Landgericht Berlin:
Urteil vom 24. September 2010
Aktenzeichen: 4 O 482/09

(LG Berlin: Urteil v. 24.09.2010, Az.: 4 O 482/09)

1. Eine Bank muss bei Anbahnung eines Darlehensvertrages den zukünftigen Darlehensnehmer darauf hinweisen, dass sich aus dessen Lebens- und Einkommensverhältnissen einerseits und den Rahmendaten des Darlehens andererseits ergibt, dass eine störungsfreie Finanzierung nicht möglich sein wird. Ein solcher Fall liegt insbesondere dann vor, wenn die Laufzeit des Darlehens nicht nur geringfügig über den Renteneintritt der Darlehensnehmer hinaus reicht und nicht konkrete Umstände die Annahme rechtfertigen, dass der Darlehensnehmer ungeachtet der damit verbundenen Einkommenseinbußen gleichwohl in der Lage sein wird, auch dann noch die ihn bereits jetzt stark belastende Kreditrate zu bedienen. Nicht konkret absehbare Erbfälle oder gar ein möglicher Lottogewinn gehören nicht zu solchen Umständen.

2. Der Vertragszweck ist schon dann gefährdet, wenn Rechtspositionen eingeschränkt oder dem Vertragspartner ganz genommen werden, die ihm der Vertrag nach seinem Inhalt und Zweck zu gewähren hat (BGH vom 19.01.1984 - VII ZR 220/82, BGHZ 89, 363, 367; BGH vom 20.06.1984 - VIII ZR 137/83, MDR 1985, 225, 226). Ein Immobiliendarlehen dient der Ermöglichung des Erwerbs einer Immobilie vermittels der Gewährung eines Kapitalnutzungsrechts. Diese Rechtsposition ist zumindest eingeschränkt, wenn schon bei Eintragung absehbar ist, dass dem Kreditnehmer die Immobilie nur auf Zeit verbleibt, weil sie ihm im Wege der Zwangsversteigerung wieder entzogen werden wird.

3. Eine einen Vertrag schließende Partei gibt der anderen gegenüber zumindest schlüssig die Erklärung ab, dass man gemeinsam (§§ 145 ff BGB) den Zweck des Vertrags zu erreichen suche. Nimmt sie in Abweichung hiervon ein Scheitern des Vertrages in Kauf, muss sie hierüber aufklären, weil sie sich widersprüchlich verhält. Dies gilt unabhängig davon, ob ein aufklärungspflichtiger Wissensvorsprung der Bank über die Laufzeit des Darlehens und das Alter der Kreditnehmer überhaupt denkbar ist (hierzu BGH vom 15.03.2005 - XI ZR 135/04, MDR 2005, 937).

4. Macht der Anleger die Kosten seiner vorgerichtlichen anwaltlichen Vertretung als Schadensposten gegenüber der Bank geltend, bedarf es in diesem Rechtsstreit nicht der Einholung eines Gutachtens des Vorstandes der Rechtsanwaltskammer über die Höhe der Rahmengebühr. Ein Rechtsstreit im Sinne des § 14 Abs. 2 Satz 1 RVG liegt nur vor, wenn dieser zwischen dem Rechtsanwalt und dem Gebührenschuldner geführt wird (vgl. OLG Düsseldorf vom 26.02.2008 - I-24 U 126/07, NJW-RR 2009, 205 zu § 12 Abs. 2 Satz 1 BRAGO a. F.).

Tenor

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 19.581,04 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 23.03.2010 zu zahlen sowie das Wertpapierdepot Nr. € freizugeben, Zug um Zug gegen Abgabe folgender notariell beurkundeter Erklärung der Klägerin und des Herrn N. F. gegenüber dem beauftragten Notar:

€ Wir sind Eigentümer des im Wohnungsgrundbuch des Amtsgerichts Hohenschönhausen von W. auf Blatt € eingetragenen Wohnungseigentums, bestehend aus einem 657/100.000stel Miteigentumsanteil an dem Grundstück lfd. Nr. 1 - Flur 2, Flurstück € (Größe 17.605 m²), Gebäude- und Freifläche €, verbunden mit dem Sondereigentum an der Wohnung Nr. 36 im Hause € -Straße 10 b.

Wir verpflichten uns hiermit, das vorbezeichnete Wohnungseigentum im Übrigen lastenfrei auf die €bank AG zu übertragen.

Wir erteilen hiermit der €bank AG die unwiderrufliche Vollmacht, in unserem Namen und unter Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB die Auflassung zu erklären.

Wir bewilligen die Eintragung der €bank AG als Eigentümerin.€

Es wird festgestellt, dass die Klägerin und Herr N. F. keine Zahlungen aus dem am 1./13.06.2006 geschlossenen Darlehensvertrag Nr. € mehr schulden.

Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Annahme der Übereignung der vorgenannten Eigentumswohnung in Verzug befindet.

Die Beklagte wird weiter verurteilt, an die Klägerin außergerichtliche Rechtsanwaltskosten von 3.089,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 23.03.2010 zu zahlen.

Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin sämtliche künftig noch entstehenden Schäden zu ersetzen, die durch die Abwicklung des am 1./13.06.2006 geschlossenen Darlehensvertrages Nr. .. und die Übereignung der vorgenannten Eigentumswohnung entstehen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils beizutreibenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Klägerin nimmt die Beklagte aus eigenem und abgetretenem Recht des Lehrers N. F. (fortan gemeinsam: die Eheleute) auf die Rückabwicklung eines finanzierten Eigentumswohnungskaufs in Anspruch.

Mit notarieller Urkunde vom 19.05.2006 boten die Eheleute der R. A. V. GmbH (fortan: Verkäuferin) an, eine in € Berlin, €-Straße 10 b belegene, vermietete Eigentumswohnung mit einer Größe von ca. 63,76 m² zum Preis von € 109.040,00 zu kaufen (Anlage K4). Die Verkäuferin nahm das Angebot an. In der Finanzierungsanfrage bei der Beklagten ist verzeichnet, dass die Eheleute am 29.07.1957 und am 16.09.1958 geboren und beide erwerbstätig seien, so dass ihnen ein freies Einkommen von € 1.156,75 verbleibe (Anlage K42 = Bl. 195 d. A.). Am 01./13.06.2006 vereinbarten die Eheleute einerseits und die Beklagte andererseits die Gewährung eines Annuitätendarlehens von € 124.750,00 zu 4,70 % Zins p. a. fest bis 2016 mit einer Laufzeit bis April 2032. Bei einer anfänglichen Tilgung von 2 % p. a. ergab sich eine monatliche Annuität von € 696,52. Ferner heißt es in der Vertragsurkunde (Anlage K5):

€ Wir bestätigen ausdrücklich, dass ein persönliches Gespräch mit dem Vermittler Herr G. in Berlin stattgefunden hat, in dem uns diese Finanzierung durch den Vermittler mit dem im Darlehensangebot enthaltenen Produkt D.-Annuitätendarlehen erläutert wurde.€

Mit Anwaltsschreiben vom 23.12.2008 forderten die Eheleute die Beklagte auf, einen auf Rückabwicklung des finanzierten Eigentumswohnungskauf gerichteten Schadensersatzanspruch wegen Täuschung und Falschberatung dem Grunde nach anzuerkennen. Am 21.12.2009 trat der Ehemann der Klägerin seine Ansprüche aus dem Darlehensvertrag an die Klägerin ab, welche die Abtretung annahm (Anlage K1 = Bl. 29 d. A.). Mit Anwaltsschreiben vom 02.09.2010 widerriefen die Eheleute zudem den Darlehensvertrag.

Mit der am 23.03.2010 zugestellten Klage behauptet die Klägerin, sie - die Eheleute - hätten auf einen Telefonanruf zum Thema Steuerersparnis einen Besuch bei ihnen zuhause zugelassen, bei dem sie den Vermittlern ihre wirtschaftlichen Verhältnisse offen gelegt hätten. Bei sich anschlies-senden Gesprächen in den Räumen der Fa. T. habe der Vermittler G. gesagt, dass die Investition Steuervorteile und Gewinn abwerfen und zudem nach zehn Jahren automatisch enden werde. Die Anlage, die bei Arbeitslosigkeit ruhe, sei aufwandsneutral und es sei mit einem Gewinn von T€ 70 bis T€ 80 in zehn Jahren zu rechnen. Insbesondere werde der Staat - dies sei anhand einer handschriftlichen Berechnung ermittelt worden - ihnen in den nächsten zehn Jahren etwa T€ 192 an Steuern erstatten (Anlage K3).

Die Beklagte habe über die monatliche Ratenbelastung und die Laufzeit des Darlehens bis in das Rentenalter keine pflichtgemäßen Angaben gemacht. Das Darlehen werde scheitern, sobald sie - die Eheleute - in die Rente einträten. Die Beklagte habe gewusst, dass die Wohnung, die maximal € 44.632,00 wert sei, sittenwidrig überteuert verkauft werde. Es handele sich um eine einfache Wohnlage im Urzustand. Die Kenntnis der Beklagten ergebe sich aus der Kreditakte, welche sie vorzulegen habe. Die Beklagte habe auch gewusst, dass sie - die Eheleute - getäuscht worden seien. Jedenfalls werde die Kenntnis der Beklagten vermutet, weil sie mit dem Vertrieb institutionalisiert zusammen gewirkt habe. Sie habe alle 87 Wohnungen in dem hiesigen Objekt finanziert und die Vermittler mit ihren Formularen ausgestattet. Der Vermittler Friese habe hier eine Provision von 20 % des Kaufpreises erhalten. Bei gehöriger Aufklärung und Beratung hätten sie - die Eheleute - weder den Wohnungskauf- noch den Kreditvertrag abgeschlossen.

Die Klage sei ferner wegen Widerrufs gerechtfertigt. Es handele sich um verbundene Geschäfte. Die Beklagte sei nach alledem verpflichtet, ihnen die geleisteten Raten abzüglich der Mietüberschüsse zu erstatten und vorgerichtliche Anwaltskosten auf Grundlage der Rechnung vom 04.08.2009 zu ersetzen.

