Bundesgerichtshof:
Urteil vom 8. Januar 2014
Aktenzeichen: I ZR 38/13

(BGH: Urteil v. 08.01.2014, Az.: I ZR 38/13)

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 29. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 17. Januar 2013 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen.

Tatbestand

Die Klägerin vertreibt Lebensmittel, insbesondere solche für Säuglinge und Kleinkinder. Die Beklagte gehört zum H.-Konzern, der ebenfalls solche Produkte herstellt und vertreibt.

Die Beklagte ist Inhaberin der am 4. Juli 1996 unter anderem für die Waren - Milchprodukte, insbesondere Joghurt, Trinkjoghurt, Dickmilch, Kefir,

- Milchpulver für Nahrungszwecke,

- Präparate für die Zubereitung von Getränken eingetragenen deutschen Wortmarke Probiotik (Nr. 396 20 358). Sie ist ferner Inhaberin der am 11. Oktober 1996 für die Waren - Diätetische Erzeugnisse für medizinische Zwecke, insbesondere Nahrungsergänzungsmittel,

- Diätetische Lebensmittel für medizinische Zwecke,

- Präparate für die Gesundheitspflege eingetragen deutschen Wortmarke Praebiotik (Nr. 396 18 494).

Die Klägerin begehrt die Löschung dieser Marken und hat dazu vorgebracht, diese seien nicht rechtserhaltend benutzt worden. Hilfsweise hat die Klägerin geltend gemacht, die Marken seien verfallen, weil sie zur gebräuchlichen Bezeichnung der Waren, für die sie eingetragen seien, geworden seien.

Die Beklagte ist dem entgegengetreten. Sie hat geltend gemacht, die angegriffenen Marken durch die nachfolgend wiedergegebenen Aufmachungen rechtserhaltend verwandt zu haben:

Anlage B Anlage B Anlage B Anlage B 15 Anlage B Anlage B 17 Anlage B Anlage B 21 Anlage B Anlage B 23 Anlage B Anlage B 6 = B vergrößerter Ausschnitt der Anlage Anlage B 7 = B vergrößerter Ausschnitt der Anlage Anlage B 8 = B vergrößerter Ausschnitt der Anlage Anlage B 9 = B vergrößerter Ausschnitt der Anlage Die Klägerin hat, soweit für das Revisionsverfahren noch von Bedeutung, beantragt, die Beklagte zu verurteilen, gegenüber dem Deutschen Patent- und Markenamt in die Löschung folgender Marken einzuwilligen:

1. DE 396 20 358 - Probiotik für folgende Waren:

- Milchprodukte, insbesondere Joghurt, Trinkjoghurt, Dickmilch, Kefir,

- Milchpulver für Nahrungszwecke,

- Präparate für die Zubereitung von Getränken 2. DE 396 18 494 - Praebiotik für folgende Waren:

- Diätetische Erzeugnisse für medizinische Zwecke, insbesondere Nahrungsergänzungsmittel,

- Diätetische Lebensmittel für medizinische Zwecke,

- Präparate für die Gesundheitspflege.

Das Landgericht hat der ursprünglich noch auf weitere Waren bezogenen Löschungsklage stattgegeben. Die dagegen von der Beklagten beschränkt auf die genannten Waren eingelegte Berufung ist erfolglos geblieben. Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt, verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Klageabweisung in Bezug auf die genannten Waren weiter.

Gründe

I. Das Berufungsgericht hat angenommen, die Voraussetzungen für eine Löschung der angegriffenen Marken wegen Verfalls lägen vor, weil die Marken nicht rechtserhaltend benutzt worden seien. Dazu hat es ausgeführt:

Die Marke Probiotik sei nicht durch die von der Beklagten vorgetragenen Kennzeichnungen von Milchbrei rechtserhaltend benutzt worden, weil Milchbrei nicht unter die eingetragenen Waren gefasst werden könne. Die von der Beklagten im Übrigen vorgetragenen Verwendungsformen würden wegen ihrer graphischen Gestaltung den kennzeichnenden Charakter der beiden angegriffenen Marken ändern und seien deshalb gemäß § 26 Abs. 3 MarkenG nicht als rechtserhaltend anzusehen. Soweit die Marken auf der Schmalseite der vorgelegten Produktverpackungen verwendet worden seien, liege schon keine markenmäßige Benutzung, sondern die Bezeichnung eines Inhaltsstoffes vor.

