Bundespatentgericht:
Beschluss vom 8. März 2006
Aktenzeichen: 29 W (pat) 266/03
(BPatG: Beschluss v. 08.03.2006, Az.: 29 W (pat) 266/03)
Tenor
Die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 16 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 11. Dezember 2000 und vom 8. September 2003 werden aufgehoben.
Gründe
I.
Gegen die Eintragung der Wort-/Bildmarke 399 74 515 Grafik der Marke 39974515 für die Waren der Klassen 9, 16, 25 Überwachungsinstrumente mit physiologischer Funktion, nämlich am Körper zu tragende Micro-Computer mit Zeit-, Stopp-, Herzschlagmess- und Speicherfunktion, nicht für medizinische Zwecke; Lehr- und Unterrichtsmittel in Form von Druckereierzeugnissen und Wandtafeln für Sportschulen und Sportstudios; Sportbekleidungist Widerspruch eingelegt worden aus der prioritätsälteren Wortmarke 2 900 360 raneingetragen für zahlreiche Waren und Dienstleistungen, u. a. fürelektronische und elektrotechnische Apparate und Instrumente (soweit in Klasse 9 enthalten), Geräte zur Aufzeichnung, Übertragung und Wiedergabe von Ton und Bild; elektronische Datenverarbeitungsgeräte einschließlich Sichtgeräte, Eingabegeräte, Ausgabegeräte, Drucker, Terminals und Speicher, auch als Zusatzgeräte zu einem Grundgerät;
Papier, Pappe (Karton), Papierwaren und Pappwaren (soweit in Klasse 16 enthalten); Druckereierzeugnisse, Zeitungen und Zeitschriften, Bücher, Comic-Hefte und -Bücher; Buchstützen, Buchhüllen; Fotografien, Poster, Plakate, Bilder (Drucke und Gemälde); Lehr- und Unterrichtsmittel (ausgenommen Apparate) in Form von Druckereierzeugnissen, Spielen, Tier- und Pflanzenpräparaten, geologischen Modellen und Präparaten, Globen, Wandtafelzeichengeräten;
Bekleidungsstücke, Kopfbedeckungen, Schuhwaren; Tennisschuhe; Sportschuhe für Rollerskates-Complets, auch mit versteiften Sohlen; Gamaschen, Trainingsanzüge, Turnhosen und -trikots, Fußballhosen und -trikots, Tennishemden und -shorts, Bade- und Strandbekleidungsstücke, Badehosen und -anzüge, auch Bikinis, Sport- und Freizeitbekleidungsstücke (einschließlich gewirkter und gestrickter), auch für Trimm-, Jogging- und Gymnastikzwecke, Sporthosen, Trikots, Pullis, T-Shirts, Sweatshirts, Tennis- und Skibekleidungsstücke; Freizeitanzüge, Allwetteranzüge.
Die Markenstelle für Klasse 16 des Deutschen Patent- und Markenamtes hat auf den Widerspruch die angegriffene Marke mit Beschluss vom 11. Dezember 2000 gelöscht. Die darauf hin am 17. Januar 2001 von der Markeninhaberin eingelegte Erinnerung wurde durch Beschluss vom 8. September 2003 zurückgewiesen. Die sich gegenüberstehenden Marken seien zu verwechseln, weil sie sich auf identischen Waren begegnen könnten. Die Widerspruchsmarke verfüge über eine durchschnittliche Kennzeichnungskraft, da sie für die verfahrensgegenständlichen Waren, die im Übrigen mit einer gewissen Sorgfalt erworben würden, nicht unmittelbar beschreibend sei. Der Zusatz "own zone" der jüngeren Marke werde dagegen als beschreibende Angabe vom Verkehr nicht prägend erachtet, weshalb sich nur "run" und "ran" gegenüberstünden, die sehr ähnlich klingen würden.
