Landgericht Köln:
Urteil vom 17. Juli 2013
Aktenzeichen: 28 O 1129/11

(LG Köln: Urteil v. 17.07.2013, Az.: 28 O 1129/11)

Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger EUR 14.430,67 nebst Zinsen i. H. v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 02.02.2012 zu zahlen.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger weitere EUR 23.982,88 nebst Zinsen i. H. v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 05.03.2013 zu zahlen.

3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

4. Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Beklagte zu 65% und der Kläger zu 35 %.

5. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung i. H. v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Kläger ist selbstständiger Journalist und Mitglied des Deutschen Journalistenverbandes DJV. Er nimmt die Beklagte, die die Tageszeitung "Y" mit einer Gesamtauflage von etwa 90.000 Stück verlegt, mit der vorliegenden Klage auf Zahlung von Nachvergütung gemäß § 32 UrhG für von ihm gefertigte Zeitungsbeiträge mit regionalem Bezug und begleitenden Fotografien in Anspruch, die die Beklagte in den Jahren 2008 und 2009 in verschiedenen Regionalteilen der Tageszeitung veröffentlichte.

Für die von ihm verfassten Textbeiträge erhielt der Kläger ein Zeilenhonorar von in der Regel 0,21 EUR. Die Lichtbilder wurden von der Beklagten mit EUR 20,45 je Bild vergütet. Wegen der Einzelheiten der Abrechnung wird auf die als Anlage K 2 zur Akte gereichten Honorarabrechnungen der Beklagten verwiesen (Bl. 11ff d.A.).

Der Kläger ist der Auffassung, dass dies keine angemessene Vergütung im Sinne des § 32 UrhG darstelle und beruft sich zur Begründung auf die Gemeinsamen Vergütungsregeln für freie hauptberufliche Journalistinnen und Journalisten an Tageszeitungen vom 01.02.2010, auf die wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird (Anlage K 1 zur Klageschrift, Bl. 7ff d.A.). Diese gemeinsamen Vergütungsregeln wurden u.a. durch den DJV e.V. sowie den Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger, dessen Mitglied die Beklagte mittelbar ist, vereinbart und traten zum 01.02.2010 in Kraft. In § 3 legen die Gemeinsamen Vergütungsregeln für Nachrichten und Berichte bei einem Erstdruckrecht sowie einer Auflage von 50.000 bis zu 100.000 Stück ein Zeilenhonorar von 0, 73 EUR - 0,79 EUR fest. Hierbei wird von einer Normalzeile von 34 bis 40 Buchstaben ausgegangen. Bei einer kürzeren oder längeren Druckzeile wird die Zeilenhonorierung in Abhängigkeit zur tatsächlichen Zeichenzahl pro Zeile durch Dreisatz angepasst. Über die Angemessenheit der Fotohonorare konnten sich die Parteien der Gemeinsamen Vergütungsregeln nicht einigen: insoweit waren die Verlage der Auffassung, dass für das Erstdruckrecht bei einer Auflage von bis 100.000 Stück ein Betrag von EUR 22-35 angemessen sei, während die Gewerkschaften insoweit einen Betrag in Höhe von EUR 65,00 als angemessen ansehen.

Zur weiteren Begründung der Unangemessenheit der erfolgten Honorierung stützt sich der Kläger auf die Tarifverträge für arbeitnehmerähnliche frei Journalistinnen und Journalisten an Tageszeitungen vom 01.08.2005 und 01.08.2008, die bei einer Auflagenzahl von bis 100.000 Stück ab dem 01.12.2008 für das Erstruckrecht von Textbeiträgen ein durchschnittliches Zeilenhonorar von 0,84 EUR und für das Erstdruckrecht von Bildbeiträgen einen Betrag von 64,00 EUR vorsehen, wobei diese Beträge zum 01.05.2009 auf EUR 0,85 bzw. EUR 65,00 erhöht worden sind. Wegen der Einzelheiten wird auf die als Anlage K 6 zur Akte gereichten Tarifverträge verwiesen (Bl. 76ff d.A.). Hinsichtlich der Bildhonorare stützt sich der Kläger darüber hinaus auf die Honorarempfehlungen der Mittelstandsgemeinschaft Fotomarketing (MFM) für 2008, die bei redaktioneller Nutzung in Tageszeitungen einen Mindestbetrag von EUR 60,00 vorsehen, sowie die Gebühren der VG Bildkunst, die einen Mindestbetrag von EUR 104,00 vorsehen.

