Bundespatentgericht:
Beschluss vom 22. Februar 2001
Aktenzeichen: 25 W (pat) 147/00
(BPatG: Beschluss v. 22.02.2001, Az.: 25 W (pat) 147/00)
Tenor
Auf die Beschwerde der Inhaberin der angegriffen Marke wird der Beschluß des Deutschen Patent- und Markenamts vom 23. August 2000 in der Hauptsache aufgehoben und der Widerspruch aus der Marke 1 185 488 zurückgewiesen.
Gründe
I.
Die Bezeichnung MUCOTUS ist am 27. Januar 1998 für die Waren "pharmazeutische Erzeugnisse" in das Markenregister eingetragen worden. Die Veröffentlichung der Eintragung erfolgte am 28. Februar 1998.
Widerspruch erhoben hat die Inhaberin der am 10. August 1992 für "pharmazeutische und veterinärmedizinische Erzeugnisse sowie Präparate für die Gesundheitspflege, Arzneimittel" eingetragenen Marke 1 185 488 MUCOS.
Die Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patent- und Markenamts hat in einem Beschluß eine Verwechslungsgefahr bejaht und die Löschung der angegriffenen Marke angeordnet. Auszugehen sei von einer etwas unterdurchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke, da diese sich von "Muc-, Muko-, Muco- (lateinisch "mucus" für "Schleim, Schleimhaut") ableite und kaum verfremdet sei. Wegen der möglichen Warenidentität seien hohe Anforderungen an den Markenabstand zu stellen. Diesen werde die jüngere Marke, die vollständig in der Widerspruchsmarke enthalten sei, in klanglicher Hinsicht nicht gerecht, da auch die gemeinsamen verbrauchten Bestandteile "Muco" bei der Bewertung des Gesamteindrucks mit zu berücksichtigen seien und die Betonungen der Markenwörter auf "Mucos" bzw "Mutus" lägen, während die in der jüngeren Marke zusätzlich enthaltene Silbe "co" als unbetonte Zwischensilbe kaum wahrgenommen werde.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Inhaberin der angegriffenen Marke mit dem (sinngemäßen) Antrag, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und den Widerspruch zurückzuweisen.
Der bestehenden Kennzeichnungsschwäche der Widerspruchsmarke sei nicht genügend Rechnung getragen worden. Unabhängig davon unterschieden sich die Marken signifikant. Gegenüber der relativen Kürze und Prägnanz der Widerspruchsmarke erlange die jüngere Marke durch die zusätzliche Silbe ein deutlich anderes Gepräge. Diese werde als dreisilbiges Zeichen wahrgenommen, die Ältere dagegen, auch durch den Sprenglaut in der Wortmitte, als knappe zweisilbige Marke.
Die Widersprechende beantragt, die Beschwerde der Inhaberin der angegriffenen Marke zurückzuweisen.
Das DPMA habe zu Recht in dem angefochtenen Beschluß eine Verwechslungsgefahr bejaht. Die jüngere Marke weise selbst bei einer unterstellten unterdurchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke eine zu große klangliche Ähnlichkeit auf, da eine Warenidentität möglich und die allgemeinen Verkehrskreise maßgeblich seien. Insbesondere erlange die angegriffene Marke durch eine zusätzliche Silbe kein deutlich anderes Gepräge, weil die Silben "cotus" der Endsilbe der Widerspruchsmarke "cos" sehr nahe kämen. Die zusätzliche Silbe in der jüngeren Marke führe deshalb nicht zu einer signifikanten Abweichung des Gesamteindrucks, zumal der Markenvergleich aufgrund eines undeutlichen Erinnerungsbildes erfolge und nicht davon auszugehen sei, daß die angesprochenen allgemeinen Verkehrskreise einen etwa beschreibenden Sinngehalt der Markenwörter wahrnehmen würden.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die angefochtenen Beschlüsse sowie die Schriftsätze der Beteiligten Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde der Inhaberin der angegriffenen Marke ist zulässig, insbesondere statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt, § 66 Abs 1 Satz 1, Abs 2 MarkenG.
