Bundespatentgericht:
Beschluss vom 31. August 2004
Aktenzeichen: 27 W (pat) 260/03

(BPatG: Beschluss v. 31.08.2004, Az.: 27 W (pat) 260/03)

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I Gegen die für

"Waschmaschinen, Geschirrspüler, Schneidemaschinen, Haarschneidemaschinen, Rasierer, Nagelschneidegeräte, Staubsauger, Küchenwaagen, elektrische Kaffeemaschinen, Eismaschinen, elektrische Kochgeräte, handbetätigte Küchenmaschinen zum Hacken, Mahlen, Pressen und Reiben, elektrische Zahnbürsten und Kämme, Geräte zur Körper- und Schönheitspflege, Toaster, Brotbackautomaten, Waffeleisen, Sandwichmaker, elektronische Tischgrills, Entsafter, Stabmixer, Handmixer, elektrische Haartrockner, Bügeleisen, Bügelmaschinen, elektrische Wasserkocher, Heizlüfter, Lockenstäbe, Aktenvernichter, Babykostwärmer, Babyphone, Dosenöffner, insbesondere elektrische Dosenöffner, Eierkocher, Elektromesser, Folienschweißgeräte, Friteusen, elektrische Geräte für Fußmassagebäder, Infrarotlampen, Pizzaöfen, Haushaltsöfen, Raclettegeräte, Fonduesets, Standmixer, Ventilatoren, Zitruspressen, Energiesparlampen, Staubsaugerbeutel, elektrische Geräte für Fußmassagebäder, Duftspender, insbesondere elektrische Duftspender, Duftsticks, Dampfbügeleisen, Woks, insbesondere Elektrowoks, Saugbesen, Backöfen, elektrische Gesichtsbräuner, Heizlüfter, alle vorstehend genannten Waren einzeln, in Gehäusen oder ohne Gehäuse sowie Teile der vorgenannten Waren; Tonaufzeichnungs- und Wiedergabegeräte einschließlich Lautsprecher, Verstärker, Plattenspielgeräte, Tonbandgeräte und Rundfunkgeräte, alle vorstehenden Waren einzeln, in Gehäusen oder als Anlage mit oder ohne Gehäuse sowie Teile der vorgenannten Waren; Primärzellen, nämlich Batterien; Sekundärzellen, nämlich Akkumulatoren; Fernsehgeräte, wissenschaftliche, Schifffahrts-, Vermessungs-, elektrische, fotografische, Film-, optische, Wäge-, Mess-, Signal-, Kontroll-, Rettungs- und Unterrichtsapparate und Instrumente für die Starkstromtechnik, nämlich für die Leitung, Umwandlung, Speicherung, Regelung und Steuerung und für die Schwachstromtechnik, nämlich für die Nachrichten-, Hochfrequenz- und Regelungstechnik; Magnetaufzeichnungsträger, Schallplatten, CD-Roms, Videobänder, optische Aufzeichnungsträger; Verkaufsautomaten und Mechaniken für geldbetätigte Apparate, Registrierkassen, Rechenmaschinen, Datenverarbeitungsgeräte und Computer"

eingetragene Wortmarke PRIMERA hat der Widersprechende Widerspruch eingelegt aus seiner prioritätsälteren Wortmarke PREMIER eingetragen unter der Nr. 2 073 113 für

"Elektronische Apparate, Geräte und Instrumente (soweit in Klasse 9 enthalten); Geräte zur Aufzeichnung, Übertragung und Wiedergabe von Ton und Bild; Magnetaufzeichnungsträger; Radiogeräte, Fernsehgeräte, Tonbandgeräte, Plattenspieler, Elektronenrechner, elektronische Uhren-Radiogeräte, elektronische Uhren und Kopfhörer und elektronische Datenverarbeitungsgeräte, Zeit-, Strecken- und Geschwindigkeitsmeßgeräte, insbesondere für Fahrräder und auch mit eingebautem Radio, fotografische und optische Apparate, Geräte und Instrumente".

