Landgericht Köln:
Urteil vom 17. Juli 2013
Aktenzeichen: 28 O 695/11

(LG Köln: Urteil v. 17.07.2013, Az.: 28 O 695/11)

Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger EUR 10.599,21 nebst Zinsen i. H. v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 14.04.2011 zu zahlen.

2. Die Beklagte wird ferner verurteilt, dem Kläger Auskunft darüber zu erteilen, welche Beiträge des Klägers, die die Beklagte zwischen dem 01.02.2010 und dem 31.01.2011 veröffentlichte, sie der Datenbank "H" zur Nutzung als herunterladbare Angebote zur Verfügung gestellt hat sowie die damit erzielten Umsätze.

3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

4. Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Beklagte zu 70 % und der Kläger zu 30 %.

5. Das Urteil ist für den Kläger hinsichtlich der Auskunftserteilung gegen Sicherheitsleistung i. H. v. 1.000 EUR und im Übrigen gegen Sicherheitsleistung i. H. v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar. Für die Beklagte ist das Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i. H. v. 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit i. H. v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

Tatbestand

Der Kläger ist selbstständiger Journalist. Er ist Mitglied des Y e. V. und besitzt einen Presseausweis. Er nimmt die Beklagte, die die Tageszeitung "T" mit einer Gesamtauflage von etwa 90.000 Stück verlegt, mit der vorliegenden Klage auf Zahlung einer weiteren Vergütung und Auskunft hinsichtlich über 400 Zeitungsbeiträgen mit regionalem Bezug in Anspruch, die zwischen dem 24.03.2009 und dem 31.01.2011 in verschiedenen Regionalteilen der Tageszeitung veröffentlicht worden sind. Für die von ihm verfassten Beiträge erhielt der Kläger ein Zeilenhonorar von in der Regel 0,25 EUR. Fahrtkosten wurden nicht erstattet. Wegen der Einzelheiten der Abrechnung wird auf die als Anlage K 2 zur Akte gereichten Gutschriftsanzeigen der Beklagten verwiesen (Bl. 15ff d.A.).

Der Kläger ist der Auffassung, dass dies keine angemessene Vergütung im Sinne des § 32 UrhG darstelle und beruft sich zur Begründung auf die Gemeinsamen Vergütungsregeln für freie hauptberufliche Journalistinnen und Journalisten an Tageszeitungen vom 01.02.2010, auf die wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird (Anlage K 1 zur Klageschrift, Bl. 10ff d.A.). Diese gemeinsamen Vergütungsregeln wurden u.a. durch den Y e.V. sowie den Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger, dessen Mitglied die Beklagte mittelbar ist, vereinbart und traten zum 01.02.2010 in Kraft. In § 3 legen die Gemeinsamen Vergütungsregeln für Nachrichten und Berichte bei einem Erstdruckrecht sowie einer Auflage von 50.000 bis zu 100.000 Stück ein Zeilenhonorar von 0, 73 EUR - 0,79 EUR fest. Hierbei wird von einer Normalzeile von 34 bis 40 Buchstaben ausgegangen. Bei einer kürzeren oder längeren Druckzeile wird die Zeilenhonorierung in Abhängigkeit zur tatsächlichen Zeichenzahl pro Zeile durch Dreisatz angepasst.

Der Kläger meint, dass ihm auf dieser Grundlage ein weiterer Vergütungsanspruch in Höhe von EUR 13.429,11 brutto zustehe, wobei er von einem angemessenen Zeilenhonorar in Höhe von EUR 0,6573 ausgeht. Wegen der Berechnung und der Einzelheiten wird auf die als Anlage K 3 zur Akte gereichte Gegenüberstellung von durch die Beklagte gezahlten Beträgen (Bl. 22ff d.A.) verwiesen.

Weiterhin begehrt der Kläger die Erstattung von Fahrtkosten in Höhe von 0,30 EUR je Kilometer, die ihm im Zusammenhang mit den Recherchearbeiten entstanden seien, insgesamt EUR 1.167,90. Hierzu behauptet er, im Zusammenhang mit den Artikeln insgesamt 3.893 Kilometer gefahren zu sein. Wegen der Einzelheiten wird auf die Anlage K 4 zur Klageschrift, Bl. 34ff d.A. verwiesen.

