Bundespatentgericht:
Beschluss vom 6. Februar 2002
Aktenzeichen: 29 W (pat) 149/00
(BPatG: Beschluss v. 06.02.2002, Az.: 29 W (pat) 149/00)
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Gründe
I Gegen die mit den Farben magenta, grau eingetragene Wort-Bildmarkesiehe Abb. 1 am Endederen Waren- und Dienstleistungsverzeichnis wie folgt lautet:
"Elektrische, elektronische, optische, Meß-, Signal-, Kontroll- oder Unterrichtsapparate und -instrumente (soweit in Klasse 9 enthalten); Apparate zur Aufzeichnung, Übertragung, Verarbeitung und Wiedergabe von Ton, Bild oder Daten; maschinenlesbare Datenaufzeichnungsträger; Verkaufsautomaten und Mechaniken für geldbetätigte Apparate, Datenverarbeitungsgeräte und Computer; Druckereierzeugnisse, insbesondere bedruckte und/oder geprägte Karten aus Karton oder Plastik; Lehr- und Unterrichtsmittel (ausgenommen Apparate); Büroartikel (ausgenommen Möbel); Telekommunikation; Betrieb und Vermietung von Einrichtungen für die Telekommunikation, insbesondere für Funk und Fernsehen; Erziehung; Ausbildung; Unterhaltung; Organisation von sportlichen und kulturellen Veranstaltungen; Veröffentlichung und Herausgabe von Büchern, Zeitschriften und anderen Druckerzeugnissen sowie entsprechenden elektronischen Medien (einschließlich CD-ROMs und CD-Is); Erstellen von Programmen für die Datenverarbeitung; Dienstleistungen einer Datenbank, nämlich Vermietung der Zugriffszeiten zu und Betrieb von Datenbanken, sowie Sammeln und Liefern von Daten, Nachrichten und Informationen; Vermietung von Datenverarbeitungseinrichtungen und Computern; Projektierung und Planung von Einrichtungen für die Telekommunikation"
ist Widerspruch eingelegt worden aus der prioritätsälteren Wortmarke Diginet, die seit dem 17. August 1995 für die Waren und Dienstleistungen
"EDV-Anlagen und Telekommunikationssysteme; Analyse und Beratung für die Anschaffung von EDV-Anlagen und Telekommunikationssystemen; Installation, Betreuung und Wartung von EDV-Anlagen und Telekommunikationssystemen; Entwicklung und Programmierung von Anwendersoftware; Schulung und Betreuung von Anwendern von EDV-Anlagen und Telekommunikationssystemen"
im Markenregister eingetragen ist.
Die Markenstelle für Klasse 38 des Deutschen Patent- und Markenamts hat den Widerspruch mangels Verwechslungsgefahr durch Beschluß vom 14. Januar 2000 zurückgewiesen. Trotz teilweiser Identität und teilweiser Ähnlichkeit der Vergleichswaren und -Dienstleistungen bestehe keine klangliche Ähnlichkeit der Widerspruchsmarke mit dem den Gesamteindruck der jüngeren Marke prägenden Wortbestandteil "vidinet". Der übereinstimmende Wortteil "net" sei kennzeichnungsschwach, so daß sich das Augenmerk der angesprochenen Verkehrskreise daher auf die Bestandteile "vidi" und "digi" richte. Zwar enthielten beide Markenbestandteile dieselbe Vokalfolge. Entscheidend sei aber, daß die begrifflichen Unterschiede von "vidi" im Sinne von "ich habe gesehen" einerseits und von "digi" als Abkürzung von "digital" andererseits einer klanglichen Verwechslungsgefahr deutlich entgegenwirkten.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden.