Die Klägerin beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an sie € 19.581,04 zzgl. Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,

2. die Beklagte zu verurteilen, das Wertpapierdepot Nr. € freizugeben,

3. zu den Anträgen 1. und 2. Zug um Zug gegen Abgabe folgender notariell beurkundeter Erklärung der Klägerin und des Herrn N. F. gegenüber dem beauftragten Notar:

€Wir sind Eigentümer des im Wohnungsgrundbuch des Amtsgerichts Hohenschönhausen von W. Blatt € eingetragenen und mit dem Sondereigentum an der im Aufteilungsplan mit Nr. 36 bezeichneten, im Hause €-Straße 10 b belegenen Wohnung mit einer Wohnfläche von ca. 63,76 m² verbundenen 657/100.000stel Miteigentumsanteils an dem Grundstück lfd. Nr. 1 - Flur 2, Flurstück 348 (Größe 17.605 m²), Gebäude- und Freifläche € -Straße €.

Wir verpflichten uns hiermit, das vorbezeichnete Wohnungseigentum im Übrigen lastenfrei auf die €bank AG zu übertragen.

Wir erteilen hiermit der €bank AG, die unwiderrufliche Vollmacht, in unserem Namen und unter Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB die Auflassung zu erklären.

Wir bewilligen die Eintragung der €bank AG als Eigentümerin.€,

4. festzustellen, dass sie und Herr N. F. keine Zahlungen aus dem am 01.06./13.06.2006 geschlossenen Darlehensvertrag Nr. € mehr schuldeten,

5. festzustellen, dass sich die Beklagte im Verzug mit der Annahme des Angebots der Übereignung des im Antrag zu 3. genannten Wohnungseigentums befinde,

6. die Beklagte zu verurteilen, an sie die außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von € 3.089,00 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,

7. festzustellen, dass der Darlehensvertrag zur Darlehenskontonummer € durch Widerruf vom 2. September 2010 gemäß § 358 BGB wirksam widerrufen worden sei,

8. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet sei, ihr sämtliche künftig noch entstehenden Schäden zur ersetzen, die im Zusammenhang mit dem Erwerb und der im Antrag zu 3. bezeichneten Eigentumswohnung sowie dem am 01.06./13.06.2006 geschlossenen Darlehensvertrag Nr. € stehen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie meint, sie habe davon ausgehen dürfen, dass sich die Kläger in Kenntnis ihres Alters zu dem fremdfinanzierten Erwerb der Eigentumswohnung entschlossen hätten. Sie bestreitet, dass Beratungsgespräche stattgefunden hätten. Jedenfalls habe sie von deren Inhalt keine Kenntnis gehabt. Die Behauptungen der Klägerin seien unplausibel, weil weder Kaufvertrag noch Darlehensvertrag ein Ende der Anlage nach zehn Jahren vorsähen. Dass das Darlehen nicht nur zehn Jahre laufe, ergebe sich aus der Darlehensurkunde. Die Leistungsfähigkeit der Darlehensnehmer habe sie allenfalls im eigenen Interesse zu prüfen.

Der Kaufpreis sei nicht überteuert gewesen. Jedenfalls habe sie keine dahin gehende, positive Kenntnis gehabt. Darlehensanfrage und Vertrag habe sie an den Finanzierungsvermittler Friese übergeben und nicht an die Fa. T., die den Kontakt zu den Eheleuten gesucht habe. Die Eheleute müssten sich zu 100 % Mitverschulden entgegen halten lassen, weil sie es verabsäumt hätten, in den Kaufvertrag eine Klausel aufzunehmen, wonach die Anlage nach zehn Jahren ende. Auf die Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens könnten sich die Eheleute nicht berufen. Nachdem der Darlehensantrag erst nach Kaufvertragsschluss an die Bank gerichtet geworden sei, hätte sie - die Beklagte - den hier geltend gemachten Schaden zudem gar nicht verhindern können.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die zu den Akten gelangten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Sitzungsniederschrift vom 24.09.2010 verwiesen.

Gründe

Die Klage ist im Wesentlichen begründet.

I.

Die Klägerin kann von der Beklagten aus eigenem und aus abgetretenem Recht ihres Ehemannes Zahlung von € 19.581,04 nebst Zinsen verlangen, denn die Beklagte ist der Klägerin zur Rückabwicklung des finanzierten Eigentumswohnungskaufes im Wege des sog. großen Schadensersatzes gemäß §§ 280, 398, 249 ff BGB verpflichtet.

1. Die Beklagte haftet den Eheleuten wegen vorvertraglichen Verhandlungsverschuldens infolge unzureichender Angaben über die Finanzierung, §§ 276, 278, 280 BGB.

Im Rahmen des vorvertraglichen Vertrauensverhältnisses zwischen den Parteien war die Beklagte dazu verpflichtet, Auskünfte, die im Zusammenhang mit dem beabsichtigten Darlehensgeschäft standen, richtig und vollständig zu erteilen (vgl. BGH vom 06.04.1978 - III ZR 43/76, WM 1978, 946, 947; BGH vom 03.12.1991 - XI ZR 300/90, BGHZ 116, 209). Aus einem Darlehensvertrag ist die Bank in ihrem eigenen Geschäftsbereich, mithin betreffend die Konditionen des Darlehens, also Nominal- und Effektivzins, Laufzeit, Zins- und Tilgungsraten und eine eventuelle Besicherung, zur zutreffenden Aufklärung verpflichtet (vgl. BGH vom 15.03.2005 -XI ZR 135/04- WM 2005, 828, 830). Bei Verhandlungen über den Abschluss eines Vertrages besteht darüber hinaus grundsätzlich die Verpflichtung, den anderen Teil unaufgefordert über die Umstände aufzuklären, die zur Vereitelung des Vertragszwecks geeignet und daher für die Entschließung des anderen Teils von wesentlicher Bedeutung sind (vgl. BGH vom 08.05.1980 - IVa ZR 1/80, MDR 1980, 914).