Schließlich begehrt der Kläger Auskunft, welche seiner Beiträge die Beklagte an das Online Presse-Archiv H, dem die Beklagte unstreitig mehrere Beiträge des Klägers überlassen hat, oder andere Datenbanken weitergegeben hat, welche Umsätze sie hiermit erzielt hat und ob die Beklagte Beiträge auch an andere Datenbanken weitergegeben hat. Er ist diesbezüglich der Auffassung, dass ihm insoweit weitere Zahlungsansprüche aus § 9 Abs. 7 der HR zustehen können, zu deren Berechnung er der begehrten Auskunft bedürfe.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte zu verurteilen,

1. an ihn 14.597,01 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 02.03.2011 zu zahlen;

hilfsweise:

in eine Abänderung der mit dem Kläger im Jahr 2009 und 2010 geschlossenen Verträge, die einer Beitrags- und Fotoveröffentlichung zugrunde lagen, einzuwilligen, durch die dem Kläger eine angemessene Vergütung gewährt wird mit einem Zeilenhonorar von mindestens EUR 0,66 pro Zeile mit 32 Buchstaben; außerdem Zahlung gemäß Antrag zu 1..

2. Auskunft darüber zu erteilen,

a) welchen Datenbanken über die Datenbank "H" hinaus die Beklagte Beiträge des Klägers zur Verfügung gestellt hat zum Zwecke der Nutzung als kostenlos oder kostenpflichtig abrufbare Beiträge und die damit erzielten Umsätze;

b) welche Beiträge des Klägers die Beklagte der Datenbank "H" zur Nutzung als herunterladbare Angebote zur Verfügung gestellt hat und die damit erzielten Umsätze.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie ist der Auffassung, die geleistete Vergütung sei üblich und angemessen. Auf die Gemeinsamen Vergütungsregeln für freie hauptberufliche Journalistinnen und Journalisten an Tageszeitungen könne sich der Kläger nicht berufen. In persönlicher Hinsicht sei er nicht als hauptberuflicher freier Journalist anzusehen, zudem sei eine Hauptberuflichkeit an Tageszeitungen nicht dargetan. Die bloße Vorlage eines Presseausweises des Y reiche hierfür nicht aus. Auch in sachlicher Hinsicht seien die Vergütungssätze nicht anwendbar, da es insofern an der nach § 9 vorausgesetzten Übertragung ausschließlicher Nutzungsrechte fehle. Hinsichtlich eines etwaigen Zahlungsanspruchs des Klägers sei zudem nicht auf die Gesamtauflage des General-Anzeigers abzustellen, sondern auf die Teilauflagen der Lokalteile, in denen die Beiträge des Klägers veröffentlicht wurden. Darüber hinaus habe der Kläger etwaige Honoraransprüche ohnehin verwirkt, da er sie zeitnah gegenüber der Beklagten hätte geltend machen müssen. Ein Anspruch auf Erstattung von Fahrtkosten bestehe schon mangels entsprechender Vereinbarung nicht.

Hinsichtlich der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Protokolle der mündlichen Verhandlungen Bezug genommen.

Gründe

Die Klage ist im tenorierten Umfang begründet. Der Kläger kann danach gemäß § 32 UrhG die Leistung einer weiteren Vergütung in Höhe von EUR 10.156,71, Erstattung von Fahrtkosten in Höhe von EUR 442,50 EUR sowie die mit dem Antrag zu 2 b) begehrte Auskunft für die Zeit ab dem 01.02.2010 verlangen. Darüber hinaus gehende Ansprüche bestehen nicht.

