Bundespatentgericht:
Beschluss vom 7. Dezember 2006
Aktenzeichen: 17 W (pat) 104/04

(BPatG: Beschluss v. 07.12.2006, Az.: 17 W (pat) 104/04)

Tenor

Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird angeordnet.

Gründe

I.

Am 12. März 2003 ist ein Patent mit der Bezeichnung

"Verfahren zum Betreiben eines Mikroprozessors und eine Mikroprozessoranordnung"

unter der Nummer 103 10 781.9-53 beim Deutschen Patent- und Markenamt angemeldet worden.

Die Prüfungsstelle für Klasse G 06 F hat am 10. November 2003 einen Prüfungsbescheid erlassen, wonach das nachgesuchte Patent mangels erfinderischer Tätigkeit nicht erteilt werden könne. Sie hat auf die Möglichkeit einer Anhörung hingewiesen.

Daraufhin hat die Anmelderin den bisher geltenden Patentanspruch 1 durch Hinzufügen der Merkmale der ursprünglichen Patentansprüche 2 und 6 eingeschränkt und im Einzelnen zu den Ausführungen im Prüfungsbescheid Stellung genommen. Für den Fall, dass die Prüfungsstelle die Patentansprüche weiterhin nicht für gewährbar halte, hat sie die Anberaumung einer Anhörung beantragt.

5 Monate nach Eingang dieser Stellungnahme hat zwischen der Prüfungsstelle und dem Anmeldervertreter ein Telefonat stattgefunden, in dem die Prüfungsstelle den Patentanspruch 1 nur mit bestimmten Modifikationen für gewährbar gehalten hat, die aber im Rahmen des ursprünglich Offenbarten nicht möglich seien. Dem habe die Anmelderin zugestimmt.

Kurz darauf hat die Prüfungsstelle für Klasse G 06 F einen Zurückweisungsbeschluss erlassen. Der neu eingereichte Patentanspruch 1 stimme in seinem sachlichen Gehalt mit dem ursprünglichen Patentanspruch 1 überein, zu dem bereits im Beanstandungsbescheid dargelegt worden sei, dass er nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe. Eines erneuten Bescheids vor der Beschlussfassung habe es nicht bedurft, da sich aus der Eingabe der Anmelderin keine neue Entscheidungsgrundlage ergeben habe. Da auch die Beschreibung nichts Patentfähiges enthalte, sei die Anberaumung einer Anhörung nicht sachgerecht gewesen.

Hiergegen hat die Anmelderin Beschwerde eingelegt und die Rückzahlung der Beschwerdegebühr beantragt. Dies begründete sie u. a. damit, dass der Patentanspruch 1 entgegen den Ausführungen der Prüfungsstelle in seinem sachlichen Gehalt nicht mit dem ursprünglichen Patentanspruch 1 übereinstimme. Vielmehr sei er durch die Merkmale von zwei ursprünglich untergeordneten Patentansprüchen spezifiziert worden, zu denen die Prüfungsstelle in ihrem Prüfungsbescheid ohne nähere Begründung lediglich unterstellt habe, dass sie keine erfinderische Tätigkeit erkennen ließen. Der einzige Prüfungsbescheid habe keinerlei substantiierte Begründung zu den Merkmalen der untergeordneten Patentansprüche enthalten. Jedoch habe der Prüfungsbescheid erkennen lassen, dass der zuständige Prüfer eine Anhörung für sachdienlich erachte. Daraufhin sei mit der folgenden Eingabe hilfsweise die Anberaumung einer Anhörung beantragt worden. Da der Prüfer die signifikanten und offensichtlich vorhandenen Unterschiede des neu eingereichten Patentanspruchs 1 zum ursprünglichen Patentanspruch 1 nicht erkannt habe, wäre die Anberaumung einer Anhörung sachdienlich und aus Gründen der Verfahrensökonomie zweckmäßig gewesen. Da die Möglichkeit einer Anhörung gerade durch den amtsseitigen Prüfungsbescheid ins Spiel gebracht worden sei, habe man anmelderseitig in gutem Glauben annehmen können, dass dem Antrag stattgegeben werde.

Auf die Ladung des Senats hat die Anmelderin neue Patentansprüche 1 bis 3 eingereicht, kurz vor Durchführung der mündlichen Verhandlung aber die Patentanmeldung zurückgenommen. Den Antrag auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr hat sie ausdrücklich aufrecht erhalten.

II.

Der Antrag auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr ist zulässig. Auch nach Rücknahme der Anmeldung kann die Rückzahlung der Beschwerdegebühr angeordnet werden (§ 80 Abs. 4 PatG).

Der Antrag hat auch Erfolg. Wegen der Formulierung "kann" in § 80 Abs. 3 PatG wird die Beschwerdegebühr zurückgezahlt, wenn dies der Billigkeit entspricht. Dabei sind alle Umstände des Falles, insbesondere das Verhalten der Beteiligten und die Sachbehandlung durch das Patentamt unter dem Gesichtspunkt der Ordnungsmäßigkeit und der Angemessenheit seiner Maßnahmen zu würdigen (Benkard, Patentgesetz, 10. Aufl., § 80 Rdnr. 21). Die Billigkeit der Rückzahlung kann sich danach aus der Sachbehandlung durch das Deutsche Patent- und Markenamt ergeben (vgl. Schulte, Patentgesetz, 7. Aufl., § 80 Rdnr. 66 ff.), wenn diese für die Erhebung der Beschwerde ursächlich war. Ursächlich in diesem Sinne ist ein Verstoß, wenn aus der Sicht eines verständigen Beschwerdeführers nicht auszuschließen ist, dass die Entscheidung ohne den Fehler anders ausgefallen wäre und er deshalb die Beschwerde für notwendig halten durfte. Dies ist hier der Fall.