30Gegen diese Verpflichtung hat die Beklagte verstoßen. Sie hat es verabsäumt, die Eheleute darauf hinzuweisen, dass die Finanzierung von Anfang an zum Scheitern verurteilt war. Trotz der bereits ungewöhnlich hoch angesetzten Tilgungsrate von 2 % wäre das Darlehen für den Ehemann nämlich erst im Alter von 74 Jahren und für die Klägerin erst im Alter von 73 Jahren abgezahlt gewesen. Selbst wenn man zu Zwecken der Vereinfachung davon ausginge, dass beide Eheleute 65 % ihres damaligen Erwerbseinkommens als Rente würden beziehen können (was u. a. eine ununterbrochene Erwerbsbiographie zu diesem Einkommen und keine weiteren Renteneinbußen voraussetzte), wäre mit dem Eintritt in das Rentenalter für die Eheleute ein Mindereinkommen von etwa € 1.547,00 monatlich verbunden, wobei hinzu käme, dass die erzielbaren Steuervorteile ebenfalls absänken. Nach der von der Beklagten selbst angefertigten Finanzierungsanfrage (Anlage K42) betrug aber der finanzielle Spielraum der Eheleute nach Finanzierung schon bei ihrem damaligen Einkommen nur € 460,23. Weitere Einkommensquellen waren nicht vorhanden.

Hiernach war für die Beklagte erkennbar, dass die Eheleute mit dem Eintritt in das Rentenalter die Raten nicht mehr würden zahlen können und der Vertragszweck der Finanzierung damit nicht zu erreichen war. Es stand bereits bei Vertragsabschluss fest, dass mit Renteneintritt eine Deckungslücke von etwa € 1.000,00 monatlich auftreten würde. Es waren auch keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die Eheleute eine solche Lücke denn bewältigen könnten. Entgegen der im Termin vertieften Auffassung der Beklagten kommt es nicht darauf an, dass die Eheleute vor ihrem Renteneintritt noch erben oder im Lotto gewinnen könnten. Für das hinreichend sichere Eintreten derartiger Umstände gab es bei Vertragsschluss keine Anhaltspunkte, so dass sie die Beklagte ihrer Bewertung des vorliegenden Kreditverhältnisses auch nicht zugrunde legen durfte, zumal ein hoher Lottogewinn gerade nicht der Lebenswahrscheinlichkeit entspricht. Die Beklagte hat auch im Rahmen der ausführlichen Erörterung im Termin nicht darzulegen vermocht, weshalb sie Anlass gehabt habe, von einer fortbestehenden wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Eheleute auszugehen.

32Durch die absehbare Kündigung und Verwertung der Eigentumswohnung war die Erreichung des Vertragszwecks der Immobilienfinanzierung gefährdet. Der Zweck einer Immobilienfinanzierung ist insbesondere nicht etwa erreicht, wenn die Erwerber im Grundbuch zur Eintragung gelangen. Ein Vertragszweck ist vielmehr schon dann gefährdet, wenn Rechtspositionen eingeschränkt oder dem Vertragspartner ganz genommen werden, die ihm der Vertrag nach seinem Inhalt und Zweck zu gewähren hat (vgl. BGH vom 19.01.1984 - VII ZR 220/82, BGHZ 89, 363, 367; BGH vom 20.06.1984 - VIII ZR 137/83, MDR 1985, 225, 226, jeweils zu § 9 Abs. 2 Nr. 2 AGBG a. F.). Ein Immobiliendarlehen dient der Ermöglichung des Erwerbs einer Immobilie vermittels der Gewährung eines Kapitalnutzungsrechts. Ein Erwerb liegt aber schwerlich vor, wenn schon bei Eintragung absehbar ist, dass dem Kreditnehmer die Rechtsposition nur auf Zeit verbleibt, weil sie ihm im Wege der Zwangsversteigerung wieder entzogen werden wird. Ein Kapitalnutzungsrecht wird nur auf dem Papier bis zum Jahr 2032 zugewandt, wenn zugleich davon auszugehen ist, dass bereits Jahre davor die Gesamtfälligstellung eintreten wird. Hiervor durfte die Beklagte die Augen nicht verschließen.

Von alledem streng zu trennen ist die von der Beklagten betonte Frage, in welchen Ausnahmefällen die Bank verpflichtet sein kann, auf Risiken der beabsichtigten Verwendung der Darlehensvaluta hinzuweisen (sog. Verwendungsrisiko). Hierhin - und nur hierhin - gehört das Stichwort des Wissensvorsprungs. Ohne Erfolg beruft sich die Beklagte daher auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 15.03.2005 (XI ZR 135/04, MDR 2005, 937). Dort ging es um die Frage, ob die finanzierende Bank gegenüber dem Darlehensnehmer einen aufklärungspflichtigen Wissensvorsprung inne hat, wenn sie um die Laufzeit des Darlehens und das Alter der Darlehensnehmer weiß. Dies hat der Senat naturgemäß verneint. Ebenfalls auf die Fallgruppen zum Verwendungsrisiko stützt sich die Kritik der Zivilkammer 10 des Landgerichts Berlin an der hiesigen Lösung (vgl. Urteil vom 01.09.2010 - 10 O 471/09, UA S. 9 f).

