Bundesgerichtshof:
Urteil vom 19. April 2016
Aktenzeichen: X ZR 148/11

(BGH: Urteil v. 19.04.2016, Az.: X ZR 148/11)

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des 3. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts vom 28. Juni 2011 abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

Tatbestand

Die Beklagten sind Inhaber des mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 912 898 (Streitpatents), das am 14. Juli 1997 unter Inanspruchnahme einer deutschen Priorität vom 18. Juli 1996 angemeldet worden ist und ein immunologisches Verfahren zur Diagnose oder Therapiekontrolle der Sprue oder Zöliakie betrifft. Das Streitpatent umfasst neun Ansprüche, von denen Anspruch 1 wie folgt lautet:

"Verfahren zur Diagnose oder Therapiekontrolle der Sprue oder Zöliakie, dadurch gekennzeichnet, dass Antikörper gegen Gewebe-Transglutaminase (tTG) aus Körperflüssigkeiten durch eine Immunreaktion mit Gewebe-Transglutaminase (tTG), deren immunreaktiven Sequenzen oder Analoga nachgewiesen werden, wobei die Immunreaktion nicht mit einem Gewebeschnitt eines tierischen oder menschlichen Gewebes durchgeführt wird."

Die Klägerin hat geltend gemacht, der Gegenstand des Streitpatents, insbesondere der Patentansprüche 8 und 9, sei nicht so deutlich offenbart, dass ein Fachmann ihn ausführen könne. Zudem fehle es an der Patentfähigkeit. Die Beklagten sind der Klage entgegengetreten und haben das Streitpatent hilfsweise in der Fassung von fünf Hilfsanträgen verteidigt. Das Patentgericht hat das Streitpatent für nichtig erklärt. Hiergegen wenden sich die Beklagten mit der Berufung, mit der sie den Antrag auf Klageabweisung und die erstinstanzlichen Hilfsanträge weiterverfolgen. Die Klägerin tritt dem Rechtsmittel entgegen.

Als gerichtlicher Sachverständiger hat Prof. Dr. Dr. S. B. , , ein schriftliches Gutachten erstattet, das er in der mündlichen Verhandlung erläutert und ergänzt hat.

Gründe

Die zulässige Berufung der Beklagten hat auch in der Sache Erfolg.

I. Das Streitpatent betrifft ein Verfahren zur Diagnose oder Therapiekontrolle der Zöliakie oder Sprue (im Folgenden nur: Zöliakie).

Nach den Erläuterungen in der Streitpatentschrift war für die Diagnose der Zöliakie und die Verlaufskontrolle unter glutenfreier Diät im Prioritätszeitpunkt die Dünndarm-Biopsie der "Goldstandard". Zunehmend gewännen aber auch nichtinvasive Methoden der Diagnostik an Bedeutung, die auf immunologischen Markern beruhten. Da in den Seren der Zöliakie-Patienten Antikörper (Immunglobuline) der Klassen A (IgA) und G (IgG) vorkämen, die zum einen gegen Gliadin und zum anderen gegen ein Autoantigen des Endomysiums, eines speziellen Bindegewebes, gerichtet seien, könnten die Seren im enzymgekoppelten Immunadsorptionstest (ELISA) auf IgG- und IgA-Antikörper gegen Gliadin sowie durch indirekte Immunfluoreszenz auf IgG- und IgA-Antikörper gegen Endomysium getestet werden. Während Antikörper gegen Gliadin nicht spezifisch genug für die Zöliakie seien, werde für die IgA-Antikörper gegen Endomysium eine hohe Sensitivität und Spezifität berichtet. Für den Immunfluoreszenz-Nachweis würden jedoch Ösophagusschnitte von Primaten benötigt, was als generelle Screeningmethode zu aufwändig sei, einer subjektiven Bewertung unterliege und nicht die Erfassung von Zöliakie-Patienten mit einer IgA-Defizienz erlaube (Abs. 9 und 13).

Nach den weiteren Ausführungen in der Streitpatentschrift existiert kein nichtinvasiver, spezifischer, quantitativer, schnell, leicht und kostengünstig durchzuführender Nachweistest für die Zöliakie und deren Therapiekontrolle (Abs. 14), womit das der Erfindung zugrunde liegende technische Problem bezeichnet ist.

Um einen solchen Test bereitzustellen, wird in Patentanspruch 1 in der erteilten Fassung folgendes Verfahren vorgeschlagen, das sich in Anlehnung an das angefochtene Urteil wie folgt gliedern lässt:

1. Das Verfahren dient der Diagnose oder zur Therapiekontrolle der Zöliakie.

2. Es werden Antikörper gegen Gewebe-Transglutaminase (tTG) aus Körperflüssigkeiten nachgewiesen.

3. Der Nachweis erfolgt durch eine Immunreaktion mit 3.1 Gewebe-Transglutaminase (tTG), 3.2 immunreaktiven tTG-Sequenzen oder 3.3 Analoga 4. Die Immunreaktion wird nicht mit einem Gewebeschnitt eines tierischen oder menschlichen Gewebes durchgeführt.