Auf dieser Grundlage hält der Kläger die durch die Beklagte erfolgte Honorierung für unangemessen. Er ist der Auffassung, dass ihm noch folgende Vergütungsansprüche zustünden:

- Texte 08: EUR 5.625,57

- Texte 01/09 - 04/09 EUR 5.848,18

- Bilder 08: EUR 16.438,95

- Bilder 09: EUR 31.407,75

EUR 59.320,45

Dabei geht er für die Wortberichterstattung von einem aus seiner Sicht angemessen Zeilenhonorar in Höhe von EUR 0,66 je Zeile aus. Für die Bildveröffentlichungen hält er ein Honorar in Höhe von EUR 65,00 für angemessen. Wegen der Berechnung und der Einzelheiten wird auf die als Anlagen K 3 (Bl. 27ff d.A.), K 4 (Bl. 41 d.A.), K 11 (Bl. 164ff d.A.) und K 12 (Bl. 172ff d.A.) zur Akte gereichte Berechnungen und Gegenüberstellungen von durch die Beklagte gezahlten und von dem Kläger geforderten Beträgen verwiesen.

Der Kläger hat mit der Klage ursprünglich nur die Ansprüche für 2008 verfolgt. Mit Schriftsatz vom 28.12.2012, zugestellt am 05.03.2013, hat er die Klage um die auf die Veröffentlichungen im Jahr 2009 entfallenden Ansprüche, die er mit EUR 37.253,93 beziffert, erweitert.

Der Kläger beantragt zuletzt,

die Beklagte zu verurteilen,

1. an ihn EUR 22.064,52 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen;

2. an ihn weitere EUR 37.253,93 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte wendet hinsichtlich der Ansprüche für 2008 zunächst Verjährung ein mit der Begründung, die erst am 02.02.2012 erfolgte Zustellung sei nicht mehr "demnächst" im Sinne von § 167 ZPO geschehen. Jedenfalls seien die Ansprüche verwirkt.

In der Sache ist die Beklagte ist der Auffassung, die geleistete Vergütung sei üblich und angemessen; sie habe dem entsprochen, was seinerzeit branchenüblich gewesen sei. Dabei sei auch zu berücksichtigen, dass der Kläger nur nebenberuflich für die Beklagte tätig gewesen sei und die Beklagte lediglich einfache Nutzungsrechte erworben habe. Auf die Gemeinsamen Vergütungsregeln für freie hauptberufliche Journalistinnen und Journalisten an Tageszeitungen könne sich der Kläger schon deshalb nicht berufen, weil diese erst zu einem späteren Zeitpunkt in Kraft getreten seien. Darüberhinaus seien auch deren persönlicher und sachlicher Anwendungsbereich nicht eröffnet: in persönlicher Hinsicht sei der Kläger nicht als hauptberuflicher freier Journalist anzusehen, zudem sei eine Hauptberuflichkeit gerade an Tageszeitungen nicht dargetan; in sachlicher Hinsicht seien die Vergütungssätze nicht anwendbar, da es insofern an der nach § 9 vorausgesetzten Übertragung ausschließlicher Nutzungsrechte fehle. Hinsichtlich eines etwaigen Zahlungsanspruchs des Klägers sei zudem nicht auf die Gesamtauflage des General-Anzeigers abzustellen, sondern auf die Teilauflagen der Lokalteile, in denen die Beiträge des Klägers veröffentlicht wurden.

Hinsichtlich der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Protokolle der mündlichen Verhandlungen Bezug genommen.

Gründe

Die Klage ist im tenorierten Umfang begründet. Der Kläger kann danach gemäß § 32 UrhG für seine Bild- und Textbeiträge die Leistung einer weiteren Vergütung verlangen, die für 2008 EUR 14.430,67 und für 2009 EUR 23.982,88 beträgt. Darüber hinaus gehende Ansprüche bestehen nicht.

1. Der Kläger hat einen Anspruch auf angemessene Vergütung in Höhe von insgesamt weiteren EUR 38.413,55 gemäß § 32 UrhG. Das vereinbarte und geleistete Honorar in Höhe von regelmäßig 0,21 EUR je Textzeile und EUR 20,45 je Bild war unangemessen. Die Beklagte schuldete dem Kläger vielmehr ein angemessenes Zeilenhonorar in Höhe von 0,56 EUR und eine angemessene Vergütung für die Bilder in Höhe von EUR 48,00. Dies ergibt sich aus Folgendem:

a) § 32 Abs. 1 UrhG zufolge hat der Urheber für die Einräumung von Nutzungsrechten und die Erlaubnis zur Werknutzung Anspruch auf die vertraglich vereinbarte Vergütung. Soweit die vereinbarte Vergütung nicht angemessen ist, steht ihm gegen seinen Vertragspartner ein Anspruch auf Einwilligung in eine Vertragsänderung zu, durch die ihm eine angemessene Vergütung gewährt wird (§ 32 Abs. 1 S. 3 UrhG). In diesem Fall kann der Urheber - wie vorliegend geltend gemacht - für die Vergangenheit unmittelbar Zahlung der Differenz zwischen vereinbarter und angemessener Vergütung verlangen (Wandtke/Bullinger, § 32 UrhG, Rz. 18).

