanwalt M, für diesen bereits den Antrag auf Erteilung eines Hoffolgezeugnisses vom 05.07.2004 beurkundet. Diese vorangegangene Beurkundungstätigkeit führt aber nicht zur Unwirksamkeit seiner späteren, als Rechtsanwalt im vorliegenden Verfahren getätigten, Prozesshandlungen.
Es ist schon zweifelhaft, ob hier überhaupt ein Verstoß gegen das einem Notar obliegende Neutralitätsgebot, § 14 Abs.1 S.2 BNotO, gegeben ist. Denn die weiteren Beteiligten bei der notariellen Beurkundung vom 05.07.2004 (C10 und G2) haben sich im vorliegenden Verfahren nicht gegen den Antragsteller ausgesprochen, so dass keine Interessenkollision ersichtlich ist. Im Übrigen bleiben auch bei einem Verstoß gegen die notarielle Unparteilichkeit Verfahrenshandlungen des Rechtsanwalts zulässig und materiell wirksam (vgl. BGHZ 54, 275 (281); Eylmann/ Vaasen, 2. Auflage, § 24 BnotO Rz. 56).
Gleiches gilt bei einem etwaigen Verstoß gegen § 45 Abs.1 Ziff. 1 BRAO. Nach dieser Vorschrift darf ein Rechtsanwalt nicht in derselben Rechtsache tätig sein, in der er bereits als Notar tätig gewesen ist. Auch mit diesem Vertretungsverbot sollen Interessenkollisionen verhindert werden (vgl. Eylmann / Henssen, 2. Auflage, § 45 BRAO Rz. 15). Im vorliegenden Fall hat Rechtsanwalt M aber keinen Vertrag zwischen den Verfahrensbeteiligten beurkundet, sondern lediglich einen Antrag des Antragstellers auf Erteilung eines Hoffolgezeugnisses, der von zwei seiner Geschwister unterstützt worden ist. Mangels streitiger Komponente ist dieser Fall schon nicht unter § 45 Abs.1 Ziff 1 BRAO zu fassen. Darüber hinaus bleiben wegen des Abstraktionsprinzips auch in Fällen eines Verstoßes gegen § 45 Abs.1 Ziff.1 BRAO die von dem Anwalt später vorgenommenen Rechtshandlungen wirksam. Das heißt, Gerichte oder sonstige Dritte sind nicht befugt, einen gegen § 45 BRAO verstoßenden Anwalt zurückzuweisen (vgl. Eylmann / Henssen, § 45 BRAO Rz.50).
2.
Die Beschwerde des Antragstellers bleibt in der Sache ohne Erfolg.
Sein Antrag auf Erteilung eines Hoffolgezeugnisses betreffend den Hof D ist unbegründet. Denn er wäre nicht als gesetzlicher Hoferbe der am 23.03.1973 verstorbenen Erblasserin C berufen gewesen, falls diese bis zum Tod der Vorerbin, I, am 24.02.2004, gelebt hätte.
a)
Das Amtsgericht Beckum hat in dem Hoferbenfeststellungsverfahren ( Beiakte : Amtsgericht Beckum; 1 LwH 20/80) mit Beschluss vom 23.04.1982 ( bestätigt vom BGH durch Beschluss vom 01.12.1983, AZ: V BLw 14/83) rechtskräftig festgestellt, dass die Nichte der Erblasserin, I, lediglich nicht befreite Vorerbin des Hofes D geworden ist und eine Nacherbschaft nur unter der oben genannten Voraussetzung stattfindet,
Die Erblasserin hatte zum maßgebenden Zeitpunkt des Todes der Vorerbin, I, am 24.02.2004 keine noch lebenden eigenen Abkömmlinge bzw. noch lebende Eltern oder einen noch lebenden Ehegatten mehr. Vielmehr lebten zu diesem Zeitpunkt nur noch die Abkömmlinge ihrer Halbschwester sowie ihrer weiteren sieben (Voll-) Geschwister. Damit bestimmt sich die gesetzliche Erbfolge nach der Erblasserin gem. § 5 Nr. 4 Höfeordnung, also nach der 4. Hoferbenordnung, unter den Abkömmlingen der Geschwister der Erblasserin.
