Landgericht Köln:
Urteil vom 27. Januar 2006
Aktenzeichen: 81 O 185/05
(LG Köln: Urteil v. 27.01.2006, Az.: 81 O 185/05)
Tenor
A.
I. Die Beklagten werden verurteilt,
1. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes in Höhe von bis zu € 250.000,- zu unterlassen,
im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken in der Bundesrepublik Deutschland wie nachstehend wiedergegeben Wodka anzubieten und/oder in den Verkehr zu bringen und/oder zu bewerben:
-Es folgt eine Bilddarstellung-
2. der Klägerin vollständige schriftliche Auskunft über die seit dem 12. Mai 2005 begangenen Handlungen gemäß Nr. I.1. zu erteilen
und zwar unter Angabe des Namens und der Anschrift des Herstellers, des Lieferanten und anderer Vorbesitzer, des gewerblichen Abnehmers oder des Auftraggebers
sowie über die Menge der hergestellten, ausgelieferten, erhaltenen oder bestellten in Nr. I.1. abgebildeten Wodkaflaschen einschließlich der erzielten Einkaufs- und Verkaufspreise sowie Stückzahlen unter Beifügung entsprechender Rechnungen, Lieferbelege, Quittungen und sonstiger Bescheinigungen.
II. Es wird festgestellt, dass die Beklagten verpflichtet sind, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr aus Handlungen der im Tenor zu I.1. beschriebenen Art seit dem 12. Mai 2005 bereits entstanden ist oder noch entstehen wird.
B. Die Beklagten tragen die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist gegen eine Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar; die Höhe beträgt hinsichtlich des Ausspruchs zu I. € 100.000,- und im übrigen 120 % desjenigen Betrages, dessentwegen vollstreckt wird.
Tatbestand
Die Klägerin und die Beklagte zu 1., deren Geschäftsführer und persönlich haftende Gesellschafter die Beklagten zu 2. und 3. sind, sind Wettbewerber beim Vertrieb von Spirituosen aus Osteuropa.
Zum Sortiment der Klägerin gehören der Wodka N, den die Klägerin mit einem Absatz von rund 5,7 Mio. Einheiten mit einem Einzelhandelsgesamtumsatz von ca. € 28 Mio. jährlich als den am weitesten verbreiteten russischen Wodka in Deutschland bezeichnet, sowie der Wodka T, von dem die Klägerin behauptet, er werde in vielen Supermärkten, u.a. in den "real"-Märkten, mit einem Umsatz von jährlich rund € 1,2 Mio. vertrieben; wegen der Ausstattungen wird auf die Anlagen AS5 und AS6 zur Beiakte 81 O 118/05 Landgericht Köln Bezug genommen.
Die Beklagten importieren zwei verschiedene Sorten Wodka O in grüner bzw. roter Etikettenausstattung, den die Klägerin bei der Fa. H2 in Dortmund erworben hat; wegen der Ausstattung wird Bezug genommen auf die Anlagen AS10 und AS11 zur Beiakte 81 O 118/05 Landgericht Köln. Bei den H2 Märkten handelt es sich nach Behauptung der Klägerin um eine Kette, die u.a. ein Geschäftslokal in Gummersbach hat.
Sie ist der Auffassung, die Ausstattungen von N und T wiesen wettbewerbliche Eigenart auf und die streitgegenständlichen Ausstattungen stellten unlautere Nachahmungen dar, weil sie zu einer vermeidbaren Herkunftstäuschung führten bzw. den guten Ruf der Produkte der Klägerin für sich ausnutzten.
Sie macht geltend, durch die zumindest fahrlässig begangenen Verletzungshandlungen der Beklagten einen Schaden erlitten zu haben, zu dessen Bezifferung sie der begehrten Auskünfte bedürfe.
Sie beantragt,
wie erkannt, nachdem sie zunächst die Erhebung einer Stufenklage angekündigt hatte.
Die Beklagten rügen die örtliche Unzuständigkeit des Landgerichts Köln und beantragen im übrigen,
die Klage abzuweisen.