Gemäß § 32 Abs. 2 UrhG ist eine nach einer gemeinsamen Vergütungsregel (§ 36 UrhG) ermittelte Vergütung stets angemessen. Im Übrigen ist die Vergütung angemessen, wenn sie im Zeitpunkt des Vertragsschlusses, also ex ante, dem entspricht, was im Geschäftsverkehr nach Art und Umfang der eingeräumten Nutzungsmöglichkeit, insbesondere nach Dauer und Zeitpunkt der Nutzung, unter Berücksichtigung aller Umstände üblicher- und redlicherweise zu leisten ist (§ 32 Abs. 2 S. 2 UrhG).

b) Auf die danach gemäß § 32 Abs. 2 S. 1 UrhG i.V.m. § 36 UrhG grundsätzlich vorrangigen Gemeinsamen Vergütungsregeln für freie hauptberufliche Journalistinnen und Journalisten an Tageszeitungen vom 01.02.2010, deren Angemessenheit unwiderleglich vermutet wird, kann sich der Kläger zur Begründung seiner Forderung auf Nachvergütung jedoch nicht unmittelbar stützen, da diese ausweislich ihres § 10 Abs. 1 erst ab dem 01.02.2010 Geltung beanspruchen und mithin ihr zeitlicher Anwendungsbereich nicht eröffnet ist.

Die angemessene Vergütung muss daher im vorliegenden Einzelfall nach den Kriterien des § 32 Abs. 2 S. 2 UrhG ermittelt werden. Angemessen ist danach die Vergütung, wenn sie im Zeitpunkt des Vertragsschlusses, also ex ante, dem entsprach, was im Geschäftsverkehr nach Art und Umfang der eingeräumten Nutzungsmöglichkeit, insbesondere nach Dauer und Zeitpunkt der Nutzung, unter Berücksichtigung aller Umstände üblicher- und redlicherweise zu leisten ist.

c) Auf dieser Grundlage steht dem Kläger ein Anspruch auf Nachvergütung für die Text- und Fotobeiträge zu. Die Kammer hält das regelmäßig geleistete Zeilenhonorar von 0,21 EUR/Zeile sowie das Honorar für die Fotoveröffentlichungen in Höhe von EUR 20,45 je Bild für unangemessen niedrig und schätzt das angemessene Zeilenhonorar gemäß § 287 ZPO auf EUR 0,56 je Zeile sowie das angemessene Bildhonorar auf EUR 48,00 je Bildveröffentlichung. Dies beruht auf Folgenden Erwägungen:

aa) Dass die Vergütung nicht branchenüblich gewesen sei, trägt der Kläger selbst nicht vor. Es ist daher davon auszugehen, dass die Vergütung der Üblichkeit entsprach. Sie ist mithin als angemessen anzusehen, es sei denn, das branchenübliche Honorar erweist sich als unredlich und damit unangemessen. Damit soll verhindert werden, dass sich übliche Honorare nur deshalb durchsetzen, weil die Urheber aufgrund ihrer schwächeren Position nicht in der Lage sind, höhere Honorare durchzusetzen.

Die Darlegungs- und Beweislast hierfür trägt der Kläger. Insoweit beruft sich der Kläger zur Begründung des angemessenen Texthonorares zum einen auf die Gemeinsamen Vergütungsregeln und zum anderen auf die Tarifverträge für arbeitnehmerähnliche Journalisten, die auch schon früher galten und bei einer Auflagenzahl von 100.000 Exemplaren ein Texthonorar von mindestens 0,7 EUR vorsahen, das damit noch oberhalb des mit der Klage begehrten Betrages lagen. Für die Bildbeiträge beruft sich der Kläger ebenfalls auf die Tarifverträge, die insoweit Beträge von 61,00 bis 65,00 vorsahen; weiterhin stützt er sich auf die MFM-Empfehlungen (EUR 60,00) und die Gebühren der VG Bildkunst (EUR 104,00)

bb) Dem stimmt die Kammer im Ergebnis zu.