Ein Analogon im Sinne des Merkmals 3.3 ist eine antigene Struktur (etwa eines Polypeptids oder Proteins), die mit Rezeptoren von Antikörpern gegen Gewebe-Transglutaminase aus Körperflüssigkeiten eine Immunreaktion eingeht und diese dadurch nachweist. Dies erschließt sich dem Fachmann, als der - in Übereinstimmung mit den Ausführungen im angefochtenen Urteil - ein promovierter Diplom-Chemiker der Fachrichtung Biochemie, ein promovierter Diplom-Biomechaniker oder ein promovierter Biologe mit jeweils besonderen Kenntnissen und Erfahrungen auf dem Gebiet der Immunologie sowie auf dem Gebiet der Aufarbeitung von Proteinen anzusehen ist, der mit der Entwicklung von Immuntests oder von Immunreagenzien befasst und vertraut ist, wenn er sich vor Augen führt, dass in den anderen beiden Varianten des erfindungsgemäßen Verfahrens die AntitTG-Antikörper aus Körperflüssigkeit durch eine Immunreaktion mit Gewebe-Transglutaminase oder deren immunreaktiven Sequenzen nachgewiesen werden. Entsprechend muss ein Analogon solcher Sequenzen nach der dritten Variante des erfindungsgemäßen Verfahrens gleichfalls über diese Eigenschaft verfügen. Dieses Verständnis von Patentanspruch 1 wird gestützt durch die Beschreibung des Streitpatents, wonach als tTG-Analoga alle antigenen Strukturen verstanden werden, die mit Antikörpern gegen Gewebe-Transglutaminase eine Immunreaktion eingehen wie z.B. synthetische Peptide (Abs. 20).

II. Das Patentgericht hat den Gegenstand des Streitpatents für nicht patentfähig erachtet und seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:

Bei der Bewertung der Patentfähigkeit des beanspruchten Verfahrens komme es aus Sicht des Fachmanns nicht auf die enzymatische Funktion oder die Herkunft der eingesetzten Reagenzien an, sondern entscheidend sei allein die immunologische Fähigkeit des Reagenzes, mit den im Serum von Zöliakie-Patienten vorhandenen, gegen Gewebe-Transglutaminase gebildeten Antikörpern einen detektierbaren Immunkomplex zu bilden. Demnach seien unter Analoga der Gewebe-Transglutaminase alle antigenen Strukturen bzw. diese enthaltenden Stoffe (Peptide und Proteine) zu verstehen, die mit AntitTG-Antikörpern jedweder Herkunft eine Immunreaktion einzugehen bzw. einen Immunkomplex zu bilden vermöchten.

Dem Gegenstand des Patentanspruchs 1 in der erteilten Fassung des Streitpatents fehle danach die Neuheit. Bereits durch die Veröffentlichung von Mäki, Hällström und Marttinen ("Reaction of human noncollagenous polypeptides with coeliac disease autoantibodies"; The Lancet 338 [1991], 724 f. - K3) und die weitere Veröffentlichung der Autoren Marttinen und Mäki ("Purification of Fibroblast Derived Celiac Disease Autoantigen Molecules"; Pediatric Research 34 [1993], 420-423 - K4) werde das erfindungsgemäße Verfahren vorweggenommen. In der Entgegenhaltung K3 seien gereinigte, nicht von Kollagen stammende Polypeptide aus Fibroblasten fötalen Lungengewebes beschrieben, die spezifisch mit Autoantikörpern von Zöliakie-Patienten reagierten. Diese autoantigenen Polypeptide bänden spezifisch an Autoantikörper gegen Reticulin (ARA) und Endomysium (EMA). Die damit in K3 beschriebene Immunkomplexbildung stelle ein immundiagnostisches Verfahren zur Bestimmung der Zöliakie dar. Ebenso seien in der K4 aufgereinigte autoantigene Polypeptide der Zöliakie aus Humanfibroblasten beschrieben, die aufgrund ihrer immunologischen Funktion an IgA-Antikörper aus Serum von Zöliakie-Patienten bänden. Bei den in der K3 und K4 offenbarten Polypeptiden handele es sich jedenfalls um tTG-Analoga. Denn das Vorliegen korrelierender Testergebnisse, die mit endomysialen Gewebeschnitten einerseits und isolierten Autoantigenen der Zöliakie andererseits erhalten würden, bedeute nichts anderes als das Vorliegen oder Nicht-Vorliegen von IgA- und/oder IgG-Antikörpern gegen Gewebe-Transglutaminase.

Das Verfahren nach Patentanspruch 1 werde auch durch die - lediglich für die Neuheitsprüfung nach Art. 54 Abs. 3 EPÜ heranzuziehende - deutsche Offenlegungsschrift 195 20 480 (K5) offenbart. In der K5 werde ein ELISA zur Diagnose der Zöliakie durch den Nachweis von Antikörpern in Körperflüssigkeiten beschrieben. Als immundiagnostische Reagenzien würden antigene Polypeptide aus Affendünndarm, aus Rattenleber und/oder aus Schafslunge und damit keine Gewebeschnitte eingesetzt, wobei das Vorkommen der von diesen Antigenen spezifisch gebundenen Antikörper mit der Gegenwart von Anti-Endomysium-Antikörpern korreliere. Das bedeute nichts anderes als das Vorliegen oder Nicht-Vorliegen von IgA- und/oder IgG-Antikörpern gegen tTG, deren immunreaktive Sequenzen und Analoga in den untersuchten Körperflüssigkeiten, unabhängig davon, wie dieser Vergleich zwischen endomysealem Gewebe und daraus isolierten Autoantigenen durchgeführt werde.