Nach der Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 24.11.2006 (abgedruckt in FamRZ 2007,280 und Rpfleger 2007,143) gelten bei der Bestimmung des Hoferbes nach den Ältesten- oder Jüngstenrecht in der 4. Hoferbenordnung die Grundsätze der Stammeserbfolge. In dem bereits rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren über die Hoferbfolge betreffend den Antragsteller U hat der Senat in seinem Beschluss vom 27.04.2006 (OLG Hamm, AZ: 10 W 149/04) noch die Gegenauffassung vertreten, wonach insoweit dem Gradualsystem der Vorzug zu geben ist (vgl. Beiakte: AG Beckum 10 Lw 66/04, Bl. 221 ff). An dieser Auffassung hält der Senat angesichts der eben zitierten obergerichtlichen Rechtsprechung nicht mehr fest, sondern schließt sich der oben genannten Auffassung an, wonach bei der Bestimmung des Hoferbes in der 4. Hoferbenordnung nach den Ältesten- oder Jüngstenrecht die Grundsätze der Stammeserbfolge gelten.
b)
Nach diesen Kriterien ist bei jedem Stamm der Abkömmlinge der Geschwister der Erblasserin zu prüfen, ob wirtschaftsfähige Hofnachfolger vorhanden sind. Dabei ist das im Bereich X geltende Ältestenrecht maßgebend.
Das heißt, der ältere Stamm geht dem jeweils jüngeren Stamm vor. Damit ist der älteste Abkömmling des ältesten Geschwisternteils der Erblasserin hier vorrangig als Hoferbe in Betracht zu ziehen.
Der Antragsteller ist das zehnte von elf Kindern des ältesten Bruders der Erblasserin, des am 01.01.1874 geborenen C8.
Dieser Bruder war das erste Kind, das aus der Ehe der Mutter der Erblasserin, C5, und ihrem Vater, C6, hervorging. Damit handelt es sich bei diesem Stamm um den ältesten Geschwisterstamm der Erblasserin.
aa)
Hiergegen lässt sich nicht anführen, dass der Vater der Erblasserin bereits aus seiner ersten Ehe mit I3 ein eheliches Kind hatte, nämlich die am 05.08.1869 geborene C7. Denn insoweit fällt ins Gewicht, dass C7 eine Halbschwester und damit keine vollbürtige Schwester der Erblasserin war.
Zwar sind halbbürtigen Geschwister nach der ab 30.06 1976 in Kraft getretenen neuen Höfeordnung den vollbürtigen Geschwistern gleichgestellt, sofern sie mit dem Erblasser den Elternteil gemeinsam haben, von dem oder aus dessen Familie der Hof stammt ( vgl. dazu Barnstedt/ Becker / Bendel, Das nordwestdeutsche Höferecht, nach der Novelle vom 29.3.1976, S. 37). Letzteres dürfte hier aber schon nicht der Fall sein.
Die Erblasserin C hat den Hof D von ihrer Mutter, der am 18.02.1852 geborenen C5, durch notariellen Hofübergabevertrag vom 06.10.1922 erworben. Die Mutter der Erblasserin hatte den Hof zuvor von ihrem Ehemann, den am 04.10.1835 geborenen C6, geerbt, so dass sie nach dessen Tod Alleineigentümerin des Hofes war. Demensprechend dürfte der Hof hier von der Mutter und nicht von dem Vater der Erblasserin stammen, weil nur der letzte Erwerbsvorgang, durch welchen der Erblasser das Eigentum an dem Hof erlangt hat, maßgebend sein kann (vgl. dazu Steffen/ Ernst, 2. Auflage, § 6 HöfeO, Rz. 61) .
