Bundespatentgericht:
Beschluss vom 22. Februar 2000
Aktenzeichen: 27 W (pat) 55/00
(BPatG: Beschluss v. 22.02.2000, Az.: 27 W (pat) 55/00)
Tenor
1. Auf die Beschwerde wird der Beschluß der Markenstelle für Klasse 9 des Deutschen Patentamts vom 21. Mai 1997 aufgehoben.
2. Die Beschwerdegebühr ist nicht zurückzuzahlen.
Gründe
I Die Bezeichnung
"PRESSTUNER"
soll Schutz als Marke für "Wissenschaftliche, Wäge-, Meß- und Kontrollapparate und -instrumente (soweit in Klasse 9 enthalten), insbesondere Apparate und Instrumente zur Bestimmung der Feuchtigkeit von insbesondere Feststoffen" erhalten.
Die Markenstelle für Klasse 9 des Deutschen Patentamts hat die Anmeldung nach vorangegangener Beanstandung mit Beschluß einer Beamtin des höheren Dienstes zurückgewiesen. Sie hat die Auffassung vertreten, es liege eine freihaltungsbedürftige beschreibende Angabe vor, der zudem jegliche Unterscheidungskraft fehle. Der Wortbestandteil "TUNER" bedeute im Englischen allgemein - nicht nur im TV- und Radiobereich - Abstimmapparat. Die Bestimmung der Feuchtigkeit von Feststoffen könne ua durch Messung der elektrischen Leitfähigkeit erfolgen. Eine (elektrische) Abstimmungsvorrichtung, die dabei genauere bzw sichtbarere Meßergebnisse liefere, könne auch als Tuner bezeichnet werden. Der Zeichenbestandteil "PRESS" weise darauf hin, daß dieser mit Hilfe von Druck arbeite. Daher sei die angemeldete Bezeichnung in ihrer Gesamtheit rein beschreibend. Die Kombination des Wortes "PRESS" mit der Bezeichnung einer Vorrichtung oder eines Gerätes sei, auch in zusammengeschriebener Form, sprachüblich und somit freihaltebedürftig. Der deutsche Verkehr verstehe sowohl "PRESS" im Sinne von Druck als auch "TUNER" (= Abstimmungsgerät). Selbst wenn er sich die technischen Einzelheiten der beanspruchten Produkte nicht genau vorstellen könne, werde er die Anmeldung lediglich als Benennung eines Apparats auffassen, welcher durch Druck und einen Abstimmungsvorgang etwas wäge, messe oder kontrolliere. Mithin werde er in "PRESSTUNER" die Bezeichnung eines (unter Umständen neuen) Gerätes sehen, nicht aber eine Marke.
Gegen diesen Beschluß richtet sich die Beschwerde der Anmelderin.
Sie bezieht sich zur Begründung auf ihr Vorbringen im patentamtlichen Verfahren, welches die Markenstelle ihrer Ansicht nach nicht berücksichtigt habe, und trägt ergänzend im wesentlichen vor: Dem Gesamtbegriff sei, anders als den einzelnen Wortbestandteilen, ein eindeutiger sachbezogener Sinngehalt nicht zu entnehmen. Da der Verkehr erfahrungsgemäß eine Marke in der Regel so aufnehme, wie sie ihm entgegentrete, ohne daß eine analysierende, den Einzelbestandteilen und deren Begriffsbedeutung nachgehende Betrachtungsweise Platz greife, könne die Wortkombination trotz ihres vielleicht sprechenden, möglicherweise aber auch in eine falsche Richtung weisenden Sinngehalts in Verbindung mit den beanspruchten Waren nicht als freihaltebedürftig angesehen werden. Im übrigen sei es abwegig, daß zur Feuchtigkeitsmessung die elektrische Leitfähigkeit herhalten solle. Gerade die von der Markenstelle vorgenommene analysierende Betrachtungsweise sei der beste Beleg dafür, daß der Marke nicht jegliche Unterscheidungskraft fehle. Die Anmeldung sei im patentamtlichen Prüfungsverfahren einer derartig unzutreffenden Beurteilungsweise begegnet, daß es gerechtfertigt sei, die Rückzahlung der Beschwerdegebühr anzuordnen.