Das erfindungsgemäße Verfahren sei auch nicht neu gegenüber dem u.a. auf die Erfinder zurückgehenden Abstract von Dieterich et al. (Gut, 4th United European Gastroenterology Week, 17-21 September 1995, A 76 f., Abstract 773 - K6). Die K6 betreffe bereits ausweislich ihres Titels die Charakterisierung von Autoantigenen der Zöliakie mit dem Ziel des Nachweises der gegen diese Antigene aus extrazellulärer Gewebematrix (Extracellular Matrix - ECM) von Endomysium gerichteten Antikörpern von Zöliakie-Patienten. Im Einzelnen seien aus der humanen Fibrosarkom-Zelllinie HT-1080 zwei native Antoantigene der Zöliakie mit Molekulargewichten von 90 und 300 kDa nach Immunpräzipitation mit IgA-Antikörpern aus Seren von Zöliakie-Patienten isoliert und teilweise charakterisiert worden. Die dabei verwendete Immunpräzipitation von IgA-Antikörpern mit Kulturmedium sowie Zelllysat von HT-1080 habe sämtliche Arbeitsschritte einer Immunreaktion und damit eines diagnostischen Verfahrens umfasst. Die 90-kDa-Bande wie auch die 300-kDa-Fraktion hätten zumindest ein autoantigenes Protein der Zöliakie aufgewiesen, das mit gegen Endomysium bzw. die extrazelluläre Gewebematrix gerichteten Antikörpern von Zöliakie-Patienten eine Immunpräzipitation eingehe und damit in seiner immunologischen Funktion mit der im Endomysium lokalisierten Gewebe-Transglutaminase korreliere.

Selbst wenn das erfindungsgemäße Nachweisverfahren in den Entgegenhaltungen K3, K4 und K6 nicht vollständig offenbart sein sollte, sei es jedenfalls durch diese Schriften nahegelegt worden. Der Fachmann habe Anlass gehabt, jede dieser Veröffentlichungen als Ansatzpunkt zur Lösung der Aufgabe zu wählen, einen nichtinvasiven, spezifischen, schnellen und kostengünstigen immunologischen Test zum Nachweis der Zöliakie bereitzustellen, weil die Schriften jeweils konkret auf die Diagnostik der Zöliakie in Korrelation zu endomysialen Gewebeschnitten als Reagenz Bezug nähmen. Das gelte auch für die K6, weil sich schon aus deren Überschrift nicht nur die Charakterisierung der Autoantigene der Zöliakie, sondern auch die immunologische Relevanz für die Diagnostik der Zöliakie erkennen lasse. Ausgehend von der Bezugnahme in dem Abstract auf die Zöliakie-Diagnose anhand des Nachweises von Endomysium mittels entsprechender Gewebeschnitte als diagnostischen Reagenzes habe der Fachmann auch deshalb Anlass gehabt, die K6 als Ausgangspunkt seiner Arbeit an einem Immuntest für Zöliakie zu wählen und gerade diese beiden Antigene dabei als Reagenzien zum Nachweis spezifischer Antikörper in den Körperflüssigkeiten von Zöliakie-Patienten in Betracht zu ziehen, weil es sich bei HT-1080 um eine schnell wachsende, öffentlich verfügbare und standardisierte Zelllinie handele. Ausgehend von den Angaben in der K6 gelinge dem Fachmann nicht nur die Anzucht von Human-Fibroblasten der Zelllinie HT-1080, sondern auch die Aufreinigung der beiden in K6 identifizierten Proteine mit autoantigenen Eigenschaften. Es habe auf der Hand gelegen, diese Proteine in einem üblichen immunologischen Verfahren wie einem ELISA mit Patientensera zur Diagnose der Zöliakie einzusetzen.

Die Nacharbeitung der Lehre der K6 zur Bereitstellung beider dort identifizierter autoantigener Proteine bereite dem Fachmann keine Probleme. Dies gelte auch für die Durchführung der Immunpräzipitation. Eine Präferenz für eine der beiden üblichen Methoden der Immobilisierung von Antikörpern (durch Affinitätsbindung oder durch kovalente Bindung) gehe aus der K6 nicht hervor, deshalb auch nicht zwingend eine Präferenz für eine Affinitätsbindung über Sepharose-Protein A. Die Wahl und selbst eine gegebenenfalls notwendige Durchführung mit nach beiden Methoden immobilisierten IgA-Antikörpern überfordere den Fachmann, der das Ziel durch Vergleichstests stets überprüfbar vor Augen habe, nicht. Auch das Vorliegen zweier Proteine mit autoantigenen Eigenschaften stelle den Fachmann nicht vor Schwierigkeiten, weil beide in der K6 eindeutig beschrieben und unterschiedlich lokalisiert seien. Im Gutachten des italienischen Gerichtssachverständigen Dr. C. G. aus einem den italienischen Anteil des Streitpatents betreffenden, vor dem Tribunale di Roma geführten Patentstreitverfahren sei demgegenüber das Wissen und Können des Fachmanns deutlich zu niedrig angesetzt.

