Kammergericht:
Beschluss vom 13. Januar 2005
Aktenzeichen: 5 Ws 687/04 Vollz

(KG: Beschluss v. 13.01.2005, Az.: 5 Ws 687/04 Vollz)

Tenor

Die Rechtsbeschwerde des Gefangenen gegen den Beschluß des Landgerichts Berlin - Strafvollstreckungskammer - vom 15. November 2004 wird als unzulässig verworfen.

Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

Der Beschwerdeführer verbüßt in der Justizvollzugsanstalt Tegel eine Freiheitsstrafe. Mit seinem Antrag vom 31. Juli 2004 beantragte der Gefangene, den Leiter der Justizvollzugsanstalt zu verpflichten, die Unterlagen über seine Geldbewegungen (Zahlungsscheine, Lohnscheine und Kontoauszüge) künftig in verschlossenen Umschlägen zuzustellen sowie die Rechtswidrigkeit der bisherigen Verfahrensweise festzustellen, derzufolge die Kontoauszüge gefaltet und €getackert€ gewesen und die übrigen Unterlagen offen übersandt worden seien.

Mit dem angefochtenen Beschluß vom 15. November 2004 hat die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Berlin das Begehren des Gefangenen nicht als Verpflichtungs- und Feststellungsantrag, sondern einheitlich als zulässigen Anfechtungsantrag gegen einen Eingriff der Anstalt in dessen informationelles Selbstbestimmungsrecht behandelt und ihn als unbegründet zurückgewiesen.

Zum Umgang mit den verschiedenen Unterlagen hat die Strafvollstreckungskammer festgestellt:

€Die Kontoauszüge und Zahlungsanzeigen werden von der Zahlstelle so gefaltet, daß nur noch der Kopfbereich des Beleges sichtbar ist, und sodann mit Heftklammern fixiert. In dieser Form werden die Belege für die jeweilige Teilanstalt in einen verschlossenen Stahlschrank gelegt, der sich in der Hauptgeschäftsstelle der JVA Tegel befindet. Ein Mitarbeiter der Teilanstalt holt die Unterlagen dort ab, legt sie in eine Umlaufmappe und übergibt sie dem für den jeweiligen Gefangenen zuständigen Gruppenbetreuer oder Gruppenleiter, der sie dann dem Gefangenen aushändigt.

Die monatlichen Lohnscheine für den Antragsteller, der zwecks Durchführung eines Abiturlehrgangs im Fernstudium eine Ausbildungsbeihilfe erhält und von der Arbeitspflicht befreit ist, werden dem für ihn zuständigen Gruppenleiter vom Bereich Arbeitswesen ohne Faltung und Heftung in einer Umlaufmappe überbracht.€

Mit der Rechtsbeschwerde beanstandet der Beschwerdeführer das Verfahren und rügt er die Verletzung sachlichen Rechts. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

Die Rechtsbeschwerde erfüllt nicht die besonderen Voraussetzungen des § 116 Abs. 1 StVollzG. Die Nachprüfung der Entscheidung ist weder zur Fortbildung des Rechts noch zur Wahrung einer einheitlichen Rechtsprechung geboten.

I. Die Verfahrensrüge ist unzulässig.

1. Die Aufklärungsrüge kann die Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde nicht begründen.

a) In der obergerichtlichen Rechtsprechung ist hinreichend geklärt, in welchem Umfang und nach welchen Rechtsgrundsätzen die Strafvollstreckungskammern im Verfahren nach dem Strafvollzugsgesetz den Sachverhalt zu ermitteln haben (vgl. Calliess/Müller-Dietz, StVollzG 10. Aufl., § 115 Rdn. 2, 3 mit weit. Nachw.). Ein Fehler des Landgerichts in diesem Punkt wäre ein Fehler im Einzelfall, der die Zulassung der Rechtsbeschwerde nicht gebietet.

b) Diese Rüge ist aber auch entgegen § 118 Abs. 2 Satz 2 StVollzG nicht ausreichend ausgeführt. Die von dem Gefangenen gestellten Anträge werden nur pauschal wiedergegeben (€Beiziehung von Unterlagen des Abgeordnetenhauses, Einbringung des Berliner Datenschutzbeauftragten als Zeugen und Sachverständigen€; u.a.€), ohne gleichzeitig mitzuteilen, welche Tatsachen diese Beweismittel erbringen sollten. Auf diese Weise kann der Senat nicht anhand der Begründung ohne Rückgriff auf die Akten (vgl. Calliess/Müller-Dietz, § 118 StVollzG Rdn. 2) nachprüfen, ob der Vorwurf gerechtfertigt ist, der Strafvollstreckungskammer hätten sich diese Beweiserhebungen aufdrängen müssen.

aa) Welchen Gewinn die Beiziehung von €Unterlagen des Abgeordnetenhauses€ haben soll und um welche Unterlagen es sich dabei handelt, erschließt sich aus der Begründung des Rechtsmittels nicht.