Auch wenn die Gemeinsamen Vergütungsregeln für freie hauptberufliche Journalistinnen und Journalisten an Tageszeitungen zeitlich und inhaltlich nicht unmittelbar anwendbar sind, so geben sie doch Auskunft darüber, welches Zeilenhonorar die Interessenvertreter der Journalisten und der Verleger unter den definierten Voraussetzungen übereinstimmend als angemessen ansehen. Diese bilden daher für die Schätzung, die die Unterschiede im vorliegenden Fall zu berücksichtigen hat, einen geeigneten Ausgangspunkt. Die Gemeinsamen Vergütungsregeln aber sehen Zeilenhonorare vor, die deutlich über denjenigen liegen, die von der Beklagten geleistet worden sind. Diese Zeilenhonorare haben die Vertragspartner der Gemeinsamen Vergütungsregeln seinerzeit übereinstimmend als angemessene Honorierung der Journalisten angesehen. Daraus folgt, dass jedenfalls im zeitlichen Anwendungsbereich der Gemeinsamen Vergütungsregeln die von der Beklagten geleisteten Vergütungen insoweit unangemessen sind, als sie vergleichbare Leistungen abgelten.

Diese indizielle Bedeutung, die den Gemeinsamen Vergütungsregeln für freie hauptberufliche Journalistinnen und Journalisten an Tageszeitungen damit zukommt, gilt nach Auffassung der Kammer auch für die Zeit vor ihrem Inkrafttreten. Denn insoweit ist nicht ersichtlich, dass die tatsächlichen Umstände seinerzeit anders gelegen hätten. Die Kammer vermag deshalb nicht zu erkennen, warum der ab dem 01.02.2010 als unangemessen erkannte Betrag eines Zeilenhonorars in Höhe von EUR 0,21 für die 2008 und 2009 erschienenen Beiträge als angemessen erachtet werden soll. Die Kammer verkennt dabei nicht, dass die Darlegungs- und Beweislast für die Unangemessenheit grundsätzlich bei dem Kläger liegt. Angesichts der Umstände sieht die Kammer allerdings insoweit eine sekundäre Darlegungslast bei der Beklagten, der diese nicht nachgekommen ist. Dabei war auch zu berücksichtigen, dass die bereits früher anwendbaren Tarifverträge für arbeitnehmerähnliche freie Journalisten an Tageszeitungen vom 1.8.2005 und vom 1.8.2008 Vergütungsbeträge vorsahen, die sogar noch über denjenigen der Gemeinsamen Vergütungsregelung lagen. Auch wenn diese Tarifverträge nicht auf den Kläger anwendbar sind, zeigen sie doch den Wert einer journalistischen Tätigkeit auf, weshalb es an der Klägerin gewesen wäre, vorzutragen, aus welchem Grund die dem Kläger geleistete, deutlich geringere Vergütung gleichwohl redlich und angemessen gewesen sein soll. Unabhängig davon, ob die hauptberufliche Tätigkeit freiberuflich oder arbeitnehmerähnlich ausgeführt wird, ist die zu vergütende Leistung dieselbe. Daher spricht alles dafür, dass die für arbeitnehmerähnliche Journalisten tarifvertraglich festgelegten Zeilenhonorare auch für freie Journalisten als angemessen zu bezeichnen sind. Das aber bedeutet im Umkehrschluss, dass diese für freie Journalisten allein aufgrund ihrer schwächeren Position nicht durchsetzbar waren und sich nur deshalb eine niedrigere Branchenübung durchgesetzt hat. Diese wurde dann durch die gemeinsamen Vergütungsregelungen angepasst, denen dadurch aber zumindest auch indizielle Wirkung für die Zeit vor ihrem Inkrafttreten zukommt.

cc) Die gemeinsamen Vergütungsregelungen können daher als Grundlage zur Schätzung der angemessenen Vergütung herangezogen werden, wobei allerdings zu berücksichtigen ist, dass diese inhaltlich nicht vollständig übertragbar sind.

Die Kammer geht insoweit zunächst davon aus, dass der Kläger in persönlicher Hinsicht dem Anwendungsbereich der Gemeinsamen Vergütungsregeln unterfällt. Er ist als hauptberuflicher freier Journalist an Tageszeitungen zu qualifizieren (§ 1 Gemeinsame Vergütungsregeln). Als Indiz hierfür lässt § 1 Gemeinsame Vergütungsregelung einen Presseausweis, den Nachweis der Versicherung in der Künstlersozialversicherung oder eine vergleichbare Bescheinigung genügen. Dies zeigt, dass die Nachweisanforderungen gering sind und im wesentlichen selbst geschaffen werden können; damit soll den vielgestaltigen journalistischen Daseinsformen entsprochen und tiefgreifender Streit über die Frage der Hauptberuflichkeit vermieden werden. Als vergleichbare Bescheinigung kann man auch die Steuererklärung heranziehen. Aus dieser ergibt sich, dass der Kläger neben den Einnahmen, die er von der Beklagten bezogen hat, über keine nennenswerten Einnahmen verfügte. Er war damit hauptberuflich Journalist und dies auch an Tageszeitungen.

