Bundespatentgericht:
Beschluss vom 10. Mai 2004
Aktenzeichen: 30 W (pat) 33/03

(BPatG: Beschluss v. 10.05.2004, Az.: 30 W (pat) 33/03)

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Die Bezeichnung GREMION ist unter der Nummer 399 58 200 u.a. für folgende Waren der Klasse 5

"Pharmazeutische und veterinärmedizinische Erzeugnisse sowie Präparate für die Gesundheitspflege; diätetische Erzeugnisse für medizinische Zwecke, Babykost; Pflaster, Verbandmaterial; Zahnfüllmittel und Abdruckmassen für zahnärztliche Zwecke; Desinfektionsmittel; Mittel zur Vertilgung von schädlichen Tieren; Fungizide, Herbizide;"

eingetragen worden.

Dagegen hat u.a. die Inhaberin der für die Waren

"Specialites pharmaceutiques à l'usage humain"

geschützten Marke Nr. IR R 326 478 SERMION zuletzt beschränkt auf Waren der Klasse 5 Widerspruch erhoben.

Die Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patent- und Markenamtes hat den Widerspruch aus der Marke IR R 326 478 zurückgewiesen.

Ausgehend von einem durchschnittlichen Schutzumfang der Widerspruchsmarke sowie Warenidentität oder enger Warenähnlichkeit bestehe keine Verwechslungsgefahr. Die Übereinstimmungen in Silbenanzahl, Vokalfolge, Sprech- und Betonungsweise sowie in den Bestandteilen "-mion" reichten für eine klangliche Verwechslungsgefahr noch nicht aus. Die markant abweichenden Anfangssilben sorgten mit einem zusätzlichen abweichenden Sinnanklang an "Gremium" und "Sermon" für einen noch unterscheidbaren Gesamteindruck. Auch schriftbildlich sei die unterschiedliche Ausprägung der ersten drei Buchstaben ausreichend.

Die Widersprechende hat Beschwerde eingelegt und beantragt nunmehr (sinngemäß)

den angefochtenen Beschluss aufzuheben, soweit der Widerspruch bezüglich der Waren der Klasse 5 zurückgewiesen worden ist und insoweit die Löschung der angegriffenen Marke anzuordnen.

Zur Begründung führt sie aus, die Widerspruchsmarke werde seit Jahrzehnten umfangreich für pharmazeutische Erzeugnisse benutzt, so dass ihr eine gesteigerte Kennzeichnungskraft und ein erweiterter Schutzumfang zukomme. Ausgehend vom Gesamteindruck seien sich die gegenüberstehenden Markenworte in klanglicher Hinsicht sehr ähnlich. Die Abweichung in den Anfangskonsonanten "G" bzw. "S" fielen wegen der identischen Vokalfolge nicht so sehr ins Gewicht, zudem werde der Vokal "e" in der Widerspruchsmarke wie in der angegriffenen Marke nicht wie "ä", sondern wie in "e" gesprochen. Da beide Marken für "pharmazeutische Erzeugnisse" eingetragen seien, sei eine gedankliche Verbindung zu den Worten "Gremium" und "Sermon" fernliegend. Es sei auch schriftbildliche Ähnlichkeit gegeben, da die Markenworte die gleiche Buchstabenzahl und eine Übereinstimmung in sechs von sieben Buchstaben aufwiesen. Die Abweichung bestünde lediglich im Anfangskonsonanten sowie der Stellung des zweiten und dritten Buchstabens.

Der Inhaber der angegriffenen Marke hat sich nicht geäußert.

Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde ist zulässig, hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.

Zwischen der angegriffenen Marke und der Widerspruchsmarke besteht nicht die Gefahr von Verwechslungen im Sinne von § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG, so dass die Beschwerde der Widersprechenden zurückzuweisen war.

Die Frage der Verwechslungsgefahr ist unter Berücksichtigung der zueinander in Wechselbeziehung stehenden Faktoren der Ähnlichkeit der Marken, der Ähnlichkeit der damit gekennzeichneten Waren sowie der Kennzeichnungskraft der prioritätsälteren Marke zu beurteilen, wobei insbesondere ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Marken durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Waren ausgeglichen werden kann und umgekehrt (BGH in ständiger Rechtsprechung, vgl. GRUR 2004, 235, 236 - DAVIDOFF II; GRUR 2002, 1067, 1068 - DKV/OKV).

Bei seiner Entscheidung geht der Senat wie bereits die Markenstelle zugunsten der Widersprechenden von einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke aus. Für einen erweiterten Schutzumfang der Widerspruchsmarke wurde nicht ausreichend vorgetragen, die von der Anmelderin vorgelegten Auszüge aus der Roten Liste 2002 vermögen eine überdurchschnittliche Kennzeichnungskraft nicht zu belegen, da der Eintrag in die Rote Liste insoweit keine, im Ergebnis einer Verkehrsbefragung gleichwertige Aussagekraft besitzt.

