Bundespatentgericht:
Beschluss vom 14. August 2007
Aktenzeichen: 29 W (pat) 46/05
(BPatG: Beschluss v. 14.08.2007, Az.: 29 W (pat) 46/05)
Tenor
1. Die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 38 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 17. Dezember 2003 und vom 2. Februar 2005 werden aufgehoben, soweit die Anmeldung für die Waren und Dienstleistungen
"codierte Telefonkarten; codierte Ausweise; Spielprogramme für Computer; Bildschirmschonerprogramme; Mausmatten; Brillen und Sonnenbrillen sowie Brillenetuis; Uhren und Zeitmessinstrumente; Waren aus Papier und Pappe (Karton), nämlich Papierhandtücher, Papierservietten, Filterpapier, Papiertaschentücher, Papierschmuck, Briefpapier, Toilettenpapier, Papierwindeln, Verpackungsbehälter, Verpackungstüten und Einwickelpapier; nichtcodierte Telefonkarten; nicht codierte Ausweise; Schreibwaren einschließlich Schreib- und Zeichengeräte; Büroartikel, nämlich Stempel, Stempelkissen, Stempelfarbe, Brieföffner, Papiermesser, Briefkörbe, Aktenordner, Schreibunterlagen, Locher, Hefter, Büro- und Heftklammern, Aufkleber (auch selbstklebende); Verpackungsmaterial aus Kunststoff, nämlich Hüllen, Beutel, Taschen, Folien (letztere auch selbstklebend und für Dekorationszwecke); Werbung und Marketing für Dritte"
zurückgewiesen worden ist.
2. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Gründe
I.
Die Wortmarke Nr. 399 14 243 Berlin direktsoll nach einer Einschränkung des Waren- und Dienstleistungsverzeichnisses im Anschluss an die mündliche Verhandlung noch für die Waren und Dienstleistungen der Klasse 9: codierte Telefonkarten; codierte Ausweise; Spielprogramme für Computer; Bildschirmschonerprogramme; Mausmatten;
Brillen und Sonnenbrillen sowie Brillenetuis;
Uhren und Zeitmessinstrumente;
Klasse 16: Waren aus Papier und Pappe (Karton), nämlich Papierhandtücher, Papierservietten, Filterpapier, Papiertaschentücher, Papierschmuck, Briefpapier, Toilettenpapier, Papierwindeln, Verpackungsbehälter, Verpackungstüten und Einwickelpapier;
nicht codierte Telefonkarten, nicht codierte Ausweise;
Schreibwaren einschließlich Schreib- und Zeichengeräte; Büroartikel, nämlich Stempel, Stempelkissen, Stempelfarbe, Brieföffner, Papiermesser, Briefkörbe, Aktenordner, Schreibunterlagen, Locher, Hefter, Büro- und Heftklammern, Aufkleber (auch selbstklebende);
Verpackungsmaterial aus Kunststoff, nämlich Hüllen, Beutel, Taschen, Folien (letztere auch selbstklebend und für Dekorationszwecke);
Klasse 35: Werbung und Marketing für Dritte;
in das Markenregister eingetragen werden.
Die Markenstelle für Klasse 38 des Deutschen Patent- und Markenamts hat die Anmeldung des Zeichens mit Beschluss vom 17. Dezember 2003 zurückgewiesen. Die dagegen eingelegte Erinnerung wurde durch Beschluss vom 2. Februar 2005 ebenfalls zurückgewiesen. Das angemeldete Zeichen sei nicht schutzfähig, da es sich um eine nicht unterscheidungskräftige, beschreibende, freihaltebedürftige Angabe gem. § 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 MarkenG handele. Die Bezeichnung "Berlin direkt" weise ohne Weiteres verständlich darauf hin, dass die Waren und Dienstleistungen direkt aus Berlin stammten oder unmittelbar mit der Stadt Berlin in Verbindung stünden.
Die Anmelderin hat gegen den Erinnerungsbeschluss der Markenstelle mit Schriftsatz vom 29. März 2005 Beschwerde eingelegt. Das angemeldete Zeichen sei nicht beschreibend, sondern mehrdeutig. Der Begriff "Berlin" stehe als Synonym für Verschiedenes - die Hauptstadt, den Sitz der Bundesregierung, die geteilte Stadt, die Kulturmetropole. Auch bei der Bezeichnung "direkt" handle es sich um ein interpretationsbedürftiges Element. "Direkt" könne einerseits als Hinweis auf einen unmittelbaren Bezug zu Berlin verstanden werden. Es könne andererseits aber auch die Bezugsart der Dienstleistung beschreiben und ähnlich wie der "Direkt-Versand" oder "online" aufgefasst werden. Schließlich sei ein Verständnis im Sinne von "ohne Unterbrechung" möglich. Die Anmelderin weist weiter darauf hin, dass zahlreiche Ortsangaben mit dem Zusatz "direkt" als Marke eingetragen worden seien, so z. B. "Direkt Regio", "Pilsach Direkt" oder "Bonn direkt". Ein Freihaltebedürfnis bestehe nicht, da die Aussage in ihrer konkreten Form vom Verkehr nicht benötigt werde und Konkurrenten andere Möglichkeiten hätten, ihre Waren und Dienstleistungen zu bezeichnen. Schließlich sei ein eventuell bestehendes Schutzhindernis auch gemäß § 8 Abs. 3 MarkenG durch Verkehrsdurchsetzung überwunden.