Die Waren bzw Dienstleistungen seien teilweise identisch und im übrigen ähnlich und die Kennzeichnungskraft sei normal. Diginet sei weder lexikalisch nachweisbar noch lehne sich die Marke an einen Fachterminus an. Entscheidend sei der Gesamteindruck, den die Widerspruchsmarke dem angesprochenen Durchschnittsverbraucher vermittele. Der begriffliche Bezug von "net" zu Internet, Intranet oder Netzwerk gehe durch die Voranstellung des verfremdenden Wortanfangs "Digi" gänzlich verloren. Die Widerspruchsmarke trete dem Verkehr als einteilige Phantasieangabe ohne beschreibenden Anklang entgegen. Es bestehe Verwechslungsgefahr in schriftbildlicher Hinsicht, weil dem Wortbestandteil die prägende Bedeutung beizumessen sei und die Übereinstimmungen in fünf der jeweils aus sieben Buchstaben bestehenden Markenwörter an jeweils der gleichen Stelle überwögen. Auch sei Verwechslungsgefahr in klanglicher Hinsicht gegeben. Der Wortbestandteil "vidi" werde auf dem vorliegenden Gebiet der EDV und der Telekommunikation nicht als lateinisches Wort erkannt, so daß begriffliche Unterschiede der Gefahr klanglicher Verwechslungen nicht entgegenwirken könnten. Die jüngere Marke sei daher für einen im einzelnen angegebenen Teil der Waren und Dienstleistungen zu löschen.
Die Widersprechende beantragt, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und die Löschung der deutschen Marke 397 29 766 im Umfang der mit der Widerspruchsmarke identischen bzw ähnlichen Waren und Dienstleistungen anzuordnen.
Die Inhaberin der jüngeren Marke hat sich im Widerspruchs- und im Beschwerdeverfahren in der Sache nicht geäußert und keinen Antrag gestellt.
II Die Beschwerde der Widersprechenden ist zulässig, in der Sache bleibt sie jedoch ohne Erfolg. Es besteht auch nach Auffassung des Senats keine Verwechslungsgefahr im Sinne von § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG. Der Widerspruch ist deshalb von der Markenstelle zu Recht zurückgewiesen worden, §§ 42 Abs 2 Nr 1, 43 Abs 2 Satz 2 MarkenG.
Bei der hier maßgeblichen Registerlage geht der Senat mit der Widersprechenden und der Markenstelle von einer teilweisen Identität bzw. Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen der Vergleichszeichen aus. Dagegen vermag der Senat der Widersprechenden nicht in ihrer Beurteilung der Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke zu folgen. Zwar ist die Widerspruchsmarke "Diginet" insgesamt schutzfähig. Die Kennzeichnungskraft ist jedoch von Haus aus gering, weil die Marke sich sehr nahe an die Sachangabe "digitales Netz" anlehnt. Der Markenteil "-net" geht mit dem vorangestellten Wortteil "Digi-" eine enge Verbindung ein, ohne deshalb aber seinen Aussagegehalt als Kurzform von "Internet oder sonstigen Netzen" für die in Rede stehenden Waren und Dienstleistungen einzubüßen. Aus diesem Grund ist ein unterdurchschnittlicher Grad an Kennzeichnungskraft bei der Widerspruchsmarke anzusetzen.
Unter Berücksichtigung der Wechselwirkung, die den Komponenten der Identität bzw. Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen, der Kennzeichnungskraft und der Identität bzw. Ähnlichkeit der Marken bei der Beurteilung der Verwechslungsgefahr zukommt (stRspr BGH, EuGH u.h.M. vgl zuletzt BGH, Urteil vom 20.12.2001 - I ZR 78/99 - ASTRA/ESTRA-PUREN m.w.N.; Althammer/Ströbele MarkenG 6. Aufl, § 9 Rdn 17, 36), genügt die jüngere Marke den Anforderungen an den Abstand, den sie gegenüber der prioritätsälteren Widerspruchsmarke einzuhalten hat, um die Gefahr von Verwechslungen in jeder Richtung zu verneinen.