Soweit die Beklagte in diesem Zusammenhang darauf abstellt, dass dies allein ohnehin nicht ausreiche, sondern der Kläger überdies hauptberuflicher freier Journalist an Tageszeitungen sein müsse, verfängt dies nicht. Nach § 1 der Gemeinsamen Vergütungsregelungen ist lediglich die Hauptberuflichkeit der journalistischen Tätigkeit darzutun, wobei das Regelwerk bereits recht einfache Indizien ausreichen lässt. Dass darüber hinaus noch darzutun wäre, dass die Hauptberuflichkeit sich gerade auf die Tätigkeit für Tageszeitungen bezieht, ist daneben nicht gefordert. Letztlich ergibt sich dies aber ohnehin aus den Steuerunterlagen, nach denen die klägerischen Einnahmen maßgeblich von der Beklagten stammten.

In sachlicher Hinsicht bleibt indes die Rechteeinräumung hinter derjenigen, die § 9 der Gemeinsamen Vergütungsregeln vorsieht, zurück. Insoweit fehlt es an der von § 9 Nr. 1 vorausgesetzten, ausschließlichen Rechteeinräumung. Eine solche haben die Parteien nicht vereinbart. Eine ausdrückliche Vereinbarung über den Umfang der Rechteübertragung ist unstreitig nicht erfolgt. Der Umfang ist daher gemäß § 31 Abs. 5 UrhG unter Anwendung der Zweckübertragungslehre zu ermitteln. Unstreitig ist in diesem Zusammenhang, dass der Kläger in großem Umfang für die Beklagte geschrieben und die streitgegenständlichen Artikel nur dieser angedient hat. Die Beklagte ihrerseits hat die Artikel verwertet und auch weiter lizensiert. In dem gelebten Vertragsverhältnis bestand daher nach den Umständen eine faktische Ausschließlichkeit. Allerdings ist ein ausschließliches Nutzungsrecht von der Beklagten nie eingefordert worden und war auch nach dem Vertragszweck nie erforderlich. Den grundsätzlichen Interessen beider Parteien war durch ein einfaches Nutzungsrecht im Ausgangspunkt genüge getan. Dies setzt auch die Grundregel des § 38 Abs. 3 UrhG voraus, nach der der Verleger einer Tageszeitung grundsätzlich ein einfaches Nutzungsrecht an dem überlassenen Beitrag erwirbt, wenn nichts anderes vereinbart ist. Dadurch ist der Urheber - wenngleich dies in der Lebenswirklichkeit möglicherweise anders aussehen mag - in der Lage, seinen Artikel mehreren Zeitungen anzubieten, während für die Zeitungen die Ausschließlichkeit gerade bei Lokalbeiträgen von untergeordnetem Interesse sein dürfte. Insoweit entspricht die Einräumung eines einfachen Nutzungsrechts auch der Zweckübertragungslehre.

Ausgehend davon hat die Kammer bei der Schätzung berücksichtigt, dass die Abweichung zu § 9 der Gemeinsamen Vergütungsregeln im Wesentlichen darin liegt, dass es lediglich an der in § 9 Nr. 1 definierten ausschließlichen Nutzungsrechteeinräumung fehlt, während die Nutzungsrechte gemäß Nr. 3 und Nr. 4 (eigenes Archiv, elektronische Ausgabe) nach Auffassung der Kammer als übliche Nutzungsform nach dem Vertragszweck von der Rechteübertragung erfasst sind. Der Umstand, dass in Abweichung zu den Gemeinsamen Vergütungsregeln kein ausschließliches Nutzungsrecht eingeräumt wurde, rechtfertigt grundsätzlich einen erheblichen Abschlag, da sich die Exklusivität als unmittelbarer Wettbewerbsvorteil des Verlegers niederschlägt, dem ein erheblicher Gegenwert innewohnt und die auch der Urheber, der sich dadurch einer weiteren Verwertung begibt, grundsätzlich nur gegen einen erheblichen Gegenwert einzuräumen gewillt sein dürfte. Allerdings war vorliegend zu berücksichtigen, dass bei Lokalbeiträgen der vorliegenden Art einerseits das Interesse des Verlegers an einem ausschließlichen Nutzungsrecht nach Auffassung der Kammer geringer einzustufen ist, da die Wettbewerbswirkung derartiger Beiträge ihrer Natur nach weniger spürbar ist; zum anderen kann nicht unberücksichtigt bleiben, dass zwischen den Parteien eine faktische Exklusivität gelebt wurde, die im Ergebnis dazu führte, dass die Beklagte die Artikel exklusiv veröffentlichte und frei entschied, ob und in welchen Ausgaben des Y dies geschah. In faktischer Hinsicht entsprach die Sachlage damit weitgehend dem Leitbild des § 9 der Gemeinsamen Vergütungsregeln. Dass die Rechtslage dahinter zurückbleibt, ist nach Auffassung der Kammer lediglich mit einem Abschlag von 15% auf die nach den Gemeinsamen Vergütungsregeln als angemessen angesehenen Zeilenhonorare zu bewerten, zumal die Vergütungsregeln auch für das bloße Zweitdruckrecht einen Betrag vorsehen, der lediglich 20-25% hinter der Vergütung für das Erstdruckrecht zurückbleibt.