II. Die gegen diese Beurteilung gerichtete Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

1. Die Annahme des Berufungsgerichts, der Klägerin stehe ein Anspruch auf Einwilligung in die Löschung der Marke Probiotik nach § 49 Abs. 1, § 55 Abs. 1 und 2 Nr. 1 MarkenG zu, weil die angegriffene Marke nicht rechtserhaltend benutzt worden sei, hält einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.

a) Das Berufungsgericht hat angenommen, die Marke Probiotik sei nicht durch die von der Beklagten vorgetragenen Verwendungen zur Kennzeichnung von Milchbrei rechtserhaltend benutzt worden. Die mit Zustimmung der Beklagten durch ein konzernverbundenes Unternehmen angebotenen Breie könnten zwar Milchpulver enthalten, seien aber nach dem Verkehrsverständnis weder Milchpulver noch ein Milchprodukt. Dementsprechend werde Milchbrei in der alphabetischen Liste der Waren und Dienstleistungen gemäß § 19 MarkenV in der bis zum 31. Dezember 2012 gültigen Fassung der Klasse 30 und nicht - wie Milchprodukte - der Klasse 29 zugeordnet.

Dagegen wendet sich die Revision mit Erfolg. Das Berufungsgericht ist von einem zu engen Verständnis des Begriffs der rechtserhaltenden Benutzung ausgegangen.

aa) Die rechtserhaltende Benutzung einer Marke im Sinne von § 26 Abs. 1 MarkenG erfordert, dass die Marke in üblicher und sinnvoller Weise für die Ware verwendet wird, für die sie eingetragen ist (vgl. BGH, Urteil vom 21. Juli 2005 - I ZR 293/02, GRUR 2005, 1047, 1049 = WRP 2005, 1527 - OTTO; Urteil vom 18. Dezember 2008 - I ZR 200/06, GRUR 2009, 772 Rn. 39 = WRP 2009, 971 - Augsburger Puppenkiste; Urteil vom 14. April 2011 - I ZR 41/08, GRUR 2011, 623 Rn. 23 = WRP 2011, 886 - Peek & Cloppenburg II; Urteil vom 5. Dezember 2012 - I ZR 135/11, GRUR 2013, 725 Rn. 13 = WRP 2013, 1034 - Duff Beer). Allerdings ist die Markeneintragung im Löschungsverfahren wegen Verfalls nach §§ 49, 55 MarkenG nicht auf die Waren oder Dienstleistungen zu beschränken, für die die Marke tatsächlich benutzt worden ist. Die gebotene wirtschaftliche Betrachtungsweise und das berechtigte Interesse des Zeicheninhabers, in seiner geschäftlichen Bewegungsfreiheit nicht über Gebühr eingeengt zu werden, rechtfertigen es vielmehr, darüber hinaus auch die Waren im Warenverzeichnis zu belassen, die nach der Verkehrsauffassung gemeinhin zum gleichen Warenbereich gehören. Dadurch wird ein sachgerechter Ausgleich erzielt zwischen dem Interesse des Markeninhabers, in seiner geschäftlichen Bewegungsfreiheit nicht über Gebühr eingeengt zu werden, und dem Interesse an der Freihaltung des Registers von Marken, die für einen Teil der Waren und Dienstleistungen nicht benutzt werden (BGH, Urteil vom 17. Mai 2001 - I ZR 187/98, GRUR 2002, 59, 62 = WRP 2001, 1211 - ISCO; Urteil vom 10. April 2008 - I ZR 167/05, GRUR 2009, 60 Rn. 32 f. = WRP 2008, 1544 - LOTTOCARD; Urteil vom 5. Dezember 2012 - I ZR 85/11, GRUR 2013, 833 Rn. 61 = WRP 2013, 1038 - Culinaria/Villa Culinaria). Zum gleichen Warenbereich in diesem Sinne gehören gemeinhin Waren, die in ihren Eigenschaften und ihrer Zweckbestimmung weitgehend übereinstimmen (BGH, Urteil vom 13. Juli 1989 - I ZR 157/87, GRUR 1990, 39, 40 f. - Taurus; Urteil vom 21. April 1994 - I ZR 291/91, GRUR 1994, 512, 515 = WRP 1994, 621 - Simmenthal; BGH, GRUR 2013, 833 Rn. 61 - Culinaria/Villa Culinaria).