bb) Zur geforderten zeugenschaftlichen Vernehmung des Berliner Datenschutzbeauftragten teilt die Rechtsbeschwerde nicht mit, welches tatsächliche Beweisergebnis die Vernehmung hätte haben sollen. Es genügt nicht, dem Gericht pauschal vorzuwerfen, es habe den Sachverhalt nicht ausreichend aufgeklärt und - ohne Zuordnung zu einem der Beweismittel - einen von den Feststellungen abweichenden Sachverhalt zu behaupten. Zudem befaßt sich keines der auf S. 3 unten bis S. 4 oben angeführten Zitate aus der Rechtsprechung mit der Anhörung eines Datenschutzbeauftragten. Dessen Anhörung als Sachverständiger drängte sich schließlich schon gar nicht auf, weil die Beantwortung von Rechtsfragen in erster Linie dem Gericht obliegt. Die Rechtsansicht des Berliner Datenschutzbeauftragten war der Strafvollstreckungskammer bekannt (BA S. 3).

cc) Der Vorwurf, die Strafvollstreckungskammer habe sich mit den Zahlungsanzeigen nicht auseinandergesetzt, trifft nicht zu (Beschlußausfertigung - BA - S. 2: €Kontoauszüge und Zahlungsanzeigen werden von der Zahlstelle so gefaltet...€).

2. Soweit die Rechtsbeschwerde rügt, daß der Beschleunigungsgrundsatz verletzt sei, kann die Entscheidung nicht darauf beruhen, daß der Anstalt lange Fristen zur Antwort gewährt worden sein sollen. Denn dadurch ändert sich ihr Inhalt nicht. Im Übrigen ist auch nicht innerhalb der Begründung im Einzelnen dargetan, um welche Fristsetzungen es sich gehandelt haben soll.

II. Die Sachrüge gebietet nicht die Zulassung der Rechtsbeschwerde. Denn die zugrunde liegenden sachlich-rechtlichen Fragen sind obergerichtlich entschieden. Der Beschluß der Strafvollstreckungskammer gefährdet auch nicht die Einheitlichkeit der Rechtsprechung; denn sie entspricht dieser Rechtsprechung.

1. Es kann offenbleiben, ob die Strafvollstreckungskammer den Antrag des Beschwerdeführers zu Recht als Anfechtungsantrag behandelt oder ob es sich um einen Verpflichtungsantrag gehandelt hat (so Arloth/Lückemann, StVollzG, § 183 Rdn. 6). Denn die Zulässigkeit des Antrages hing davon nicht ab. Zwar hatte sich der Gefangene mit seinem Begehren nicht zuvor an die Anstalt gewandt. Das war aber ausnahmsweise verzichtbar; denn die Anstalt hatte in allgemeiner Form erklärt, ihre Verfahrensweise beizubehalten (BA S. 3, 4 oben). Der daneben gestellte, auf die Vergangenheit bezogene Feststellungsantrag hat keine eigenständige rechtliche Bedeutung; denn die rechtliche Bewertung der bisherigen Verfahrensweise folgt zwangsläufig dem für die Zukunft gefundenen Ergebnis.

2. Die obergerichtliche Rechtsprechung hat die Frage, ob der Gefangene einen Anspruch darauf besitzt, seine Kontounterlagen in einem verschlossenen Umschlag ausgehändigt zu erhalten, einhellig dahin entschieden, daß ein solcher Anspruch nicht besteht. Sie hat es entgegen der Ansicht des Landgerichts Karlsruhe in seinem Beschluß vom 18. Februar 2002 - 2 StVK 264/01 - (ZfStrVO 2002, 187) ausreichen lassen, daß die Belege gefaltet und mit Heftklammern so gesichert sind, daß es Unbefugten stark erschwert wird, die Daten einzusehen, oder daß mit der Beförderung der unverschlossenen Belege nur ausgewählte und zur Verschwiegenheit verpflichtete Bedienstete betraut werden. Denn die Abwägung gemäß § 183 Abs. 2 StVollzG, § 9 Satz 2 BDSG ergibt, daß der Aufwand, die jeweiligen Datenträger in einem Umschlag zu verschließen und mit Namen zu beschriften, zu der damit angestrebten Schutzwirkung in keinem angemessenen Verhältnis steht (vgl. OLG Karlsruhe NStZ-RR 2004, 349; OLG Koblenz ZfStrVO 2004, 314; OLG Hamburg NStZ 2004, 613 bei Matzke; Saarländisches OLG, Beschluß vom 28. Mai 2004 - Vollz (Ws) 5/04 -). Der Senat teilt diese in den zitierten Entscheidungen im Einzelnen begründete Auffassung, die auch im Schrifttum überwiegend auf Zustimmung gestoßen ist (vgl. Arloth/Lückemann, § 183 StVollzG Rdn. 3; Calliess/Müller-Dietz, § 183 StVollzG Rdn. 4; a. A. Weichert in AK-StVollzG 4. Aufl., § 183 Rdn. 3). Die Strafvollstreckungskammer hat sich daran gehalten.

Diese Rechtsprechung ist auch auf das Land Berlin übertragbar. Denn § 5 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 4 BlnDSG ist entgegen der Auffassung des Berliner Datenschutzbeauftragten auf den Fall nicht anwendbar. Der Bundesgesetzgeber hat mit Ausnahme der in § 187 Satz 2 StVollzG genannten Bestimmungen, zu denen diejenigen über die Transportkontrolle nicht zählen, den Datenschutz im Strafvollzug abschließend bundeseinheitlich im Strafvollzugsgesetz geregelt (vgl. Weichert in AK-StVollzG, § 187 Rdnrn. 1, 2 unter Bezugnahme auf BT-Drs. 13/10245, S. 30, 35 ff., 39).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 Abs. 4 StVollzG, § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO.






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