Zur örtlichen Zuständigkeit weisen sie darauf hin, dass eine Verletzungshandlung in Köln nicht vorgekommen sei und sie - die Beklagten - beabsichtigten auch nicht, den Wodka hier zu vertreiben.
Sie leugnen eine wettbewerbliche Eigenart der Ausstattungen der Wodkas der Klägerin und meinen im übrigen, neben den Marken, die ohnehin nicht verletzt seien, komme ergänzender wettbewerblicher Schutz nicht mehr in Betracht, weil die Klägerin mehr als eine Herkunftstäuschung als Unlauterkeitsmerkmal nicht geltend mache. Die sich jeweils gegenüber stehenden und zu vergleichenden Etiketten sähen grundlegend unterschiedlich aus, sodass auch von daher eine Rechtsverletzung ausscheide.
Sie bestreiten den Vortrag der Klägerin zur Verbreitung der Wodkas N und T sowie die Behauptung, dass deren Ausstattung im Umfeld einzigartig sei.
Beide Parteien haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung durch den Vorsitzenden einverstanden erklärt.
Die Akte 81 O 118/05 Landgericht Köln ist zur Information Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Akteninhalt verwiesen.
Gründe
Die Klage ist zulässig.
Die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Köln ergibt sich aus der Erstbegehungsgefahr, denn die Klägerin hat unwidersprochen vorgetragen, dass die Beklagten bundesweit tätig sind und die Kette H2 zudem noch eine Verkaufsstelle in Köln hat. Die bloße Äußerung der Beklagten, sie würden nicht nach Köln liefern, ändert daran nichts, denn die Aussage ist nicht glaubhaft: es gibt für ein bundesweit tätiges Unternehmen - dies zu sein, bestreiten die Beklagten nicht - keinen Grund, mit einem einzigen Produkt ausgerechnet den Kölner Landgerichtsbezirk vom Vertrieb auszuschließen.
Die Klage ist auch begründet.
Die Klägerin kann von den Beklagten Unterlassung, Auskunft und Schadensersatzfeststellung nach Maßgabe des Tenors verlangen, weil
Im Verfügungsverfahren 81 O 118/05 Landgericht Köln, welches dem jetzigen Hauptsacheverfahren voraufgelaufen ist, hat die Kammer im Urteil vom 28.10.2005 u.a. Folgendes ausgeführt:
"Die einstweilige Verfügung ist auch unter Berücksichtigung des Vortrages in der Widerspruchsbegründung aufrecht zu erhalten, denn die Ausstattungen der Produkte N und T verfügen über wettbewerbliche Eigenart und die angegriffenen Ausstattungen sind ihnen so ähnlich, dass sie geeignet sind, eine vermeidbare Herkunftstäuschung beim Verbraucher hervorzurufen, § 3 UWG.
Soweit sich die Antragstellerin zunächst auf ihre Marken gestützt hat, hat sie damit schon bei Erlass keinen Erfolg gehabt, denn ihre Wort-/Bildmarken werden - hierauf weisen auch die Antragsgegner zu Recht hin - geprägt durch die Wortbestandteile, die sich bei den streitgegenständlichen Produkten in keiner Form wiederfinden: O hat weder mit T noch mit N irgend eine relevante Ähnlichkeit.
Weitere Ausführungen dazu erübrigen sich, weil der Unterlassungsantrag aus §§ 3, 4 Nr.9 UWG begründet ist, ohne dass diese Vorschriften durch das Markenrecht ausgeschlossen sind. Vorliegend die Ausstattung der streitgegenständlichen Flaschen ganz bewusst derjenigen der Produkte der Antragstellerin angenähert worden, um von deren guten Ruf zu profitieren - dies betrifft ganz besonders den O in grüngoldener Ausstattung - und sind auf diese Weise beide geeignet, unzutreffender Weise auf die Herkunft auf dem Hause der Antragstellerin zu verweisen und so den Verbraucher - vermeidbarer Weise - in die Irre zu führen.
