Bundespatentgericht:
Beschluss vom 30. November 2004
Aktenzeichen: 33 W (pat) 280/03

(BPatG: Beschluss v. 30.11.2004, Az.: 33 W (pat) 280/03)

Tenor

Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 35 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 25. September 2003 aufgehoben, soweit die Anmeldung zurückgewiesen worden ist.

Gründe

I Beim Deutschen Patent- und Markenamt ist am 29. Juni 2001 die Wortmarke Palatinafür verschiedene Waren und Dienstleistungen der Klassen 16, 31, 33, 35, 41 und 42 zur Eintragung in das Register angemeldet worden.

Die Markenstelle für Klasse 35 hat die Annmeldung durch Beschluss vom 25. September 2003 teilweise, nämlich hinsichtlich der Waren und Dienstleistungen

"Abrisskalender, Anzeigekarten; Aufkleber, Stickers, Bilder, Broschüren, Bücher, graphische Darstellungen; Druckereierzeugnisse; Einbände (Papier- und Schreibwaren); Eintrittskarten; Kalender; Kataloge; Plakate; Postkarten; Prospekte; Schriften (Veröffentlichungen); Unterrichts- und Lehrmittel (ausgenommen Apparate); Verteilung von Werbematerial (Flugblätter, Prospekte, Drucksachen, Warenproben); Zeitschriften; Verbreitung von Werbeanzeigen; Fernsehwerbung; Herausgabe von Werbetexten; Veranstaltung von Messen zu gewerblichen oder zu Werbezwecken; Organisation von Ausstellungen und Messen für wirtschaftliche und Werbezwecke; Öffentlichkeitsarbeit (PublicRelations); Regionalmarketing; Rundfunkwerbung; Verkaufsförderung (Salespromotion) (für andere); Versandwerbung; Verteilung von Werbematerial (Flugblätter, Prospekte, Drucksachen, Warenproben); Dienstleistungen einer Werbeagentur; Verbreitung von Werbeanzeigen; Werbung; Veranstaltung von Ausstellungen für kulturelle oder Unterrichtszwecke; Erziehung und Unterricht; Fernkurse; Filmproduktion; Dienstleistungen bezüglich Freizeitgestaltung; Veranstaltung und Leitung von Kolloquien; Organisation und Veranstaltung von Konferenzen; Organisation und Veranstaltung von Kongressen; Durchführung von Live-Veranstaltungen; Veranstaltung von Seminaren; Organisation und Veranstaltung von Symposien"

gemäß § 8 Abs 2 Nr 1 und 2 Marken zurückgewiesen. Sie hat ausgeführt, dass die angemeldete Marke eine Kurzbezeichnung für die "Bibliotheca Palatina", eine in Heidelberg um 1560 eingerichtete Bibliothek sei, die zu den berühmtesten Europas zähle. Hinsichtlich der zurückgewiesenen Waren der Klasse 16 stelle die Marke eine mögliche Inhaltsangabe dar, hinsichtlich der Dienstleistungen der Klasse 41 könnten diese die Verbreitung und Präsentation der Werke zum Ziel haben. Das Zeichen entbehre als reine Sachangabe ohne herkunftshinweisende Funktion auch bei Anlegung eines großzügigen Bewertungsmaßstabes der markenrechtlichen Unterscheidungskraft, da ihm ein im Vordergrund stehender beschreibender Begriffsinhalt zugeordnet werden könne.

Gegen diese Entscheidung hat der Anmelder Beschwerde eingelegt.

Er beantragt, den angefochtenen Beschluss aufzuheben.

Er hat zuletzt folgenden einschränkenden Zusatz zu seinem Waren- und Dienstleistungsverzeichnis vorgelegt:

"alle Waren und Dienstleistungen der Klassen 16, 35, und 41 nicht in Bezug auf die Bibliotheca Palatina".

Er trägt vor, dass "Palatin/Palatina" drei verschiedene Bedeutungen habe, nämlich "ein Hügel in Rom", "Pfalzgraf" und "Heidelberger Kurpfälzische Bücherei". Nur ein ganz geringer Teil der Verbraucher werde den Begriff in Verbindung mit der angesprochenen Bibliothek bringen. Eine Vielzahl von Verbrauchern werde die Anmeldemarke jedoch aufgrund des Fehlens einer ausreichenden geschichtlichen oder kunsthistorischen Bildung unmittelbar als Phantasiebezeichnung und daher als kennzeichnungskräftiges Kunstwort ansehen. Dies werde auch belegt durch die Existenz des Begriffes in verschiedenen romanischen Sprachen, in welchen "Palatina" im Sinne von "Pfalz" verwendet werde. Er verweist weiter auf Eintragungen des Wortes "Palatina" durch das Deutsche Patent- und Markenamt in Alleinstellung bzw. im Zusammenhang mit anderen Begriffen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II Die Beschwerde ist begründet. Der Senat hält die streitgegenständliche Marke "Palatina" im Zusammenhang mit dem nunmehr eingeschränkten Waren- und Dienstleistungsverzeichnis, soweit dieses Gegenstand der Zurückweisung gewesen ist, für unterscheidungskräftig und für nicht freihaltungsbedürftig beschreibend gemäß § 8 Abs 2 Nr 1 und 2 MarkenG.