Hiergegen wendet sich die Beschwerde der Markeninhaberin und Beschwerdeführerin vom 17. Oktober 2003. Der Widerspruchsmarke komme nur eine minimale Kennzeichnungskraft zu, weshalb bereits geringfügige Unterschiede in den sich gegenüberstehenden Zeichen ausreichen würden, um eine Verwechslungsgefahr auszuschließen. "Ran" sei ein beschreibender Begriff für den umgangssprachlichen Ausdruck "heran" und bedeute im Hinblick auf die betroffenen Waren nur "heran an den Sport oder die sportliche Betätigung" und bezeichne damit den Verwendungszweck der Waren. Die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke sei außerdem dadurch geschwächt, dass es eine Vielzahl von ähnlichen Marken auf nationaler und EU-Ebene gebe. Bei der Beurteilung der Verwechslungsgefahr mit einer Kombinationsmarke sei weiterhin zu berücksichtigen, dass es auf den Gesamteindruck dieser Marke ankomme. Die Vergleichsmarken seien sich nur in einem einzigen Bestandteil ähnlich. Gerade diesem Bestandteil komme aber in der jüngeren Marke keine produktidentifizierende Bedeutung zu, da er auf die Verwendung der geschützten Waren hinweise. Herstellerhinweisend sei vielmehr der Bestandteil "own zone", den die Beschwerdeführerin sich habe selbständig und in anderen Kombinationen schützen lassen.
Die Inhaberin der angegriffenen Marke und Beschwerdeführerin beantragt (sinngemäß), die Beschlüsse der Markenstelle aufzuheben.
Die Widersprechende und Beschwerdegegnerin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie trägt vor, die angegriffene Marke "RUN own zone" werde ausschließlich vom Bestandteil "RUN" geprägt. Immer dann, wenn eine Marke aus Erst- und Zweitmarke zusammengesetzt sei, könne bereits die Übereinstimmung mit einer der beiden Marken die Verwechslungsgefahr begründen. Dies sei insbesondere der Fall, wenn - wie hier - ein Markenbestandteil deutlich von dem anderen abgesetzt werde und der deutlich kleinere abgesetzte Teil als Serienzeichen verwendet werde. Das Serienzeichen wirke dann nämlich wie ein Unternehmenskennzeichen, während der andere Bestandteil als eigentliche Produktkennzeichnung aufgefasst werde. Die Beschwerdeführerin sei Inhaberin einer Reihe von Marken, die den Zeichenbestandteil "own zone" enthielten, der jeweils deutlich kleiner gefasst sei als der weitere Zusatz. Das jeweilige Produkt aus der "own zone"-Serie werde allein durch die Zweitmarke "RUN", "STEP", "WALK" oder "MOVE" bezeichnet.
II.
Die gemäß § 66 Abs. 1 und 2 MarkenG zulässige Beschwerde hat in der Sache Erfolg. Die Zeichenähnlichkeit zwischen den Vergleichsmarken ist zu gering, um für das Publikum die Gefahr von Verwechslungen begründen zu können.
1. Die Frage der markenrechtlichen Verwechslungsgefahr im Sinne von § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls umfassend zu beurteilen. Dabei ist von einer Wechselwirkung zwischen den einzelnen Beurteilungsfaktoren der Waren- und Dienstleistungsidentität oder -ähnlichkeit, der Markenidentität oder -ähnlichkeit und der Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke in der Weise auszugehen, dass ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken ausgeglichen werden kann und umgekehrt (st. Rspr.; vgl. BGH GRUR 2004, 598, 599 - Kleiner Feigling; GRUR 2004, 779, 781 - Zwilling/Zweibrüder). Nach diesen Grundsätzen besteht im vorliegenden Fall für das Publikum nicht die Gefahr von Verwechslungen.
1.1. Waren und Dienstleistungen sind dann als ähnlich anzusehen, wenn unter Berücksichtigung aller erheblichen Faktoren, die ihr Verhältnis zueinander kennzeichnen, so enge Berührungspunkte bestehen, dass die beteiligten Verkehrskreise der Meinung sein könnten, die Waren bzw. Dienstleistungen stammten aus denselben oder ggf. wirtschaftlich verbundenen Unternehmen, sofern sie mit identischen Marken gekennzeichnet sind (st. Rspr.; vgl. EuGH GRUR 1998, 922 Rn. 23 - Canon; BGH WRP 2004, 357, 359 - GeDIOS; GRUR 1999, 731, 732 - Canon II; GRUR 1999, 586, 587 - White Lion).
Nach der Registerlage können sich die Vergleichsmarken auf identischen bzw. ähnlichen Waren begegnen. Die Einrede der Nichtbenutzung ist von der Markeninhaberin nicht erhoben worden. Die angegriffene Marke hat zwar in Klasse 9 ein sehr spezifisches Warenverzeichnis, aber alle diese Waren fallen unter die für die Widerspruchsmarke eingetragenen Oberbegriffe, so dass insgesamt von Identität bzw. hoher Ähnlichkeit der jeweiligen Waren auszugehen ist.