Ungeachtet dessen galt zum Zeitpunkt des Erbfalls - die Erblasserin C ist bereits am 23.03.1973 verstorben - noch die bis zum 30.06 1976 geltende alte Fassung des § 6 Abs. 5 HöfeO (abgedruckt in Wöhrmann/ Stöcker, 9. Auflage. Das Landwirtschaftsrecht unter § 6 HöfeO), wonach vollbürtige Geschwister den Halbbürtigen bei der Hoferbfolge vorgehen.
Denn auf Erbfälle, die vor dem 01.07.1976 eingetreten sind, finden nach Art. 3 § 3 des 2. Gesetzes zur Änderung der Höfeordnung von 1976 ( BGBl, I S.881 ) die bis dahin geltenden Vorschriften der Höfeordnung Anwendung. Hieran ändert sich nichts dadurch, dass der Nacherbfall hier erst unter der Geltung des neuen Rechts eingetreten ist, weil der Nacherbe nach dem Erblasser und nicht aber nach dem Vorerben erbt ( vgl. dazu OLG Celle RdL 2008, 298 ( 290); Faßbender AgrarR 1977, 194 (195); Lange/Wulff/ Lüdtke-Handjery, 10. Auflage § 6 HöfeO Rz.94).
Verfassungsrechtliche Bedenken, die einer Anwendung des § 6 Abs.5 Höfeordnung a.F. entgegen stehen könnten, sind nicht ersichtlich. Vielmehr wird eine Unterscheidung zwischen halb- und vollbürtigen Geschwistern auch sonst im Bürgerlichen Erbrecht vorgenommen (vgl. dazu Palandt-Edenhofer § 1925 BGB Rz. 2). Auch gebieten die Vorschriften der §§ 2104 ff BGB, die nach dem rechtskräftigen Beschluss des Amtsgericht Beckum vom 23.04.1982 (Beiakte: AG Beckum, 1 LwH 20/80, Bl. 163 ff) zur Ergänzung des Testaments der Erblasserin vom 20.01.1960 herangezogen worden sind, keine Anwendung der neuen Fassung des § 6 Abs. 5 HöfeO. Zum einen ist nicht ersichtlich, dass die Erblasserin bei Abfassung ihres Testaments etwaige zukünftig eintretende Gesetzesänderungen berücksichtigt wissen wollte (vgl. dazu Steffen / Ernst, Kommentierung zur Überleitungsvorschrift § 3 Rz. 14). Zum anderen hat sie in ihrem Testament vom 20.01.1960 ausdrücklich bestimmt, dass der Hof D in ihrer "Blutlinie", in ihrer "Verwandtschaft", verbleibt. Hiermit dürfte sich eine vorrangige Vererbung innerhalb des Halbschwesterstammes schwerlich vereinbaren lassen.
bb)
Nach alledem sind hier die vollbürtigen Geschwisterstämme der Erblasserin vorrangig vor den Halbbürtigen zu berücksichtigen. Damit gehen die aus der Linie der Halbschwester der Erblasserin stammenden Beteiligten I2 und C4 dem Antragsteller, der ein Abkömmling eines vollbürtigen Geschwisterteils der Erblasserin ist, nicht vor.
Gleiches gilt im Ergebnis für den Beteiligten M2, der auch einen Antrag auf Erteilung eines Hoffolgezeugnisses gestellt hat.