1. Der Kläger hat einen Anspruch auf angemessene Vergütung in Höhe von weiteren EUR 10.156,71 gemäß § 32 UrhG. Das vereinbarte und geleistete Zeilenhonorar in Höhe von 0,25 EUR/Zeile war unangemessen. Die Beklagte schuldete dem Kläger vielmehr ein angemessenes Zeilenhonorar in Höhe von 0,56 EUR/Zeile. Dies ergibt sich aus Folgendem:

a) § 32 Abs. 1 UrhG zufolge hat der Urheber für die Einräumung von Nutzungsrechten und die Erlaubnis zur Werknutzung Anspruch auf die vertraglich vereinbarte Vergütung. Soweit die vereinbarte Vergütung nicht angemessen ist, steht ihm gegen seinen Vertragspartner ein Anspruch auf Einwilligung in eine Vertragsänderung zu, durch die ihm eine angemessene Vergütung gewährt wird (§ 32 Abs. 1 S. 3 UrhG). In diesem Fall kann der Urheber - wie vorliegend mit dem Hauptantrag zu 1) geltend gemacht - für die Vergangenheit unmittelbar Zahlung der Differenz zwischen vereinbarter und angemessener Vergütung verlangen (Wandtke/Bullinger, § 32 UrhG, Rz. 18).

Gemäß § 32 Abs. 2 UrhG ist eine nach einer gemeinsamen Vergütungsregel (§ 36 UrhG) ermittelte Vergütung stets angemessen. Im Übrigen ist die Vergütung angemessen, wenn sie im Zeitpunkt des Vertragsschlusses, also ex ante, dem entspricht, was im Geschäftsverkehr nach Art und Umfang der eingeräumten Nutzungsmöglichkeit, insbesondere nach Dauer und Zeitpunkt der Nutzung, unter Berücksichtigung aller Umstände üblicher- und redlicherweise zu leisten ist (§ 32 Abs. 2 S. 2 UrhG).

b) Auf die danach gemäß § 32 Abs. 2 S. 1 UrhG i.V.m. § 36 UrhG grundsätzlich vorrangigen Gemeinsamen Vergütungsregeln für freie hauptberufliche Journalistinnen und Journalisten an Tageszeitungen vom 01.02.2010, deren Angemessenheit unwiderleglich vermutet wird, kann sich der Kläger zur Begründung seiner Forderung auf Nachvergütung jedoch nicht unmittelbar stützen.

Soweit die Artikel im Zeitraum bis zum 31.01.2010 veröffentlicht worden sind, folgt dies bereits daraus, dass die Gemeinsamen Vergütungsregeln ausweislich § 10 Abs. 1 erst ab dem 01.02.2010 Geltung beanspruchen. Aber auch hinsichtlich der seither veröffentlichten Beiträge folgt der Anspruch nicht unmittelbar aus diesen, da es an einer Rechteeinräumung in dem von § 9 der Gemeinsamen Vergütungsregeln vorgesehenen Umfang fehlt.

aa) Zwar geht die Kammer insoweit davon aus, dass der Kläger als hauptberuflicher freier Journalist an Tageszeitungen anzusehen und der persönliche Anwendungsbereich der Gemeinsamen Vergütungsregeln damit eröffnet ist.

Als Indiz für die Hauptberuflichkeit lässt § 1 Gemeinsame Vergütungsregelung einen Presseausweis, den Nachweis der Versicherung in der Künstlersozialversicherung oder eine vergleichbare Bescheinigung genügen. Dies zeigt, dass die Nachweisanforderungen gering sind und im Wesentlichen selbst geschaffen werden können; damit soll den vielgestaltigen journalistischen Daseinsformen entsprochen und tiefgreifender Streit über die Frage der Hauptberuflichkeit vermieden werden. Daraus folgt zudem auch, dass eine Prüfung dazu, ob ein Presseausweis zu recht erteilt worden ist, zu unterbleiben hat. Durch die als Anlage K 7 (Bl. 108f) vorgelegten Presseausweise ist daher ausreichend dargetan, dass der Kläger hauptberuflicher freier Journalist ist.

