Bundespatentgericht:
Beschluss vom 25. Februar 2003
Aktenzeichen: 17 W (pat) 19/01

(BPatG: Beschluss v. 25.02.2003, Az.: 17 W (pat) 19/01)

Tenor

Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse G 06 F des Deutschen Patent- und Markenamts vom 20. Dezember 2000 aufgehoben und das Patent erteilt.

Der Erteilung liegen folgende Unterlagen zugrunde:

Patentansprüche 1-4, Beschreibung Seiten 1-6 und 2 Blatt Zeichnungen mit Figuren 1 und 2, allesamt überreicht in der mündlichen Verhandlung vom 25. Februar 2003.

Gründe

I.

Die vorliegende Patentanmeldung ist beim Deutschen Patent- und Markenamt unter der Bezeichnung:

"Verfahren des automatischen Bilddurchlaufs auf einer Anzeigevorrichtung"

eingereicht worden.

Sie wurde von der Prüfungsstelle für Klasse G 06 F des Deutschen Patent- und Markenamts im Beschluss vom 20. Dezember 2000 mit der Begründung zurückgewiesen, dass in dem beanspruchten Verfahren unter Berücksichtigung der EP 0 813 138 A1 keine patentfähige Erfindung gesehen werden könne.

Die Anmelderin hat Beschwerde eingelegt mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und das nachgesuchte Patent mit folgenden Unterlagen zu erteilen:

Patentansprüche 1 - 4, Beschreibung S 1 - 6 und 2 Blatt Zeichnungen mit Figuren 1 und 2, allesamt überreicht in der mündlichen Verhandlung am 25. Februar 2003.

Der nunmehr geltende Anspruch 1 lautet:

"Verfahren zum vollständigen automatischen Anzeigen eines Bildes, das durch Bilddaten bestimmt ist, auf einer Anzeigeeinheit (50), die zu klein ist, um das Bild als Ganzes wiederzugeben, mit folgenden Schritten:

a) Anzeigen (130) eines ersten Teils des anzuzeigenden Bildes für eine vorbestimmte Zeit, wobei der erste Teil einer Anfangsposition entspricht, b) Anzeigen (140) eines Teils des Bildes für die vorbestimmte Zeit, der von der zuvor angezeigten Position um einen vorbestimmten horizontalen Versatz verschoben ist, der maximal der Schirmbreite der Anzeigeeinheit entspricht, c) Falls die Endposition des Bildes in horizontaler Richtung noch nicht erreicht ist (150), wiederholtes Ausführen des Schrittes b), d) Falls die Endposition des Bildes in horizontaler Richtung erreicht ist, Bestimmung (160), ob die Endposition auch in vertikaler Richtung erreicht ist, e) Ist die Endposition des Bildes in vertikaler Richtung noch nicht erreicht, Anzeige eines Teils des Bildes (170) für die vorbestimmte Zeit, das um einen vorbestimmten vertikalen Versatz verschoben ist, der maximal der Schirmlänge der Anzeigeeinheit entspricht und das in horizontaler Richtung die Anfangsposition einnimmt, anschließend erneutes Durchführen der Schritte b), c) und d)."

Die Anmelderin führt zur Begründung ihrer Beschwerde aus, dass das beanspruchte Verfahren eine Möglichkeit schaffe, auf Geräten, die nur über eine kleine Anzeigeeinheit verfügten, großformatige Bilddarstellungen anzuzeigen. Bspw könnten Internetseiten auf der Anzeige eines "Handheld"-Computers dargestellt werden.

Auf einen Tastendruck hin würden einzelne Teile der Bilddarstellung automatisch nacheinander dargestellt, so dass ein Betrachter zumindest einen guten Überblick über die Gesamtdarstellung erhalte.

Ein solches Verfahren sei durch die entgegengehaltenen Druckschriften nicht nahegelegt. Dem Stand der Technik könne lediglich die Verschiebung eines Bildausschnittes durch Scrollbalken oder die Aufbereitung eines alphanumerisch geordneten Textes zum schnellen Auffinden eines Eintrags entnommen werden, so dass Neuheit und erfinderische Tätigkeit anzuerkennen seien.

II.

Die in rechter Frist und Form erhobene Beschwerde ist zulässig und auch begründet, da der Gegenstand des nachgesuchten Patents nach den §§ 1 bis 5 PatG patentfähig ist.