III. Die Beurteilung des Patentgerichts hält der Nachprüfung im Berufungsverfahren nicht stand.

1. Die Verfahrenslehre aus Patentanspruch 1 in der erteilten Fassung ist neu.

a) Sie wird nicht durch die K3 und die K4 vorweggenommen. In der K3 werden zwar sechs gereinigte, aus Fibroblasten fötalen Lungengewebes stammende, nicht kollagene Polypeptide mit einem Molekulargewicht von 18,5 bis 37 kDa beschrieben, die spezifisch mit Autoantikörpern von Zöliakie-Patienten reagieren. Es wird jedoch nicht offenbart, dass es sich bei diesen Polypeptiden um Gewebe-Transglutaminase oder immunreaktive Sequenzen derselben handelt. Infolgedessen ist der Entgegenhaltung auch nicht zu entnehmen, dass die mit ihrem Molekulargewicht identifizierten Polypeptide Epitope aufweisen, die mit Rezeptoren von AntitTG-Antikörpern eine Immunreaktion eingehen. Gleiches gilt für die vier in der K4 beschriebenen, aus fötalem Lungengewebe stammenden, nicht kollagenen und gereinigten Polypeptide mit Molekulargewichten von 17 bis 39,5 kDa. Bei diesen konnte ebenfalls eine spezifische Reaktion mit Autoantikörpern von Patienten mit Zöliakie festgestellt werden, ohne dass die Entgegenhaltung einen Hinweis darauf enthält, dass es sich bei den Polypeptiden gerade um Gewebe-Transglutaminase, immunreaktive Sequenzen derselben oder antigene Strukturen handelt, die mit AntitTG-Antikörpern immunologisch reagieren. Zudem wird in keiner der beiden Vorveröffentlichungen ein Verfahren offenbart, das der Diagnose oder der Therapiekontrolle der Zöliakie dient.

Entgegen der Auffassung des Patentgerichts genügt es für eine Vorwegnahme der erfindungsgemäßen Lehre nicht, dass die aufgefundenen Polypeptide immunreaktive tTG-Sequenzen oder Analoga umfasst haben mögen. Denn Patentanspruch 1 ist nicht auf die Gewebe-Transglutaminase, immunreaktive Sequenzen derselben oder Analoga gerichtet, sondern auf ein Verfahren, bei dem Antikörper gegen Gewebe-Transglutaminase nachgewiesen werden. Ein Verfahren zum Nachweis von Antikörpern gegen Gewebe-Transglutaminase wird jedoch nicht offenbart, wenn weder Antigen noch Antikörper identifiziert sind und daher nicht AntitTG-Antikörper nachgewiesen werden, sondern nur eine zöliakiespezifische Immunreaktion aufgezeigt wird.

b) Die Verfahrenslehre aus Patentanspruch 1 in der erteilten Fassung geht auch nicht aus der K5 hervor, die nach Art. 54 Abs. 3 EPÜ für die Neuheitsprüfung zu berücksichtigen ist. Danach wird zwar ein Test zur Diagnose von Zöliakie anhand der Bestimmung von Antikörpern in Seren von Patienten mit Zöliakie vorgeschlagen, bei dem als immundiagnostische Reagenzien antigene Polypeptide aus Affendünndarm, aus Rattenleber und/oder aus Schafslunge verwendet werden. Auch die K5 offenbart jedoch nicht, dass es sich bei diesen Polypeptiden um Gewebe-Transglutaminase, immunreaktive Sequenzen derselben oder antigene Strukturen handelt, die mit AntitTG-Antikörpern immunologisch reagieren.

c) Das erfindungsgemäße Verfahren ist schließlich auch neu gegenüber der u.a. auf die Erfinder des Streitpatents zurückgehenden Zusammenfassung (Abstract) K6. In der K6 wird zwar angegeben, dass unter Verwendung der mesenchymalen humanen Zelllinie HT-1080 und mittels Immunopräzipitation zwei native Autoantigene der Zöliakie mit einem scheinbaren Molekulargewicht von 90 kDa (zellassoziiert) und von 300 kDa (ins Medium freigesetzt) identifiziert worden seien. Die Proteine werden jedoch nicht näher charakterisiert, und es wird kein Verfahren aufgezeigt, welches der Diagnose oder Therapiekontrolle der Zöliakie dient. Es bleibt damit offen, ob eines der beiden als "identifiziert" bezeichneten Autoantigene zur Herbeiführung einer Immunreaktion im Rahmen eines solchen Diagnose- oder Therapiekontrollverfahrens geeignet ist.

