Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg:
Beschluss vom 19. Juli 1996
Aktenzeichen: 9 S 1677/96
(VGH Baden-Württemberg: Beschluss v. 19.07.1996, Az.: 9 S 1677/96)
1. Ein Kind hat in einem Rechtsstreit wegen Kinder- und Jugendhilfe nach dem SGB VIII (SGB 8) einen Anspruch auf Prozeßkostenvorschuß gegen seine Eltern und erhält daher insoweit keine Prozeßkostenhilfe.
Gründe
Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat dem Kläger für das dort anhängige Klageverfahren, welches die Verpflichtung der Beklagten zur Gewährung von Eingliederungshilfe nach dem SGB VIII für die Kosten einer heilpädagogischen Entwicklungstherapie von 60 Stunden zum Gegenstand hat, zu Recht keine Prozeßkostenhilfe bewilligt und keinen Rechtsanwalt beigeordnet.
Dem Begehren des Klägers kann auch auf seine Beschwerde schon deshalb nicht stattgegeben werden, weil er aus einem von seinen Eltern zu leistenden Prozeßkostenvorschuß die Anwaltskosten für das gem. § 188 Satz 2 VwGO gerichtskostenfreie Klageverfahren selbst aufbringen kann.
Der Kläger, welcher über kein eigenes Einkommen und Vermögen verfügt, hat gem. § 1610 BGB einen Anspruch gegen seine Eltern, ihm die Anwaltskosten für das Klageverfahren vorzuschießen. In der Rechtsprechung der mit Sozialangelegenheiten und Jugendhilfeangelegenheiten befaßten Senate des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg ist es anerkannt, daß Verfahren wegen solcher Sozialleistungen wichtige persönliche Angelegenheiten eines Kindes sind, die - wie Unterhaltsprozesse oder Rentenprozesse - einen Anspruch auf einen Prozeßkostenvorschuß auslösen (vgl. z.B. Beschlüsse vom 7.2.1979 - VI 13/79 - m.w.N. und vom 10.3.1989 - 6 S 3223/87 -, hier bezüglich Ehegatten). Die Vorschußpflicht der Eltern deckt sich dabei der Höhe nach mit der Pflicht, ihr Einkommen für einen wegen eigener Ansprüche geführten Prozeß einzusetzen (VGH Bad.-Württ., Beschluß vom 10.3.1989, a.a.O., m.w.N.). Dem schließt sich der erkennende Senat an.
Das bedeutet, daß einem Kind, dem Prozeßkostenvorschuß zu leisten ist, u.a. dann keine Prozeßkostenhilfe bewilligt und kein Rechtsanwalt beigeordnet werden kann, wenn seine Eltern die Anwaltskosten selbst in höchstens vier Monatsraten aufbringen können (§§ 114, 115 Abs. 1 und 3, 121 Abs. 2 Satz 1 ZPO, hier wie künftig i.V.m. § 166 VwGO). So verhält es sich hier.
Nach der von ihnen gem. § 117 Abs. 2 ZPO vorgelegten Erklärung über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse beziehen die Eltern des Klägers aus nichtselbständiger Tätigkeit des Vaters ein Einkommen von DM 74.822,-- jährlich, also von DM 6.235,-- monatlich. Daneben erhalten sie Kindergeld von monatlich DM 700,--. Das zusätzliche Einkommen der Mutter aus selbständiger Arbeit kann außer Betracht bleiben, weil es gem. § 115 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 ZPO, § 76 Abs. 2 Nr. 4 BSHG durch abzugsfähige Werbungskosten "aufgebraucht" wird; die Einnahmen übersteigende Werbungskosten können allerdings nach § 10 der Verordnung zur Durchführung des § 76 BSHG nicht berücksichtigt werden.
Vom Monatseinkommen von DM 6.935,-- sind nach § 115 Abs. 1 Satz 2 Nrn. 2 bis 4 ZPO (Nr. 4 i.V.m. der Bekanntmachung vom 18.6.1996, BGBl. I S. 824) folgende Beträge abzuziehen:
a. Ein Zwölftel der Steuern, Versicherungen und Werbungskostenvon insgesamt DM 26.243,-- DM 2.187,--b. Kosten der Unterkunft und Heizung DM 1.000,-c. Pauschalbeträge für Eltern und Kinder(2 x DM 649,--, 3 x DM 456,--) DM 2.666,-------------DM 5.853,--===========Damit übersteigt das einzusetzende Monatseinkommen die Abzüge um DM 1.082,--. Aus diesem Betrag sind nach der Tabelle zu § 115 Abs. 1 Satz 4 ZPO monatlich DM 400,--, in vier Monaten also DM 1.600,-- für das beim Verwaltungsgericht anhängige Klageverfahren einzusetzen. Mit diesem Betrag können die Anwaltskosten für die erste Instanz bestritten werden. Da für die durchgeführte heilpädagogische Entwicklungstherapie des Klägers DM 45,-- pro Stunde, bei Einzeltherapie und Elterngesprächen DM 90,-- pro Stunde zu bezahlen waren, ist es ausgeschlossen, daß die gesamte Therapie mehr als DM 4.000,-- bis DM 5.000,-- kostete. Die Rechtsanwaltskosten für das Klageverfahren und das vorangegangene Widerspruchsverfahren zuzüglich Mehrwertsteuer betragen bei diesem Gegenstandswert nach der Anlage zu § 11 BRAGO nämlich höchstens DM 1.400,--.
Auf die hinreichende Erfolgsaussicht der Klage (§ 114 ZPO) kommt es somit auch im Beschwerdeverfahren nicht an.
VGH Baden-Württemberg:
Beschluss v. 19.07.1996
Az: 9 S 1677/96
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