Bundespatentgericht:
Beschluss vom 1. August 2001
Aktenzeichen: 26 W (pat) 72/00

(BPatG: Beschluss v. 01.08.2001, Az.: 26 W (pat) 72/00)

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Gegen die für die Waren

"Vins de toutes sortes"

in der Bundesrepublik Deutschland Schutz suchende IR-Marke 655 615 siehe Abb. 1 am Endeist Widerspruch eingelegt worden aus der für die Waren

"Stillweine, Schaumweine, Malzweine, Fruchtweine, Frucht- Schaumweine, Wermutweine; Spirituosen, insbesondere Liköre, Weinbrand und Bittern; Essenzen und Extrakte zur Herstellung von Spirituosen"

eingetragenen Marke 703 275 Boheme.

Die Markenstelle für Klasse 33 IR des Deutschen Patent- und Markenamts hat zunächst den Widerspruch als unbegründet zurückgewiesen, weil auf die zulässigerweise erhobene Einrede mangelnder Benutzung diese durch die Widersprechende nicht glaubhaft gemacht worden sei. Nachdem die Widersprechende jedoch Benutzungsunterlagen vorgelegt hat, hat dieselbe Markenstelle auf die Erinnerung der Widersprechenden den vorangegangenen Beschluß aufgehoben und der schutzsuchenden IR-Marke den Schutz verweigert. Die Widersprechende habe eine nach Art, Umfang und Dauer ausreichende Benutzung ihrer Marke für die Ware "Schaumweine" glaubhaft gemacht. Die zu vergleichenden Waren seien hochgradig ähnlich und die Widerspruchsmarke besitze eine normale Kennzeichnungskraft. Den danach erhöhten Anforderungen an den Markenabstand werde die jüngere IR-Marke nicht gerecht. Der Verkehr werde sich in beachtlichem Umfang nur an dem allein kennzeichnungskräftigen Wortbestandteil "Bohemia" der IR-Marke orientieren und das Zeichen auch so benennen. Einem erheblichen Teil des Publikums sei ferner die korrekte Aussprache des Begriffs "Boheme" nicht geläufig. Werde dieser Begriff buchstabengetreu wiedergegeben, bestünden bei einem Vergleich der Zeichenworte lediglich in den Lauten "ia-" gegenüber "e" Abweichungen, die am in der Regel weniger beachteten Wortende aber nicht so deutlich hervorträten, daß sie Verwechslungen infolge Verhörens sicher verhindern könnten.

Hiergegen wendet sich die Inhaberin der jüngeren IR-Marke mit der Beschwerde. Die Vergleichszeichen kämen sich nicht verwechselbar nahe, da beim Zeichenvergleich grundsätzlich von der eingetragenen Form der sich gegenüberstehenden Zeichen auszugehen sei. Dann aber bestünden ausreichende Unterschiede zwischen den Vergleichsmarken. Dies gelte auch dann, wenn die jüngere IR-Marke auf den Wortbestandteil beschränkt werde. Dieser werde nämlich mit "Böhmischer Sekt" übersetzt. Die deutschen Verbraucher würden dies auch erkennen. Auch das Widerspruchszeichen "Boheme" sei in seinem Sinngehalt durchaus bekannt. Beiden Zeichenworten wohne also ein fester, ohne weiteres nachvollziehbarer Sinngehalt inne, was die Gefahr von Verwechslungen in erheblichem Maße zurückdränge. Im übrigen könne der graphische Bestandteil der IR-Marke nicht einfach vernachlässigt werden.

Die Inhaberin der IR-Marke 655 615 beantragt, den Beschluß des Deutschen Patent- und Markenamts vom 14. Oktober 1999 aufzuheben.

Die Widersprechende beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie vertritt die Ansicht, daß der in der jüngeren IR-Marke allein kollisionsbegründende Bestandteil "Bohemia" mit der Widerspruchsmarke verwechselbar sei. "Bohemia" sei nämlich das englische Wort für Böhmen und den inländischen Verkehrskreisen kaum bekannt. Der Sinngehalt der beiden Vergleichswörter sei bei nur flüchtiger Wahrnehmung weder erfaßbar noch geläufig. Da zudem die Vergleichswaren identisch seien, steige der Grad der Verwechslungsgefahr. Sie legt in der Beschwerdeinstanz weitere Unterlagen vor, um die Benutzung ihrer Marke glaubhaft zu machen.

II.