Ansatzpunkt für diese Täuschung sind nicht die als Marken geschützten Etiketten, denn bereits oben ist erwähnt worden, dass die Marken geprägt sind vom Wortbestandteil, sodass Prüfung und Bejahung einer vermeidbaren Herkunftstäuschung durch die farbliche Ausgestaltung der Etiketten im übrigen und ihre Gesamtwirkung auf der Flasche vom Markenrecht nicht ausgeschlossen sind.
Im Einzelnen:
Die Produktausstattungen der Antragstellerin verfügen über wettbewerbliche Eigenart, denn die Ausgestaltungen der Flaschen sind geeignet, auf die Herkunft aus einem bestimmten Haus hinzuweisen.
Die Flasche N ist geprägt von einer grünbetonten Farbgebung, die für Spirituosen eher ungewöhnlich ist; durch die Fortsetzung des grünen Farbtones in der Verschlusskappe wird dieser Eindruck konsequent fortgesetzt und noch verstärkt; die weiß-goldene Unterlegung mildert die Strenge etwas, lässt aber die "grüne" Anmutung der Gesamterscheinung unberührt.
Die Verwendung der Farbe "rot" wie bei T ist für Spirituosen zwar weniger ungebräuchlich; hier führt jedoch die von links nach rechts aufwärts weisende Linienführung des Schriftzuges durch ihren Kontrast zu dem ansonsten streng rechtwinklig gehaltenen Etikett im Zusammenwirken mit der Farbgebung und dem auch hier vorzufindenden Zusatz von "gold" und der weißen Grundierung zu einer optischen Besonderheit mit herkunftshinweisender Funktion; auffällig verstärkt wird der geschilderte Kontrast durch die Schriftart der Produktbezeichnung, die die Wirkung einer Handschrift hat.
Für die Entscheidung ist davon auszugehen, dass beide Produkte in einer für die Zubilligung wettbewerbsrechtlichen Schutzes ausreichenden Weise auf dem Markt präsent sind, wobei für N gerichtsbekannter Weise in Folge des langjährigen Vertriebs in der Bundesrepublik Deutschland sogar von einer gesteigerten Bekanntheit ausgegangen werden kann; dies scheinen auch die Antragsgegner letzten Endes nicht wirklich ernsthaft bestreiten zu wollen. Aber auch T ist schutzfähig, auch wenn er bei weitem nicht so stark verbreitet ist wie N: ohne dass es auf die Absatzzahlen im Einzelnen ankommt ist durch die eidesstattliche Versicherung des Herrn H2 vom 7.9.2005 glaubhaft gemacht, dass auch dieses Produkt in nicht unbeträchtlicher jährlich abgesetzt wird und dass der unmittelbar an den Endverbraucher gerichtete Vertrieb jedenfalls unter anderem über die Supermarktkette "real" erfolgt; ergänzend zu der von Herrn H2 versicherten Absatzzahl ist festzuhalten, dass ein Unternehmen wie "real" keine Produkte im Sortiment hat und behält, die sich schlecht absetzen lassen.
Damit ist für beide Produkte eine Bekanntheit anzunehmen, die ausreicht, dass es beim Endverbraucher auf Grund zu ähnlicher Ausstattungen zu Täuschungen kommen kann.
Die Ausstattungen der streitgegenständlichen Produkte sind in diesem Sinne den wettbewerblich eigenartigen Produkten der Antragstellerin zu ähnlich, denn sie wiederholen mit ihren weißgrundigen und grüngolden bzw. rotgolden umrandeten Etiketten genau die für den Bereich russischer Wodkas einprägsamen Farbkombinationen der Vorbilder, wobei der grüne O noch dazu die grüne Farbe im Schraubverschluss übernommen hat. Für die grüne Ausstattung des N ist schutzumfangsverstärkend auf seine besondere Bekanntheit hinzuweisen, sodass auf die Übereinstimmungen im übrigen gar nicht so intensiv eingegangen zu werden braucht, um ein Verbot zu begründen. Für die rote Ausstattung ist festzuhalten, dass das Produkt der Antragsgegner nicht nur - außerhalb einer Nachahmungsabsicht etwas unmotiviert - dem Produktnamen ebenso wie auf dem Etikett des T ein gezeichnet wirkendes Gebäude unterlegt, sondern dass der darüber gesetzte Produktname - ebenso wie das Vorbild - in Schreibschrift gehalten ist und diese Schrift von links nach rechts ansteigt.
