Bundespatentgericht:
Beschluss vom 28. April 2005
Aktenzeichen: 25 W (pat) 52/03
(BPatG: Beschluss v. 28.04.2005, Az.: 25 W (pat) 52/03)
Tenor
Die Beschwerde der Widersprechenden wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Die Bezeichnung SYLK ist am 9. Februar 2000 für "Gleitmittel" in das Markenregister eingetragen worden.
Hiergegen hat die Inhaberin der international registrierten Marke 658 945 SILKIS die seit 19. September 1996 auch in der Bundesrepublik Deutschland für "Preparations et substances pharmaceutiques pour le traitement d'affections dermatologiques" geschützt ist, Widerspruch erhoben.
Im Beschwerdeverfahren hat die Inhaberin der angegriffenen Marke die Benutzung der Widerspruchsmarke bestritten, in diesem Zusammenhang aber ausgeführt, daß unter der Bezeichnung "SILKIS" eine verschreibungspflichtige Salbe zur Behandlung mit dem Wirkstoff Calcitriol vertrieben wird.
Mit Beschluß der Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 29. November 2003 wurde der Widerspruch aus der älteren Marke IR 658 945 zurückgewiesen. Bei Berücksichtigung einer normalen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke, ähnlicher Waren und dem entsprechend deutlichen Abstand, den die jüngeren Marke gegenüber der Widerspruchsmarke einzuhalten habe, bestehe weder in klanglicher noch in schriftbildlicher Hinsicht Verwechslungsgefahr. So wirkten sich gerade bei derart kurzen Wörtern wie den Vergleichsmarkenwörtern Lautabweichungen deutlicher aus. Eine solche Lautabweichung betreffe hier den Laut "Y" der angegriffenen Marke, der wie in den Wörtern "Symbol" oder "Synagoge" im Deutschen oftmals wie "ü" und weniger als "i" gesprochen werde. Ferner unterschieden sich die geschriebenen Marken um die Länge einer Silbe.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden. Auf die Einrede der Nichtbenutzung hat sie verschiedene Unterlagen aus den Jahren 2001 bis 2003 vorgelegt, aus denen sich die Benutzung der Widerspruchsmarke für ein Psoriasis-Mittel und damit generell für Dermatika im Sinne der Hauptgruppe 32 der Roten Liste entsprechend der erweiterten Minimal-Lösung ergebe. Sie ist im übrigen der Auffassung, daß sich die jeweiligen Produkte in ihrer Anwendung auf der Haut besonders nahe stünden. Die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke sei normal. Mit klanglichen Verwechslungen müsse gerechnet werden, da "SYLK" nicht stets wie "SÜLK", sondern auch als "SILK" gesprochen werde. Auch durch den Aspekt, daß die angegriffene Marke an den Begriff "Seide" erinnere, der als Synonym für eine seidenweiche Haut verstanden werden könne, bestehe eine markenrechtliche Übereinstimmung in begrifflicher Hinsicht. Zudem sei die angegriffene Marke in der Widerspruchsmarke vollständig erhalten. Die zusätzliche Endung "-IS" falle nicht genügend auf, um Verwechslungen zu vermeiden. Dementsprechend sei auch das Harmonisierungsamt in seiner Entscheidung vom 20. Oktober 2003 von einer Verwechslungsgefahr ausgegangen.
Die Widersprechende beantragt, den Beschluß der Markenstelle für Klasse 5 vom 29. November 2003 aufzuheben und wegen des Widerspruchs aus der Marke IR 658 945 die Löschung der angegriffene Marke 399 67 284 anzuordnen.
Die Inhaberin der angegriffenen Marke beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Die von der Widersprechenden herangezogene Minimallösung bei der Beurteilung der Benutzungslage treffe nicht zu. Nur die Waren seien zu berücksichtigen, für die die ältere Marke konkret benutzt werde, oder die mit den Waren der jüngeren Marke ähnlich seien. Eine Benutzung der älteren Marke könne nach der Internet-Recherche nur für eine verschreibungspflichtige Salbe zur Behandlung von Psoriasis mit dem Wirkstoff Calcitriol festgestellt werden. Die sich gegenüberstehenden Produkte seien daher nicht ähnlich, denn die "Gleitmittel" der jüngeren Marke würden weder über Apotheken verkauft, noch seien sie verschreibungspflichtig. Die Bezeichnung "SYLK" sei auch nicht ohne weiteres mit dem Begriff "silk" gleichzusetzen, zudem müsse er dann noch in "Seide" übersetzt und ein begrifflicher Zusammenhang mit den Produkten hergestellt werden. Damit liege weder Waren- noch Markenähnlichkeit vor.
II.
Die zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg.
Auch der Senat ist der Ansicht, daß zwischen den Vergleichsmarke eine Verwechslungsgefahr im Sinne des § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG nicht besteht.