dd) Unter Ansatz dieses Abschlages ist für die Berechnung des danach angemessenen Zeilenhonorars von § 3 lit. a) der Gemeinsamen Vergütungsregeln auszugehen, der ein Zeilenhonorar in Abhängigkeit von der Auflagenstärke vorsieht.

Dies wirft die Frage auf, ob der maßgebliche Erscheinungsumfang nach der Gesamtauflage des Y oder nach der Auflage der jeweiligen Regionalteile zu beurteilen ist, in denen der jeweilige Artikel erschienen ist. Diese Frage kann die Kammer im Ergebnis offenlassen. Denn da der Kläger die jeweiligen Artikel der Beklagten ohne regionale Beschränkung überlassen hat und diese frei entscheiden konnte und auch entschieden hat, in welchen Regionalteilen sie die Artikel veröffentlichte, trifft sie, die sich auf eine lediglich beschränkte Verbreitung beruft, insoweit eine sekundäre Darlegungslast dazu, in welchen Regionalteilen mit welcher Auflagenstärke die Artikel jeweils erschienen sind. Hierauf ist die Beklagte mit Beschluss vom 09.07.2012 hingewiesen worden. In der Folge hat sie mit Schriftsatz vom 29.08.2012 eine Stichprobe anhand 100 im Jahr 2010 erschienener Artikel zur Akte gereicht (Anlage B5 und B6). Mit Schriftsatz vom 26.09.2012 überreichte sie mit der Anlage B7 eine "Aufteilung der Zeilen nach Ausgaben" ohne dies auf die entsprechenden Artikel zu beziehen und teilte mit, dass eine genauere Auswertung sich aus technischen Gründen nicht habe durchführen lassen, da die Datenerfassung erst ab November 2009 eingesetzt habe.

Dies genügt den Anforderungen der sekundären Darlegungslast nicht. Hierzu hätte es einer auf die jeweiligen Artikel bezogenen Darlegung bedurft, die bis zuletzt nicht erfolgt ist. Soweit sich die Beklagte insoweit auf "Ermittlungsschwierigkeiten" beruft, geht dies zu ihren Lasten. Denn hierin drückt sich aus, dass die Entscheidung über den Veröffentlichungsumfang letztlich der Beklagten vorbehalten war und sie die Artikel auch in der Gesamtauflage hätte veröffentlichen können. Beruft sie sich vor diesem Hintergrund darauf, dass die Artikel aber nur in einzelnen oder mehreren Regionalteilen veröffentlicht worden seien, hat sie dies zu belegen. Gelingt ihr das - wie vorliegend - nicht, so ist zu ihren Lasten von einer Veröffentlichung in der Gesamtauflage auszugehen.

Danach kann der Kläger auf der Grundlage der Gemeinsamen Vergütungsregeln Im Ausgangspunkt ein Honorar in Höhe von 0,66 EUR je Zeile wie begehrt beanspruchen. Dieses ist jedoch um den obigen Abschlag von 15% zu mindern, so dass sich ein angemessenes Zeilenhonorar in Höhe von EUR 0,56 ergibt.

ee) Für die Vergütung der Bildveröffentlichungen gilt darüber hinaus Folgendes:

Soweit der Kläger für die Bildveröffentlichungen ein Honorar in Höhe von EUR 65,00 je Bild als angemessen ansieht, kann er sich weder unmittelbar noch mittelbar im Rahmen einer Schätzung gemäß § 287 ZPO auf die Gemeinsamen Vergütungsregeln beziehen. Diese treffen zu den Bildhonoraren gerade keine Regelungen, da die Vertragspartner insoweit keine Einigkeit erzielen konnten. Die Gemeinsamen Vergütungsregeln geben dementsprechend lediglich im Anhang die einseitig gebliebenen Vorstellungen der jeweiligen Vertragspartner wieder, wobei die Gewerkschaften einen Betrag in Höhe von EUR 65,00 als angemessen ansieht, während die Arbeitgeberseite lediglich von einem Betrag in Höhe von 22-35 EUR ausgeht.