Bedenken gegen die Zulässigkeit der Fassung der geltenden Ansprüche bestehen nicht. Diese Ansprüche ergeben sich aus den ursprünglichen Ansprüchen iVm Figur 2 samt zugehöriger Beschreibung.

Wie auf S 1, letzter Abs bis S 2, Abs 1 der Beschreibung ausgeführt ist, besteht die Aufgabe der vorliegenden Patentanmeldung darin, ein Verfahren und eine Vorrichtung zur automatischen Anzeige eines Bildes anzugeben, die ohne Interaktion eines Benutzers ein Bild vollständig auf einem Bildschirm wiedergeben können, der kleiner als das anzuzeigende Bild ist.

Zur Lösung dieser Aufgabenstellung lehrt der Patentanspruch 1, für vorbestimmte Zeitspannen solange nacheinander versetzte Teilbilder des Gesamtbildes anzuzeigen, bis das Gesamtbild vollständig dargestellt ist. Beginnend mit einem Teilbild aus einer Anfangsposition, bspw oben links, werden in horizontaler Richtung verschobene Teilbilder bzw Bildausschnitte angezeigt, bis die Endposition des Gesamtbildes in horizontaler Richtung erreicht wird. Ist die horizontale Endposition erreicht, wird ein vertikaler Versatz vorgenommen und wiederum das angezeigte Teilbild in horizontaler Richtung verschoben, bis die horizontale Endposition erreicht ist. Dieser Versatz wird solange durchgeführt, bis die horizontale und vertikale Endposition des Gesamtbildes, bspw unten rechts, erreicht ist. Da der Versatz eines Teilbilds zum anderen maximal der Schirmbreite bzw Schirmlänge der Anzeigeeinheit entsprechen darf, ist gewährleistet, dass das Gesamtbild ohne weitere Interaktion des Benutzers vollständig, wenn auch in aufeinander folgenden Ausschnitten auf der Anzeigeeinheit dargestellt wird.

Die Angaben im Patentanspruch 1 reichen aus, um den Fachmann, einen Datenverarbeitungsingenieur, der über praktische Erfahrung in der Konzeption von Hardware und Software für Computer verfügt, in den Stand zu setzen, die Lehre nach dem Patentanspruch 1 zu implementieren. Dieser Fachmann wird davon ausgehen, dass die Bilddaten des Gesamtbildes in einem Speicher gespeichert sind (vgl S 3, Abs 2 und S 4, Abs 1 der Beschreibung) und durch geeignete Hardware oder Software entsprechend dem in den Merkmalen a) bis e) angegebenen Algorithmus nacheinander Teile der Gesamtbilddaten unter horizontalen oder vertikalen Versatz an ein Video-RAM zur Anzeige durch die Anzeigeeinheit übertragen werden.

Das Verfahren nach dem Patentanspruch 1 ist auch neu und beruht auf erfinderischer Tätigkeit.

Die im Zurückweisungsbeschluss aufgegriffene EP 0 813 138 A1 befasst sich mit dem Aufsuchen von Einträgen in einer alphanumerisch geordneten Liste, die in einer Datenverarbeitungsanlage gespeichert sind. Dabei wird davon ausgegangen, dass die Liste eine so große Anzahl von Einträgen enthält, dass sie nur ausschnittsweise auf dem Bildschirm der Anlage dargestellt werden kann. Zum schnellen Auffinden eines bestimmten Eintrags (list member) schlägt diese Druckschrift ein Einknopf-Suchverfahren (method for one button searching) vor, bei dem je nach Dauer eines Knopfdrucks verschiedene "scrolling modes" durchgeführt werden (vgl insb Anspruch 1 der EP 0 813 138 A1). Wird der Knopf nur kurz betätigt, werden alle Listeneinträge nacheinander in alphanumerischer Reihenfolge über den Bildschirm gescrollt, dh verschoben (vgl Fig 2 oben). Bleibt der Knopf über eine bestimmte Zeitspanne hinaus betätigt, so wird ein zweiter "scrolling mode" ausgeführt, in dem nur ein Teil (subset) der Einträge dargestellt wird, nämlich die Einträge, bei denen erste und zweite Zeichen unterschiedlich sind (vgl Fig 2 Mitte). Bleibt der Knopf weiterhin gedrückt, wird ein dritter "scrolling mode" ausgeführt, bei dem nur die Einträge der Liste mit jeweils unterschiedlichem ersten Zeichen über den Bildschirm scrollen (vgl Fig 2 unten). Auf diese Weise können Einträge in einer langen alphanumerisch geordneten Liste schnell aufgefunden werden.