Soweit die Beklagte in diesem Zusammenhang darauf abstellt, dass dies allein nicht ausreiche, sondern der Kläger überdies hauptberuflicher freier Journalist an Tageszeitungen sein müsse, verfängt dies nicht. Nach § 1 der Gemeinsamen Vergütungsregelungen ist lediglich die Hauptberuflichkeit der journalistischen Tätigkeit darzutun, wobei das Regelwerk bereits recht einfache Indizien ausreichen lässt. Dass darüber hinaus noch darzutun wäre, dass die Hauptberuflichkeit sich gerade auf die Tätigkeit für Tageszeitungen bezieht, ist daneben nicht gefordert. Vielmehr ist der hauptberufliche Journalist für jede Tätigkeit an Tageszeitungen nach den gemeinsamen Vergütungsregeln zu vergüten. Überdies bestehen aber ohnehin keine Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger seinerzeit nicht hauptberuflich für Tageszeitungen tätig gewesen wäre.

bb) Allerdings stellt § 3 der Gemeinsamen Vergütungsregeln die dort genannten Vergütungssätze unter der Voraussetzung als angemessen fest, dass sie die in § 9 der Gemeinsamen Vergütungsregeln definierte Rechteübertragung abgelten. Eine § 9 der Gemeinsamen Vergütungsregeln entsprechende Rechteübertragung haben die Parteien jedoch nicht vereinbart. Eine ausdrückliche Vereinbarung über den Umfang der Rechteübertragung ist unstreitig nicht erfolgt. Sie ist daher gemäß § 31 Abs. 5 UrhG unter Anwendung der Zweckübertragungslehre zu ermitteln. Unstreitig ist in diesem Zusammenhang, dass der Kläger in großem Umfang für die Beklagte geschrieben und die streitgegenständlichen Artikel nur dieser angedient hat. Die Beklagte ihrerseits hat die Artikel verwertet und auch weiter lizensiert. In dem gelebten Vertragsverhältnis bestand daher nach den Umständen eine faktische Ausschließlichkeit. Allerdings ist ein ausschließliches Nutzungsrecht von der Beklagten nie eingefordert worden und war auch nach dem Vertragszweck nie erforderlich. Den grundsätzlichen Interessen beider Parteien war durch ein einfaches Nutzungsrecht im Ausgangspunkt genüge getan. Dies setzt auch die Grundregel des § 38 Abs. 3 UrhG voraus, nach der der Verleger einer Tageszeitung grundsätzlich ein einfaches Nutzungsrecht an dem überlassenen Beitrag erwirbt, wenn nichts anderes vereinbart ist. Dadurch ist der Urheber - wenngleich dies in der Lebenswirklichkeit möglicherweise anders aussehen mag - in der Lage, seinen Artikel mehreren Zeitungen anzubieten, während für die Zeitungen die Ausschließlichkeit gerade bei Lokalbeiträgen von untergeordnetem Interesse sein dürfte. Insoweit entspricht die Einräumung eines einfachen Nutzungsrechts auch der Zweckübertragungslehre.

Da die Gemeinsamen Vergütungsregeln für diesen Fall indes nicht ausdrücklich die Höhe der Vergütung regeln, können sie insoweit weder die Vermutungswirkung der § 32 Abs. 2, 36 UrhG entfalten noch zur Ermittlung der Angemessenheit bzw. Unangemessenheit der Vergütung unmittelbar herangezogen werden.

c) Die angemessene Vergütung muss daher im vorliegenden Einzelfall nach den Kriterien des § 32 Abs. 2 S. 2 UrhG ermittelt werden. Angemessen ist danach die Vergütung, wenn sie im Zeitpunkt des Vertragsschlusses, also ex ante, dem entsprach, was im Geschäftsverkehr nach Art und Umfang der eingeräumten Nutzungsmöglichkeit, insbesondere nach Dauer und Zeitpunkt der Nutzung, unter Berücksichtigung aller Umstände üblicher- und redlicherweise zu leisten ist.

Vor diesem Hintergrund hält die Kammer das geleistete Zeilenhonorar von 0,25 EUR/Zeile für unangemessen niedrig und schätzt das angemessene Zeilenhonorar auf EUR 0,56. Dies beruht auf Folgenden Erwägungen:

aa) Auch wenn die Gemeinsamen Vergütungsregeln für freie hauptberufliche Journalistinnen und Journalisten an Tageszeitungen zeitlich und inhaltlich nicht unmittelbar anwendbar sind, so geben sie doch Auskunft darüber, welches Zeilenhonorar die Interessenvertreter der Journalisten und der Verleger unter den definierten Voraussetzungen übereinstimmend als angemessen ansehen. Diese bilden daher für die Schätzung, die die Unterschiede im vorliegenden Fall zu berücksichtigen hat, einen geeigneten Ausgangspunkt. Die Gemeinsamen Vergütungsregeln aber sehen Zeilenhonorare vor, die deutlich über denjenigen liegen, die von der Beklagten geleistet worden sind. Diese Zeilenhonorare haben die Vertragspartner der Gemeinsamen Vergütungsregeln seinerzeit übereinstimmend als angemessene Honorierung der Journalisten angesehen. Daraus folgt, dass jedenfalls im zeitlichen Anwendungsbereich der Gemeinsamen Vergütungsregeln die von der Beklagten geleisteten Vergütungen insoweit unangemessen sind, als sie vergleichbare Leistungen abgelten.

Diese indizielle Bedeutung, die den Gemeinsamen Vergütungsregeln für freie hauptberufliche Journalistinnen und Journalisten an Tageszeitungen damit zukommt, gilt nach Auffassung der Kammer auch für die Zeit vor ihrem Inkrafttreten. Denn insoweit ist nicht ersichtlich, dass die tatsächlichen Umstände seinerzeit anders gelegen hätten. Die Kammer vermag deshalb nicht zu erkennen, warum der ab dem 01.02.2010 als unangemessen erkannte Betrag eines Zeilenhonorars in Höhe von EUR 0,25 für die zuvor erschienenen Beiträge als angemessen erachtet werden soll, zumal es sich lediglich um einen Zeitraum von wenigen Monaten handelt. Die Kammer verkennt dabei nicht, dass die Darlegungs- und Beweislast für die Unangemessenheit grundsätzlich bei dem Kläger liegt. Angesichts der Umstände sieht die Kammer allerdings insoweit eine sekundäre Darlegungslast bei der Beklagten, der diese nicht nachgekommen ist. Dabei war auch zu berücksichtigen, dass die bereits früher anwendbaren Tarifverträge für arbeitnehmerähnliche freie Journalisten an Tageszeitungen vom 1.8.2005 und vom 1.8.2008 Vergütungsbeträge vorsahen, die sogar noch über denjenigen der Gemeinsamen Vergütungsregelung lagen. Auch wenn diese Tarifverträge in persönlicher Hinsicht nicht auf den Kläger anwendbar sind, zeigen sie doch den Wert einer journalistischen Tätigkeit auf, weshalb es an der Klägerin gewesen wäre, vorzutragen, aus welchem Grund die dem Kläger geleistete, deutlich geringere Vergütung gleichwohl üblich und redlich gewesen sein soll.

bb) Ausgehend davon hat die Kammer bei der Schätzung weiter berücksichtigt, dass die Abweichung zu § 9 der Gemeinsamen Vergütungsregeln im Wesentlichen darin liegt, dass es lediglich an der in § 9 Nr. 1 definierten ausschließlichen Nutzungsrechteeinräumung fehlt, während die Nutzungsrechte gemäß Nr. 3 und Nr. 4 (eigenes Archiv, elektronische Ausgabe) nach Auffassung der Kammer als übliche Nutzungsform nach dem Vertragszweck von der Rechteübertragung erfasst sind. Der Umstand, dass in Abweichung zu den Gemeinsamen Vergütungsregeln kein ausschließliches Nutzungsrecht eingeräumt wurde, rechtfertigt grundsätzlich einen erheblichen Abschlag, da sich die Exklusivität als unmittelbarer Wettbewerbsvorteil des Verlegers niederschlägt, dem ein erheblicher Gegenwert innewohnt und die auch der Urheber, der sich dadurch einer weiteren Verwertung begibt, grundsätzlich nur gegen einen erheblichen Gegenwert einzuräumen gewillt sein dürfte. Allerdings war vorliegend zu berücksichtigen, dass bei Lokalbeiträgen der vorliegenden Art einerseits das Interesse des Verlegers an einem ausschließlichen Nutzungsrecht nach Auffassung der Kammer geringer einzustufen ist, da die Wettbewerbswirkung derartiger Beiträge ihrer Natur nach weniger spürbar ist; zum anderen kann nicht unberücksichtigt bleiben, dass zwischen den Parteien eine faktische Exklusivität gelebt wurde, die im Ergebnis dazu führte, dass die Beklagte die Artikel exklusiv veröffentlichte und frei entschied, ob und in welchen Ausgaben des Bonner Generalanzeigers dies geschah. In faktischer Hinsicht entsprach die Sachlage damit weitgehend dem Leitbild des § 9 der Gemeinsamen Vergütungsregeln. Dass die Rechtslage dahinter zurückbleibt, ist nach Auffassung der Kammer lediglich mit einem Abschlag von 15% auf die nach den Gemeinsamen Vergütungsregeln als angemessen angesehenen Zeilenhonorare zu bewerten, zumal die Vergütungsregeln auch für das bloße Zweitdruckrecht einen Betrag vorsehen, der lediglich 20-25% hinter der Vergütung für das Erstdruckrecht zurückbleibt.