Allerdings geht der Tarifvertrag für arbeitnehmerähnliche freie Journalisten (Anlage K6, Bl. 77ff) insoweit Stand 01.12.2008 von einem Betrag in Höhe von EUR 64,00 aus. Auf der Grundlage der obigen Begründung kann dieser Betrag als Ausgangspunkt der Schätzung dienen, zumal er auch den Honorarempfehlungen der Mittelstandsgesellschaft Fotomarketing entspricht. Der Kläger hat damit ausreichend die Unangemessenheit der geleisteten Vergütung dargelegt. Warum diese angesichts der existierenden Regelwerke gleichwohl angemessen gewesen sein soll, hat demgegenüber die Beklagte nicht dargetan.

Allerdings ist wegen der beschränkten Rechteübertragung und der fehlenden unmittelbaren Anwendbarkeit des Tarifvertrages, der die ihm unterfallenden Journalisten auch weiteren Beschränkungen unterwirft, auch insofern ein Abschlag zu machen. Diesen schätzt die Kammer auf 25%. Der im Vergleich zu den Textbeiträgen höhere Abschlag rechtfertigt sich daraus, dass ein ausschließliches Nutzungsrecht an Fotos, die den Moment festhalten und daher regelmäßig nicht ersetzbar sind, nach Auffassung der Kammer für beide Parteien höhere Bedeutung hat als die reine Textberichterstattung.

Es ergibt sich daraus ein angemessenes Honorar für die Bildbeiträge in Höhe von EUR 48,00 je Foto.

d) Aus diesen Erwägungen ergibt sich ein klägerischer Nachvergütungsanspruch aus § 32 UrhG in Höhe von insgesamt EUR 38.413,55. Dieser errechnet sich wie folgt:

aa) Für die Textberichterstattung gilt Folgendes:

Der Kläger fordert als nachzuvergütende Differenz zwischen geleisteter und angemessener Vergütung einen Betrag in Höhe von EUR 11.473,75. Zuzüglich der von der Beklagten geleisteten Beträge in Höhe von EUR 6.825,44 ergibt sich insoweit ein aus Sicht des Klägers angemessenes Texthonorar in Höhe von EUR 18.299,19. Die Bemessungsgrundlagen dieses Zahlenwerkes selbst, insbesondere die zugrunde liegenden Artikel und die Zeilenanzahl sowie die von ihr geleisteten Beträge sind von der Beklagten nicht bestritten worden. Sie können daher der weiteren Ermittlung zugrunde gelegt werden.

Von diesem Betrag war entsprechend den obigen Ausführungen ein Abschlag von 15% vorzunehmen. Danach ergibt sich eine angemessene Vergütung der Textbeiträge in Höhe von EUR 15.554,31. Abzüglich der von der Beklagten geleisteten EUR 6.825,44 verbleibt damit eine Differenzforderung in Höhe von insgesamt EUR 8.728,87.

Diese teilt sich (Berechnung erfolgt im Hinblick auf die Zinsforderung) auf die Jahre 2008 und 2009 wie folgt auf:

2008

geltend gemachter Differenzbetrag: EUR 5.625,57

zuzüglich gezahltem Betrag: + EUR 3.446,77

= aus Klägersicht angemessenes Honorar EUR 9.072,34

abzüglich 15% - EUR 1.360,85

= angemessenes Honorar EUR 7.711,49

Abzüglich gezahltes Honorar - EUR 3.446,77

= Anspruch EUR 4.264,72

2009

geltend gemachter Differenzbetrag: EUR 5.848,18

zuzüglich gezahltem Betrag: + EUR 3.378,67

= aus Klägersicht angemessenes Honorar EUR 9.226,85

abzüglich 15% - EUR 1.384,03

= angemessenes Honorar EUR 7.842,80

Abzüglich gezahltes Honorar - EUR 3.378,67

= Anspruch EUR 4.464,13

EUR 8.728,85

bb) Für die Fotoveröffentlichungen ergibt sich folgender Anspruch:

Nach den unbestrittenen Darlegungen des Klägers geht es um 369 Fotos für 2008 und 707 Fotos für 2009, mithin insgesamt 1.076 Fotos. Für diese ist nach den obigen Ausführungen ein Honorar geschuldet in Höhe von EUR 51.648,00 (1.076 Fotos * EUR 48,00). Auf dieses Honorar hat die Beklagte ausweislich der Aufstellungen des Klägers (Anlage K 4 und K 12), die die Beklagte inhaltlich nicht bestritten hat, im Jahr 2008 EUR 7.546,05 und im Jahr 2009 EUR 14.417,25 gezahlt, mithin insgesamt EUR 21.963,30. Danach verbleibt ein Differenzbetrag in Höhe von insgesamt EUR 29.684,70.

Davon entfallen auf das Jahr 2008 (369 Fotos * EUR 48,00 - EUR 7546,05 =) EUR 10.165,95 und auf das Jahr 2009 (707 Fotos * EUR 48,00 - EUR 14.417,25 =) EUR 19.518,75.

cc) Der Kläger kann danach insgesamt eine Nachvergütung in Höhe von EUR 38.413,55 verlangen. Hiervon entfallen EUR 14.430,67 auf das Jahr 2008 und EUR 23.982,88 auf das Jahr 2009.

2. Der Zahlungsanspruch für 2008 ist ab Zustellung der Klage am 02.02.2012, der Zahlungsanspruch für 2009 ab Zustellung des klageerweiternden Schriftsatzes am 05.03.2013 zu verzinsen, §§ 291, 288 Abs. 1 S. 2 BGB.

3. Die tenorierten Ansprüche sind weder verjährt noch verwirkt.

a) Die Einrede der Verjährung hat die Beklagte allein gegenüber den das Jahr 2008 betreffenden Ansprüchen erhoben. Diese greift jedoch nicht durch. Verjährung ist nicht eingetreten. Die Ansprüche für 2008 verjährten zum 31.12.2011. Der Eintritt der Verjährung ist aber durch die am 30.12.2011 bei Gericht eingegangene Klage in Verbindung mit der Rückwirkungsfunktion des § 167 ZPO gehemmt worden. Die Zustellung am 02.02.2012 erfolgte "demnächst" im Sinne der Vorschrift. Der Zeitablauf war nicht durch den Kläger begründet, der den Gerichtskostenvorschuss unverzüglich nach Zahlungsaufforderung geleistet hat.

b) Im Übrigen hat der Kläger den Zahlungsanspruch entgegen der Auffassung der Beklagten auch nicht verwirkt, § 242 BGB. Eine Verwirkung setzt neben einem Zeit- auch einen Umstandsmoment voraus. Die Beklagte, die insoweit darlegungs- und beweispflichtig ist, hat nicht hinreichend dargetan, ab wann und durch welchen konkreten Umstand die Voraussetzungen für eine Verwirkung vorliegen sollen. Es fehlt jedenfalls am Umstandsmoment. Ein schutzwürdiger Besitzstand der Beklagten, der im Vertrauen darauf, dass der Kläger keine Nachforderungen geltend machen würde, erworben worden wäre, ist nicht erkennbar.

Eine Verwirkung folgt auch nicht aus einer entsprechenden Anwendung von § 16 Abs. 3 des Tarifvertrages für arbeitnehmerähnliche freie Journalistinnen und Journalisten an Tageszeitung, der ausdrücklich eine Ausschlussfrist vorsieht. Auch wenn der Tarifvertrag für die Feststellung der Angemessenheit der Vergütung zu berücksichtigen sein mag, bedeutet dies nicht, dass auch die Ausschlussfristen heranzuziehen wären, auch nicht mittelbar über das Institut der Verwirkung. Denn dabei ist zu beachten, dass es sich bei dem Tarifvertrag um eine Kodifizierung handelt, der sich beide Seiten unterworfen haben, was es rechtfertigt, den Journalisten - der danach seine festgelegten Rechte kennt - zeitlichen Zwängen zu unterwerfen; im vorliegenden Fall ist die Rechtslage jedoch gerade nicht geklärt, weshalb es nicht gerechtfertigt ist, den Journalisten, der sich gerade nicht auf eine tarifvertragliche Rechtsgrundlage unmittelbar berufen kann, deren Zwängen zu unterwerfen.

4. Die Entscheidungen über die Kosten sowie über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruhen auf §§ 92, 709 ZPO.

5. Streitwert:

a) bis zum 31.12.2012: EUR 22.064,52

b) ab dem 01.01.2013: EUR 59.318,45






LG Köln:
Urteil v. 17.07.2013
Az: 28 O 1129/11


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