34Beide Ansätze übersehen indes, dass die Beklagte hier nicht wegen eines Wissensvorsprunges die Eheleute vor der beabsichtigten Verwendung des Darlehens zu warnen hatte. Es kann hier dahin stehen, ob auch die Weiterleitung an die Verkäuferin risikobehaftet war. Jedenfalls hatte die Bank die Eheleute vollkommen unabhängig von dem finanzierten Geschäft davor zu warnen, den Darlehensvertrag so wie von ihr vorgeschlagen zu schließen, weil dieser scheitern werde. Dieses Wissen begründete eine positive Handlungspflicht deswegen, weil eine einen Vertrag schließende Partei der anderen gegenüber zumindest schlüssig die Erklärung abgibt, dass man gemeinsam (§§ 145 ff BGB) den Zweck des Vertrags zu erreichen suche.

Da der ein Scheitern des Vertrages hinnehmende Vertragspartner vorwerfbar widersprüchlich handelt (§ 242 BGB), ist unerheblich, ob der andere Vertragspartner dies Scheitern hätte erkennen können. Der erforderliche Hinweis auf das absehbare Scheitern des Vertrages wird durch die reine Erkennbarkeit dieser Umstände nicht entbehrlich, weil der Vertragspartner darauf vertrauen darf, dass ihm die Unmöglichkeit des Erreichens des Vertragszwecks als besonders gewichtiger Umstand unaufgefordert bekannt gemacht wird (BGH vom 08.05.1980 a. a. O.). Eine Warnung vor dem Scheitern schuldet eine Bank im Übrigen sogar dann, wenn der Vertragszweck als solcher eigentlich erreicht werden könnte, aber das wirtschaftlich angestrebte Gesamtergebnis der Transaktion - für die Bank erkennbar - gefährdet ist (vgl. nur KG vom 05.09.2007 - 24 U 4/07, KGR 2008, 20, Tz. 152). Dann ist aber eine Warnung erst recht veranlasst, wenn das Scheitern in der Konstruktion des Finanzierungsgeschäftes selbst angelegt ist.

2. Das Unterlassen des Hinweises auf das Scheitern der Finanzierung war schuldhaft, denn für die Beklagte war allein aus den ihr vorliegenden Unterlagen erkennbar, dass die Finanzierung zum Scheitern verurteilt war, § 276 BGB.

3. Wären die Eheleute von der Beklagten in der gebotenen Weise darauf hingewiesen worden, dass die Finanzierung so nicht durchführbar war, sie insbesondere mit Eintritt in das Rentenalter mit der Kündigung des Darlehens und der Verwertung der Wohnung zu rechnen hätten, hätten sie Kaufvertrag und Darlehen nicht abgeschlossen. Es ist nicht zu erkennen, dass die Eheleute bei dieser gehörigen Aufklärung womöglich in einen Entscheidungskonflikt geraten wären, wie sie sich vorteilhafterweise zu verhalten hätten. Vielmehr hätte es hier nur eine richtige Entscheidung gegeben, nämlich die, von der Anlage insgesamt Abstand zu nehmen.

Ohne Erfolg beruft sich die Beklagte darauf, dass sie die Eheleute von dem Abschluss des Kaufvertrages nicht mehr hätte abhalten können und daher ihr Unterlassen nicht schadenskausal geworden sei. Sie übersieht, dass ihr bereits das Verhalten des Vermittlers G. gemäß § 278 BGB zuzurechnen ist, der schon vor Abschluss des Kaufvertrages in der Absicht auf die Eheleute einwirkte, diesen das hier streitgegenständliche Darlehen zu vermitteln und sie hierüber auch zu beraten. Dass sich die Beklagte des Vermittlers als Gehilfen bei der Erfüllung ihrer Aufklärungspflichten betreffend die Finanzierung bedient hat, belegt die den Eheleuten im Darlehensvertrag abverlangte €Beratungsbestätigung€, wonach ein persönliches Gespräch in Berlin stattgefunden habe, in welchem ihnen die Finanzierung durch den Vermittler mit dem im Darlehensangebot enthaltenen Produkt D.-Annuitätendarlehen erläutert worden sei. Unerheblich ist dabei, aus welchem Grund die Beklagte die €Beratungsbestätigung€ in die Vertragsurkunde aufnehmen ließ. Insbesondere wird die Beklagte nicht vortragen wollen, sie habe den Eheleuten die Bestätigung unwahrer Tatsachen abverlangt.