cc) Unter Ansatz dieses Abschlages ist für die Berechnung des danach angemessenen Zeilenhonorars von § 3 lit. a) der Gemeinsamen Vergütungsregeln auszugehen, der ein Zeilenhonorar in Abhängigkeit von der Auflagenstärke vorsieht.

Dies wirft die Frage auf, ob der maßgebliche Erscheinungsumfang nach der Gesamtauflage des Bonner Generalanzeigers oder nach der Auflage der jeweiligen Regionalteile zu beurteilen ist, in denen der jeweilige Artikel erschienen ist. Diese Frage kann die Kammer im Ergebnis offenlassen. Denn da der Kläger die jeweiligen Artikel der Beklagten ohne regionale Beschränkung überlassen hat und diese frei entscheiden konnte und auch entschieden hat, in welchen Regionalteilen sie die Artikel veröffentlichte, trifft sie, die sich auf eine lediglich beschränkte Verbreitung beruft, insoweit eine sekundäre Darlegungslast dazu, in welchen Regionalteilen mit welcher Auflagenstärke die Artikel jeweils erschienen sind. Hierauf ist die Beklagte mit Beschluss vom 09.07.2012 hingewiesen worden. In der Folge hat sie mit Schriftsatz vom 29.08.2012 eine Stichprobe anhand 100 im Jahr 2010 erschienener Artikel zur Akte gereicht (Anlage B5 und B6). Mit Schriftsatz vom 26.09.2012 überreichte sie mit der Anlage B7 eine "Aufteilung der Zeilen nach Ausgaben" ohne dies auf die entsprechenden Artikel zu beziehen.

Dies genügt den Anforderungen der sekundären Darlegungslast nicht. Hierzu hätte es einer auf die jeweiligen Artikel bezogenen Darlegung bedurft, die bis zuletzt nicht erfolgt ist. Soweit sich die Beklagte insoweit auf "Ermittlungsschwierigkeiten" beruft, geht dies zu ihren Lasten. Denn hierin drückt sich aus, dass die Entscheidung über den Veröffentlichungsumfang letztlich der Beklagten vorbehalten war und sie die Artikel auch in der Gesamtauflage hätte veröffentlichen können. Beruft sie sich vor diesem Hintergrund darauf, dass die Artikel aber nur in einzelnen oder mehreren Regionalteilen veröffentlicht worden seien, hat sie dies zu belegen. Gelingt ihr das - wie vorliegend - nicht, so ist zu ihren Lasten von einer Veröffentlichung in der Gesamtauflage auszugehen.

d) Aus diesen Erwägungen ergibt sich ein klägerischer Nachvergütungsanspruch aus § 32 UrhG in Höhe von EUR 10.156,71. Dieser errechnet sich wie folgt:

Auf der Basis von § 3 der Gemeinsamen Vergütungsregelungen hat der Kläger seiner Forderung ein Zeilenhonorar von 0,6573 Cent je Zeile zu Grunde gelegt und eine Bruttoforderung von EUR 13.429,11 errechnet. Eine Addition der aus der Anlage K 3 ersichtlichen Differenzbeträge führte indes nur zu einer Forderung von EUR 13.349,11 brutto. Zuzüglich der von der Beklagten ausweislich der Anlage K 2 geleisteten EUR 7.933,56 brutto (entspricht EUR 6.666,86 netto), ergäbe sich auf dieser Basis eine Gesamtvergütung in Höhe von EUR 21.282,67 brutto, entsprechend EUR 17.884,60 netto. Die Bemessungsgrundlagen dieses Zahlenwerkes selbst, insbesondere die zugrunde liegenden Artikel und die Zeilenanzahl sind von der Beklagten nicht bestritten worden. Sie können daher der weiteren Ermittlung zugrunde gelegt werden.