Ausgehend von dem maßgeblichen Gesamteindruck der jeweiligen Marken (stRspr BGH aaO, S 12 u. BGH GRUR 2000, 233, 235 - RAUSCH/ELFI RAUCH; GRUR 2001, 164, 166 - Wintergarten) bestehen ausreichende, unübersehbare Unterschiede zwischen der reinen Wortmarke der Widersprechenden und dem visuellen Erscheinungsbild der jüngeren Marke. Zwar kann einem einzelnen Bestandteil einer Marke unter Umständen eine die Gesamtmarke prägende Kennzeichnungskraft beizumessen sein, wenn die weiteren Bestandteile gänzlich zurücktreten. Das mag bei einer aus Wort- und Bildelementen gebildeten Marke hinsichtlich des Wortes der Fall sein, wenn die Bildbestandteile dieses lediglich als Beiwerk unterstreichen oder umrahmen. Anders ist es jedoch, wenn den Bildelementen - wie hier - eine eigenständige visuelle Wirkung zukommt. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der bildliche Eindruck eines Filmstreifens hervorgerufen wird oder ob eine Reihe sogenannter Digits abgebildet ist. Von einer Prägung des Gesamteindrucks der jüngeren Marke in bildlicher Hinsicht allein durch den Wortbestandteil "vidinet" kann jedenfalls nicht ausgegangen werden. Soweit die Widersprechende den Grundsatz heranzieht, wonach bei einem aus Wort- und Bildbestandteilen zusammengesetzten Zeichen dem Wortbestandteil eine prägende Bedeutung beizumessen sei, verkennt sie, daß der Erfahrungssatz nur bei der klanglichen Ähnlichkeit zum Tragen kommt, weil es nur dort von Bedeutung ist, daß sich der Verkehr zur Benennung der Gesamtmarke in der Regel des Wortes als der einfachsten und kürzesten Bezeichnungsform bedient (vgl BGH WRP 2000, 535 - ATTACHÉ/TISSERAND).
In klanglicher Hinsicht reichen die Abweichungen ebenfalls aus, um ein Auseinanderhalten der Marken noch hinreichend zu gewährleisten. Obwohl die Zeichenwörter die gleiche Wortlänge, Silbenzahl und Vokalfolge aufweisen und sich nur in zwei von sieben Lauten unterscheiden, bewirken diese am betonten und stärker beachteten Wortanfang stehenden Unterschiede ein jeweils abweichendes Klangbild mit völlig unterschiedlichen begrifflichen Inhalten und Vorstellungen, die beim Hören und Benennen der Marken hervorgerufen werden. Wenn der Senat auch nicht von der Bekanntheit des lateinischen Wortes "vidi" = "ich habe gesehen" oder des Caesar zugeschriebenen Ausspruches "veni, vidi, vici" im Zusammenhang mit den betroffenen Telekommunikationswaren und - dienstleistungen ausgeht, so ist doch festzustellen, daß der angesprochene Verkehr - nicht zuletzt wegen der großen Bedeutung von Video und Bildübertragungen - bei dem Wortteil "vidi-" an das Sehen und bei "vidinet" insgesamt an ein Bildübertragungsnetz denkt. Demgegenüber lenkt der in Verbindung mit "net" ohne weiteres erkennbare und unüberhörbare Markenteil "Digi-" als Anklang an "Digital" bzw "Digitalnetz" das Klangbild wegen des ausgeprägten Begriffsgehalts in eine andere Richtung. Die abweichenden Begriffsanklänge der Vergleichsmarken bewirken, daß die klanglichen und bildlichen Unterschiede vom Hörer oder Leser rascher und besser erfaßt werden, was verwechslungsmindernd zu berücksichtigen ist (vgl Althammer/Ströbele aaO § 9 Rdn 73).
Angesichts der geringen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke und der deutlichen Abweichungen im Klang und Bild der Vergleichsmarken ist die Verwechslungsgefahr insgesamt zu verneinen, auch soweit Identität der Waren und Dienstleistungen besteht.
Für eine Auferlegung der Kosten aus Billigkeitsgründen bestand keine Veranlassung (§ 71 Abs 1 MarkenG).
Grabrucker Baumgärtner Pagenberg Cl Abb. 1 http://agora/bpatgkollision/docs/29W(pat)149-00.1.3.gif
BPatG:
Beschluss v. 06.02.2002
Az: 29 W (pat) 149/00
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