Bundespatentgericht:
Beschluss vom 19. Februar 2004
Aktenzeichen: 21 W (pat) 3/03

(BPatG: Beschluss v. 19.02.2004, Az.: 21 W (pat) 3/03)

Tenor

Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamts vom 1. Oktober 2002 aufgehoben und die Sache zur weiteren Prüfung aufgrund der in der mündlichen Verhandlung überreichten Ansprüche 1 bis 8 gemäß Hauptantrag an das Deutsche Patent- und Markenamt zurückverwiesen.

Gründe

I.

Die Patentanmeldung wurde am 19. April 2000 unter der Bezeichnung "Implantat" beim Deutschen Patent- und Markenamt eingereicht. Die Offenlegung erfolgte am 31. Oktober 2001.

Die Prüfungsstelle für Klasse A 61 C hat mit Beschluss vom 1. Oktober 2002 die Anmeldung auf Grund mangelnder Patentfähigkeit des Gegenstandes nach Anspruch 1 zurückgewiesen.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Anmelderin.

Der geltende, in der mündlichen Verhandlung eingereichte Patentanspruch 1 lautet:

Implantat (1) zur Aufnahme eines Verbindungszapfens (17) eines medizinischen Elements, mit einer Längsachse (9), einem distalen Ende (3) und einem proximalen Ende (4), von dem aus sich eine Aufnahmeausnehmung (10) für den Verbindungszapfen (17) in Richtung der Längsachse (9) in das Innere des Implantats (1) erstreckt, wobei das Implantat (1) an seiner äußeren Mantelfläche kraft- oder formschlüssig mit der inneren Mantelfläche einer Aufnahmebohrung in einem Knochen eines menschlichen oder tierischen Körpers verbindbar ist und wobei der an die Aufnahmeausnehmung (10) angepasste Verbindungszapfen (17) kraft- oder formschlüssig mit der inneren Mantelfläche der Aufnahmeausnehmung (10) verbindbar ist, und mit einer Vertiefung, wobei die innere Mantelfläche der Aufnahmeausnehmung (10) mit mindestens einer senkrecht zur Längsachse (9) des Implantats (1) ausgerichteten und eine Hinterschneidung bildenden Vertiefung versehen ist, mit der ein radial nach außen vorstehender Vorsprung (20a) eines elastischen Clipelements (20) des Verbindungszapfens (17) in Eingriff bringbar ist, dadurch gekennzeichnet, dass die innere Mantelfläche zur Aufnahmeausnehmung (10) mit einer Ringnut (14o, 14u) versehen ist, in die die Vorsprünge (20a) der Clipelemente (20) eingreifen, und dass der Vorsprung im Verhältnis zur Ringnut derart ausgestaltet ist, daß a) der Vorsprung 20a vollständig innerhalb der Ringnut 14o angeordnet ist und b) der Vorspruch 20a sich bis zu dem distalen Ende des elastischen Clipelements 20 hin zunehmend verjüngt, und c) die Ringnut (14o, 14u) von der geometrischen Form des Vorsprungs 20a derart abweicht, dass neben den Berührungsflächen je ein Hohlraum bis zur oberen Kante 14' der Ringnut und bis zur am distalen Ende gegenüberliegende unteren Kante verbleiben.

Dem Anmeldungsgegenstand liegt die Aufgabe zugrunde, ein Implantat zur Aufnahme eines Verbindungszapfens eines medizinischen Elements vorzuschlagen, bei dem sich der Verbindungszapfen auf einfache und nur wenig Zeit beanspruchende Weise mit der Aufnahmeausnehmung des Implantats verbinden lässt, wobei diese Verbindung sehr einfach und schnell wieder aufhebbar sein soll (vgl. S. 2, dritter Absatz der mit Schriftsatz vom 19. Dezember 2002 eingereichten Beschreibungsseiten).

Im Verfahren befinden sich folgende Druckschriften:

(1) WO 99 29 255 A1

(2) DE 94 19 173 U1

(3) DE 93 16 043 U1 Die Anmelderin hält den Gegenstand des Patentanspruchs 1 für neu und erfinderisch. Sie führt dazu aus, dass aus keiner der Druckschriften (1) bis (3) ein elastisches Clipelement bekannt sei, dessen Vorsprung in eine Ringnut derart eingreife, dass auf Grund der unterschiedlichen geometrischen Form von Ringnut und Vorsprung neben den Berührflächen je ein Hohlraum bis zur oberen Kante der Ringnut und bis zu einer am distalen Ende gegenüberliegenden unteren Kante verbleibe. Damit werde eine stets formschlüssige Verbindung zwischen einer Aufnahmeausnehmung im Innern des Implantats und einem an diese Aufnahmeausnehmung angepassten Verbindungszapfen erzielt. Durch diese unterschiedlich gestalteten und in keiner der im Verfahren befindlichen Druckschriften angeregten Gleitflächen könne eine in Richtung der Längsachse des Implantats verlaufende Kraft erzeugt werden, die den Verbindungszapfen fest und ohne Spiel in der Aufnahmeausnehmung halte.