Die Anmelderin beantragt daher (Bl. 40 d. A.), die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 38 vom 17. Dezember 2003 und vom 2. Februar 2005 aufzuheben.
Das Ergebnis der vom Senat durchgeführten Recherche zur Verwendung der Wortfolge "Berlin direkt" sowie deren beider Bestandteile wurde der Anmelderin übersandt und in der mündlichen Verhandlung erörtert.
II.
Die Beschwerde ist gem. § 66 Abs. 1 und 2 MarkenG zulässig und nach der Einschränkung des Waren- und Dienstleistungsverzeichnisses in der Sache begründet. Für die noch verfahrensgegenständlichen Waren und Dienstleistungen ist die angemeldete Marke weder auf Grund fehlender Unterscheidungskraft noch als beschreibende Angabe von der Eintragung ausgeschlossen (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 MarkenG).
1. Nicht schutzfähig nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG sind nur solche Zeichen, denen die konkrete Eignung fehlt, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel für die von der Marke erfassten Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens gegenüber solchen anderer Unternehmen aufgefasst zu werden. Die Hauptfunktion der Marke besteht nämlich darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen zu gewährleisten (st. Rspr.; EuGH GRUR 2006, 229 - Rn. 27 ff. - BioID; GRUR 2004, 1027 - Rn. 42 ff. - DAS PRINZIP DER BEQUEMLICHKEIT; GRUR 2003, 604 - Rn. 62 - Libertel; BGH GRUR 2005, 257 - Bürogebäude; BGH GRUR 2003, 1050 - Cityservice; BGH GRUR 2001, 1153, 1154 - antiKALK).
Die Unterscheidungskraft ist dabei zum Einen im Hinblick auf jede einzelne Ware oder Dienstleistung, für die das Zeichen angemeldet worden ist, und zum Anderen im Hinblick auf die Anschauung der maßgeblichen Verkehrskreise zu beurteilen, die sich aus den normal informierten und angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchern der Waren bzw. Empfängern der Dienstleistungen zusammensetzen (st. Rspr.; EuGH GRUR 2006, 233 ff. - Rn. 25 - Standbeutel; MarkenR 2003, 99 ff. - Rn. 73 - Postkantoor; BGH GRUR 2006, 850 - Rn. 18 - FUSSBALL WM 2006; GRUR 2005, 417, 419 - BerlinCard). Einer Wortmarke fehlt die erforderliche Unterscheidungskraft dann, wenn das Zeichenwort einen für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen klaren und ohne Weiteres verständlichen beschreibenden Begriffsinhalt aufweist (vgl. BGH GRUR 2005, 417, 419 - BerlinCard; GRUR 2001, 1151, 1152 - marktfrisch; GRUR 1999, 1089 - YES). Sie fehlt auch, wenn das Zeichen sich auf Umstände bezieht, die die Ware oder Dienstleistung nicht unmittelbar betreffen, durch die Angabe aber ein enger beschreibender Bezug zu den beanspruchten Waren und Dienstleistungen hergestellt wird und der Verkehr deshalb den beschreibenden Aussagegehalt auch ohne Weiteres hinsichtlich dieser Waren oder Dienstleistungen erfasst (BGH GRUR 2006, 850 - Rn. 19 - FUSSBALL WM 2006; BPatG MarkenR 2007, 36, 37 - BuchPartner).
2. Die angemeldete Wortfolge setzt sich aus den Bestandteilen "Berlin" und "direkt" zusammen. Berlin ist die Hauptstadt Deutschlands und bildet das Zentrum des politischen Lebens und der politischen Entscheidungen. Das Wort "Berlin" ist einerseits eine Ortsangabe. Andererseits wird es im Sprachgebrauch als Synonym für die Bundesregierung verwendet. Die politische Tätigkeit der Bundesregierung wird in der Presse schlagwortartig in der Form "Berlin hat entschieden", "Berlin verhandelt" vermittelt (BPatG 33 W (pat) 133/99 - Berlin direkt). "Direkt" bedeutet im allgemeinen Sprachgebrauch "ohne Umweg, in gerader Richtung auf ein Ziel führend, unverzüglich, unmissverständlich" (Duden - Deutsches Universalwörterbuch, 6. Aufl. 2006 [CD-ROM]). In Verbindung mit Ortsangaben hat "direkt" sowohl einen zeitlichen als auch inhaltlichen Bezug. Im Bereich der Print- und elektronischen Medien ist es der Hinweis auf Informationen "aus erster Hand", die zeitnah aus dem jeweiligen Ort übermittelt werden. In diesem Sinn wird es auch von der Anmelderin zur Bezeichnung einer Informationssendung verwendet (vgl. "ZDF.de - Berlin direkt - Archiv 2007. Die Themen der Sendungen ... Das Team von Berlin direkt. Moderatoren und Redakteure der Sendung ..." www.google.de Stichwort: Berlin direkt). Die Verbindung von "direkt" mit einer geografischen Bezeichnung deutet hin auf einen unmittelbaren Sachbezug in vielfältiger thematischer Hinsicht, z. B. "Skandinavien Direkt: Aktuelle Nachrichten, Veranstaltungskalender, touristische Angebote, ..." www.google.de Stichwort: direkt). Auch ein Direktbezug diverser Waren und Dienstleistungen aus der Stadt Berlin ist denkbar. Die Recherche hat insoweit allerdings keinen spezifischen Berlinbezug erbracht. Berlin ist berühmt geworden durch seine politische Lage, die Mauer, seine Bauwerke, aber nicht durch die Herstellung oder den Vertrieb bestimmter Waren oder Dienstleistungen. Wie in jeder anderen Großstadt werden sämtliche Produkte und Dienstleistungen in mehr oder weniger großem Umfang dort hergestellt oder erbracht (http://berlin.kijiji.de/f-Dienstleistungen-...).