An diesen den Gesamteindruck prägenden Ähnlichkeiten ändern die durchaus erkennbaren und auch in die Würdigung einzubeziehenden Unterschiede nichts, denn sie verändern den Gesamteindruck nicht: so hat die Kammer berücksichtigt, dass die Flaschenform selbst nicht so streng, sondern etwas rundlicher ausgestaltet ist als die der Vorbilder, auch die Etiketten im übrigen in ihren Umrissen wesentlich strukturierter sind als die von N und T und bei beiden - anders als bei den Vorbildern - ein großer Buchstabe ("N", offenbar für O2) die Etiketten dominiert.
Diese Unterschiede sind aber bei weitem nicht von einer Qualität, dass sie im Gedächtnis eines Verbrauchers haften bleiben, dem das Aussehen der Vorbilder zwar grundsätzlich bekannt, jedoch nicht bis in die Einzelheiten geläufig ist; sie wirken vielmehr lediglich hinzugefügt und halten die Wirkung der prägenden Merkmale der Vorbilder aufrecht: in beiden Fällen - im Vergleich Vorbild zu Streitgegenstand - präsentieren sich dem Verbraucher Wodkas osteuropäischen Ursprungs - der Unterschied "russisch" - "ukrainisch" wird vom Verbraucher nicht wirklich als unterscheidend erkannt - mit grünweiß-goldener bzw. rotweiß-goldener Anmutung, wobei im Falle des T die geringere Bekanntheit des Vorbildes "ausgeglichen" wird durch die oben erwähnten zusätzlichen Übereinstimmungen.
Diese Nähe führt schon deshalb zwangsläufig zu einer ohne weiteres vermeidbaren Herkunftstäuschung beim Verbraucher, weil sich das von der Antragstellerin eingereichte Umfeld (fast) frei von roten und gänzlich frei von grünen Ausstattungen darstellt; die allein mit roter Farbe auftretenden Wodkas K2, K1 und T sind im übrigen aus vielerlei Gründen so sehr unterschiedlich, dass sie von der Ausstattung her nichts mit T zu tun haben."
Auch nach erneuter Prüfung verbleibt es bei dieser Bewertung, der nicht viel hinzuzusetzen ist. Als Branchenangehörige können sich die Beklagten nicht auf bloßes Bestreiten (z.B. zur Frage der Ausstattungen im wettbewerblichen Umfeld) zurückziehen; in Bezug auf die Absatzzahlen der Wodkas der Klägerin kommt es nicht auf die Richtigkeit der Einzelzahlen an, sondern nur darauf, dass die Produkte ernsthaft und spürbar marktpräsent sind: dieser Umsatz ergibt sich aus den auch von den Beklagten als solche nicht bestrittenen Unterlagen aus dem Verfügungsverfahren. Im übrigen gilt auch hier, dass das unterschiedslose, pauschale Bestreiten erkennbar ins Blaue hinein erfolgt und deshalb unbeachtlich bleibt; als Branchenangehörige können die Beklagten z.B. auf einfachste Weise überprüfen, ob T über "real" vertrieben wird oder nicht.
Es ist ernsthaft wahrscheinlich, dass die Verletzungshandlungen der Beklagten zu einem Schaden der Klägerin geführt haben, zu dessen Bezifferung sie der erbetenen Auskünfte bedarf; es sei klargestellt, dass die pauschale Äußerung der Beklagten, sie hätten lediglich € 3.000,- bis € 4.000,- umgesetzt, noch keine auch nur teilweise Auskunft im Sinne des Tenors darstellt.
Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91, 709 ZPO.
Streitwert: € 400.000,- (Unterlassung € 300.000,-; Auskunft € 75.000,- und Schadensersatzfeststellung € 25.000,-).
LG Köln:
Urteil v. 27.01.2006
Az: 81 O 185/05
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