4. Dieser Pflichtenverstoß führt zur Gesamtrückabwicklung des finanzierten Eigentumswohnungskaufs. Der zu erstattende, kausale Schaden ist nicht etwa aus Rechtsgründen auf einen Differenzschaden beschränkt. Der Rechtsgedanke, dass eine schuldhafte Aufklärungspflichtverletzung der Bank grundsätzlich nur zum Ersatz der Vermögensdifferenz, also des Schadens führen könne, dessen Eintritt die Einhaltung der Pflicht verhindern sollte (BGH vom 03.12.1991 a. a. O.; BGH vom 29.04.2003 -XI ZR 201/02, WM 2004, 21), kommt hier schon deswegen nicht zum Tragen, weil die Beklagte auf das sichere Scheitern der Finanzierung nicht hingewiesen hat. Die verletzte Aufklärungspflicht betrifft damit keine wirtschaftlich abgrenzbare Einzelfrage, sondern das Stehen und Fallen des Vertrages insgesamt. Angesichts dessen wäre eine isolierte Entschädigung des hierdurch entstandenen wirtschaftlichen Nachteils nicht sinnvoll möglich (vgl. bereits LG Berlin vom 29.01.2010 - 4 O 62/09, juris, zur Frage einer Falschangabe über die monatliche Belastung). Vielmehr sind die Eheleute von dem finanzierten Anlagegeschäft insgesamt zu befreien.

5. Die Berechnung des Anspruchs der Höhe nach hat aufgrund der Herrschaft der Klagepartei über den Streitgegenstand ihren Ausgangspunkt in den mit der Klage zur Rückzahlung geltend gemachten, bis einschließlich November 2009 geleisteten Annuitäten in Höhe von € 28.557,32 zu nehmen. Hiervon muss sich die Klägerin Mieteinnahmen abziehen lassen. Diese hat sie mit der Klageschrift in Höhe von € 8.976,28 unterlegt. Nachdem es sich um eine Abzugsposition im Rahmen der Vorteilsausgleichung handelt, wäre es nun an der Beklagten gewesen, eine höhere Mieteinnahme nachvollziehbar darzutun. Dies hat die Beklagte nicht getan. Soweit die Beklagte die nach dem November 2009 erzielten Mieten abziehen möchte, steht dem entgegen, dass nur bis zu diesem Zeitpunkt Annuitäten ersetzt verlangt werden.

Die mit € 2.285,00 bezifferten Steuervorteile sind nach den allgemein anerkannten Grundregeln des Vorteilsausgleichs deswegen unberücksichtigt zu lassen, weil hier nicht ein Immobilienfondsanteil, sondern eine Eigentumswohnung rückabgewickelt wird. Anders als bei einem Immobilienfonds geht die höchstrichterliche (vgl. BGH vom 30.11.2007 - V ZR 284/06, MDR 2008, 257) und obergerichtliche (vgl. KG vom 31.05.2010 - 24 U 44/09, UA S. 19) Rechtsprechung davon aus, dass die Rückabwicklung im Wege des Schadensersatzes regelmäßig zu einer Besteuerung führe, die dem Anleger den Steuervorteil wieder nehme. Dem hat sich die Kammer angeschlossen (vgl. Urteil vom 25.06.2010 - 4 O 424/09, juris).

6. Die Klägerin muss sich auch nicht Mitverschulden entgegen halten lassen, § 254 BGB. Es ist den Eheleuten nicht vorzuwerfen, dass sie nicht auf einer notariellen Fixierung der versprochenen Beendigung der Anlage nach zehn Jahren bestanden haben. Es war nicht Aufgabe der Eheleute, durch die Inhaftnahme der Fa. T. oder der Verkäuferin ihrerseits dafür Sorge zu tragen, dass es zu dem Scheitern der von der Beklagten zu verantwortenden Finanzierung gar nicht werde kommen können. Die Beklagte wird sich zudem festzulegen haben, ob sie nun bestreiten will, dass den Eheleuten gegenüber derartige Falschangaben gemacht worden sind, oder ob sie dies unstreitig stellen will, um hieraus noch Rechte herzuleiten. Sie wird insbesondere nicht verlangen können, dass die Eheleute als Verbraucher nun die Rechte der Beklagten zu wahren hätten. Dies stellte die Verhältnisse in bedenklicher Weise auf den Kopf.

7. Der Zinsanspruch folgt aus §§ 291, 288 Abs. 1 Satz 2 BGB.

II.

Nachdem die Beklagte verpflichtet ist, die Eheleute so zu stellen, als hätten sie weder Kauf- noch Darlehensvertrag abgeschlossen, kann die Klägerin von der Beklagten die mit dem Antrag zu 2. nur noch verfolgte Freigabe des Wertpapierdepots sowie die zulässigerweise (§ 256 Abs. 1 ZPO) mit dem Antrag zu 4. verfolgte Feststellung verlangen, dass der Beklagten keine Rechte aus dem Darlehensvertrag mehr zustünden.

III.

Das gemäß § 256 ZPO i. V. m. § 756 Abs. 1 ZPO zulässige Feststellungsbegehren im Antrag zu 5. hat ebenfalls Erfolg.