Entsprechend den obigen Ausführungen war daher von dem angemessenen Nettohonorar in Höhe von EUR 17.884,60 ein Abschlag in Höhe von 15% vorzunehmen, so dass eine angemessene Gesamtvergütung in Höhe von EUR 15.201,91 netto verbleibt, von welcher die geleistete Vergütung in Höhe von EUR 6.666,86 netto abzuziehen ist. Daraus ergibt sich ein noch geschuldeter Differenzbetrag in Höhe von EUR 8.535,05 zuzüglich 19% Umsatzsteuer, mithin insgesamt EUR 10.156,71.

e) Im Übrigen hat der Kläger diesen Zahlungsanspruch, wie auch die anderen Ansprüche, entgegen der Auffassung der Beklagten nicht verwirkt, § 242 BGB. Eine Verwirkung setzt neben einem Zeit- auch ein Umstandsmoment voraus. Die Beklagte, die insoweit darlegungs- und beweispflichtig ist, hat nicht hinreichend dargetan, ab wann und durch welchen konkreten Umstand die Voraussetzungen für eine Verwirkung vorliegen sollen. Es fehlt jedenfalls am Umstandsmoment. Ein schutzwürdiger Besitzstand der Beklagten, der im Vertrauen darauf, dass der Kläger keine Nachforderungen geltend machen würde, erworben worden wäre, ist nicht erkennbar.

Eine Verwirkung folgt auch nicht aus einer entsprechenden Anwendung von § 16 Abs. 3 des Tarifvertrages für arbeitnehmerähnliche freie Journalistinnen und Journalisten an Tageszeitung, der ausdrücklich eine Ausschlussfrist vorsieht. Auch wenn der Tarifvertrag für die Feststellung der Angemessenheit der Vergütung zu berücksichtigen sein mag, bedeutet dies nicht, dass auch die Ausschlussfristen heranzuziehen wären, auch nicht mittelbar über das Institut der Verwirkung. Denn dabei ist zu beachten, dass es sich bei dem Tarifvertrag um eine Kodifizierung handelt, der sich beide Seiten unterworfen haben, was es rechtfertigt, den Journalisten - der danach seine festgelegten Rechte kennt - zeitlichen Zwängen zu unterwerfen; im vorliegenden Fall ist die Rechtslage jedoch gerade nicht geklärt, weshalb es nicht gerechtfertigt ist, den Journalisten, der sich gerade nicht auf eine tarifvertragliche Rechtsgrundlage unmittelbar berufen kann, deren Zwängen zu unterwerfen.

2. Der Kläger hat gegen die Beklagte ferner für die in dem Zeitraum 1.2.2010 bis 31.1.2011 entstandenen Fahrkosten einen Kostenerstattungsanspruch i. H. v. 442,50 EUR.