Dieser Beteiligte ist ein Enkel der am 18.11.1875 geborenen M3, die als zweites Kind aus der zweiten Ehe des C6 hervorging. Der Beteiligte M2 ist Eigentümer eines Hofes von 45,5 Hektar, den er selbst bewirtschaftet. Damit dürfte diesem am 27.09.1954 geborenen Beteiligten die Wirtschaftsfähigkeit i. S. d. § 6 Abs.7 HöfeO wohl nicht abzusprechen sein. Allerdings stammt er aus einem jüngeren Geschwisterstamm der Erblasserin, mit der Folge, dass der Antragsteller ihm vorginge, sofern bei ihm die Voraussetzungen des § 6 Abs.7 HöfeO gegeben sind. Letzteres lässt sich hier aber nicht feststellen.
c)
Nach der Legaldefinition des § 6 Abs.7 HöfeO ist wirtschaftsfähig, wer nach seinen körperlichen und geistigen Fähigkeiten, nach seinen Kenntnissen und seiner Persönlichkeit in der Lage ist, den von ihm zu übernehmenden Hof selbständig ordnungsgemäß zu bewirtschaften. Abzustellen ist dabei konkret auf die Art und Struktur der Bewirtschaftung des zu übernehmenden Erbhofes, hier also auf den Hof D ( vgl. Fassbender/ v. Jeinsen/ Hötzel/ Pikalo § 6 HöfeO Rz. 41). Dabei sind zunächst die landwirtschaftlichtechnische Fähigkeiten zu berücksichtigen, die erforderlich sind, um den Betrieb ordnungsgemäß zu bewirtschaften. Dazu müssen noch organisatorischkalkulatorische Fähigkeiten des Hoferben treten. Hierbei geht es um die "finanzielle" Wirtschaftsfähigkeit des Anwärters, das heißt, wie Einnahmen für betriebliche und private Zwecke im Verhältnis zu den Betriebseinnahmen zu bringen sind, laufende Verbindlichkeiten beglichen werden, Wirtschaftspläne aufgestellt und gebotene Investitionsentscheidungen getroffen werden. In diesem Rahmen kommt auch der heutigen "Programmplanung" eines landwirtschaftlichen Betriebes unter Einbeziehung des Computers eine immer größere Bedeutung zu (vgl. Wöhrmann/ Stöcker § 6 HöfeO Rz. 94, 95).
Schließlich muss ein Hofanwärter den Hof jederzeit in Eigenbewirtschaftung übernehmen können, auch wenn die konkrete Absicht, den Hof selbst zu bewirtschaften, nicht gefordert wird. Allerdings reicht allein die Fähigkeit, für eine gehörige Verpachtung zu sorgen und die Rechte und Pflichten eines Verpächters wahrzunehmen, nicht aus ( so Lange/Wulff/Lüdtke-Handjery § 6 HöfeO Rz. 63; Wöhrmann/Stöcker § 6 HöfeO Rzu. 97 ff).
Vor diesem Hintergrund kommt auch dem Alter des Antragstellers eine besondere Bedeutung zu. Zwar schließt ein hohes Alter die Wirtschaftsfähigkeit grundsätzlich nicht aus( vgl. dazu OLG Celle RdL 1967,132; OLG Hamm RdL 1968,.98; Lange/Wulff/Lüdtke-Handjery § 6 HöfeO Rz. 72). Jedoch gebietet dies wegen des oben beschriebenen Erfordernisses der jederzeit möglichen Eigenbewirtschaftung des Hofes einen Anlass zur besonderen Überprüfung der Wirtschaftfähigkeit. Dabei ist auf den Zeitpunkt des Eintritts des Nacherbfalls und nicht auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung abzustellen, da der Erbe schon zur Zeit des Erbfalls bestimmbar sein muss (so OLG Celle, AgrarR 1988, 209; OLG Hamm AgrarR 1990, 112/113).
Schließlich sind im vorliegenden Fall auch deshalb besonders strenge Anforderungen an die Wirtschaftsfähigkeit zu stellen, weil Angehörige derselben Hoferbenordnung mit dem Antragsteller um die Hoferbfolge des Hofes D streiten (vgl. dazu BGH MDR 1961,1816; OLG Celle NdsPpfl 1964,267; Wöhrmann/Stöcker § 6 HöfeO Rz. 112).