2. Die Verfahrenslehre aus Patentanspruch 1 beruht auch auf einer erfinderischen Tätigkeit, weil sie sich für den Fachmann nicht in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik ergab.

a) Dem Patentgericht kann nicht in der Annahme beigetreten werden, der Fachmann, der zum Prioritätszeitpunkt bestrebt war, einen nichtinvasiven, spezifischen und empfindlichen Nachweistest für die Zöliakie zu entwickeln, habe die K6 als Ausgangspunkt für seine Arbeiten gewählt. Verhandlung und Beweisaufnahme haben keine hinreichende Anhaltspunkte dafür erbracht, dass der Fachmann Anlass hatte, seine Bemühungen in der Erwartung, die in dem Abstract berichteten Ergebnisse nacharbeiten zu können und auf diese Weise ein für die Entwicklung eines Nachweisverfahrens geeignetes Autoantigen in die Hand zu bekommen (vgl. zur hinreichend begründeten Erfolgserwartung als Kriterium für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit BGH, Urteil vom 15. Mai 2012 - X ZR 98/09, GRUR 2012, 803 Rn. 46 - Calcipotriol-Monohydrat), auf die Identifizierung der in der K6 nur mit ihrem Molekulargewicht bezeichneten Proteine zu richten.

(1) Der Abstract bemerkt einleitend, dass die molekularen Mechanismen noch immer unbekannt seien, obwohl Gliadin offensichtlich bei der Pathogenese von Zöliakie beteiligt sei. Außerdem scheine Zöliakie mit intestinalen T-Zell-Lymphomen assoziiert zu sein. Das Serum unbehandelter Patienten enthalte IgG- und IgA-Antikörper, die mit der extrazellulären Matrix (ECM) normaler menschlicher Zellen reagierten. Für die Zöliakiediagnose würden Antikörper gegen Endomysium, Retikulin und Gliadin durch indirekte Immunfluoreszenz oder ELISA nachgewiesen. Insbesondere der IgA-Endomysium-Antikörper sei hochsensitiv und stehe in Beziehung zu den aktiven Zöliakiephasen. Bis jetzt seien jedoch die Zielantigene nicht identifiziert worden, möglicherweise, weil sie durch Western-Blot-Verfahren nicht nachweisbar seien. Insoweit wird der Stand der Technik wiedergegeben, wie er dem Fachmann insbesondere aus den Entgegenhaltungen K3 und K4 bekannt war.

(2) In dem Abstract wird sodann berichtet, dass zum Zweck der Identifizierung der ECM-Antigene HT-1080-Zellen von menschlichem Fibrosarkom mit S-Methionin metabolisch markiert und das Kulturmedium sowie das Zelllysat mit IgA-Antikörpern von Zöliakie-Patienten immunopräzipitiert worden seien. Bei der SDS-PAGE/Autoradiographie seien zwei Proteine mit einem scheinbaren Molekulargewicht von 90 kDa (zellassoziiert) und einem Molekulargewicht von 300 kDa (ins Medium freigesetzt) identifiziert worden. Ausreichende Mengen der Proteine würden gegenwärtig isoliert, um Informationen zur Primärsequenz zu erhalten. Als Schlussfolgerung wird wiedergegeben, dass unter Verwendung der mesenchymalen humanen Zelllinie HT-1080 und mittels Immunopräzipitation zwei native Autoantigene der Zöliakie identifiziert worden seien.

(3) Die Entgegenhaltung K6 enthält damit zwar die Behauptung, es sei nunmehr gelungen, zwei native Autoantigene der Zöliakie zu identifizieren. Der Fachmann erhielt aus dem Abstract jedoch keinerlei nähere Informationen, aufgrund derer er abschätzen konnte, ob diese Behauptung tatsächlich zutraf (was objektiv nicht oder nur zum Teil der Fall war, da sich später zeigte, dass es sich bei einem der beiden vermeintlichen Autoantigene der Zöliakie um Fibronectin handelte). Da ausgeführt wird, gegenwärtig würden zur Bestimmung der Primärsequenz ausreichende Mengen der Proteine isoliert, wird unmittelbar deutlich, dass von einer Identifizierung zweier nativer Autoantigene im strengen Sinne noch keine Rede sein konnte; der gerichtliche Sachverständige spricht in seinem schriftlichen Gutachten dementsprechend anschaulich davon, die Autoren lehnten sich mit dieser Bemerkung "sehr weit aus dem Fenster". In dem offenbar gemeinten weiteren Sinne war die Identifizierung von zöliakiespezifischen Antigenen jedoch auch bereits in der K3 und in der K4 ("We have identified extracellular matrix noncollagenous protein molecules that specifically react with CD patient sera IgA", K4 S. 420 li. Sp.) berichtet worden, ohne dass bislang tatsächlich solche Antigene näher charakterisiert worden wären.

(4) Dieser Umstand wiegt um so schwerer, als der K6, ihrem Charakter als Abstract und eine Art "Zwischenbericht" über die nach Einschätzung der Autoren bisher erzielten Ergebnisse entsprechend, keinerlei Einzelheiten über Anlage und Durchführung der Untersuchungen zu entnehmen waren. Der "Zwischenbericht" konnte demgemäß auch nicht Gegenstand einer kritischen Prüfung auf die Wahrung wissenschaftlicher Standards gewesen sein, wie sie bei einer "Originalarbeit" zu erwarten war, und aus dem Umstand, dass ein verheißungsvolles Ergebnis angekündigt wurde, war mithin nicht zu schließen, dass sich dieses Ergebnis tatsächlich verifizieren ließ. Der Fachmann, der die Verfahrensschritte nacharbeiten wollte, hätte zudem die konkreten Bedingungen für Versuchsaufbau und Durchführung erst selbst festlegen und damit das Risiko eingehen müssen, auch aufgrund abweichender Bedingungen zu anderen Ergebnissen zu gelangen, als sie in der K6 genannt werden.