1.2. Anhaltspunkte für eine Schwächung oder Steigerung der Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke sind nicht ersichtlich. Über die Eigenschaften der Widerspruchsmarke, ihren Marktanteil, die geografische Ausdehnung, die Dauer der Benutzung oder den Werbeaufwand im Hinblick auf die einzelnen Waren und Dienstleistungen sind keinerlei Angaben gemacht. Die Kennzeichnungskraft eines Zeichens ist jedoch stets produkt- bzw. dienstleistungsbezogen festzustellen, da sie je nach Ware oder Dienstleistung für die das Zeichen eingetragen ist, unterschiedlich sein kann (BGH GRUR 2004, 235, 237 - Davidoff II; GRUR 2004, 779, 781 - Zwilling/Zweibrüder). "Ran" mag insoweit für eine Fernsehsendung in SAT.1 bekannt sein, nicht dagegen für alle in 24 Klassen eingetragenen Waren und Dienstleistungen. Eine Schwächung der Kennzeichnungskraft lässt sich allerdings ebenso wenig feststellen, da "ran" keine beschreibende Angabe für die für die Kollision in Betracht kommenden elektrischen Geräte, Lehr- und Unterrichtsmittel oder Sportbekleidung ist, so dass es bei einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft bleibt.
Damit muss ein deutlicher Abstand zwischen den Vergleichsmarken bestehen, den die jüngere Marke im Ergebnis auch einhält.
1.3. Die Markenähnlichkeit ist anhand des Gesamteindrucks nach Schriftbild, Klang und Sinngehalt zu beurteilen, wobei insbesondere die sie unterscheidenden und dominierenden Elemente zu berücksichtigen sind. Abzustellen ist dabei auf die Wahrnehmung des angesprochenen Durchschnittsverbrauchers, der eine Marke regelmäßig in ihrer Gesamtheit erfasst und nicht auf die verschiedenen Einzelheiten achtet (vgl. EuGH GRUR Int. 2004, 843 - Rn. 29 - MATRATZEN; BGH GRUR 2004, 779, 781 - Zwilling/Zweibrüder). Die Prägung eines mehrgliedrigen Zeichens durch einzelne Bestandteile, und damit die Wahrnehmung lediglich eines Teils der Marke, ist dabei der Ausnahmefall, da nach Auffassung des Europäischen Gerichtshofs (Mitt. 2005, 511 ff. - Rn. 29 - THOMSON LIFE) bei komplexen Marken in der Regel alle Zeichenbestandteile zu berücksichtigen sind. Ein Abweichen von der Regel setzt daher voraus, dass die anderen Bestandteile weitgehend in den Hintergrund treten und den Gesamteindruck des Zeichens nicht mitbestimmen (st. Rspr.; vgl. BGH GRUR 2004, 598 - Kleiner Feigling; GRUR 2004, 865, 866 - Mustang).