Ausgehend von der Registerlage können die Marken zur Kennzeichnung auch identischer ansonsten ähnlicher Waren verwendet werden, welche sich uneingeschränkt an allgemeine Verkehrskreise richten. Das gilt auch für die sich gegenüberstehenden Arzneimittel und pharmazeutischen Erzeugnisse, da eine Rezeptpflicht in den Warenverzeichnissen nicht festgeschrieben ist und auch in tatsächlicher Hinsicht keine Veranlassung zu einer abweichenden Beurteilung besteht. Auch wenn die Widerspruchsmarke ausschließlich zur Kennzeichnung für Demenzmittel verwendet wird, ist ausgehend von der Registerlage und damit dem allgemeinen Oberbegriff nicht auf einen sich nur flüchtig mit der Ware befassenden, sondern auf einen durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Verbraucher abzustellen (vgl. BGH, MarkenR 2000, 144, 144 ATTACHÉ/TISSERAND), der allem, was mit der Gesundheit zusammenhängt, sogar eine gesteigerte Aufmerksamkeit beizumessen pflegt (vgl. BGH, GRUR 1995, 50, 53 - Indorektal/Indohexal).

Auch bei Anwendung eines damit erforderlichen strengen Maßstabes ist ein zur Vermeidung von Verwechslungen ausreichender Markenabstand noch eingehalten. Der Gesamteindruck der Marken, auf den es maßgeblich ankommt (vgl. Ströbele/Hacker, MarkenG, 7. Aufl., § 9 Rdn. 152) ist nämlich so verschieden, dass selbst bei Kennzeichnung identischer Waren nicht mit rechtserheblichen Verwechslungen zu rechnen ist.

In klanglicher Hinsicht stimmen die Marken zwar in Silbenzahl, Buchstabenzahl, Sprech- und Betonungsrhythmus überein, haben jedoch durch die markanten Abweichungen in der stärker beachteten Anfangssilbe einen ausreichend unterschiedlichen klanglichen Gesamteindruck.

Wie die Markenstelle zutreffend festgestellt hat, werden die Vokale "e" in beiden Marken in der Regel unterschiedlich gesprochen, nämlich in der Widerspruchsmarke eher wie der Umlaut "ä", in der angegriffenen Marke dagegen eher wie ein gedehntes "eh". Es kommt dabei nicht darauf an, ob das angesprochene Publikum eine Gedankenbrücke zu Gremium bzw. Sermon schlägt. Die Aussprache kann nämlich schon dadurch beeinflußt sein, dass es kaum andere bekannte Wörter mit der Buchstabenfolge Grem bzw. Serm gibt. Diese unterschiedliche Aussprache verstärkt noch etwas den Unterschied im Wortanfang,den die angegriffene Marke aus zwei Konsonanten gegenüber einem in der Widerspruchsmarke bildet. Der besonders auffällige Anfangsbuchstabe der angegriffenen Marke ist unterschiedlich und kommt zudem als Buchstabe in der Widerspruchsmarke auch nicht vor. Trotz Übereinstimmung in der zweiten Worthälfte ist der mehr beachtete Wortanfang damit so markant abweichend, dass der Verkehr diesen Unterschied leicht bemerken wird. Dies um so mehr als die Endung "-on" bei pharmazeutischen Erzeugnissen sehr oft gebraucht wird, so dass der Verkehr seine Aufmerksamkeit verstärkt auf die erste Silbe richten wird. Da die beiden unbetonten Silben "-mion" in beiden Markenwörtern nahezu zusammenhängend gesprochen werden, erscheinen beide Markenwörter eher kurz, was die Abweichung am Wortanfang noch deutlicher werden lässt.

In schriftbildlicher Hinsicht ergibt sich ebenfalls in den mehr beachteten unterschiedlichen Wortanfängen und durch die - bei Handschrift - zusätzliche Unterlänge im Anfangsbuchstaben "G" der angegriffenen Marke ein hinreichend unterschiedliches Schriftbild. Zudem ist zu berücksichtigen, dass die Marken im Schriftbild erfahrungsgemäß mit etwas größerer Sorgfalt wahrgenommen werden als im eher flüchtigen Klangbild.

Andere Arten der Verwechslungsgefahr sind weder dargelegt noch ersichtlich.

Zu einer Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen bietet der Streitfall keinen Anlaß (§ 71 Abs. 1 MarkenG).

Dr. Buchetmann Schramm Hartlieb Hu






BPatG:
Beschluss v. 10.05.2004
Az: 30 W (pat) 33/03


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