Die Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg. Es besteht nach Auffassung des Senats keine Verwechslungsgefahr zwischen den jeweiligen Marken im Sinne von § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG, so daß der angefochtene Beschluß in der Hauptsache aufzuheben und der Widerspruch zurückzuweisen war (§§ 42 Abs 2 Nr 1, 43 Abs 2 Satz 2 MarkenG).
Der Senat geht davon aus, daß der Widerspruchsmarke nur eine unterdurchschnittliche Kennzeichnungskraft und ein eingeschränkter Schutzumfang zuzubilligen ist. Denn das Wort "MUCOS" ist von dem medizinischen Fachbegriff "Mucus" für "Schleim" abgeleitet und lehnt sich sehr eng an den, in medizinischen Fachbezeichnungen wie zB mucosus, Mukolyse, Mukositis, Mukoviszidose und Mukotomie verwendeten Wortbestandteil "Muco" (Muko) für "Schleim-", "Schleimhaut" an (vgl Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch, 255. Aufl, Stichwort "Muko"). Da die Widerspruchsmarke nach der maßgeblichen Registerlage auch für ein schleimlösendes Arzneimittel - ein Mukolytikum - verwendet werden kann, weist diese eine deutlich warenbeschreibenden Charakter auf, der sich wegen des hiermit verbundenen Originalitätsmangels schwächend auf die Kennzeichnungskraft auswirkt. Dies bestätigt auch die Vielzahl der in Klasse 5 des Markenregisters eingetragenen Drittmarken anderer Unternehmer mit dem Wortbestandteil "Muco" bzw "Muko" (zur Bedeutung der Registerlage Althammer/Ströbele, MarkenG, 6. Aufl, § 9 Rdn 144; BGH GRUR 1999, 241; 243 - Lions; BGH GRUR 1967, 246, 250 und 251 - Vitapur).
Entgegen der Ansicht der Widersprechenden steht der hiermit verbundenen Annahme einer unterdurchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke auch nicht entgegen, daß vorliegend mangels Festschreibung einer Rezeptpflicht im Warenverzeichnis nicht nur Fachkreise angesprochen sind, sondern auch medizinische Laien uneingeschränkt als maßgebliche Verkehrskreise mit zu berücksichtigen sind. Denn auch ein beachtlicher Teil der allgemeinen Verkehrskreise können den beschreibenden Sinngehalt der Widerspruchsmarke aufgrund der im Zusammenhang mit Schleim oder Schleimhaut verwendeten Fachbegriffe erkennen. Zudem sind sie an eine Reihe vergleichbar gebildeter Marken gewöhnt, da "Muco" sehr häufig auch als beschreibender Wortbestandteil in benutzten Arzneimittelkennzeichnungen anderer Unternehmer verwendet wird. Allein das Arzneimittelverzeichnis Rote Liste 2000 weist insoweit über 15 entsprechend gebildete Präparatebezeichnungen zur Hauptgruppe 24 Antitussiva / Expektorantia auf. Die Tatsache, daß sich die genaue Wortbedeutung des medizinischen Begriffs regelmäßig nur dem Fachmann erschließt, steht deshalb der Annahme einer ursprünglichen unterdurchschnittlichen Kennzeichnungskraft nicht entgegen. Umstände für eine durch intensive Benutzung erworbene gesteigerte Verkehrsbekanntheit und hiermit verbundene nachträgliche Steigerung des Schutzumfanges der Widerspruchsmarke sind weder behauptet noch ersichtlich.
Nach der vorliegend maßgeblichen Registerlage können sich die Marken auf identischen Waren begegnen, für die mangels Festschreibung einer Rezeptpflicht in den Warenverzeichnissen Laien als angesprochene Verkehrskreise uneingeschränkt zu berücksichtigen sind. Auch insoweit ist allerdings davon auszugehen, daß grundsätzlich nicht auf einen sich nur flüchtig mit der Ware befassenden, sondern auf einen durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Verbraucher abzustellen ist, dessen Aufmerksamkeit je nach Art der Ware oder Dienstleistung unterschiedlich hoch sein kann (vgl BGH MarkenR 2000, 140, 144 ATTACHÉ / TISSERAND; BGH GRUR 1998, 942, 943 li Spalte - ALKA-SELTZER; EuGH MarkenR 1999, 236, 239 unter 24. - Lloyd / Loints) und der insbesondere allem, was mit der Gesundheit zusammenhängt eine gesteigerte Aufmerksamkeit beizumessen pflegt (vgl BGH GRUR 1995, 50, 53 - Indorektal / Indohexal).