Die zulässige Beschwerde der Inhaberin der IR-Marke 655 615 ist nicht begründet. Zwischen den Vergleichszeichen besteht die Gefahr von Verwechslungen im Sinne von § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG.

Nachdem die Inhaberin der angegriffenen Marke zulässigerweise die Einrede mangelnder Benutzung erhoben hat (§ 43 Abs 1 MarkenG), war bei der Beurteilung der Waren auf der Seite der Widersprechenden von der als hinreichend benutzt glaubhaft gemachten Ware "Sekt" auszugehen. Die Widersprechende hat ausreichende Unterlagen für die maßgeblichen Benutzungszeiträume des § 43 Abs 1 Satz 1 und 2 MarkenG vorgelegt. Nach den gemäß § 43 Abs 1 Satz 1 MarkenG für die Jahre 1991 bis 1996 zu erbringenden Glaubhaftmachungsunterlagen ist die Art der Benutzung nicht zu beanstanden. Weder die im Gegensatz zu der Eintragung veränderte Schreibweise noch die Umrahmung oder die Zusätze "brut" bzw "demi sec" und die Warenbenennung "vin mousseux" verändern den kennzeichnenden Charakter der Marke (§ 26 Abs 3 Satz 1 MarkenG). Die genannten Zusätze sind nämlich ohne weiteres erkennbar beschreibender Natur und damit im Hinblick auf die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke unbedenklich. Die Wiedergabe der Widerspruchsmarke in Großbuchstaben und mit Umrandung verändert den kennzeichnenden Charakter des Markenwortes "Boheme" ebenfalls nicht. Die vorgetragenen Umsatzzahlen sind nicht sehr hoch, geben aber keinerlei Anlaß für die Annahme einer Scheinhandlung oder nicht ernsthaften Benutzung. Dies gilt auch für den Zeitraum der nachgewiesenen Umsätze. Die im Rahmen der Glaubhaftmachung nach § 43 Abs 1 Satz 1 MarkenG vorgetragenen Umsatzzahlen belegen zwar lediglich eine Benutzung in den Jahren 1993 bis 1996. Glaubhaftmachungsunterlagen müssen jedoch nicht notwendig für den gesamten Fünf-Jahres-Zeitraum vorgelegt werden, vielmehr ist es ausreichend, wenn die Benutzung für einen Teil dieses Zeitraums nachgewiesen wird (Althammer/Ströbele, MarkenG, 6. Aufl, § 26 Rdnr 30 f). Auch die für die Glaubhaftmachung einer Benutzung im Zeitraum des § 43 Abs 1 Satz 2 MarkenG, also den Zeitraum von 5 Jahren vor der Entscheidung über den Widerspruch, vorgelegten Benutzungsunterlagen lassen die Annahme einer noch ausreichenden rechtserhaltenden Benutzung zu. Die vorgelegten Unterlagen betreffen zwar wiederum nicht den gesamten Zeitraum und weisen keine hohen Umsatzzahlen auf. Sowohl aufgrund der vorangehenden, kontinuierlich steigenden Umsatzzahlen als auch den vorgelegten Rechnungen besteht jedoch kein Anlaß für die Annahme einer Scheinhandlung. Damit ist nach Art, Dauer und Umfang insgesamt eine ausreichende Benutzung der Widerspruchsmarke für die Ware "Sekt" feststellbar.

Für die Beurteilung der Ähnlichkeit der beiderseitigen Waren ist damit auf seiten der Widerspruchsmarke von der Ware "Sekt" auszugehen. "Sekt" ist den Waren "vins de toutes sortes" der jüngeren IR-Marke gleich bzw hochgradig ähnlich. Hinsichtlich der Kennzeichnungskraft ist bei der Widerspruchsmarke mangels anderer Anhaltspunkte von einem mittleren Grad auszugehen. Auch im Hinblick auf die dargelegte Benutzung sowie die glaubhaft gemachten Umsatzzahlen besteht kein Anlaß, zugunsten der Widersprechenden eine über das durchschnittliche Maß hinaus erhöhte Kennzeichnungskraft anzunehmen, so daß wegen der Identität bzw Nähe der Waren insgesamt mittlere bis eher strenge Anforderungen an den von der jüngeren Marke einzuhaltenden Abstand zu stellen sind. Diesen wird sie nicht gerecht.