Bei dem angegriffenen Zeichen handelt es sich um eine Wort-/Bildmarke, deren Wortbestandteil "RUN own zone by Polar" lautet. Geht man vom Grundsatz aus, dass sich der Verkehr bei einer aus Wortbestandteilen und grafischen Elementen zusammengesetzten Marke in der Regel an den Wortelementen als der einfachsten Form der Benennung orientiert (vgl. BGH GRUR 2002, 167, 169 - Bit/Bud; GRUR 2004, 778, 779 - URLAUB DIREKT), stehen sich damit die Widerspruchsmarke "ran" und die jüngere Marke "RUN own zone by Polar" gegenüber. Die Gefahr unmittelbarer Verwechslungen - klanglich, bildlich, begrifflich - scheidet aus, da die jüngere Marke als Kombinationsmarke deutlich länger als die - lediglich aus drei Buchstaben bestehende - Widerspruchsmarke ist. Eine Prägung des jüngeren Mehrwortzeichens durch "RUN" käme nach dem Vorgesagten daher nur in Betracht, wenn die Zeichenbestandteile "own zone by Polar" in den Hintergrund treten und den Gesamteindruck nicht mitbestimmen würden, was nicht der Fall ist. Der Wortteil "by Polar", ist so kleingedruckt ist, dass man ihn optisch kaum wahrnimmt. Daher ist der Senat der Auffassung, dass er - obwohl die Rechtsprechung in der Regel davon ausgeht, dass der Gesamteindruck einer Marke auch durch die in ihr enthaltene Herstellerangabe mitbestimmt wird (EuGH GRUR 2005, 1042, 1044 - Rn. 30, 34 - THOMSON LIFE; BGH GRUR 2004, 865, 867 - MUSTANG) - vom Verkehr nicht gesehen wird. Hingegen tritt der weitere Zeichenbestandteil "own zone" nicht in den Hintergrund. Es ist auch nicht als warenbeschreibende Angabe für die eingetragenen Waren "Überwachungsinstrumente mit physiologischer Funktion, nämlich am Körper zu tragende Micro-Computer mit Zeit-, Stopp-, Herzschlagmess- und Speicherfunktion, nicht für medizinische Zwecke; Lehr- und Unterrichtsmittel in Form von Druckereierzeugnissen und Wandtafeln für Sportschulen und Sportstudios; Sportbekleidung" außer Acht zu lassen. Im Gegenteil, "own zone" kann lediglich nach einer analysierenden Betrachtung bei den "Überwachungsinstrumenten mit physiologischer Funktion" als phantasievolle Umschreibung für den Einsatz am eigenen Körper, der "eigenen Zone", gedeutet werden. Unschädlich ist daher auch, dass der Zeichenteil "RUN" optisch größer als der Bestandteil "own zone" ist. Dafür ist letzterer farblich abgesetzt und wirkt als synergetische Ergänzung von "RUN". Entgegen der Argumentation der Beschwerdegegnerin ist "own zone" im Übrigen weder Unternehmenskennzeichen noch - in Alleinstellung - eingetragene (Zweit-)Marke oder Serienzeichen der Beschwerdeführerin und tritt deshalb auch aus diesem Grund im Gesamteindruck des Zeichens nicht zurück.
Eine Prägung der jüngeren Marke durch "RUN" allein scheidet damit aus, da nicht nahe liegt, dass der Verkehr den Gesamtbegriff "RUN own zone" auf den bloßen Bestandteil "RUN" verkürzen wird.
Es besteht auch nicht die Gefahr, dass die angegriffene Marke im Verkehr gedanklich unter dem Gesichtspunkt einer Serienzeichenbildung mit der Widerspruchsmarke in Verbindung gebracht werden könnte (BGH GRUR 2002, 542, 544 - BIG; GRUR 2002, 544, 547 - BANK24). Diese Art der Verwechslungsgefahr kann nur dann angenommen werden, wenn die Vergleichszeichen nicht unmittelbar verwechselbar sind, jedoch in einem Bestandteil übereinstimmen, den der Verkehr als Stamm mehrerer Zeichen eines Unternehmens sieht und deshalb weitere Bezeichnungen, die einen identischen oder wesensgleichen Stamm aufweisen, demselben Markeninhaber zuordnet. Für die Annahme einer solchen Art der Verwechslungsgefahr ist Zurückhaltung geboten. Im vorliegenden Verfahren gibt es hierzu keine Anhaltspunkte. Zu Serienmarken mit "Ran", die ähnlich gebildet sind wie "RUN own zone" hat die Beschwerdegegnerin nichts vorgetragen.
Auch eine Verwechslungsgefahr im weiteren Sinne, bei der das Publikum zwar die Unterschiede zwischen den Zeichen erkennt, aber wegen ihrer teilweisen Übereinstimmung wirtschaftliche oder organisatorische Verflechtungen zwischen den Zeicheninhabern annimmt, besteht nicht. Dies setzt allerdings voraus, dass sich die Widerspruchsmarke allgemein zu einem Hinweis auf das Unternehmen der Widersprechenden entwickelt hat, was insbesondere dann anzunehmen ist, wenn die Widerspruchsmarke zugleich das Firmenschlagwort ist (BGH GRUR 2004, 779, 783 - Zwilling/Zweibrüder). Auch diese Voraussetzung ist vorliegend nicht erfüllt.
2. Eine Kostenentscheidung war nicht veranlasst (§ 71 Abs. 1 S. 2 MarkenG).
BPatG:
Beschluss v. 08.03.2006
Az: 29 W (pat) 266/03
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