Unter Zugrundelegung dieser Kriterien lässt sich die Wirtschaftsfähigkeit des Antragstellers bei Eintritt des Nacherbfalls am 24.02.2004 nicht feststellen.
Zum Zeitpunkt des Nacherbfalls war der Antragsteller bereits 71 Jahre alt. Dies allein schließt zwar bei weiterhin gegebener körperlicher und geistiger Gesundheit noch nicht die hier notwendige Fähigkeit zur Eigenbewirtschaftung des Erbhofes D aus. Allerdings fällt ins Gewicht, dass der Antragsteller in seinem bisherigen Leben einen Hof von der Größe des Erbhofes zu keinem Zeitpunkt geführt hat. Vielmehr hat er lediglich in seiner Kindheit auf dem elterlichen Hof mitgearbeitet. Auch wenn er dort im Alter von 10 - 14 Jahren auch "harte Männerarbeiten" ausführen musste, kann dieser damals nur ca. 18 Hektar umfassende Betrieb nicht mit dem heutigen Erbhof D verglichen werden. So wurde in der Kindheit des Antragstellers noch mit Pferden gepflügt und die Ställe von Hand ausgemistet. Im Übrigen oblag dem damals minderjährigen Antragsteller nicht die Führung des elterlichen Betriebes. Als er dann volljährig wurde, hat der Antragsteller seinen Haupterwerb nicht in der Landwirtschaft gesucht. Vielmehr war er im Baugewerbe seines Bruders tätig und erlernte die Berufe eines Poliers, Maurers und Fensterbauers. Diese landwirtschaftsfremden Berufe hat er als Haupterwerbsquelle bis ins Rentenalter ausgeübt und lediglich im Nebenerwerb den Hof seiner Ehefrau betrieben. Dieser Hof kann aber schon größenmäßig nicht mit dem Erbhof verglichen werden. Denn er umfasste nur 5 Hektar eigene Flächen, weitere 5 Hektar sind zugepachtet worden. Auf diesen Flächen hat der Antragsteller nach seiner Heirat im Jahre 1955 ein paar Schweine, Geflügel und Kühe gehalten. Die Geflügelzucht hat er im Jahr 1966 aufgegeben und die vorhandenen 4 bis 5 Kühe auf 10 bis 12 aufgestockt. Die Milchwirtschaft ist dann von ihm kurz nach der Einführung der Milchquote eingestellt worden. Danach betrieb er mit den restlichen Kühen eine Kälberaufzucht. Dies alles geschah aber in einer Größenordnung, die weder eine Buchführung noch die Aufstellung von Wirtschaftsplänen erforderte. Hierzu hat der Antragsteller bei seiner Anhörung vor dem Senat selbst angegeben, dass er derartiges nie gemacht habe, zumal es so etwas zu seiner Zeit auch noch gar nicht gab (vgl. Berichterstattervermerk vom 09.03.2010, Bl. 690 d.A.). Gleiches gilt für die Arbeit mit dem Computer, die der Antragsteller nach seinen Angaben im Senatstermin auch nicht mehr erlernen will (vgl. hierzu Berichterstattervermerk vom 09.03.2010, Bl. 691 d.A.).
Demgegenüber werden auf dem 41 Hektar großen Erbhof D ca. 50 Sauen im geschlossenen System sowie in den weiteren Stallungen Rinder gehalten. Da die Stallungen auf dem Erbhof zwar noch intakt, allerdings nicht auf dem neusten Stand sind, erfordert insbesondere die Sauenhaltung einen hohen körperlichen Einsatz. So wird auf dem Hof D noch von Hand eingestreut und gefüttert. Aufgrund dessen äußerte der im Senatstermin angehörte Vertreter der Landwirtschaftkammer, Herr F, erhebliche Bedenken, ob dem Antragsteller solche Tätigkeiten angesichts seines fortgeschrittenen Alters und seiner amtlich attestierten Schwerbehinderung von 50 % überhaupt noch möglich sind (vgl. Berichterstattervermerk vom 09.03.2010, Bl. 691, 692 d.A.). Hinzukommt dass die kaufmännische Seite des Betriebs D auch den Einsatz von EDV erfordert, welche der Antragsteller nicht kennt und auch nicht mehr erlernen will. Sein Hinweis auf seine jüngeren Söhne und Enkel (vgl. Berichterstattervermerk vom 09.03.2010, Bl. 691d.A.) ist unerheblich, weil für die Bejahung der Wirtschaftsfähigkeit erforderlich ist, dass der Antragsteller selbst in der Lage ist, den Erbhof jederzeit zu übernehmen und zu führen. Das lässt sich hier aber schon nicht feststellen.