Die Markenstelle für Klasse 9 des Deutschen Patent- und Markenamtes hat mit Beschluss vom 1. Juli 2003 den Widerspruch zurückgewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt: Ungeachtet der Frage der rechtserhaltenden Benutzung der Widerspruchsmarke scheide eine Verwechslungsgefahr aus, weil sich die für teils identische, teils hochgradig ähnliche Waren geschützten Marken in klanglicher, schriftbildlicher und begrifflicher Hinsicht ausreichend unterschieden. In klanglicher Hinsicht bestehe eine Übereinstimmung nur in der Konsonantenfolge, während sich die Vokalfolge unterscheide und die angegriffene Marke den zusätzlichen Endbuchstaben "A" aufweise; diese Unterschiede führten zu einem verschiedenen Sprechrhythmus und einem abweichenden Klangbild und schlössen auch eine schriftbildliche Ähnlichkeit aus. Auch in begrifflicher Hinsicht seien die Vergleichsmarken nicht ähnlich. Zwar handele es sich bei der angegriffenen Marke um die spanische Entsprechung der Widerspruchsmarke in weiblicher Form; beide Begriffe seien aber äußerst kennzeichnungsschwach, da sie lediglich darauf hinwiesen, dass die mit ihnen gekennzeichneten Waren von erstklassiger Qualität und auf dem neuesten technischen Stand seien.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Markeninhaber . Die Markeninhaber trägt vor: Beide Marken seien in klanglicher Hinsicht nahezu identisch, da sie dieselben Wortanfänge und dieselbe Konsonantenfolge hätten, in fünf von sieben Buchstaben übereinstimmten und die unterschiedlichen Selbstlaute "E" und "I" eine hohe Ähnlichkeit aufwiesen. Auch in ihrer Aussprache seien die beiden Wörter kaum zu unterscheiden. Auch schriftbildlich bestehe eine Ähnlichkeit, weil bei gängigen Schrifttypen die beiden Zeichen nicht auseinander gehalten werden könnten. Vor allem stimmten die Marken in begrifflicher Hinsicht überein; denn der inländische Verkehr werde den jeweiligen Sinngehalt "der Erste" und "die Erste" ohne weiteres erkennen und damit zwischen ihnen keinen begrifflichen Unterschied feststellen. Die Auffassung der Markenstelle, dass eine begriffliche Ähnlichkeit ausscheide, weil der Verkehr den Begriffsinhalt nur als warenbeschreibend und nicht als Herkunftshinweis ansehe, könne nicht zutreffen, da andernfalls den Marken jegliche Unterscheidungskraft abgesprochen würde; da sie aber im Eintragungsverfahren für unterscheidungskräftig befunden worden seien, könne ihnen die betriebliche Herkunftsfunktion nicht fehlen. Die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke sei auch nicht nachträglich durch benutzte Drittzeichen geschwächt worden, da national und gemeinschaftsweit nur drei Marken, zu denen die Widerspruchsmarke zähle, auf dem hier in Rede stehenden Warensektor mit dem Begriff "PREMIER" in Alleinstellung eingetragen seien. Auf jeden Fall sei aber eine mittelbare Verwechslungsgefahr gegeben, weil der Verkehr die jüngere Marke als bloße Abwandlung der älteren Marke ansehen und dazu neigen könne, die Widerspruchsmarke nach französischen und die angegriffene Marke nach italienischen Waren einzuordnen, und damit eine geschäftliche, wirtschaftliche oder organisatorische Verbindung zwischen den jeweiligen Inhabern der Marken anzunehmen. Schließlich stehe der Verwechslungsgefahr auch nicht eine mangelnde rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke entgegen, weil diese ausweislich der im Beschwerdeverfahren neu vorgelegten Glaubhaftmachungsunterlagen hinreichend benutzt worden sei.

beantragt, den angefochtenen Beschluss aufzuheben.

Die Markeninhaber beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Die Markeninhaber trägt vor: Die Nichtbenutzungseinrede werde ausdrücklich aufrechterhalten. Eine klangliche oder schriftbildliche Ähnlichkeit liege, wie die Markenstelle zutreffend ausgeführt habe, nicht vor. Eine begriffliche Ähnlichkeit scheide wegen der am untersten Rand liegenden Kennzeichenschwäche der Widerspruchsmarke aus; dies schließe zwar nicht jegliche Unterscheidungskraft im Sinne eines absoluten Schutzhindernisses aus, führe aber zu einem auf die Identität zu beschränkenden engen Schutzbereich der älteren Marke.

II Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Die Markenstelle hat zu Recht und mit zutreffender Begründung, der sich der Senat anschließt, den Widerspruch wegen mangelnder Gefahr von Verwechslungen der Vergleichsmarken nach § 43 Abs. 2 Satz 2, § 42 Abs. 2 Nr. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG zurückgewiesen.

