Oberlandesgericht Köln:
Urteil vom 17. März 2005
Aktenzeichen: 18 U 169/03
(OLG Köln: Urteil v. 17.03.2005, Az.: 18 U 169/03)
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das am 14.02.2003 verkündete Urteil der 2. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Aachen - 42 O 161/96 - wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrags abwenden, sofern nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe er-bringt. Der Kläger kann die Sicherheit auch in Form einer unbedingten, unwiderruflichen und selbstschuldnerischen Bürgschaft eines in Deutschland zugelassenen Kreditinstituts erbringen.
Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger macht in seiner Eigenschaft als Konkursverwalter über das Vermögen der S. Leasing GmbH mit Sitz in I. (im folgenden Schuldnerin) gegen den Beklagten als deren vormaligen Alleingesellschafter Rückzahlungsansprüche aus dem Gesichtspunkt des Eigenkapitalersatzes mit der Begründung geltend, dass ein mit Rangrücktritt versehenes Darlehen in Höhe der Klagesumme mittelbar an den Beklagten zurückgezahlt worden sei.
Mit Beschluss des Amtsgerichts Aachen vom 20.09.1995 (19 IN 83/95) ist das Konkursverfahren über das Vermögen der Schuldnerin eröffnet und der Kläger zum Konkursverwalter bestellt worden. Die Schuldnerin beschäftigte sich mit dem Erwerb und dem Leasing von Kraftfahrzeugen. Der Beklagte war ihr alleiniger Gesellschafter mit einer Stammeinlage von 50.000 DM. Außerdem war er als stiller Gesellschafter mit einer Einlage von 800.000 DM an ihr beteiligt. Darüber hinaus hatte der Beklagte der Schuldnerin Darlehen in Höhe von mindestens 1.137.306,20 DM gewährt. Diesbezüglich hatte der Beklagte am 25.02.1994 eine Rangrücktrittserklärung abgegeben.
Der Jahresabschluss der Schuldnerin zum 31.12.1992 wies einen nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbetrag von 44.631,43 DM aus. Die Treuhand-Gesellschaft B. & U. AG ermittelte für die Schuldnerin zum 31.08.1993 in ihrem Gutachten vom 15.10.1993 ein Substanzwert - Eigenkapital von rd. 531.000 DM bei stillen Reserven in Höhe von 870.000 DM. Der am 01.09.1994 erstellte Jahresabschluss zum 31.12.1993 endete mit einem nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbetrag von 1.127.482,76 DM. Diesem Jahresabschluss lag eine degressive Abschreibung bei den Absetzungen für Abnutzung der 1993 neu angeschafften Fahrzeuge zugrunde. Die Schuldnerin hatte im Jahr 1993 Neufahrzeuge im Wert von 4.935.524 DM angeschafft. Bei Anwendung der ebenfalls zulässigen linearen Abschreibung wäre die AfA um 493.552,40 DM geringer ausgefallen.
Mit notariellem Vertrag vom 09.03.1994 (Urkunde der Notare I. und Dr. G. mit Sitz in N. - UR.Nr. 497/1994 H) übertrug der Beklagte seinen Geschäftsanteil an der Schuldnerin sowie seine stille Beteiligung an ihr zum Preis von 775.000 DM an Herrn M.. Ferner verkaufte der Beklagte Herrn M. die oben angeführte Darlehensforderung zum Nominalwert. Die sich hieraus ergebende Forderung gegen Herrn M. trat der Beklagte in dem selben notariellen Vertrag an die Firmen X. GmbH (im folgenden: X. GmbH) und J. GmbH (im folgenden: J. GmbH) ab. Geschäftsführender Alleingesellschafter der beiden vorgenannten Gesellschaften war der Beklagte. Die X. GmbH hatte zum 01.01.1993 die Buchhaltung der Schuldnerin übernommen. Die außerhalb des Notarvertrages für die Abtretung des Kaufpreisanspruchs vereinbarte Gegenleistung der X.- bzw. J. GmbH hat der Beklagte nicht aktenkundig gemacht. X.- und J. GmbH verkauften ihrerseits den ihnen abgetretenen Anspruch aus dem Forderungskauf gegen Herrn M. an die Schuldnerin. Diese verpflichtete sich als Gegenleistung an die X.- und J. GmbH als Gesamtgläubiger einen Betrag in Höhe von 1.137.306,20 DM zu zahlen. In dieser Höhe hatten die Firmen X.- und J. GmbH Verbindlichkeiten gegenüber der Schuldnerin aus Leasinggeschäften. In dem vorgenannten notariellen Vertrag wurden diese Verbindlichkeiten mit dem sich aus Forderungskauf ergebenden Kaufpreisanspruch verrechnet.