bb) Das Berufungsgericht ist bei seiner Beurteilung nicht von diesen Grundsätzen ausgegangen. Es hat nicht geprüft, ob sich eine rechtserhaltende Benutzung daraus ergibt, dass die von der Beklagten vertriebenen Breiprodukte zumindest zum gleichen Warenbereich gehören, weil sie nach der Verkehrsauffassung wegen ihrer Eigenschaften und ihrer Zweckbestimmung weitgehend mit den im Warenverzeichnis der angegriffenen Marke angegebenen Waren übereinstimmen. Dazu bestand im Streitfall jedoch Anlass. Die Beklagte hat hierzu vorgetragen, dass es sich bei den vertriebenen Produkten um milchhaltige Pulver zur Zubereitung von Brei handelt, die zu einem erheblichen Prozentsatz aus Magermilchpulver bestehen und die deshalb nach der Verkehrsauffassung unter die Begriffe "Milchpulver" und "Milchprodukt" fallen.

Eine Prüfung unter diesem Gesichtspunkt konnte im Streitfall auch nicht deshalb unterbleiben, weil das Berufungsgericht eine Übereinstimmung der benutzten Ware "Milchbrei" mit der eingetragenen Ware "Milchprodukte" mit dem weiteren Argument abgelehnt hat, die Ware "Milchbrei" sei in der alphabetischen Liste der Waren gemäß § 19 MarkenV in der bis zum 31. Dezember 2012 gültigen Fassung der Klasse 30 und nicht - wie Milchprodukte - der Klasse 29 zugeordnet. Der Schutzbereich einer Marke wird nicht durch die Klassifikation bestimmt (vgl. Kirschneck in Ströbele/Hacker, Markengesetz, 10. Aufl., § 32 MarkenG Rn. 82). Zudem schließen sich die Oberbegriffe der amtlichen Klasseneinteilung untereinander nicht notwendig aus, sondern überschneiden sich teilweise. Die klassenmäßige Einteilung hat somit nur indizielle Bedeutung für die Beurteilung der Art der Ware oder Dienstleistung und ist dementsprechend bei der Subsumtion der benutzten unter die eingetragenen Waren und Dienstleistungen allenfalls unterstützend heranzuziehen (vgl. Schalk in Büscher/Dittmer/Schiwy, Gewerblicher Rechtsschutz Urheberrecht Medienrecht, 2. Aufl., § 26 MarkenG Rn. 31; Ströbele in Ströbele/Hacker aaO § 26 Rn. 187).

b) Die Revision wendet sich auch erfolgreich gegen die weitere Annahme des Berufungsgerichts, die Marke Probiotik sei nicht durch die Verwendungen auf den Produkten "Hipp Anfangsmilch Plus Probiotik€" (Anlagen B 15, B 16) "Hipp Folgemilch Plus Probiotik€" (Anlagen B 17, B 18), "Hipp Hypoallergene Anfangsnahrung HA-Plus Probiotik€" (Anlagen B 21, B 22) und "Hipp Hypoallergene Folgenahrung HA-Plus Probiotik€" (Anlagen B 23, B 24) rechtserhaltend benutzt worden.