Die Ablehnung der von der Anmelderin beantragten Anhörung stellt einen die Rückzahlung der Beschwerdegebühr rechtfertigenden Verfahrensverstoß dar, denn eine solche - wenigstens einmalige - Anhörung wäre sachdienlich gewesen. Sachdienlich ist eine Anhörung grundsätzlich in jedem Verfahren einmal (BPatGE 18,30). Sie ist immer sachdienlich, wenn sie das Verfahren fördern kann, insbesondere wenn sie eine schnellere und bessere Klärung als eine schriftliche Auseinandersetzung verspricht. Eine Ablehnung eines Antrags auf Anhörung kommt deshalb nur ausnahmsweise in Betracht, nämlich wenn triftige Gründe dafür vorliegen, weil z. B. die Anhörung zu einer überflüssigen Verfahrensverzögerung führen würde (Schulte, a. a. O., § 46 Rdnr. 9 f.). Bei der Nachprüfung der Sachdienlichkeit der Anhörung ist der Senat unter Ausschluss von Zweckmäßigkeitserwägungen beschränkt auf eine Rechtskontrolle (Benkard, a. a. O., § 46 Rdnr. 8; BPatGE 24, 44).

Im vorliegenden Fall ist aber der Beurteilungsspielraum des Prüfers überschritten worden, da objektive die Ablehnung eines Antrags auf Anhörung rechtfertigende Gründe nicht ersichtlich sind. Insbesondere gab das Verhalten der Anmelderin gerade keinen Anlass für die Vermutung, dass eine Annäherung der gegensätzlichen Standpunkte nicht mehr zu erwarten sei und die beantragte Anhörung das Verfahren lediglich verzögere.

Die Anmelderin hat nämlich den im einzigen Prüfungsbescheid von der Prüfungsstelle geäußerten Bedenken offensichtlich Rechnung getragen und einen neu formulierten Patentanspruch 1 eingereicht, der zusätzlich zur ursprünglichen Formulierung die Merkmale der bisherigen Ansprüche 2 und 6 enthält. Es ist schon nicht nachvollziehbar, dass dies - wie im Zurückweisungsbeschluss behauptet - nicht zu einem neuen sachlichen Gehalt des Patentanspruchs 1 geführt haben sollte. Irgendeinen verbindlichen Hinweis darauf hat die Anmelderin von der Prüfungsstelle aber obendrein nicht erhalten. Die Anmelderin konnte vielmehr nach Einreichen des neu formulierten Anspruchs guten Glaubens sein, den von der Prüfungsstelle mitgeteilten Bedenken entsprochen zu haben. Zudem hat die Anmelderin ausdrücklich hilfsweise die Anberaumung einer Anhörung beantragt. Wäre diese, wie oben ausgeführt, schon als solche sachdienlich gewesen, so kommt im vorliegenden Fall noch hinzu, dass die Prüfungsstelle selbst in ihrem Bescheid auf die Möglichkeit einer Anhörung hingewiesen hat und die Anmelderin unabhängig von der ohnehin bestehenden gesetzlichen Situation diesen Hinweis aufgegriffen hat. Der Antrag auf Anhörung zusammen mit dem Versuch, durch Änderung der Ansprüche den Bedenken der Prüfungsstelle Rechnung zu tragen, sind hier als deutliches Signal für die Gesprächsbereitschaft der Anmelderin anzusehen. Sie musste unter diesen Umständen darauf vertrauen können, dass sie nicht durch einen Zurückweisungsbeschluss überrascht und von ihren Möglichkeiten zur Verfahrensgestaltung unerwartet abgeschnitten werden würde.

Dass die Prüfungsstelle mit dem Anmeldervertreter ein Telefonat geführt hat, vermag eine Anhörung nicht zu ersetzen. Selbst wenn in diesem Telefonat die maßgeblichen Bedenken ausgetauscht worden sein sollten, so ist ein Telefonat lediglich geeignet, kleinere Bedenken ohne umfassende Tragweite abzuklären, kann aber eine von beiden Seiten sorgfältig vorbereitete Anhörung nicht ersetzen, da ein Telefonat immer einen gewissen Überraschungseffekt und ein gewisses Provisorium birgt (vgl. Schulte, a. a. O., § 46 Rdnr. 39, insbes. Fußnote 33 mit Hinweis auf die Prüfungsrichtlinien). Dass die Anmelderin im Laufe des Gesprächs auf die beantragte Anhörung verzichtet hätte, ist der Telefonnotiz vom 30. Juli 2004 nicht zu entnehmen.

Damit durfte die Prüfungsstelle die von der Anmelderin beantragte Anhörung nicht ablehnen, ohne ihr zumindest eine andere Gelegenheit zu geben, die neu vorgebrachten Bedenken in Ruhe zu diskutieren und zu beheben.

Schließlich lässt die Rücknahme der Anmeldung in der Beschwerdeinstanz die Annahme zu, dass die Anmelderin bei einer sachgerechten Auseinandersetzung mit ihrer Anmeldung, wie insbesondere in einer Anhörung, von der Einlegung einer Beschwerde abgesehen hätte (Schulte, a. a. O., § 73 Rdnr. 142; vgl. auch Busse, Patentgesetz, 6. Aufl., § 80 Rdnr. 105).

Nach alledem entspricht es der Billigkeit, die Beschwerdegebühr zurückzuzahlen.






BPatG:
Beschluss v. 07.12.2006
Az: 17 W (pat) 104/04


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