Die Anmelderin stellt den Antrag:

den angefochtenen Beschluss aufzuheben und die Sache aufgrund der in der mündlichen Verhandlung überreichten Ansprüche 1 bis 8 gemäß Hauptantrag an das Deutsche Patent- und Markenamt zur weiteren Prüfung zurückzuverweisen.

II.

Die Beschwerde der Anmelderin ist zulässig und begründet. Das im Beschwerdeverfahren geänderte Patentbegehren hat eine neue Sachlage ergeben, gegenüber der einerseits die den angefochtenen Beschluss tragenden Gründe nicht mehr durchgreifen und die andererseits vom Deutschen Patent- und Markenamt noch nicht ausreichend geprüft werden konnte (PatG § 79 Abs. 3, Satz 1 Nr. 3).

Der Patentanspruch 1 ist formal zulässig. Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 ist in den am Anmeldetag eingereichten Patentansprüchen 1 und 3 sowie der am Anmeldetag eingereichten Beschreibung S. 7, dritter Absatz und der Fig. 6 offenbart. Die Fig. 6 zeigt in vergrößerter Darstellung den Eingriff des Clipelements in die Ringnut, wobei klar zu erkennen ist, dass sich die geometrische Form der Ringnut von der des in die Ringnut eingreifenden Vorsprungs des Clipelements unterscheidet. Durch diese unterschiedliche geometrische Form verbleibt zwischen den Berührungsflächen von Vorsprung und Ringnut zu beiden Enden bzw. Kanten der Ringnut jeweils ein Hohlraum.

Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 ist gegenüber dem bisher im Verfahren befindlichen Stand der Technik gemäß den Druckschriften (1) bis (3) neu, denn aus keiner dieser Druckschriften ist ein Implantat bekannt, bei dem die Ringnut von der geometrischen Form des Vorsprungs derart abweicht, dass neben den Berührflächen je ein Hohlraum bis zur oberen Kante der Ringnut und bis zur am distalen Ende gegenüberliegenden unteren Kante verbleiben.

Das Implantat nach dem Patentanspruch 1 beruht gegenüber dem bisher bekannt gewordenen Stand der Technik auch auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Aus den Druckschriften (2) bzw. (3) sind Implantate 12 bzw. 10 zur Aufnahme eines Verbindungszapfens 5,6 bzw. 26 eines medizinischen Elements 3 bzw. 42 bekannt (vgl. in (2) Fig. 1 und 3 bzw. in (3) die einzige Figur). Das Implantat weist dabei eine Längsachse auf (vgl. die Strichpunktlinie in Fig. 3 in (2) bzw. der einzigen Figur in (3)) und besitzt ein distales Ende und ein proximales Ende (vgl. das untere bzw. obere Ende des mit 12 bzw. 10 bezeichneten Teils). Vom oberen Ende des Implantats, also dem proximalen Ende, aus erstreckt sich in Richtung der Längsachse ins Innere des Implantats 12 bzw. 10 eine Aufnahmeausnehmung 13,14 bzw. 14 (vgl. Fig. 3 in (2) bzw. die einzige Figur in (3)). Das Implantat ist an seiner äußeren Mantelfläche kraft- oder formschlüssig mit der inneren Mantelfläche einer Aufnahmebohrung in einem Knochen eines menschlichen oder tierischen Körpers verbindbar (vgl. in (2) S. 1, erster Absatz bzw. in (3) S. 1, zweiter Absatz). Der an die Aufnahmeausnehmung 13,14 bzw. 14 angepasste Verbindungszapfen 5,6 bzw. 26 ist dabei zumindest formschlüssig mit der inneren Mantelfläche der Aufnahmeausnehmung verbindbar (vgl. den ersten Satz auf S. 5 bzw. den ersten kompletten Absatz auf S. 3). Dabei ist die innere Mantelfläche der Aufnahmeausnehmung 13,14 bzw. 14 mit mindestens einer senkrecht zur Längsachse des Implantats ausgerichteten und eine Hinterschneidung bildenden Vertiefung 15 bzw. 22 versehen (vgl. S. 5, erster Absatz bzw. S. 6, erster Absatz). In diese Vertiefung ist ein radial nach außen vorstehender Vorsprung 7 bzw. 32 eines elastischen Clipelements 6 bzw. 28 des Verbindungszapfens 5,6 bzw. 26 in Eingriff bringbar (vgl. S. 5, erster Absatz bzw. S. 6, zweiter Absatz).