aa) Das Berufungsgericht hat angenommen, in diesen Verwendungsformen liege die Benutzung in einer von der Eintragung abweichenden, den kennzeichnenden Charakter der Marke verändernden Form im Sinne von § 26 Abs. 3 Satz 1 MarkenG. Der Wortmarke Probiotik komme allenfalls äußerst geringe Kennzeichnungskraft zu, weil sie sich zumindest in hohem Maße an die beschreibenden Begriffe "Probiotikum/Probiotika" und "probiotisch" anlehne. Aus diesem Grund träten die graphischen Elemente der farblichen Gestaltung, des Bogens über dem Schriftzug und der Krümmung des gesamten Zeichens für die angesprochenen Verkehrskreise nicht so weit zurück, dass sie gegenüber dem Wortbestandteil keinerlei mitprägenden Charakter hätten. Deswegen messe der Verkehr den beiden Verwendungsformen einen im Verhältnis zur angegriffenen Marke eigenständigen Charakter zu und sehe in ihnen nicht dieselbe Marke wie in dem eingetragenen Zeichen.

bb) Diese Beurteilung hält einer rechtlichen Überprüfung nicht stand. Die Beurteilung, ob eine abweichende Benutzung den kennzeichnenden Charakter der Marke verändert, ist zwar grundsätzlich dem Tatrichter vorbehalten und im Revisionsverfahren nur eingeschränkt, insbesondere auf zutreffende Rechtsanwendung und die Beachtung der allgemeinen Lebenserfahrung, überprüfbar (BGH, GRUR 2013, 725 Rn. 16 - Duff Beer, mwN). Im Streitfall hat das Berufungsgericht aber insoweit einen zu engen rechtlichen Maßstab der Prüfung nach § 26 Abs. 3 Satz 1 MarkenG zugrunde gelegt.

(1) Wird die Marke in einer von der Eintragung abweichenden Form benutzt, liegt eine rechtserhaltende Benutzung nach § 26 Abs. 3 Satz 1 MarkenG nur vor, wenn die Abweichungen den kennzeichnenden Charakter der Marke nicht verändern. Das ist dann der Fall, wenn der Verkehr das abweichend benutzte Zeichen gerade bei Wahrnehmung der Unterschiede dem Gesamteindruck nach noch mit der eingetragenen Marke gleichsetzt, das heißt in der benutzten Form noch dieselbe Marke sieht (vgl. BGH, GRUR 2009, 772 Rn. 39 - Augsburger Puppenkiste; BGH, Urteil vom 19. November 2009 - I ZR 142/07, GRUR 2010, 729 Rn. 17 = WRP 2010, 1046 - MIXI; BGH, GRUR 2011, 623 Rn. 55 - Peek & Cloppenburg II; GRUR 2013, 725 Rn. 13 - Duff Beer). Wird eine Wortmarke dergestalt benutzt, dass das Wortzeichen graphisch oder farblich gestaltet wird oder bildliche Elemente hinzugefügt werden, ist zu berücksichtigen, dass Marken in der Praxis regelmäßig nicht isoliert verwendet werden, sondern dem Verkehr häufig verbunden mit weiteren Angaben, Zeichen, Aufmachungen und Farben entgegentreten. Es ist deshalb zu prüfen, ob diese weiteren Elemente einen Bezug zur Funktion der Marke als Herkunftshinweis haben oder lediglich allgemeine Sachangaben oder werbliche Hervorhebungsmittel sind (vgl. Ströbele in Ströbele/Hacker aaO § 26 Rn. 125 ff.). So werden graphische und farbliche Hinzufügungen und Gestaltungen nicht selten einen lediglich dekorativen, verzierenden Charakter haben, denen der Verkehr keine Bedeutung für den kennzeichnenden Charakter der eingetragenen Marke und der benutzten Form beimisst (vgl. BGH, Beschluss vom 9. Juli 1998 - I ZB 7/96, GRUR 1998, 167, 168 = WRP 1998, 1083 - Karolus-Magnus; Beschluss vom 30. März 2000 - I ZB 41/97, GRUR 2000, 1038, 1039 = WRP 2000, 1161 - Kornkammer; BGH, GRUR 2010, 729 Rn. 21 - MIXI; GRUR 2013, 725 Rn. 19 - Duff Beer).