a) Ab dem Zeitpunkt des Inkrafttretens der Gemeinsamen Vergütungsregeln am 01.02.2010 ergibt sich ein Anspruch des Klägers auf Fahrtkostenerstattung unmittelbar aus § 5 der Gemeinsamen Vergütungsregeln, die nach den obigen Ausführungen in sachlicher und persönlicher Hinsicht auf die Parteien anwendbar sind. Demgemäß hat der Verlag den freien Journalisten unter Beachtung der steuerlichen Vorschriften auch die notwenigen Auslagen, die sie ausschließlich im Interesse und für Zwecke des Vertrags gemacht hat, sowie die Beträge, die sie für den Verlag auf dessen Veranlassung hin ausgegeben hat, bei Vorlage der steuerlich erforderlichen Nachweise zu erstatten. Gemäß § 5 S. 3 der Gemeinsamen Vergütungsregeln soll sich u. a. der Ersatz der Kosten für die Benutzung des eigenen Pkw nach den jeweiligen Vertragsrichtlinien richten. Eine Abrede zwischen den Parteien, in welcher Höhe die Fahrkosten zu erstatten sind, wurde vorliegend nicht getroffen. Zutreffender Weise konnte der Kläger die zu erstattenden Kosten von 0,30 EUR je gefahrenem Kilometer als übliche Berechnung schätzen, wie sie beispielsweise auch bei der Entfernungspauschale oder bei Nr. 7003 VV RVG oder im Rahmen der gesetzlichen Regelungen zum einkommensteuerlichen Werbungskostenabzug (§ 9 EStG) zu finden ist. Dass dem Kläger für den Zeitraum vom 1.2.2010 bis 31.1.2011 Fahrtkosten i. H. v. 442,50 EUR entstanden sind, hat der Kläger anhand einer Kostenaufstellung mit entsprechender Zuordnung zu den einzelnen Artikeln hinreichend belegt. Angesichts dessen reicht das pauschale und allgemein gehaltene Bestreiten der Beklagten, die die Fahrtkosten dem Grunde nach bezweifelt, nicht aus.

b) Vor dem Zeitpunkt des Inkrafttretens der Gemeinsamen Vergütungsregeln verfügt der Kläger hingegen über keinen Erstattungsanspruch gegen die Beklagte für entstandene Fahrtkosten. Es fehlt insoweit an einer Anspruchsgrundlage.

Die Gemeinsamen Vergütungsregeln traten erst zum 1.2.2010 ohne rückwirkende Wirkung in Kraft. Dadurch kann sich der Kläger für seine vor dem 1.2.2010 entstandenen Fahrtkosten nicht auf diese berufen.

Auch liegt keine vertragliche Abrede zwischen den Parteien über eine Fahrtkostenerstattung, auf die sich der Kläger berufen könnte, vor.

§ 32 UrhG ist schließlich ebenfalls auf die Fahrtkosten nicht anwendbar, da es sich bei den Fahrkosten nicht um Vergütung, sondern um Aufwendungen für die Anfertigung der Beiträge handelt.

3. Der Kläger hat zudem gegen die Beklagte gemäß §§ 280 Abs. 1, Abs. 2, 286, 288 Abs. 1 S. 2 BGB einen Anspruch auf Verzinsung der geltend gemachten Vergütung sowie der Fahrtkosten i. H. v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 14.4.2011.

4. Im Hinblick auf den Klageantrag zu 2b) hat der Kläger einen Auskunftsanspruch gegen die Beklagte, zu erfahren, welche Beiträge des Klägers die Beklagte der Datenbank "H" zur Nutzung als herunterladbare Angebote zur Verfügung gestellt hat und die damit erzielten Umsätze. Dieser Anspruch ergibt sich aus § 242 BGB, da dem Kläger konkrete Anhaltspunkte für seine Veröffentlichung seiner Beiträge bei der Datenbank H vorliegen. Vor dem Hintergrund ihm etwaiger zustehender Ansprüche aus § 9 der Gemeinsamen Vergütungsregeln und der Verfolgung ihm zustehender Rechte hat er ein berechtigtes Interesse, Auskunft über die verlangten Informationen zu erhalten. Der Auskunftsanspruch ist allerdings auf Beiträge des Klägers beschränkt, die ab dem 1.2.2010 veröffentlicht wurden, da erst ab diesem Zeitpunkt Ansprüche aus § 9 der Gemeinsamen Vergütungsregeln in Betracht kommen.

Der Klageantrag zu 2a) ist hingegen unbegründet. Der Kläger hat keine konkreten Anhaltspunkte dargetan, die dafür sprechen, dass die Beklagte Beiträge des Klägers auch auf weiteren Datenbanken zur Verfügung stellte. Insofern handelt es sich um einen unzulässigen Ausforschungsantrag.

5. Die Entscheidungen über die Kosten sowie über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruhen auf §§ 92, 709 S. 1, S. 2, 708 Nr. 11, 711 S. 1, S. 2, 709 S. 2 ZPO.

6. Streitwert: 17.097,01 Euro.






LG Köln:
Urteil v. 17.07.2013
Az: 28 O 695/11


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