Weiter ist den Druckschriften (2) und (3) zu entnehmen, dass die innere Mantelfläche der Aufnahmeausnehmung 13,14 bzw. 14 mit einer Ringnut 15 bzw. 22 versehen ist, in die die Vorsprünge 7 bzw. 32 der Clipelemente 6 bzw. 28 eingreifen (vgl. in (2) S. 5 erster Absatz bzw. in (3) den Hinterschnitt 22 auf S. 6, erster Absatz). Der Vorsprung 7 bzw. 32 ist im Verhältnis zur Ringnut 15 bzw. 22 derart ausgebildet, dass der Vorsprung 7 bzw. 32 vollständig innerhalb der Ringnut 15 bzw. 22 angeordnet ist und der Vorsprung 7 bzw. 32 sich bis zu dem distalen Ende des elastischen Clipelements 6 bzw. 28 hin zunehmend verjüngt (vgl. in (2) Fig. 3 im Bereich des Bezugszeichens 15 sowie den sich nach unten verjüngenden Bereich des Wulstes 7 in Fig. 1 in Verbindung mit S. 5, erster Absatz bzw. in (3) die einzige Figur und den ebenfalls sich nach unten verjüngenden Bereich der Verdickung 32 in Verbindung mit S. 6, zweiter Absatz bis S. 7, erster Absatz mit S. 7, dritter Absatz).

In der Druckschrift (2) ist die Form des Vorsprungs 7 zur Form der Ringnut 15 komplementär ausgebildet, so dass nach der Verrastung zwischen diesen beiden keine Hohlräume verbleiben (vgl. u.a. Fig. 3 im Zusammenhang mit S. 5, erster Absatz). Dieser Druckschrift (2) können mithin auch keine Anregungen im Hinblick auf das Merkmal c) des Patentanspruchs 1 entnommen werden.

Die Druckschrift (3) zeigt nur einen zum distalen Ende hin ausgebildeten Hohlraum, während der dort gezeigte Vorsprung (Verdickung) 32 an der oberen Kante (angeschrägten Fläche) 34 formschlüssig anliegt und somit kein Hohlraum zwischen den Berührungsflächen und der oberen Kante vorhanden ist (vgl. die Figur in Verbindung mit S. 6, zweiter Absatz und S. 7, dritter Absatz). Die erfindungsgemäße Ausgestaltung des Vorsprungs und der Ringnut mit jeweils einem Hohlraum zwischen dem oberen Rand und den Berührungsflächen sowie den Berührungsflächen und dem unteren Rand der Ringnut ist demnach auch in der Druckschrift (3) nicht angeregt.

In der bereits in den Anmeldeunterlagen gewürdigten Druckschrift (1) ist ein Implantat gezeigt, in das ein Verbindungszapfen bestehend aus einem konisch geformten Unterteil, einem Zentralteil und einem Oberteil mittels des konischen Unterteils und einem entsprechenden Konus im Implantat in dieses eingesetzt wird. Die Verbindung zwischen beiden erfolgt in Form eines Klemmkonus. Hinweise oder Anregungen eine andere Verbindungsart einzusetzen werden in (1) nicht gegeben.

Auch eine Zusammenschau der Druckschriften (1) bis (3) kann die erfinderische Tätigkeit nicht in Frage stellen, da auch bei einer Kombination nur das Vorsehen eines Hohlraums angeregt ist, während das Vorsehen von zwei getrennten Hohlräumen nicht nahegelegt ist.

Damit lässt sich mit den bisher im Verfahren befindlichen Druckschriften die Zurückweisung der Anmeldung nicht begründen.

Da jedoch nicht auszuschließen ist, dass bei weiterer Recherche bezüglich des gegenüber dem der Zurückweisung zugrundeliegenden Anspruch 1 neu in den geltenden Anspruch 1 aufgenommenen Merkmals c), das bislang noch nicht Gegenstand einer Prüfung war, weil es im wesentlichen der Figur 6 entnommen worden ist, noch relevanter Stand der Technik ermittelt wird, war die in das Ermessen des Senates gestellte und der Antragsbindung nicht unterworfene Zurückverweisung der Sache an das Deutsche Patent- und Markenamt zu beschließen.

Angesichts der Notwendigkeit einer weiteren Prüfung wurde seitens des Senats von einer redaktionellen Überarbeitung des Anspruchs 1 sowie einer Prüfung und Überarbeitung der Unteransprüche bzw. der übrigen Unterlagen abgesehen.

Dr. Winterfeldt Dr. Franz Dr. Strößner Dr. Maksymiw Pr






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Az: 21 W (pat) 3/03


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