(2) Das Berufungsurteil lässt nicht erkennen, dass das Berufungsgericht diese im Streitfall maßgebenden Grundsätze berücksichtigt hat. Es hat insbesondere nicht geprüft, ob es sich bei den dem Markenwort hinzugefügten graphischen Elementen und der farblichen Gestaltung nicht lediglich um dekorative Ausstattungsmerkmale handelt.

c) Das Berufungsgericht hat eine rechtserhaltende Benutzung auch im Hinblick auf die Verwendung der Marke Probiotik innerhalb der graphisch gestalteten Bezeichnung "PRAEBIOTIK€ + PROBIOTIK€" auf den Produkten "Hipp Folgemilch Plus PRAEBIOTIK€ + PROBIOTIK€" (Anlagen B 6/B 19, B 7/B 20) und "Hipp HA-Folgenahrung HA-Plus PRAEBIOTIK€ + PROBIOTIK€" (Anlagen B 8/B 25, B 9/B 26) verneint. Auch diese Beurteilung hält der rechtlichen Überprüfung nicht stand.

aa) Soweit das Berufungsgericht angenommen hat, auch insoweit begründe die besondere graphische Gestaltung einen eigenständigen kennzeichnenden Charakter, hat es wiederum nicht geprüft, ob es sich bei den dem Markenwort hinzugefügten graphischen Elementen und der farblichen Gestaltung nicht lediglich um dekorative Ausstattungsmerkmale handelt (vgl. dazu Rn. 18).

bb) Das Berufungsgericht ist darüber hinaus davon ausgegangen, die einheitliche farbliche Gestaltung der beiden Wortbestandteile und die sie verklammernde orangefarbene Wellenlinie führe dazu, dass der Verkehr die gesamte Darstellung als ein einheitliches Zeichen auffasse, dessen Wortbestandteile PRAEBIOTIK und PROBIOTIK lauteten. Selbst wenn diesen (allein-)prägender Charakter zukäme, führe der zweite Wortbestandteil PRAEBIOTIK, der in der eingetragenen Marke keine Entsprechung finde, dazu, dass der Verkehr diesen nicht außer Acht lasse und in der Gesamtgestaltung keine Benutzung der Marke Probiotik sehe. Auch gegen diese Beurteilung wendet sich die Revision mit Erfolg.

(1) Zur rechtserhaltenden Benutzung einer Marke reicht auch deren Verwendung als Zweitmarke aus. Es muss deshalb immer dann, wenn zur Kennzeichnung einer Ware zwei Zeichen verwendet werden, geprüft werden, ob der Verkehr darin ein aus zwei Teilen bestehendes zusammengesetztes Zeichen erblickt oder aber keinen einheitlichen Herkunftshinweis, sondern zwei voneinander zu unterscheidende Zeichen sieht (BGH, Urteil vom 8. Februar 2007 - I ZR 71/04, GRUR 2007, 592 Rn. 13 = WRP 2007, 958 - bodo Blue Night; BGH, GRUR 2010, 729 Rn. 17 - MIXI).

(2) Die Revision rügt mit Erfolg, dass das Berufungsgericht bei der Annahme eines Gesamtzeichens außer Acht gelassen hat, dass die Begriffe PRAEBIOTIK und PROBIOTIK in der verwendeten Form durch ein Pluszeichen verbunden und zudem beide Worte jeweils für sich genommen mit einem €-Symbol gekennzeichnet sind.

