Bundespatentgericht:
Beschluss vom 24. April 2001
Aktenzeichen: 33 W (pat) 246/00
(BPatG: Beschluss v. 24.04.2001, Az.: 33 W (pat) 246/00)
Tenor
Auf die Beschwerde der Anmelderin werden die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 35 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 30. September 1999 und vom 30. August 2000 aufgehoben.
Gründe
I Beim Deutschen Patentamt (seit dem 1. November 1998 "Deutsches Patent- und Markenamt") ist am 23. Juli 1998 die Wortmarke VR Markforschungfür die Dienstleistungen
"Klasse 35: Unternehmens- und Managementberatung; Marketing; Marktforschung und Marktanalyse; Organisationsberatung, betriebswirtschaftliche Beratung; Personalberatung; Werbung, Werbemittlung;
Klasse 41: Ausbildung, Weiterbildung, Erziehung, Training, Coaching und Unterricht insbesondere auf dem Gebiet der unter Klasse 35 genannten Dienstleistungen; Organisation von Workshops, Seminaren, Vorträgen und Lehrveranstaltungen insbesondere betreffend die unter Klasse 35 genannten Dienstleistungen, wie zu Fragen der unternehmerischen Motivation, der unternehmerischen Vision und der Unternehmens- und Managementkonzepte; Herausgabe und Veröffentlichung von Büchern, Zeitungen, Zeitschriften und Magazinen"
zur Eintragung in das Register angemeldet worden.
Die Markenstelle für Klasse 35 des Patentamts hat die Anmeldung durch Beschluß vom 30. September 1999 sowie die Erinnerung der Anmelderin durch Beschluß vom 30. August 2000 wegen fehlender Unterscheidungskraft und wegen eines Freihaltungsbedürfnisses an einer beschreibenden Angabe gemäß § 37 Abs 1 MarkenG iVm § 8 Abs 2 Nr 1 und 2 MarkenG mit der Begründung zurückgewiesen, "VR" sei die Abkürzung für "virtuelle Realität", englisch "virtual reality". Die "virtuelle Realität" im Sinne einer computersimulierten Wirklichkeit sei ein Themenbereich, der für die verschiedensten Branchen von Interesse und in aller Munde sei. Die VR-Technik der Computersimulation werde nachweislich im Handel und auf zahlreichen Dienstleistungsgebieten bereits angewandt. Demnach könnten sich sämtliche beanspruchte Dienstleistungen mit der "Virtuellen Realität auf dem Gebiet der Marktforschung" befassen.
Die Anmelderin hat Beschwerde eingelegt und das Dienstleistungsverzeichnis der Anmeldung auf Anregung des Senats durch folgenden Zusatz eingeschränkt:
"..., ausgenommen sämtliche vorgenannten Dienstleistungen, soweit sie einen Bezug zu einer "virtuellen Realität" (VR) besitzen, insbesondere mittels Computer-Simulation erbracht werden oder inhaltlichthematisch Computer-Simulationen betreffen."
Sie beantragt, die Beschlüsse des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 30. September 1999 und 30. August 2000 aufzuheben, und vertritt die Ansicht, die angemeldete Marke sei jedenfalls nunmehr nach Einschränkung des Dienstleistungsverzeichnisses eintragbar.
Der Senat hat der Anmelderin mit Zwischenbescheid vom 9. April 2001 einige Fundstellen des Fachbegriffs "Virtuelle Realität", englisch "virtual reality" mit der Abkürzung "VR" zur Kenntnis- und Stellungnahme übersandt.
II Die Beschwerde ist begründet.
Der Senat vermag hinsichtlich der nach der Einschränkung verbliebenen beanspruchten Dienstleistungen nicht festzustellen, daß die als Marke angemeldete Bezeichnung "VR Marktforschung" in ihrer Gesamtheit als beschreibende Angabe gemäß § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG dienen kann; insoweit liegen auch keine Anhaltspunkte für das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG vor.
Bei dem Bestandteil "Marktforschung" der angemeldeten Marke handelt es sich ohne weiteres ersichtlich um eine für sich allein gesehen schutzunfähige, unmittelbar beschreibende Sachbereichsangabe, wie die Anmelderin auch nicht in Frage stellt.