Gleiches gilt für die Feldarbeit, die auf dem Hof D von den Beteiligten C3 und C4 selbst und nicht von Lohnunternehmern ausgeführt wird. Auch die Einstellung von fremden Arbeitskräften ist bei der Größe des Erbhofes unrentabel ist (vgl. Berichterstattervermerk vom 09.03.2010, Bl. 691d.A.).
Hinzukommt, dass der Antragsteller bereits im Jahr 1994 seine im Nebenerwerb betriebene Landwirtschaft an die nächste Generation weitergeben hat, um eine Rente von der LVA beziehen zu können. Sein Sohn, der eine Schreinerlehre und eine kaufmännische Lehre absolviert hat, betreibt seitdem den elterlichen Betrieb im Nebenerwerb weiter. Vor diesem Hintergrund hat der Senat erhebliche Zweifel, ob der Antragsteller überhaupt gewillt war, zum Zeitpunkt des Nacherbfalls, das heißt hier 10 Jahre nach seinen Eintritt ins Rentenalter den 41 Hektar umfassenden Erbhof hauptberuflich selbst zu übernehmen, zumal die von ihm in den letzten 10 Jahren geleistete Mitarbeit im landwirtschaftlichen Nebenbetrieb seines Sohnes ( wie Viehfütterung ) mit der Arbeit auf dem Erbhof nicht zu vergleichen ist. Diese Zweifel wurden im Senatstermin am 09.03.2010 noch dadurch bestätigt, dass der Antragsteller auf Nachfrage nicht einmal darlegen konnte, wie er den Erbhof künftig betreiben wird. Seine Äußerung, er müsse das noch mit seinen Söhnen absprechen, die hätten das zu entscheiden, weil die den Betrieb doch übernehmen wollen (vgl. hierzu Berichterstattervermerk vom 09.03.2010, Bl. 692 d.A.), kann nur so verstanden werden, dass er selbst gar nicht ernsthaft gewillt war und ist, den Erbhof in Eigenregie zu übernehmen. Vielmehr will er diesen wohl nur - wie zuvor seinen eigenen Betrieb - an einen seiner Söhne weitergeben. Eine solche jetzt schon beabsichtigte Weitergabe steht der Feststellung seiner eigenen Wirtschaftsfähigkeit für den Hof D entgegen. Dies gilt insbesondere bei den hier anzulegenden strengen Kriterien, die deshalb geboten sind, da noch weitere - offensichtlich wirtschaftsfähige - Anwärter derselben Hoferbenordnung um die Hoferbfolge streiten.
III.
Die Kostenentscheidungen beruht auf §§ 44, 45 LwVG. Es entspricht in dem hier vorliegenden Beschwerdeverfahren billigem Ermessen, die Gerichtskosten des Verfahrens und die außergerichtlichen Kosten dem Beschwerdeführer aufzuerlegen, nachdem seine Beschwerde keinen Erfolg hatte.
Der Senat hat die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen hierfür nicht erfüllt sind, § 24 Abs.1 LWVG.
Anlage: Rechtsmittelbelehrung
OLG Hamm:
Beschluss v. 09.03.2010
Az: I-10 W 95/09
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