1. Nach § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG sind von der Eintragung solche Marke ausgeschlossen, die ausschließlich aus Angaben bestehen, die im Verkehr ua zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der Bestimmung oder der Bezeichnung sonstiger Merkmale der in Frage stehenden Waren oder Dienstleistungen dienen können. Dabei ist davon auszugehen, dass ein Eintragungshindernis auch dann besteht, wenn eine Benutzung als Sachangabe bisher noch nicht erfolgt ist, eine solche jedoch nach den Umständen erfolgen wird (vgl BGH GRUR 1995, 408 - PROTECH). Zu den nach § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG vom Markenschutz ausgeschlossenen Angaben zählen allerdings nicht nur die ausdrücklich aufgeführten, sondern auch solche, die für den Verkehr wichtige und für die umworbenen Abnehmerkreise irgendwie bedeutsame Umstände mit konkretem Bezug auf die betreffenden Waren und Dienstleistungen selbst beschreiben (vgl BGH GRUR 1998, 813 - CHANGE).

Das begehrte Markenwort "Palatina" hat in der deutschen Sprache verschiedene Bedeutungen. Es wird zum einen als Kurzbezeichnung für die "Bibliotheca Palatina", eine Bibliothek aus der kurfürstlichpfälzischen Bibliothek in Heidelberg, verwandt (vgl Brockhaus Die Enzyklopädie, 1991, S 485; Lexikon des Mittelalters, 1998). Ein Bezug der zurückgewiesenen Waren und Dienstleistungen zu dieser Bibliothek wurde durch den Zusatz im Waren- und Dienstleistungsverzeichnis "alle vorgenannten Waren/Dienstleistungen nicht in Bezug auf die Bibliotheca Palatina" ausgeschlossen. Anhaltspunkte dafür, dass aufgrund dieses Zusatzes eine Täuschung der angesprochenen Verkehrskreise, hier neben Fachkreisen auch das allgemeine Publikum, in Betracht kommt (§ 8 Abs 2 Nr 4 MarkenG), vermag der Senat im vorliegenden Fall nicht zu erkennen. Voraussetzung dafür wäre bereits, dass ein beachtlicher Teil der angesprochenen Verkehrskreise "Palatina" als Kurzbezeichnung für die gleichnamige Bibliothek kennt und einen Bezug zwischen dieser Bibliothek und den angebotenen Waren und Dienstleistungen herstellt. Die Kenntnis der "Bibliotheca Palatina" setzt jedoch zum einen erhebliche kunsthistorische Kenntnisse voraus. Zum anderen spricht gegen eine Täuschung, dass "Palatina" auch in anderem Zusammenhang Verwendung findet.

So existiert beispielsweise in Palermo eine "Cappella Palatina"; es gibt eine "Anthologia Palatina" genannte Epigrammsammlung, eine "Collectio Palatina" (eine Sammlung verschiedener theologischer Schriften aus dem 6. Jahrhundert) oder auch den Begriff "Auxilia Palatina" aus dem Heerwesen (vgl Lexikon des Mittelalters aaO). Schließlich bedeutet "Palatinus" in der lateinischen Sprache "kaiserlich" bzw "zur kaiserlichen Pfalz gehörig" (Pons Wörterbuch Latein-Deutsch, 2003, S 632), "Palatina" könnte insoweit die weibliche Form Singular des Adjektivs bzw die erste Person Plural Neutrum sein. Insoweit wären jedoch genauere Kenntnisse der lateinischen Sprache erforderlich, um "Palatina", entsprechend dekliniert mit einer Pfalz in Verbindung zu setzen.

Insgesamt kann aufgrund der verschiedenen Bedeutungsmöglichkeiten des Begriffes und aufgrund des Zusatzes im Dienstleistungsverzeichnis eine Verwendung der Bezeichnung als beschreibende Angabe nicht angenommen werden, insbesondere auch nicht in Bezug zum Bundesland Rheinland-Pfalz oder zur Pfalz als solcher, so dass von einem auf gegenwärtiger Benutzung als Sachangabe beruhenden Freihaltungsbedürfnis nicht ausgegangen werden kann. Ebenso wenig liegen hinreichende Anhaltspunkte dafür vor, dass im Zusammenhang mit dem nunmehr eingeschränkten Waren und Dienstleistungsverzeichnis in Zukunft eine Verwendung der angemeldeten Bezeichnung als Sachangabe erfolgen wird.

2. Bei der Beurteilung der Unterscheidungskraft als der einer Marke innewohnenden konkreten Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel für die von der Marke erfassten Dienstleistungen eines Unternehmens gegenüber solchen anderer Unternehmen aufgefasst zu werden, ist grundsätzlich ein großzügiger Maßstab anzulegen, dh jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft reicht aus, um dieses Schutzhindernis zu überwinden (stRspr vgl BGH WRP 2001, 1082 - marktfrisch; GRUR 2002, 540 - OMEPRAZOK).

Aufgrund des eingeschränkten Waren und Dienstleistungsverzeichnisses ist ein Bezug zu der "Bibliotheca Palatina", wie ausgeführt, in rechtlich zulässiger Weise ausgeschlossen worden. Im Hinblick auf die verbleibenden verschiedenen übrigen Bedeutungsinhalte von "Palatina" fehlt es an ausreichenden Anhaltspunkten dafür, dass der Verkehr die angemeldete Marke nur im Sinne einer schlagwortartigen Aussage über eine Eigenschaft oder die Verwendungsbestimmung der insoweit noch beanspruchten Waren oder Dienstleistungen werten, nicht aber schon als Kennzeichnungsmittel verstehen wird.

Winkler Pagenberg Dr. Hock Cl






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Az: 33 W (pat) 280/03


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