Das Gesamtzeichen "Berlin direkt" bedeutet daher soviel wie "Berlin unmittelbar" und weist damit auf einen unmittelbaren inhaltlichen oder zeitlichen Bezug zur Stadt Berlin hin (BPatG 29 W (pat) 27/03 - DeutschlandDirekt).
3. Für die nach der Einschränkung des Verzeichnisses noch beanspruchten Waren und Dienstleistungen lässt sich allerdings nicht feststellen, dass geografische Angaben in Verbindung mit "direkt" zur thematischen oder sonstigen Beschreibung gebräuchlich sind.
3.1. Die Waren "codierte Telefonkarten; codierte Ausweise; Spielprogramme für Computer; Bildschirmschonerprogramme; Mausmatten; Brillen und Sonnenbrillen sowie Brillenetuis; Uhren und Zeitmessinstrumente; nicht codierte Telefonkarten, nicht codierte Ausweise" als auch die Waren "Papierhandtücher, Papierservietten, Filterpapier, Papiertaschentücher, Papierschmuck, Briefpapier, Toilettenpapier, Papierwindeln, Verpackungsbehälter, Verpackungstüten und Einwickelpapier; Schreibwaren einschließlich Schreib- und Zeichengeräte; Stempel, Stempelkissen, Stempelfarbe, Brieföffner, Papiermesser, Briefkörbe, Aktenordner, Schreibunterlagen, Locher, Hefter, Büro- und Heftklammern, Aufkleber (auch selbstklebende); Verpackungsmaterial aus Kunststoff, nämlich Hüllen, Beutel, Taschen, Folien (letztere auch selbstklebend und für Dekorationszwecke)" werden üblicherweise nicht nach ihrem Inhalt bezeichnet. Der Senat hat auch nicht feststellen können, dass ein zeitlicher Bezug im Sinne von "schnell und unmittelbar aus Berlin" für diese Waren bedeutsam ist. Selbst wenn alle Produkte ihrer Art nach im Zusammenhang mit Berlin stehen und dort erhältlich sind, reicht dies allein nicht für einen hinreichend engen beschreibenden Bezug aus.
3.2. Das Gesagte gilt auch in Bezug auf die beanspruchte Dienstleistung "Werbung und Marketing für Dritte". Zum Einen werden diese Dienstleistungen regelmäßig mit kreativen, phantasievollen Namen beworben, weisen aber keinen thematischen Bezug auf (vgl. BPatG 29 W (pat) 146/01 - family matters; www.unternehmerprofil.de/branche-52-W.html). Selbst unter dem Gesichtspunkt, dass die beanspruchten Dienstleistungen auch Direktwerbung und Direktmarketing umfassen können, ergibt sich nichts Anderes. Denn diese Form der Werbung zielt auf den direkten Kontakt zum Kunden, nicht hingegen auf ein bestimmtes geografisches Gebiet. Die Tätigkeit von Werbedienstleistern beschränkt sich im Übrigen selten auf ein regional begrenztes Gebiet, es findet vielmehr eine Segmentierung nach unterschiedlichen Medien statt. Für die Werbedienstleistungen besteht daher ebenfalls kein hinreichend enger Bezug zwischen dem Begriff "Berlin direkt" und den beanspruchten Dienstleistungen.
4. Der angemeldeten Wortfolge kommt nach den vorgenannten Ausführungen keine im Vordergrund stehende Sachaussage zu. Damit ist das Zeichen auch nicht freihaltebedürftig, da es zur Beschreibung der Waren oder Dienstleistungen im Sinn von § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG nicht geeignet ist. Die Gefahr einer Monopolisierung einer für Wettbewerber erforderlichen Bezeichnung besteht daher nicht.
Fink Dr. Mittenberger-Huber Karcherwegen Urlaubs an der Unterzeichnung gehindert.
Fink WA
BPatG:
Beschluss v. 14.08.2007
Az: 29 W (pat) 46/05
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