Wegen sonstiger Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II Die Beschwerde der Anmelderin ist zulässig und in der Hauptsache begründet, weil einer Registrierung der angemeldeten Bezeichnung als Marke keine absoluten Schutzhindernisse nach MarkenG § 8 Abs 2 Nr 1 bis 3 entgegenstehen. Der Senat vermag sich der Beurteilung der Markenstelle, "PRESSTUNER" sei eine für die beanspruchten Waren beschreibende und mithin freihaltebedürftige Angabe, der weiterhin jegliche Unterscheidungskraft fehle, nicht anzuschließen. Die getroffenen Feststellungen tragen diese Schlußfolgerung nicht.
Bereits die Übersetzung bzw Begriffsauslegung des englischsprachigen Markenworts durch die Markenstelle dürfte nicht ganz zutreffend sein. Die korrekte Bezeichnung für (physikalischen) Druck lautet im Englischen "pressure" (Langenscheidts Handwörterbuch Englisch, Teil I, 2. Aufl 1990 S 496/497); "press" weist dagegen - als Substantiv - in erster Linie einen Bezug zur Presse, zum Druckereiwesen usw auf, als Verb hat es die Bedeutung "drücken, (aus-)pressen, drängen" (aaO, S 496). Ob eine Kombination von "PRESS" mit "TUNER" im Englischen wirklich sprachüblich ist, mag dahinstehen - an Belegen dafür, daß es sich um eine in Gebrauch befindliche Begriffsbildung handelt, fehlt es -, jedenfalls handelt es sich offensichtlich nicht um eine gebräuchliche warenbeschreibende Bezeichnung auf dem hier maßgeblichen Sektor der Technik.
Einer solchen Annahme steht vor allem auch entgegen, daß die lexikalisch belegbare Bedeutung von "TUNER" wesentlich enger ist, als die Markenstelle unterstellt hat. Da "TUNER" bereits seit geraumer Zeit als Lehnwort Teil des deutschen Sprachschatzes ist, kommt es zudem nicht entscheidend auf das Verständnis von Personen englischer Muttersprache an, sondern darauf, welchen Sinngehalt ihm deutsche Verkehrskreise mit einschlägiger technischer Fachbildung, welche an Produktion, Vertrieb und Anwendung derartiger Waren beteiligt sind, entnehmen werden. In der Brockhaus Enzyklopädie (20. Aufl 1999, Bd 22, S 416) finden sich zum Stichwort "Tuner" folgende Ausführungen: "kompakte Baugruppe in Hörfunk- und Fernsehempfängern, die alle zur Vorverstärkung und Abstimmung erforderlichen Stufen umfaßt; iwS bei Hörfunkempfängern der als Baueinheit ausgebildete Empfangsteil bis zum Ausgang des Demodulators bzw des Stereodecoders". Im Duden, Das Große Wörterbuch der deutschen Sprache (3. Aufl 1999, Bd 9, S 3995) wird der Begriff wie folgt erläutert: "1. (Elektronik) Gerät (meist als Teil einer Stereoanlage) zum Empfang von Hörfunksendungen. 2. (Elektronik) Teil eines Rundfunk- oder Fernsehempfängers, mit dessen Hilfe das Gerät auf eine bestimmte Frequenz, einen bestimmten Kanal eingestellt wird. 3. (Kfz-T. Jargon) Spezialist für Tuning". Nur in Verbindung mit dieser zuletzt genannten Bedeutung auf dem Gebiet der Kraftfahrzeugtechnik stehen auch die dortigen Erläuterungen zu den Stichwörtern "tunen" und "Tuning" (aaO).