Die Buchstabenfolge "VR" des vorangestellten Bestandteils der Anmeldemarke werden die angesprochenen Verkehrskreise zwar naheliegend als eine Abkürzung auffassen. Eine Abkürzung ist jedoch nur dann freihaltungsbedürftig oder nicht unterscheidungskräftig, wenn sie im Zusammenhang mit den konkret beanspruchten Waren oder Dienstleistungen eine eindeutig im Vordergrund stehende beschreibende, bekannte Bedeutung besitzt (vgl Althammer/Ströbele, Markengesetz, 6. Auflage 2000, § 8 Rdn 100, 121, 63).
"VR" läßt sich als gebräuchliche Abkürzung für zahlreiche - von der Anmelderin teilweise bereits vorgetragene - Begriffe wie "Veranlagungsrichtlinien", "Vorschußrichtlinien", "verantwortlicher Redakteur", "Vereinsregister", "Verteilerregister", "Verkaufsrecht", "Verlagsrecht", "Völkerrecht", "Vorverkaufsrecht", "Verwaltungsrat", "Vorstandsrat", "Volksrepublik", "Vermessungsrat", "Vormundschaftsrichter" etc. lexikalisch nachweisen, die für die im vorliegenden Falle beanspruchten Dienstleistungen als beschreibende Angaben aber offensichtlich nicht in Betracht kommen (vgl H. Koblischke, Lexikon der Abkürzungen, 1994, S 481; Duden, Wörterbuch der Abkürzungen, 4. Auflage 1999, S 317; Wennrich, Angloamerikanische und deutsche Abkürzungen in Wissenschaft und Technik, 1. Ausgabe 1978, Teil 3, S 2175; Wennrich, Internationales Verzeichnis der Abkürzungen und Akronyme der Elektronik, Elektrotechnik, Computertechnik und Informationsverarbeitung, München 1992, Bd 2, S 435; Amkreutz, Abkürzungen der Informationsverarbeitung, 1986, S 641).
"VR" dient aber auch als übliche Abkürzung des modernen informationstechnischen Fachbegriffs "Virtuelle Realität", englisch "virtual reality", der die dreidimensionale Simulation von realen Objekten und Landschaften durch Computer bezeichnet (vgl P. Winkler, M + T Computerlexikon, München 2000, S 808, 813, 880; Geml/Geisbüsch/Lauer, Das kleine Marketing-Lexikon, Düsseldorf 1995, S 388; Schneider, Lexikon Informatik und Datenverarbeitung, 4. Auflage 1998, S 942; Microsoft Press, Computer-Fachlexikon, Ausgabe 2000, S 755, 763; Duden, Wörterbuch der Abkürzungen, aaO; Schulze, Computerkürzel, 1998, S 429; Ernst, Wörterbuch der industriellen Technik, Band II, Englisch-Deutsch, 6. Auflage 2000, S 1486). Der Einsatz dieser VR zielt darauf ab, dem Benutzer eines Computer-Systems den Eindruck zu vermitteln, sich innerhalb des dargestellten Systems zu befinden (vgl Marketing-Lexikon, aaO). Im Bereich Marketing gibt es beispielsweise folgende Anwendungsmöglichkeiten:
- anschauliche Präsentation von materiellen und vor allem immateriellen Produkten (Dienstleistungen);
- optimale Gestaltung von Ausstellungs- und Verkaufsräumen;
- optimale Gestaltung von Messeständen;
- Simulation von Verkaufsgesprächen etc
(vgl Marketing-Lexikon, aaO).
Das eingeschränkte Dienstleistungsverzeichnis der Anmeldung schließt aber nunmehr jeden sachlichen Bezug zur VR im Sinne einer virtuellen Realität aus, so daß der Bestandteil "VR" der Anmeldemarke insoweit keine unmittelbar beschreibende Angabe darstellen kann und von den angesprochenen Verkehrskreisen als unternehmenskennzeichnendes Merkmal, insbesondere als Abkürzung des Firmennamens oder als eine sonstige individuell unternehmensspezifisch gebildete Abkürzung, angesehen werden wird.
Winkler Dr. Hockv. Zglinitzki Cl
BPatG:
Beschluss v. 24.04.2001
Az: 33 W (pat) 246/00
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