Unter Berücksichtigung dieser Umstände sind an den zur Vermeidung einer Verwechslungsgefahr im Sinne des § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG erforderlichen Markenabstand jedenfalls keine strengen Anforderungen zu stellen. Diesen wird die angegriffene Marke nach Auffassung des Senats in jeder Hinsicht noch gerecht.
Hierbei ist zunächst entgegen einer bloß formalen Betrachtungsweise von wesentlicher Bedeutung, daß sich die Markenwörter in klanglicher Hinsicht nicht nur in den zusätzlichen Lauten "tu" der jüngeren Marke unterscheiden, sondern bereits dadurch, daß die dreisilbige jüngere Marke (Mucotus) einen deutlich abweichenden Sprech- und Betonungsrhythmus zur der Widerspruchsmarke (mucos) aufweist. Dieser wird insbesondere angesichts der klanglich gut erfaßbaren Wörter und relativen Kürze der Widerspruchsmarke nicht unbemerkt bleiben. Es kommt hinzu, daß die jüngere Marke in der Schlußsilbe mit dem Konsonanten "t" einen markanten Anlaut enthält, der in der Widerspruchsmarke keine Entsprechung findet und der mit dem folgenden, zusätzlichen Vokal "u" selbst bei ungünstigeren Übermittlungsbedingungen oder einer weniger artikulierten Aussprache wahrgenommen wird. Die klanglichen Abweichungen in ihrer Gesamtheit sorgen danach für eine hinreichende Differenzierung des jeweiligen Gesamteindrucks der Wörter und gewährleisten als unterscheidende und dominierende Elemente (vgl hierzu EuGH GRUR 1998, 387, 390 - Springende Raubkatze; MarkenR 1999, - Lloyd / Loints) ihr sicheres Auseinanderhalten. Dies gilt auch dann, wenn man berücksichtigt, daß die Verkehrsauffassung erfahrungsgemäß eher von einem undeutlichen Erinnerungsbild bestimmt wird (st Rspr, vgl EuGH MarkenR 1999, 236, 239 - Lloyd / Loints).
Ebenso halten die Wörter im schriftbildlichen Markenvergleich in jeder verkehrsüblichen Wiedergabeform wegen der deutlich abweichenden Buchstabenkontur und Wortlänge einen ausreichenden Abstand ein, wobei in Normalschrift oder bei handschriftlicher Wiedergabe die in der jüngeren Marke zusätzlich enthaltene Oberlänge eine weitere Unterscheidungshilfe bietet. Ein hinreichend sicheres Auseinanderhalten der Wörter ist deshalb auch in ihrem bildlichen Gesamteindruck gewährleistet, zumal das Schriftbild erfahrungsgemäß sehr viel besser eine ruhige oder auch wiederholte Wahrnehmung der Bezeichnung gestattet als das schnell verklingende gesprochene Wort.
Schließlich fördert auch der in beiden Marken identisch enthaltene Indikationshinweis "Muco" unter keinem Gesichtspunkt die Annahme einer Verwechslungsgefahr. Denn ein warenbeschreibender Bedeutungsgehalt wie "Muco", dem Ausdruck zu geben auch den Mitbewerbern unbenommen bleiben muß und der als solcher keine markenmäßige Funktion ausübt, nimmt nicht am markenrechtlichen Schutz teil und begründet keine Verbietungsrechte (vgl Althammer/Ströbele, Markenrecht, 6. Aufl, § 9 Rdn 160, 185). Der Schutzbereich entsprechend gebildeter Marken bestimmt sich vielmehr nach der speziellen Wortform, welche über den beschreibenden Gehalt hinaus kennzeichnend wirkt.
Nach alledem erweist sich die Beschwerde der Inhaberin der jüngeren Marke als begründet, so daß der Widerspruch zurückzuweisen war.
Zu einer Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen bot der Streitfall keinen Anlaß, § 71 Abs 1 MarkenG.
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BPatG:
Beschluss v. 22.02.2001
Az: 25 W (pat) 147/00
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