Für die Annahme einer Verwechslungsgefahr ist erforderlich, daß der in der jüngeren Marke allein für eine mögliche Verwechslung mit der Widerspruchsmarke in Frage kommende Wortbestandteil "Bohemia" eine die Gesamtheit der angegriffenen Marke prägende und damit selbständig kollisionsbegründende Wirkung hat. Im Verhältnis der Wort- zu den Bildbestandteilen ist ohne weiteres von einer Prägung durch die Wortbestandteile der IR-Marke auszugehen, denn das Wort als solches stellt die einfachste und kürzeste Bezeichnungsform dar. Im Hinblick auf den Markenbestandteil "Sekt" ist davon auszugehen, daß der Verkehr diesen ohne weiteres als Warenbenennung erkennt und ihm wegen seiner beschreibenden Bedeutung keinen besonderen Hinweis auf die Betriebsstätte der mit dem Gesamtzeichen versehen Waren entnehmen wird (BGH GRUR 1991, 319 - HURRICANE). Der Zeichenbestandteil "Bohemia" nimmt damit im Verhältnis zu den weiteren Bestandteilen eine die Marke als Ganzes prägende Stellung ein. Hinzu kommt, daß der Bedeutungsinhalt des Zeichenteils "Bohemia" als englische Bezeichnung für "Böhmen" (vgl Collins, Englisch-Deutsch, 1981, S 68) nicht ohne weiteres auf der Hand liegt, weil nicht sicher davon ausgegangen werden kann, daß der angesprochene Verkehr diesen englischen Ausdruck erkennt und dieses Markenwort deshalb als bloße Herkunftsangabe wertet. Im übrigen können beschreibende oder nur schwach kennzeichnende Zeichenbestandteile nur unter besonderen Voraussetzungen entscheidendes Gewicht zu gewinnen, zB wenn sie innerhalb einer Gesamtbezeichnung wegen ihrer Stellung oder Betonung neben originalitätsschwächeren weiteren Elementen dominieren. Davon kann hier nicht ausgegangen werden. Angesichts des Aufbaus und der weiteren Zeichenbestandteile in der jüngeren IR-Marke ist insgesamt von einer zwanglosen Benennung mit dem Zeichenbestandteil "Bohemia" auszugehen.

Die Widerspruchsmarke dagegen besteht aus dem ursprünglich französischen Wort "Boheme". Dieses bedeutet soviel wie "unkonventionelles Künstlermilieu" (vgl Duden, Fremdwörterbuch, 5. Aufl, S 125; aaO, Rechtschreibung, 20. Aufl, S 166). Maßgeblichen Teilen des deutschsprachigen Verkehrs ist dies aber ebensowenig wie die richtige Aussprache dieses französischen Wortes bekannt, um so mehr, als es bereits in die deutsche Sprache eingegangen ist. Werden aber "Bohemia" und "Boheme" wortgetreu ausgesprochen, dann sind die Vergleichswörter klanglich zu verwechseln. Nach Auffassung des EuGH (GRUR 1998, 387 - Sabel/Puma) und der jüngeren Rechtsprechung des BGH (GRUR 1998, 924 - salvent/Salventerol; 1999, 587 - Cefallone; 1999, 735 - MONOFLAM/POLYFLAM) sind nämlich im Rahmen der Prüfung der Verwechslungsgefahr insbesondere die sie unterscheidenden und dominierenden Elemente der Zeichen zu berücksichtigen. Dabei ist maßgeblich nicht auf die Unterschiede, sondern eher auf die Übereinstimmungen abzustellen. Im vorliegenden Fall befinden sich die Unterschiede nur am in der Regel weniger beachteten Wortende und erschöpfen sich in dem Vokal "a", denn der Vokal "i" ist dem Vokal "e" ähnlich, während die ersten beiden Silben übereinstimmen. Angesichts dieser klanglichen Ähnlichkeiten bzw Übereinstimmungen kommen auch die begrifflichen Inhalte, soweit sie überhaupt geläufig sind, nicht mehr verwechslungshindernd zum Tragen.

Gründe: dafür, einer der Beteiligten die Kosten des Beschwerdeverfahrens aufzuerlegen (§ 71 Abs 1 MarkenG), sind nicht ersichtlich.

Schülke Richter Reker hat Urlaub und ist gehindert, zu unterschreiben Schülke Ederprö

Abb. 1 http://agora/bpatgkollision/docs/26W(pat)72-00.1.3.gif






BPatG:
Beschluss v. 01.08.2001
Az: 26 W (pat) 72/00


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