Der Kläger hat in den aufgezeigten Rechtsgeschäften eine verbotene Rückzahlung von Stammkapital gesehen. Denn - so hat er behauptet - das vom Beklagten verkaufte Darlehen sei kapitalersetzend gewesen und hätte nicht an den Beklagten zurückgezahlt werden dürfen. Der Geschäftsbetrieb der Gemeinschuldnerin habe seit 1993 fortlaufend steigende Verluste erwirtschaftet und sich daher nur noch mit Hilfe des Gesellschafterdarlehens aufrechterhalten lassen. Im übrigen hat der Kläger das Rückzahlungsverlangen auch auf Anfechtungstatbestände gestützt, wobei er die Anfechtungserklärung mit der Klage abgeben habe.
Der Kläger hat beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, an ihn 1.137.306,20 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 27.09.1996 zu zahlen.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hat die Klage für unbegründet gehalten, da dem Kläger keine Rückzahlungsansprüche zustehen würden. Konkursrechtlich relevante anfechtbare Handlungen des Beklagten lägen nicht vor. Ansprüche auf Grund von konkursrechtlicher Anfechtung schieden zudem bereits deshalb aus, da sie nicht im letzten Jahr vor der Konkurseröffnung vorgenommen worden seien. Darüber hinaus seien aber auch die materiellen Voraussetzungen nicht erfüllt. Der Beklagte hat insofern behauptet, dass er die finanzielle Situation der Schuldnerin nicht gekannt und erst recht nicht in der Absicht einer Schädigung der Gläubiger gehandelt habe. Ferner hat er insoweit die Einrede der Verjährung erhoben.
Weiter hat er die Ansicht vertreten, dass auch keine Rückzahlungsansprüche wegen eines Verstoßes gegen das Kapitalerhaltungsgebot bestünden. Dies gelte schon deshalb, weil Kapital nur aus dem Vermögen des Herrn M., nicht aber aus dem Vermögen der Schuldnerin gezahlt worden sei. An der zwischen der Schuldnerin und den Firmen X. und J. stattgefundenen Aufrechnung sei er nicht beteiligt gewesen. Eine Auszahlungssperre habe auch deshalb nicht bestanden, da das durch die Verrechnung zurückgezahlte Darlehen nicht kapitalersetzend gewesen sei. So sei eine Unterbilanz zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses nicht festzustellen gewesen, zumal eine Stichtagsbilanz - unstreitig - nicht erstellt worden sei. Darüber hinaus hat er darauf hingewiesen, dass eine bilanzielle Auswertung der geschäftlichen Entwicklung der Schuldnerin für den Zeitraum 01.01. - 09.03.1994 nicht vorliege. Schließlich seien die der Aufrechnung unterliegenden Leasingforderungen der Schuldnerin bereits zuvor an kreditgebende Banken abgetreten worden. Eine Aufrechnung habe daher nicht zu einer Vermögensminderung der Schuldnerin führen können.
Das Landgericht hat die Klage nach Einholung von Sachverständigengutachten mit dem am 14.02.2003 verkündeten Urteil abgewiesen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt des vorgenannten Urteils Bezug genommen.