Hinzu kommt, dass der Abstract auch hinsichtlich der Ergebnisse der durchgeführten Verfahren nur wenige Informationen enthält. Weder ist die erwähnte Autoradiographie des immunpräzipitierten Zelllysats aus HT-1080-Zellen nach der Trennung durch Gelelektrophorese in der K6 wiedergegeben, noch enthält der Abstract nähere Angaben zur Reaktivität der Antigene mit den Seren von Zöliakie-Patienten. Zudem fehlen Angaben, ob die angegebene Reaktivität der Proteine mit einem Molekulargewicht von 90 und 300 kDa mit Zöliakieseren durch fehlende Reaktivität mit Seren von gesunden Erwachsenen oder Patienten mit anderen Erkrankungen validiert wurde.

(5) Bei der in der K6 zur Identifizierung der Ziel-Antigene vorgeschlagenen Immunpräzipitation des aus der HT-1080-Zelllinie gewonnenen Zelllysats mit IgA-Antikörpern von Patienten mit aktiver Zöliakie war für den Fachmann aufgrund der Polyklonalität der Patientenseren zudem nicht absehbar, ob er die Ziel-Antigene mit hinreichend gesicherter Aussicht auf Erfolg und in erforderlichen Mengen reproduzieren konnte. Da polyklonale Seren - anders als ein definierter monoklonaler Antikörper - in der Regel gegen verschiedene Epitope gerichtet sind, musste er vielmehr mit einer je nach Patient unterschiedlichen Bandbreite an Reaktivitäten oder gegebenenfalls Kreuzreaktivitäten rechnen. Es war daher nicht unwahrscheinlich, dass bei Nacharbeitung des in der K6 nur allgemein beschriebenen Verfahrens mehr als ein Protein mit 90 oder 300 kDa präzipitiert werden würde oder - mit anderen Worten - auch ganz andere Antigene als die Zielantigene erhalten würden, zumal durch die in der K6 vorgeschlagene Gelelektrophorese gerade auch sehr geringe Mengen präzipitiertes Protein erfasst werden konnten. Dieses Risiko wurde nicht dadurch ausgeschlossen, dass die beiden Zielantigene in der K6 mit ihrem Molekulargewicht von 90 und 300 kDa charakterisiert werden, weil derartige Gewichtsangaben als alleiniges Kriterium nicht hinreichend sind, um Proteine sicher zu identifizieren.

(6) Gegen die Annahme, die Entgegenhaltung K6 habe dem Fachmann eine hinreichend begründete Erfolgserwartung vermittelt, spricht vor diesem Hintergrund weiter, dass in der K6 nicht begründet wird, weshalb als Ausgangsmaterial, aus dem die Autoantigene gewonnen worden sein sollen, kein gesundes humanes Gewebe gewählt wurde, sondern die Zelllinie HT-1080 von menschlichem Fibrosarkom, die zum Prioritätszeitpunkt bereits über 20 Jahre alt war.

Nach den überzeugenden Erläuterungen des gerichtlichen Sachverständigen war für den Fachmann, der einen spezifischen und sensitiven Test zur Diagnose der Zöliakie durch Immunreaktion entwickeln wollte, die Auswahl des richtigen Ausgangsmaterials (Ressource) zur Gewinnung des für einen Bioassay benötigten Antigens von großer Bedeutung. Dabei bot es sich für ihn primär an, humanes Gewebematerial zu wählen, das idealer-, aber nicht notwendigerweise aus Dünndarmproben stammt. Entsprechend wird auch in wissenschaftlichen Veröffentlichungen aus den letzten fünf Jahren vor dem Prioritätstag des Streitpatents humanes Gewebe als Ressource für die Immunreaktion mit Autoantikkörpern von Zöliakie-Patienten verwendet, wie in den Publikationen von Mäki/Hällström und Marttinen sowie Marttinen und Mäki (K3 und K4) fötales Lungengewebe und in einem Untersuchungsbericht von Volta et al. ("IgA antiendomysial antibodies on human umbilical cord tissue for celiac disease screening. Save both money and monkey", Digestive diseases and sciences. 1995, 1902 ff.; vgl. auch Streitpatent, Abs. 9) humane Nabelschnüre. Lediglich in der vor der Priorität des Streitpatents angemeldeten, aber nicht veröffentlichten deutschen Offenlegungsschrift K5 wird die Verwendung von Affendünndarm vom Rhesusaffen oder Orang-Utan, von Rattenleber oder Schafslunge vorgeschlagen. Zwar handelt es sich auch bei den in der K6 für die Immunreaktion mit IgA-Antikörpern ausgewählten HT-1080-Zellen von Fibrosarkom um humanes Zellmaterial. Gegen deren Verwendung sprach jedoch, dass es Tumorzellen sind und der Fachmann auf derart veränderte Zellen als Ausgangsmaterial für das Zielantigen zum immunologischen Nachweis von Zöliakie nur dann zurückgegriffen hätte, wenn sichergestellt gewesen wäre, dass mit der Tumoreigenschaft der Zellen - im Vergleich zu gesundem humanen Gewebe - keine Komplikationen im Hinblick auf die angestrebte Immunreaktion zu erwarten waren. Dass dies, etwa durch entsprechende Testverfahren (vgl. die Nachveröffentlichung Dieterich, Ehni, Bauer, Donner, Volta, Riecken und Schuppan in Nature Medicine 1997, 797, li. Spalte, letzter Abs. - K83) überprüft worden war, ergab sich für den Fachmann jedoch weder aus allgemeinen fachlichen Erwägungen noch aus der K6 selbst, in der die Auswahl von HT-1080-Zellen von Fibrosarkom als Ressource nicht begründet wird. Bedenken gegen die Verwendung von HT-1080-Zellen als Ausgangsmaterial folgten auch daraus, dass es sich zum Prioritätszeitpunkt des Streitpatents um eine über 20 Jahre alte Zelllinie handelte, die bereits vielfach passagiert worden war. Der demgegenüber mit der humanen Fibrosakom-Zelllinie HT-1080 verbundene Vorteil, dass aufgrund der Proliferationsfähigkeit der Zelllinie potentiell eine beliebig große Zellmenge für eine Sequenzierung der isolierten und aufgereinigten IgA-reaktiven Antigene zur Verfügung stand, fiel für die Auswahlentscheidung solange nicht ins Gewicht, wie deren grundsätzliche Eignung für eine Reaktion mit IgA-Antikörpern in Patientenserum nicht hinreichend geklärt war, und hierzu konnte der Fachmann der K6 nichts entnehmen.