Der Verkehr entnimmt der Beifügung des Zusatzes € zu einem Zeichen regelmäßig den Hinweis, dass es eine Marke genau diesen Inhalts gibt (vgl. BGH, Urteil vom 14. Dezember 1989 - I ZR 1/88, GRUR 1990, 364, 366 - Baelz; Urteil vom 26. Februar 2009 - I ZR 219/06, GRUR 2009, 888 Rn. 15 = WRP 2009, 1080 - Thermoroll; Urteil vom 10. Januar 2013 - I ZR 84/09, GRUR 2013, 840 Rn. 35 = WRP 2013, 1039 - PROTI II). Dadurch, dass hier beide Wortzeichen jeweils für sich genommen und eindeutig räumlich zugeordnet mit dem Zusatz € versehen und zudem durch ein Pluszeichen im Sinne einer gleichwertigen Aufzählung verbunden sind, bestehen im Streitfall deutliche Anhaltspunkte für die Annahme, dass der Verkehr in der benutzten Form zwei voneinander zu unterscheidende Zeichen sieht.

d) Mit Erfolg wendet sich die Revision ferner gegen die Annahme des Berufungsgerichts, die Verwendung der nicht bildlich gestalteten Bezeichnung "PRAEBIOTIK€ + PROBIOTIK€" auf der Schmalseite der Produktpackungen "Hipp Folgemilch Plus PRAEBIOTIK€ + PROBIOTIK€" (Anlagen B 19, B 20) und "Hipp HA-Folgenahrung HA-Plus PRAEBIOTIK€ + PROBIOTIK€" (Anlagen B 25/B 26) sei bereits nicht markenmäßig erfolgt.

aa) Auf den Schmalseiten der Produktpackungen heißt es durch eine Unterlegung mit einem blauen Balken hervorgehoben:

Die einzigartige Kombination aus Probiotik€ und Praebiotik€

sowie Allergenarme Ernährung mit der einzigartigen Kombination aus Probiotik€ und Praebiotik€.

bb) Der Beurteilung des Berufungsgerichts, darin liege keine markenmäßige Verwendung der Marke Probiotik, kann aus Rechtsgründen nicht beigetreten werden.

Der Annahme einer rein beschreibenden Verwendung der Bezeichnung Probiotik steht bereits entgegen, dass der Verkehr der Beifügung des Zusatzes € zu einem Zeichen regelmäßig den Hinweis entnimmt, dass es eine Marke diesen Inhalts gibt (dazu Rn. 25). Entgegen der Annahme des Berufungsgerichts ist es auch fernliegend, dass der Verkehr in dem Zusatz allenfalls einen Hinweis auf den Markenschutz des Inhaltsstoffs, nicht aber (auch) darauf sieht, dass Probiotik als Herkunftshinweis für die Ware Folgenahrung oder Folgemilch verwendet wird. Die Bezeichnung "PRAEBIOTIK€ + PROBIOTIK€" tritt dem Verkehr auf den jeweiligen Produktverpackungen nicht lediglich auf der Schmalseite entgegen, sondern bereits blickfangmäßig hervorgehoben auf der Schauseite. Dass die Verwendung auf der Schauseite nicht markenmäßig in Bezug auf das Produkt erfolgt, ist weder vom Berufungsgericht festgestellt noch sonst ersichtlich. Der Verkehr wird dadurch in seiner Wahrnehmung beeinflusst und wird die fragliche Verwendung auf der Schmalseite derselben Packung als einen Herkunftshinweis verstehen, der sich zumindest auch auf das Produkt insgesamt bezieht. Dem steht auch der auf der Schmalseite hergestellte Bezug auf inhaltliche Komponenten des Produkts nicht entgegen. Ein Bezug auf das Produkt als solches ergibt sich vielmehr daraus, dass der Verkehr der Packungsgestaltung insgesamt unschwer entnehmen kann, dass das Produkt maßgeblich aus den mit den Bezeichnungen Probiotik€ und Praebiotik€ markenmäßig gekennzeichneten inhaltlichen Komponenten besteht und damit auch die betriebliche Herkunft des Kombinations-Produkts selbst gekennzeichnet wird.