Mit der Berufung verfolgt der Kläger seinen Klageantrag weiter, wobei er seinen Anspruch nunmehr allein auf §§ 30, 31 GmbHG (analog), deren Voraussetzungen er für erfüllt hält, stützt. Die Schuldnerin habe sich am 09.03.1994 in einer akuten Krise befunden, so dass die Kapitalersatzvorschriften Anwendung fänden. Bereits der vom Beklagten veranlasste umfängliche Rangrücktritt sei ein hinreichendes Indiz für ein Verbot der Darlehensrückzahlung. Zudem habe der Beklagte mit seinem Darlehen die im Jahr 1993 bestehende Unterkapitalisierung behoben. Bestätigt werde dies auch durch die Ausführungen des gerichtlich bestellten Sachverständigen, der eine - nur durch den Rangrücktritt ausgeglichene - rechnerische Überschuldung festgestellt habe. Das Landgericht habe weiter verkannt, dass die Schuldnerin mangels hinreichenden Sicherungspotentials zu einer Erlangung von - durch Dritte gewährten - Krediten nicht mehr in der Lage gewesen sei, so dass auch eine Kreditunwürdigkeit vorgelegen habe. Aufgrund dieses auch von dem Sachverständigen bestätigten Ergebnisses sei die Schlussfolgerung des Landgerichts nicht zutreffend. Vielmehr fehle dem Urteil des Landgerichts eine inhaltliche Auseinandersetzung mit den verschiedenen Positionen und Gutachten, wobei das Landgericht gegebenenfalls ein Obergutachten hätte einholen müssen.
Der Kläger beantragt,
unter Abänderung des angefochtenen Urteils den Beklagten zu verurteilen, an ihn € 581.495,42 (= DM 1.137.306,20) nebst 4 % Zinsen seit dem 27.09.1996 zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt das angefochtene Urteil unter Bezugnahme auf seine erstinstanzlichen Ausführungen. So weist er darauf hin, dass der Kläger eine Überschuldung oder Kreditunwürdigkeit der Schuldnerin zum 09.03.1994 nicht bewiesen habe. Vielmehr sei eine eventuelle Überschuldung durch den Rangrücktritt gerade vermieden worden.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der eingereichten Schriftsätze nebst beigefügter Unterlagen verwiesen.
Gründe
Die zulässige Berufung ist unbegründet.
Dem Kläger steht gegenüber dem Beklagten kein Anspruch auf Zahlung des mit der vorliegenden Klage geltend gemachten Betrages von € 581.495,42 zu.
Der Kläger hat die Voraussetzungen des mit der Berufung allein verfolgten Anspruchs aus §§ 30, 31 GmbHG (analog) nicht hinreichend dargetan und nachgewiesen. Insbesondere hat der Kläger auch auf die Hinweise des Senats im Beschluss vom 25.03.2004 nicht hinreichend dargelegt, dass zur Erhaltung des Stammkapitals erforderliches Gesellschaftsvermögen der Schuldnerin an den Beklagten als Gesellschafter ausgezahlt wurde.
Die §§ 30, 31 GmbHG sind grundsätzlich entsprechend anwendbar, wenn der Gesellschafter der GmbH Darlehen anstelle von Eigenkapital zur Verfügung stellt. Das ist dann der Fall, wenn die Gesellschaft von dritter Seite zu marktüblichen Bedingungen keinen Kredit mehr erhalten hätte und eine Rückgewähr nur zu Lasten des Stammkapitals der GmbH möglich ist oder deren Überschuldung noch vertieft hätte (vgl.: OLG Düsseldorf, GmbHR 1997, 350 m.w.N.). Dass der Beklagte der Schuldnerin 1993 ein Darlehen über mindestens 1.137.306,20 DM gewährt hat, ist vorliegend ohne weitere rechtliche Relevanz, da sich die Schuldnerin zu diesem Zeitpunkt unstreitig noch nicht in einer Krise im Sinne des § 32 a Abs. 1 GmbHG befand.