Unter Berücksichtigung der bei der Beurteilung der Verwechslungsgefahr miteinander in Wechselbeziehung stehenden Komponenten der Waren- und Markenähnlichkeit sowie der Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke (vgl. EuGH GRUR 1998, 922, 923 - Canon; MarkenR 1999, 236, 239 - Lloyd/Loints), wobei ein geringer Grad der Ähnlichkeit der Waren durch einen größeren Grad der Ähnlichkeit der Marken ausgeglichen werden kann und umgekehrt (st. Rspr.; vgl. EuGH GRUR 1998, 387, 389 Tz. 23 f. - Sabèl/Puma; EuGH GRUR 1998, 922, 923 Tz. 16 f. - Canon; BGH GRUR 1999, 241, 243), hält die jüngere Marke den erforderlichen Abstand zur älteren Marke noch ein.

Auch soweit sich identische Waren gegenüberstehen und daher strenge Anforderungen an den Abstand der Marken zu stellen sind, liegen keine verwechslungsbegründenden Ähnlichkeiten in klanglicher oder schriftbildlicher Hinsicht vor. Die beiden Markenworte stimmen lediglich hinsichtlich der beiden Anfangskonsonanten "P" und "R" und der beiden nachfolgenden Konsonanten "M" und "R" überein. Demgegenüber ist sowohl die Silbenzahl als auch die Vokalfolge unterschiedlich, da es sich bei dem jüngeren Zeichen um ein dreisilbiges Wort mit der Vokalfolge "I-E-A" handelt, während die Widerspruchsmarke nur aus zwei Silben besteht und die Vokalfolge "E-IE" aufweist. Abgesehen von dem zusätzlichen Vokal "A" am Wortende der jüngeren Marke weisen auch die beiden Vokale "E" und "I" der Marken keine Ähnlichkeit auf, denn diejenigen Teile des angesprochenen Verkehrs, welche, wie vom Widersprechenden selbst vorgetragen, beide Markenworte als französisches bzw. spanisches Wort erkennen, werden sie ohne weiteres nur entsprechend den französischen und spanischen Ausspracheregeln wiedergeben. Dann unterscheidet sich aber die wie "JEH" auszusprechende Lautfolge "IER" in der Widerspruchsmarke von der in der jüngeren Marke enthaltenen, durch den Konsonanten "M" getrennten Folge der Vokale "I-E" so deutlich, dass beide Wörter ohne weiteres auseinanderzuhalten sind. Darüber hinaus führt die französische Aussprache des älteren Zeichens dazu, dass der Schlusskonsonant "R" nicht mehr wahrnehmbar ist, während er in der spanisch wiedergegebenen angegriffenen Marke infolge der ihn einrahmenden Vokale "E" und "A" deutlich wahrnehmbar hervortritt. Aber selbst diejenigen Teile des Verkehrs, welche die fremdsprachige Herkunft beider Wörter nicht erkennen und sie entsprechend den deutschen Aussprachegewohnheiten wiedergeben, werden keine Mühe haben, sie klanglich auseinanderzuhalten; denn in diesem Fall wird die Vokalfolge "IE" in der Widerspruchsmarke wie ein langgezogenes betontes "I" ausgesprochen, wodurch sie sich von dem lediglich als kurzer Laut wiedergegebenen Vokal "E" in der angegriffenen Marke deutlich abhebt. Wegen der schriftbildlichen Unterschiede der beiden Vokale "E" und "I", der unterschiedlichen Wortlänge und des zusätzlichen Vokals "A" ist auch nicht zu befürchten, dass der angesprochene Verkehr die Marken in schriftbildlicher Hinsicht füreinander halten wird.

Eine Verwechslungsgefahr besteht auch nicht in begrifflicher Hinsicht. Zwar liegt zwischen beiden Markenworten insofern eine begriffliche Ähnlichkeit vor, als "PREMIER" das französische Wort für "der erste" und "PRIMERA" der spanische Begriff für "die erste" ist. Dabei erscheint es allerdings bereits fraglich, ob maßgeblichen Teilen der angesprochenen Durchschnittsverbraucher diese begriffliche Übereinstimmung überhaupt bewusst ist. Denn der französische Begriff "PREMIER" mag zwar auch den Teilen des inländischen Publikums, welches über keine Kenntnisse der französischen Sprache verfügt, noch bekannt sein, da er als Kurzform des Wortes "Premierminister" zur Bezeichnung eines ausländischen Regierungschefs etwa bei Nachrichten in Rundfunk, Fernsehen oder in den Printmedien häufig verwendet wird. Demgegenüber wird nur der relativ kleine Teil des Verkehrs, der Grundkenntnisse der spanischen Sprache besitzt, das Wort "PRIMERA" verstehen; die meisten Verbraucher werden es als fremdsprachigen Begriff ansehen, dem sie keine bestimmte Bedeutung zuordnen. Hierfür spricht als Indiz auch, dass die Verfahrensbevollmächtigten des Widersprechenden in ihrem letzten Schriftsatz diesen Begriff irrtümlich der italienischen Sprache zugeordnet haben, welche einen gleich- oder ähnlichlautenden Begriff nicht kennt, da "der erste" in der italienischen Sprache mit "primo" und "die erste" mit "prima" übersetzt wird.