Die in dieser Druckschrift gezeigte Methode erweist sich jedoch als ungeeignet für das Aufsuchen einer bestimmten Stelle in einer bildlichen Darstellung. Denn bei einer alphanumerisch geordneten Liste ist ohne weiteres erkennbar, in welchem Bereich sich der gesuchte Eintrag befindet, so dass die Anzeige von Einträgen, die weiter ab liegenden, unterbleiben kann, was hier letztlich zur Beschleunigung des Suchvorgangs führt.

Bei einer bildlichen Darstellung kann jedoch mangels eines fehlenden Ordnungskriteriums nicht einfach ein Teil der Darstellung weggelassen werden, ohne dass die Gefahr besteht, dass relevante Informationen nicht dargestellt werden. Der Fachmann wird daher das in der EP 0 813 138 A1 aufgezeigte Suchverfahren als nicht geeignet für die Suche eines bestimmten Teils in einer bildlichen Darstellung ansehen.

In der weiter entgegengehaltenen WO 94/23405 ist ein Anzeigegerät (Information display apparatus) beschrieben, das bspw zum Abhalten von Vorträgen verwendet werden kann (vgl Fig 4). Der vom Vortragenden gesprochene Text soll von dem Gerät ohne eine zusätzliche Hilfskraft angezeigt werden. Um dies zu bewerkstelligen, ist das Pult des Vortragenden mit Tastatur, Steuerung, Textspeicher und Übertragungsmitteln ausgestattet, über die ein eingegebener Text an einen Projektor zur Anzeige für die Zuhörer ausgegeben werden kann. In Hinblick auf das beanspruchte Verfahren wird in Anspruch 4 erwähnt, dass das Pult auch mit Tasten zum Scrollen des angezeigten Textes in alle vier Richtungen ausgestattet sein kann (vgl Fig 2, keypad 12).

In Hinsicht auf das beanspruchte Verfahren zum Anzeigen eines Bildes geht diese Druckschrift nicht über das hinaus, was einem Datenverarbeitungsfachmann schon aus seinem Fachwissen zuzuschreiben ist, nämlich dass am Bildschirm einer Anzeigeeinheit, der zu klein ist, um ein Bild als Ganzes wiederzugeben, auf dem Bildschirm ein Ausschnitt des Bildes angezeigt wird, wobei der dargestellte Ausschnitt in horizontaler oder vertikaler Richtung bspw durch Rollbalken "gescrollt", dh verschoben werden kann.

Das Verfahren nach dem Patentanspruch 1 geht jedoch über eine solche einfache Verschiebemöglichkeit für den dargestellten Bildausschnitt hinaus, indem es vorschlägt, auf eine Betätigung des Knopfes hin den Bildausschnitt solange wechselweise in horizontaler und vertikaler Richtung zu verschieben, bis das Gesamtbild dargestellt ist.

Der entgegengehaltene Stand der Technik enthält diesbezüglich keine Anregungen, so dass anzuerkennen ist, dass das Verfahren nach dem Patentanspruch 1 neu und dem Fachmann auch nicht nahegelegt ist.

Der Patentanspruch 3 ist auf eine Anzeigevorrichtung gerichtet, die mit einem Mikroprozessor ausgestattet ist, der zur Ausführung des Verfahrens nach dem Anspruch 1 angepasst ist, dh so programmiert ist, dass die erläuterten Verfahrensschritte ausgeführt werden.

Obwohl die Ansprüche 1 und 3 dasselbe erfinderische Konzept verwirklichen, ist eine Nebenordnung beider Ansprüche zulässig, da sie unterschiedliche Anspruchskategorien betreffen. Die Patentfähigkeit der Anzeigevorrichtung ergibt sich aus den zum Anspruch 1 erläuterten Verfahrensschritten.

Die Ansprüche 2 und 4 betreffen zweckmäßige und nicht selbstverständliche Ausgestaltungen des Verfahrens oder der Vorrichtung nach dem Anspruch 1 bzw 3; sie sind daher ebenfalls gewährbar.

Die Änderungen in den übrigen Unterlagen betreffen redaktionelle Änderungen und eine ergänzende Würdigung des Standes der Technik.

Bei dieser Sachlage war der Zurückweisungsbeschluss aufzuheben und das Patent zu erteilen.

Grimm Dr. Schmitt Bertl Prasch Fa






BPatG:
Beschluss v. 25.02.2003
Az: 17 W (pat) 19/01


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