Das Fehlen einer Begründung für die Entscheidung, HT-1080-Zellen als Ausgangsmaterial zu wählen, wurde auch nicht dadurch kompensiert, dass unter den sechs als Autoren der K6 aufgeführten Wissenschaftlern an vierter Stelle Umberto Volta genannt ist, der bereits als Koautor des (oben genannten) im Jahre 1995 veröffentlichten Untersuchungsberichts sowie einer Vielzahl von weiteren Publikationen auf diesem Gebiet in Erscheinung getreten war. Auch wenn Professor Volta, wie die Klägerin vorträgt, zum Prioritätstag des Streitpatents einer der weltweit führenden Meinungsbildner auf dem Gebiet der Immunologie von Zöliakieerkrankungen gewesen sein mag, wäre es doch aus fachlicher Sicht rein spekulativ gewesen, aus seiner Nennung als Koautor des Abstracts Schlüsse auf die Verlässlichkeit der dort berichteten Ergebnisse zu ziehen.

(7) Gegen die Wahl der K6 als Ausgangspunkt für die Entwicklung eines immunreaktiven Verfahrens zum Nachweis von Zöliakie sprach schließlich auch, dass dem Fachmann aus damaliger Sicht mit der K3/K4 ein vergleichsweise aussichtsreicher Ansatz zur Verfügung stand. Im Abstract der K4 wird (unter Bezugnahme auch auf die Ergebnisse der K3) davon berichtet, dass insgesamt elf gereinigte und mit ihrem Molekulargewicht bestimmte Autoantigen-Polypeptide aus der nichtkollagenen Matrix-Zone von fötalem Lungengewebe "entdeckt" worden seien, die mit IgA-Serum von Zöliakie-Patienten reagiert hätten. Damit wurden zwar auch in der K3/K4 IgA-Seren verschiedener Zöliakie-Patienten für die Immunpräzipitation eingesetzt, so dass die Reproduzierbarkeit von Autoantigenen in hinreichender Menge und Reinheit aufgrund der Polyklonalität genauso wenig abschätzbar war wie bei der K6. Gegenüber der K6 hatten die K3/K4 jedoch den Vorzug, dass nicht kanzerogen verändertes humanes Gewebe als Ausgangsmaterial gewählt wurde. In der K3/K4 wird zudem das Verfahren zur Identifizierung der Autoantigene konkret in seinen einzelnen Schritten (vgl. in K4, S. 420 re. Sp. unter "Materials and Methods") und Ergebnissen (K4, S. 421 unter "Results"; zur Reaktivität der 11 "entdeckten" Autoantigen-Polypeptide vgl. auch K4, Figuren 3 und 4) beschrieben. Auch lässt sich der K4 entnehmen, dass die antigene Spezifität der Polypeptide durch ELISA unter Verwendung von zehn Kindern mit unbehandelter Zöliakie und zehn Testpersonen ohne Zöliakie bestätigt worden seien (K4, S. 422, li. Sp. vorletzter vollständiger Abs.). Alle diese Angaben erleichterten dem Fachmann nicht nur die praktische Nacharbeitung der beschriebenen Verfahren, sondern vermittelten ihm auch eine größere Sicherheit, dass er die Verfahren erfolgreich würde nacharbeiten können. Die eher kleine Zeitspanne von zwei Jahren zwischen der Veröffentlichung der K4 im Jahr 1993 und der K6 im Jahr 1995 stand dieser Erfolgserwartung nicht entgegen, zumal der Prioritätstag des Streitpatents nur ein knappes Jahr später liegt.