Auf die von der Inhaberin der angegriffenen Marke bestrittene Benutzung der älteren Marke und die damit in Zusammenhang stehende unterschiedliche Bewertung durch die Beteiligten kommt es nicht entscheidungserheblich an. Auch wenn man zugunsten der Widersprechenden von den für die ältere Marke registrierten Waren ausgeht und nicht nur die Waren berücksichtigt, für die die ältere Marke tatsächlich benutzt wird, wovon die Inhaberin der angegriffenen Marke ausgeht (vgl zur sog erweiterten Minimallösung BPatG MarkenR 2004, 361 - CIRCANETTEN / Cynaretten New) , reicht der Abstand der jüngeren Marke zur älteren Marke aus. In diesem Zusammenhang mögen zwar Übereinstimmungen insoweit bestehen, als es sich jeweils um Mittel handelt, die auf die Haut aufgetragen werden. In ihrem Anwendungsbereich unterscheiden sie sich allerdings. Allenfalls könnten noch Berührungspunkte zu den Mitteln der älteren Marke bestehen, soweit die "Gleitmittel" der jüngeren Marke auch solche für das Einführen von medizinischen Untersuchungsgeräten wie zB Endoskopen uä umfassen und dadurch ein medizinischer Bezug hergestellt wird. Nur unter diesem Aspekt ist eine noch im mittleren Bereich angesiedelte Warenähnlichkeit anzunehmen, wenngleich sich auch dann Unterschiede im Anwendungsbereich ergäben.
Der Senat legt seiner Beurteilung eine durchschnittliche Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke zugrunde. Als Verbraucher sind die allgemeinen Verkehrskreise angesprochen, wobei ein Verbraucher-Leitbild entwickelt worden ist, das von einem durchschnittlich aufmerksamen, informierten Verbraucher ausgeht, dessen Aufmerksamkeit je nach Produkt oder Dienstleistung höher oder niedriger ist, der jedoch allem, was mit der Gesundheit zu tun hat, aufmerksamer begegnet als einfachen Produkten des täglichen Lebens (vgl zum veränderten Verbraucherleitbild BGH MarkenR 2004, 124 - Warsteiner III; EuGH MarkenR 2002, 231 - Philips/Remington; zur Aufmerksamkeit im Gesundheitsbereich BGH GRUR 1995, 50 - INDOREKTAL / INDOHEXAL).
Ausgangspunkt der Beurteilung der markenrechtlichen Übereinstimmung ist der Gesamteindruck, der von den jeweiligen Marke ausgeht. Danach besteht zwischen den Vergleichsmarken ein deutlicher Unterschied in der Wortlänge, der sich sowohl auf die klangliche wie auch auf die schriftbildliche Verwechslungsgefahr auswirkt. Danach stehen sich ein aus einer Silbe bestehendes Wort und ein zweisilbiges Wort gegenüber. Hinzu kommt, daß der Laut "Y" in der angegriffenen Marke nicht durchwegs wie "i", sondern häufig wie "Ü" ausgesprochen wird, wie es zB auch die Aussprache der Wörter Symbol, Synthese, Symphonie, Sympathie, Symptom, synchron, System oder des Namens der Insel Sylt nahe legt. Da es sich, worauf auch schon die Markenstelle hingewiesen hat, um Wörter handelt, die relativ kurz und übersichtlich aufgebaut sind, fallen die genannten Unterschiede deutlich ins Gewicht und bestimmen sowohl den klanglichen wie auch den schriftbildlichen Gesamteindruck nachhaltig. Auch wenn die angegriffene Marke - eine Aussprache des "y" wie "i" unterstellt - vollständig in der älteren Marke enthalten ist und nach der Rechtsprechung des BGH die Verwechslungsgefahr eher von übereinstimmenden Merkmalen bestimmt ist (vgl GRUR 2004, 783, 785 - NEURO-VIBOLEX / NEURO-FIBRAFLEX), reicht die in der älteren Marke vorhandene zusätzliche Silbe "-IS" aus, um Verwechslungen im Verkehr auszuschließen.
Verwechslungen sind auch in begrifflicher Hinsicht nicht zu befürchten. Dies setzte voraus, daß in beiden Markenwörtern der begriffliche Bezug zu "silk" deutlich zu Tage träte. Vorausgesetzt, der Verkehr würde das Wort erkennen, bilden weder die angegriffene noch die Widerspruchsmarke selbst ein Synonym für den Begriff "silk", sondern wirken durch die vorhandenen Abweichungen gegenüber dem Begriff als Phantasiewort. Auch drängt sich ein beschreibender Bezug zu "seidenweicher Haut" auch nicht sofort und unmittelbar auf. Vielmehr sind mehrere Gedankenschritte notwendig, um über die Übersetzung des englischen Wortes "silk" für "Seide" auf die entsprechend "seidenweiche Haut" zu kommen, was ebenso gegen die Annahme einer begrifflichen Verwechslungsgefahr spricht. Selbst wenn aber die Anspielung erkannt werden würde, hält es der Senat für fraglich, ob allein daraus bereits eine relevante Übereinstimmung abgeleitet werden könnte, wie sie das Harmonisierungsamt in seiner Entscheidung vom 30. September 2004 mit Rücksicht auf das Verständnis der englischsprachigen Verkehrskreise angenommen hatte. In diesem Fall wäre die unterstellte normale Kennzeichnungskraft der älteren Marke in Frage gestellt mit der Folge, daß trotz der (nur) dann gegebenen begrifflichen Übereinstimmung in einem warenbeschreibenden Hinweis aus Rechtsgründen keine Verbietungsrechte abgeleitet werden dürften.
Die Beschwerde war somit zurückzuweisen.
Zu einer Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen bestand kein Anlaß, § 71 Abs 1 MarkenG.
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BPatG:
Beschluss v. 28.04.2005
Az: 25 W (pat) 52/03
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