Aus den Ausführungen zu oben I. der Entscheidungsgründe ergibt sich, dass die Beklagte sich gemäß § 293 BGB im Verzug mit der Annahme der Übereignung der Eigentumswohnung befindet. Es kommt dabei nicht darauf an, in welcher Form die Klägerin in ihren Anwaltsschreiben die geschuldete Gegenleistung angeboten hat. Jedenfalls im Termin zur mündlichen Verhandlung hat sie die Gegenleistung im Übrigen lastenfrei angeboten und hat die Beklagte Klagabweisung beantragt. Die Kammer hat daher keine Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte etwa den Klageantrag zu 1. anerkannt hätte, wäre sie vorprozessual zur Zahlung Zug um Zug gegen im Übrigen lastenfreie Übereignung der Eigentumswohnung aufgefordert worden.

Ohne Erfolg beruft sich die Beklagte daher auch auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 06.12.1991 (V ZR 229/90, BGHZ 116, 244). Es mag sein, dass der Gläubiger - abgesehen von dem Fall des § 295 BGB - nur durch ein tatsächliches Angebot seiner Leistung Verzug des Schuldners herbeiführen kann, wenn der Schuldner im Prozess die Einrede des nicht erfüllten Vertrages gemäß §§ 320 Abs. 1, 322 Abs. 1 BGB erhebt. Hier liegt indes ein Fall des § 295 BGB vor. Ein wörtliches Angebot des Gläubigers genügt nämlich insbesondere dann, wenn der Schuldner ihm erklärt hat, dass er die Leistung nicht annehmen werde. Dies hatte die Beklagte durch die Zurückweisung des Rückabwicklungsbegehrens getan. Für ihr Begehren, so behandelt zu werden, als wenn sie von vorne herein mit einer Rückabwicklung einverstanden gewesen wäre, wäre ihr nur die Eigentumswohnung im Übrigen lastenfrei angeboten worden, fehlt es angesichts dessen an jeder Grundlage.

IV.

Die Klägerin kann von der Beklagten weiter die Erstattung vorgerichtlicher Anwaltskosten in Höhe von € 3.089,00 nebst Zinsen verlangen, §§ 280, 249 ff, 398 BGB.

Der Antrag ist ungeachtet des Umstandes zulässig, dass sich an das hiesige Hauptsacheverfahren noch das Kostenfestsetzungsverfahren nach §§ 104 ff ZPO anschließt. Soweit die Beklagte unter Bezugnahme auf § 15a RVG n. F. und die Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 02.09.2009 (II ZB 35/07, MDR 2009, 1311) offenbar andeuten möchte, jedenfalls in Höhe der anzurechnenden Hälfte der Geschäftsgebühr habe die Klägerin eine leichtere Möglichkeit der Geltendmachung, vermag sich die Kammer dem nicht anzuschließen. Zum einen ist die anwaltliche Geschäftsgebühr bereits in voller Höhe entstanden und fällig. Die Klägerin muss sich daher nicht darauf verweisen lassen, vielleicht später und mit späterem Zinsbeginn eine Verfahrensgebühr unter Anrechnung der zweiten Hälfte der Geschäftsgebühr tituliert zu erhalten. Zum anderen ist kein prozessökonomischer Gewinn erkennbar, wenn die Kammer im streitigen Hauptsacheverfahren statt über 1,5 Geschäftsgebühren nur über 0,75 Geschäftsgebühren zu entscheiden hätte. Die Prüfung der Kammer fällt hierdurch nicht weniger aufwändig aus.

Der Antrag ist auch begründet. Die durch gebotene anwaltliche Vertretung entstandenen Gebühren sind eine zu ersetzende Schadensposition, welche ausweislich der Anlage K18 (= Bl. 44 d. A.) auch im Sinne des § 10 RVG abgerechnet und - nachdem die Beklagte dies im Termin unstreitig gestellt hat - bezahlt sind. Die Klägerin kann auch in dem Umfang Zahlung an sich selbst verlangen, in dem ihre Rechtsschutzversicherung bereits Zahlung an den Herrn Klägervertreter geleistet hat, weil die Kammer davon auszugehen hat, dass die Versicherung sie hierzu ermächtigt hat.

51Die von dem Herrn Prozessbevollmächtigten der Klägerin beanspruchten Gebühren sind nicht übersetzt. Der Gegenstandswert ist im Hinblick auf die detaillierte Streitwertfestsetzung im Termin nicht zu hoch angesetzt. Die innerhalb der Rahmengebühr getroffene Festlegung ist nicht zu beanstanden. Dabei kann die Kammer die Frage nach der Angemessenheit der beanspruchten Geschäftsgebühr selbst beurteilen, ohne dass zuvor ein Gutachten des Vorstands der Rechtsanwaltskammer Berlin einzuholen wäre. Die Regelung des § 14 Abs. 2 Satz 1 RVG, welche die Einholung eines Gutachtens im €Rechtsstreit€ gebietet, ist hier nicht anwendbar. Das Oberlandesgericht Düsseldorf (vom 26.02.2008 - I-24 U 126/07, NJW-RR 2009, 205) hat zur inhaltlich identischen Vorgängerregelung in § 12 Abs. 2 Satz 1 BRAGO ausgeführt:

€ Unter €Rechtsstreit€ (...) ist nicht jede beliebige gerichtliche Auseinandersetzung gemeint, in der Gebührenansprüche des Rechtsanwalts eine Rolle spielen, sondern, wie schon der Stellung der Vorschrift in der Gebührenordnung zu entnehmen ist, ausschließlich der Rechtsstreit, in dem der Gebührenanspruch des Rechtsanwalts prozessualer Streitgegenstand ist. Das ist regelmäßig nur der Rechtsstreit zwischen dem Anwalt und seinem Gebührenschuldner, also dem Auftraggeber der anwaltlichen Rechtsbesorgung. Erfasst sind neben dem Honorarprozess des Rechtsanwalts (oder seines Rechtsnachfolgers) gegen den Auftraggeber (oder seinen Rechtsnachfolger) auch der vom Auftraggeber gegen den Rechtsanwalt geführte Prozess wegen einer Honorarrückforderung, aber auch die Prozessaufrechnung mit anwaltlichen Honorarforderungen im Regressprozess des Mandanten gegen seinen Rechtsanwalt. Keine Anwendung findet dagegen § 12 Abs. 2 S. 1 BRAGO, wenn ein Dritter kraft Gesetzes oder Vertrags zur Übernahme der dem Auftraggeber erwachsenen Anwaltskosten verpflichtet ist (...). Prozessualer Streitgegenstand ist hier nicht die Honorarforderung des Rechtsanwalts, sondern die schadensersatzrechtliche oder vertragliche Verpflichtung des Dritten im Rechtsverhältnis zum Auftraggeber; der Honoraranspruch des Rechtsanwalts gegen den Auftraggeber ist nur eine rechtliche Vorfrage für die Höhe des streitigen Dek-kungs- oder Schadensersatzanspruchs.€

Dem schließt sich die Kammer an. Auch im vorliegenden Verfahren ist der Honoraranspruch des Herrn Klägervertreters nur rechtliche Vorfrage, so das ein Gebührengutachten nicht einzuholen ist.

Die hier geltend gemachten 1,5 Geschäftsgebühren gemäß Ziff. 2300 VV-RVG sind angemessen. Selbst wenn der Herr Klägervertreter - wie die Beklagte bemängelt - vorprozessual lediglich Standardschreiben versandt haben sollte, führte dies nicht zur Annahme einer einfach gelagerten Sache. Im Gegenteil ist der Fall unabhängig von der Art der gefertigten Schreiben überdurchschnittlich umfangreich und anspruchsvoll, weil sämtliche der in Betracht kommenden Anspruchsgrundlagen richterrechtlich begründet worden sind und sich zudem in laufender Entwicklung und Bewegung befinden, die der Anwalt im Interesse seiner Mandantschaft zu überwachen hat. Schließlich ist die Bedeutung der Sache für die Auftraggeber überdurchschnittlich, weil diese letztlich um ihre wirtschaftliche Existenz in der Zeit nach ihrer Berentung zu kämpfen haben.

Dem gegenüber steht, dass der Herr Klägervertreter - wozu er, wenn ihm dies möglich ist, auch verpflichtet ist, § 254 BGB - durch Bearbeitung von Parallelfällen Synergien gehoben hat und hebt. Allerdings überschätzt die Beklagte den Umfang der Erleichterungen, den die parallele Bearbeitung von Fällen dieser Art mit sich bringt. Insbesondere ist in jedem der Fälle zur Anbahnungs- und Abschlusssituation, zu den Gesprächen und zu den wirtschaftlichen und persönlichen Verhältnissen bei voller Darlegungslast einlassungsfähig vorzutragen. Dies beschränkt den Synergiegewinn. Zum anderen ist zu berücksichtigen, dass es die Qualität der Arbeit eines Prozessbevollmächtigten erhöht, wenn er sich spezialisiert. Diesem durchaus wünschenswerten Effekt stünde aber die vollständige Abschöpfung der Spezialisierungsgewinne entgegen.

Der Zinsanspruch folgt aus §§ 291, 288 Abs. 1 Satz 2 BGB.

V.

Das Feststellungsbegehren im Antrag zu 7. ist dagegen unzulässig, § 256 Abs. 1 ZPO. Es ist nicht erkennbar, weshalb die Klägerin neben der mit dem Antrag zu 1. begehrten Rückabwicklung und der mit dem Antrag zu 4. begehrten, negativen Feststellung noch ein schützenswertes rechtliches Interesse daran haben sollte, dass auch noch geklärt werde, ob der finanzierte Eigentumswohnungskauf zugleich nach den Regeln über verbundene Geschäfte (§ 358 BGB) rückabzuwickeln wäre. Hierauf hat die Kammer im Termin hingewiesen.

VI.

Das gemäß § 256 ZPO zulässige Feststellungsbegehren im Antrag zu 8. hat ebenfalls Erfolg. Entgegen der Auffassung der Beklagten ist tatsächlich zu besorgen, dass im Rahmen der Rückabwicklung weitere Kosten entstehen, welche die Beklagte der Klägerin zu ersetzen hätte.

VII.

Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 92 Abs. 2 Nr. 1, 709 Sätze 1 und 2 ZPO. Die Teilabweisung im Antrag zu 7. führt zu keiner Kostenquote, weil das Feststellungsbegehren gegenüber dem Rückabwicklungsbegehren keinen eigenständigen Wert aufweist.






LG Berlin:
Urteil v. 24.09.2010
Az: 4 O 482/09


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/3783edd8f9bb/LG-Berlin_Urteil_vom_24-September-2010_Az_4-O-482-09




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