Aber selbst soweit Teile des Verkehrs die beiden Vergleichsmarken in der Bedeutung von "erster, erstklassig" zutreffend erkennen, besteht aus Rechtsgründen keine Verwechslungsgefahr wegen begrifflicher Zeichenähnlichkeit, da die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke von Haus aus gering ist, so dass der Widersprechende aus diesem Zeichen keine Rechte gegenüber einer begrifflich ähnlichen Kennzeichnung geltend machen kann (st. Rspr., vgl. BGH WRP 2003, 1353, 1355 - AntiVir/AntiVirus). Auch einer Bezeichnung, die unter Umständen noch über das erforderliche Mindestmaß an Unterscheidungskraft verfügt (so zB BGH GRUR 1999, 728, 729 - PREMIERE II), ist von Haus aus nur eine geringe Kennzeichnungskraft zuzubilligen, wenn sie sich an Angaben, welche die gekennzeichneten Produkte unmittelbar oder mittelbar beschreiben, anlehnt oder eine sonstige Nähe zu solchen Angaben aufweist, so dass sie vom Verkehr nicht in erster Linie und durchweg als Warenkennzeichen verstanden wird (st. Rspr., vgl. BGH GRUR 2000, 1028, 1029 - Ballermann; s.a. die Nachweise bei Ingerl/Rohnke, MarkenG, 2. Aufl., § 14 Rn. 344 ff., Ströbele/Hacker, Markengesetz, 7. Aufl., § 9 Rn. 323). Eine solche Nähe zu einer werbemäßigen Anpreisung weist aber das Widerspruchszeichen ohne weiteres auf, weil es vom Verkehr nicht nur als Herkunftshinweis, sondern auch als bloßer Hinweis auf Waren ersten Ranges oder erstklassiger Qualität und damit auf einen für ihre Kaufentscheidung maßgeblichen sachlichen Aspekt verstanden werden kann. Infolge dieser originären Kennzeichenschwäche scheidet daher die Annahme einer begrifflichen Verwechslungsgefahr zwischen den gegenüberstehenden Zeichen aus.

Wegen der originären Kennzeichenschwäche ist auch nicht zu befürchten, dass die Marken gedanklich miteinander in Verbindung gebracht werden. Im übrigen ist auch weder vorgetragen noch erkennbar, dass beide Marken in einem Bestandteil übereinstimmen, den der Verkehr als Stamm mehrerer Zeichen eines Unternehmens sieht und deshalb nachfolgende Bezeichnungen, die einen wesensgleichen Stamm aufweisen, dem gleichen Zeicheninhaber zuordnet (vgl. BGH WRP 2002, 534, 536 - BIG; BGH WRP 2002, 537, 541 - BANK 24); soweit der Widersprechende geltend gemacht hat, der Verkehr werde unzutreffend den Eindruck gewinnen, die jeweiligen Zeicheninhaber seien wirtschaftlich miteinander verbunden, fehlt es an jeglichen Anhaltspunkten dazu, dass - was nach der Rechtsprechung hierfür wesentliche Voraussetzung wäre (vgl. BGH GRUR 2002, 171, 175 - Marlboro) - sich das Widerspruchszeichen allgemein zu einem Hinweis auf das Unternehmen des Widersprechenden entwickelt hat.

Da die Markenstelle dem Widerspruch somit mangels der Gefahr von Verwechslungen der gegenüberstehenden Marken zu Recht den Erfolg versagt hat, war die hiergegen gerichtete Beschwerde des Widersprechenden zurückzuweisen, ohne dass es noch eines Eingehens auf die zwischen den Beteiligten streitigen Frage der rechtserhaltenden Benutzung der Widerspruchsmarke bedurfte.

Es sind keine Gründe ersichtlich, von dem Grundsatz des § 71 Abs 1 Satz 2 MarkenG abzuweichen, dass jeder Beteiligte seine Kosten selbst trägt.

Dr. van Raden Dr. van Raden Schwarz Na






BPatG:
Beschluss v. 31.08.2004
Az: 27 W (pat) 260/03


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