Angesichts dieser - gegenständlich beschränkten - Bedeutung des Begriffs "TUNER" auf bestimmten Gebieten der Elektronik bzw Rundfunktechnik sowie des Kfz-Wesens und des Fehlens irgendeines Hinweises, daß "PRESSTUNER" als deskriptive Angabe - international oder im Inland - verwendet wird oder Bekanntheit genießt, kann ein Freihaltungsinteresse von Konkurrenten der Anmelderin (gem MarkenG § 8 Abs 2 Nr 2) mit der gebotenen Sicherheit ausgeschlossen werden. Es handelt sich ersichtlich nicht um eine üblich gewordene Fachbezeichnung im Gebrauch mehrerer unterschiedlicher Anbieter von Erzeugnissen auf dem betreffenden Produktsektor (MarkenG § 8 Abs 2 Nr 3). Dagegen spricht auch das Ergebnis einer vom Senat durchgeführten Internet-Recherche, die ausschließlich eine markenmäßige Verwendung von "PRESSTUNER" (bzw "PressTuner") durch die Anmelderin selbst ergeben hat.
Angesichts der fehlenden Freihaltebedürftigkeit dürfen keine zu hohen Anforderungen an die Unterscheidungskraft (MarkenG § 8 Abs 2 Nr 1) gestellt werden. Erforderlich, aber auch ausreichend, ist ein Mindestmaß an betriebskennzeichnender Hinweiskraft, welches vorliegend vorhanden ist. Der Markenstelle ist zwar einzuräumen, daß "PRESSTUNER" von der Wortbildung her auf den ersten Blick eher wie eine Sachbezeichnung wirkt. Die Zuordnung (irgend-)eines deskriptiven Bedeutungsgehalts mag zwar - wie auch die Anmelderin einräumt - nicht völlig ausgeschlossen sein, liegt aber andererseits für weite Teile des angesprochenen Publikums nicht so nahe, wie die Markenstelle angenommen hat, ohne daß es in diesem Zusammenhang darauf ankäme, welche Methoden der Feuchtigkeitsmessung von Feststoffen allgemein verbreitet sind und dem Stand der Technik entsprechen. Selbst wenn man von einer geteilten Verkehrsauffassung ausgeht, kann vorliegend im Hinblick auf das fehlende Freihaltungsbedürfnis der Teil des Verkehrs, der das Zeichen nicht als Herkunftshinweis auffaßt, vernachlässigt werden (BGH GRUR 1969, 345 "red white"; BlPMZ 1991, 26 "NEW MAN").
Der angefochtene Beschluß konnte somit keinen Bestand haben und war auf die Beschwerde der Anmelderin aufzuheben.
Dagegen hält der Senat es nicht für geboten, die von der Anmelderin weiterhin beantragte Rückzahlung der Beschwerdegebühr anzuordnen. Eine derartige, nach MarkenG § 71 Abs 3 im Ermessen des Gerichts stehenden Regelung kommt nur ausnahmsweise nach Billigkeitsgrundsätzen in Betracht; ein solcher Ausnahmefall liegt hier aber nicht vor. Daß der Senat die Schutzfähigkeit einer Markenanmeldung abweichend von der Markenstelle positiv bewertet, rechtfertigt für sich noch nicht die Rückzahlung der Beschwerdegebühr. Eine andere Beurteilung wäre nur dann angebracht, wenn der Markenstelle (zusätzlich) ein erheblicher Verfahrensfehler angelastet werden könnte und die Anmelderin aus diesem Grund zu einer - an sich überflüssigen - Beschwerde gezwungen worden wäre. Zwar mag fraglich sein, ob die Markenstelle den in Erwiderung auf den ersten Beanstandungsbescheid eingereichten Schriftsatz der Bevollmächtigten der Anmelderin ausreichend beachtet hat (was aber auch damit zusammenhängen könnte, daß dieses Schreiben mit einer unzutreffenden Datumsangabe versehen war). Der Zurückweisungsbeschluß enthält jedenfalls eingehende Ausführungen zur Sache, so daß von einer fehlenden Begründung unter Verletzung des rechtlichen Gehörs keine Rede sein kann. Die Rückzahlung der mit Einlegung der Beschwerde entstandenen und zugleich verfallenen Beschwerdegebühr (MarkenG § 66 Abs 5) entspricht somit nicht der Billigkeit.
Hellebrand Friehe-Wich Viereck Mr/Na
BPatG:
Beschluss v. 22.02.2000
Az: 27 W (pat) 55/00
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