e) Die Revision wendet sich auch mit Erfolg gegen die Annahme des Berufungsgerichts, es spreche gegen eine markenmäßige Benutzung der unter II 1 b) und c) behandelten Verwendungsformen, dass die Beklagte bei der Rechnungsstellung Milchbrei mit Probiotik bezeichnet, sich dagegen bei den übrigen Waren auf die anderen auf den Packungen befindlichen Bezeichnungen beschränkt. Es ist für eine rechtserhaltende Benutzung gemäß § 26 MarkenG ausreichend, wenn die Marke auf Produktverpackungen markenmäßig benutzt wird. Eine zusätzliche markenmäßige Verwendung auch in Rechnungen ist nicht erforderlich.

2. Das Berufungsgericht hat auch die rechtserhaltende Benutzung der Marke Praebiotik verneint und insoweit auf seine Begründung in Bezug auf die Marke Probiotik Bezug genommen. Aus den vorstehenden Gründen kann mithin auch diese Beurteilung keinen Bestand haben.

3. Das Berufungsgericht hat keine Feststellungen zu den weiteren Voraussetzungen der rechtserhaltenden Benutzung, insbesondere zu der Frage getroffen, ob die von der Beklagten vertriebenen Anfangs- und Folgemilchprodukte sowie die Anfangs- und Folgenahrung zum gleichen Warenbereich gehören, für die die angegriffenen Marken registriert sind. Dies ist zugunsten der Beklagten im Revisionsverfahren zu unterstellen. Entsprechendes gilt für den Gesichtspunkt der markenmäßigen Verwendung der angegriffenen Marken auf den Schauseiten der vorgelegten Packungen.

III. Auf die Revision der Beklagten ist danach das Berufungsurteil aufzuheben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, weil sie nicht zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 1 und 3 ZPO).

Für das weitere Verfahren weist der Senat auf Folgendes hin:

1. Das Berufungsgericht wird die fehlenden Feststellungen zur rechtserhaltenden Benutzung der angegriffenen Marken zu treffen haben.

Soweit das Berufungsgericht eine Übereinstimmung der benutzten Ware "Milchbrei" mit der eingetragenen Ware "Milchprodukte" auch mit dem Argument abgelehnt hat, die Ware "Milchbrei" sei in der alphabetischen Liste der Waren gemäß § 19 MarkenV in der bis zum 31. Dezember 2012 geltenden Fassung der Klasse 30 und nicht - wie Milchprodukte - der Klasse 29 zugeordnet, ist für die Auslegung des Waren- und Dienstleistungsverzeichnisses nicht die im Dezember 2012 geltende Klassifikation, sondern die Klassifizierung im Zeitpunkt der Eintragung der betroffenen Marke heranzuziehen (vgl. Ströbele in Ströbele/Hacker aaO § 26 Rn. 187; Schalk in Büscher/Dittmer/Schiwy aaO, § 26 MarkenG Rn. 31).

2. Sollten die Marken nicht wegen mangelnder Benutzung nach § 49 Abs. 1 MarkenG verfallen sein, wird das Berufungsgericht weiter die notwendigen Feststellungen zum hilfsweise geltend gemachten Löschungsgrund des § 49 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG zu treffen haben.

Büscher Pokrant Kirchhoff Koch Löffler Vorinstanzen:

LG München I, Entscheidung vom 20.12.2011 - 33 O 14128/10 -

OLG München, Entscheidung vom 17.01.2013 - 29 U 307/12 -






BGH:
Urteil v. 08.01.2014
Az: I ZR 38/13


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/39933f147743/BGH_Urteil_vom_8-Januar-2014_Az_I-ZR-38-13




Diese Seite teilen (soziale Medien):

LinkedIn+ Social Share Twitter Social Share Facebook Social Share