Die rechtliche Verfügbarkeit des in der K3/K4 offenbarten Ausgangsmaterials (fötales Lungengewebe) wurde durch die 1991 veröffentlichten "Richtlinien zur Verwendung fetaler Zellen und fetaler Gewebe" der zentralen Kommission der Bundesärztekammer zur Wahrung ethischer Grundsätze in der Reproduktionsmedizin, Forschung an menschlichen Embryonen und Gentherapie nicht ausgeschlossen. Die Richtlinien sehen zwar in Nr. 4.8 vor, dass experimentelle Forschungen und Heilversuche, die Untersuchungen an oder mit fetalen Zellen oder fetalen Geweben zum Gegenstand haben, einer öffentlichrechtlichen Ethikkommission zur Beurteilung vorgelegt werden müssen und die Ethikkommission sich unter anderem zu vergewissern hat, dass die gewünschten Erkenntnisse nicht auf eine andere Weise gewonnen werden können (Deutsches Ärzteblatt 88, Heft 48, 28. November 1991, A-4296, A-4298, Nr. 4.8 - K81). Diese Voraussetzungen sind jedoch im vorliegenden Fall nicht gegeben, weil der Fachmann aus damaliger Sicht den in der K6 allgemein beschriebenen Ansatz für ein Verfahren zur Diagnose von Zöliakie als weniger erfolgversprechend angesehen hat als den, der in der K3/K4 aufgezeigt wurde.

b) Ausgehend von der K3/K4 war die Lehre aus Patentanspruch 1 des Streitpatents nicht naheliegend. Nach diesen Entgegenhaltungen wurde aus fötalem Lungengewebe ein Proteinkomplex synthetisiert und sekretiert, der mit IgA von Zöliakie-Patienten reagiert und daraus insgesamt elf Monokomponenten-Polypeptide mit einem Molekulargewicht von 17 bis 39,5 kDA identifiziert, die mit IgA aus Serum von Kindern mit Zöliakie reagierten (K4, S. 420, li. Sp.). Eine Anregung, nach Gewebe-Transglutaminase, einer Sequenz derselben oder einem Analogon zu forschen, war dem nicht zu entnehmen. Zudem wird in der K4 im Hinblick auf eine wissenschaftliche Vorveröffentlichung ausgeführt, dass das dort beschriebene, aus einem seltenen Hauttumor extrahierte epitheliale, extrazelluläre 90-kDa-Glycoprotein nicht das Antigen zu sein scheine, das durch Anti-Retikulin-Antikörper (ARA) erkannt werde (K4, S. 422, re. Sp. unten). Zwar ergibt sich daraus keine Aussage zur Reaktivität des Proteins mit Anti-Endomysium-Antikörper. Eine Motivation in diese Richtung zu forschen, folgte daraus aber auch nicht. Vielmehr wurde der Fachmann durch die K3/K4 allein dazu veranlasst, seine Forschung auf die elf identifizierten Monokomponenten-Polypeptide mit den genannten Molekulargewichten von 17 bis 39,5 kDa auszurichten.

IV. Ohne Erfolg macht die Klägerin ferner geltend, der Gegenstand der Patentansprüche 8 und 9 sei nicht so deutlich und vollständig offenbart, dass ein Fachmann ihn ausführen könne.

Nach der Rechtsprechung des Senats ist es hinreichend, wenn dem Fachmann ein nacharbeitbarer Weg zur Ausführung der Erfindung offenbart wird (BGH, Urteil vom 11. Mai 2010 - X ZR 51/06, GRUR 2010, 901 Rn. 36 - Polymerisierbare Zementmischung; Urteil vom 10. November 2015 - X ZR 88/13, Rn. 24). Dies ist hier hinsichtlich der Patentansprüche 1 bis 7 der Fall, da dem Fachmann in der Beschreibung des Streitpatents ein Protein mit der enzymatischen Funktion einer Transglutaminase aus dem Lebergewebe eines Meerschweinchens offenbart wird, das erfolgreich als Reagenz in einem immunologischen Verfahren zur Diagnose und Verlaufskontrolle der Zöliakie eingesetzt wurde (Abs. 46 ff.), wie auch das Patentgericht nicht verkannt hat. Die Beschreibung hat den Fachmann zudem in die Lage versetzt, mittels im Handel erhältlicher Gewebe-Transglutaminase aus Meerschweinchen ein oral zu verabreichendes Mittel zur Behandlung von Patienten mit Zöliakie bereitzustellen bzw. zu verwenden, wie das Patentgericht ebenfalls zutreffend hinsichtlich der Patentansprüche 8 und 9 ausgeführt hat. Dem Fachmann war es damit zudem möglich, immunreaktive tTG-Sequenzen und Analoga für ein Verfahren zur Diagnose und Therapiekontrolle von Zöliakie und auf ihre Eignung als orales pharmazeutisches Mittel zu deren Behandlung hin zu untersuchen.

V. Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 Abs. 2 PatG, § 91 Abs. 1 ZPO.

Meier-Beck Grabinski Hoffmann Schuster Deichfuß Vorinstanz:

Bundespatentgericht, Entscheidung vom 28.06.2011 - 3 Ni 10/10 (EU) -






BGH:
Urteil v. 19.04.2016
Az: X ZR 148/11


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/37daf680d072/BGH_Urteil_vom_19-April-2016_Az_X-ZR-148-11




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