Ein vor Eintritt der Unternehmenskrise gewährtes Darlehen erhält jedoch auch dann eigenkapitalersetzende Wirkung und wird damit von den Bindungen der §§ 30, 31 GmbHG erfasst, wenn es in einer späteren Krise der Gesellschaft stehen gelassen wird und der Gesellschafter zumindest die Möglichkeit hatte, die den Eintritt der Krise begründenden Umstände zu erkennen (vgl.: Hommelhoff/Goette/Kleindiek, Eigenkapitalersatzrecht in der Praxis, Rn 49 ff.; Michalski/Heidinger, Kommentar zum GmbH-Gesetz, 2002, § 30 Rn 144; BGH NJW 1995, 457 f; BGH DB 1996, 420, 421; OLG Düsseldorf GmbHR 1997, 350, 351). Letzteres dürfte hier mit Hinblick auf die mit Schreiben vom 25.02.1994 der Gemeinschuldnerin übersandte und mit Gründen versehene Rangrücktrittserklärung des Beklagten vom 25.02.1994 anzunehmen sein.
Ob sich die Gemeinschuldnerin am 09.03.1994 in einer Krise befunden hat, konnte vorliegend aber letztlich offen bleiben. Denn die weitere Voraussetzung für den von dem Kläger geltend gemachten Rückerstattungsanspruch, nämlich eine Auszahlung aus dem zur Erhaltung des Stammkapitals erforderlichen Vermögen an den Gesellschafter, ist hier nicht dargetan bzw. nachgewiesen.
Auszahlungen im Sinne von § 30 GmbHG sind nicht durch entsprechende Gegenleistungen gedeckte Leistungen, durch die - bilanztechnisch gesehen - eine Unterbilanz entstehen würde oder - im Falle einer festgestellten Unterbilanz - Leistungen aller Art, die wirtschaftlich das Gesellschaftsvermögen verringern (Senertz/Haas, Kapitalaufbringung und -erhaltung in der GmbH, Rn 419 ff., 465; Michalski/Heidinger a.a.O., § 30 Rn 34 ff; Lutter/Hommelhoff, GmbH-Gesetz, 16. Auflage 2004, § 30 Rn 8; KG NZG 2001, 989 f; OLG Nürnberg NZG 2000, 943 f). Maßgeblicher Beurteilungszeitpunkt ist der Zeitpunkt der Leistungserbringung (Senertz/Haas a.a.O. Rn 466; BGH NJW 1987, 1194 ff).
Auf die Abtretung der Darlehensforderung in Höhe von 1.137.306,20 DM von dem Beklagten an Herrn M. kann hier nicht abgestellt werden, da das Darlehen der Gemeinschuldnerin erhalten blieb und sich lediglich der Forderungsinhaber geändert hat.
Entscheidend ist vielmehr, dass die X. GmbH und die J. GmbH - nachdem ihnen der Kaufpreisanspruch gegen Herrn M. aus dem Verkauf der Darlehensforderung von dem Beklagten abgetreten worden war - den Kaufpreisanspruch für 1.137.306,20 DM an die Gemeinschuldnerin verkauften und übertrugen, wobei eine Verrechnung mit Leasingforderungen der Schuldnerin gegen die X. GmbH und die J. GmbH erfolgte.
Zwar stellt auch die Verrechnung von Forderungen der Gesellschaft gegen einen ihrer Gesellschafter mit einer Gegenforderung des Gesellschafters eine Auszahlung dar, wenn die Forderung des Gesellschafters einredebehaftet ist (Senertz/Haas a.a.O. Rn 441; Michalski/Heidinger a.a.O. § 30 Rn 60, 64; BGH ZIP 1983, 1448; KG NZG 2001, 989 f.; KG NZG 2000, 1224). Einredebehaftet ist die Forderung u.a. auch dann, wenn sie zu einer Unterbilanz führt oder diese vertieft, denn dann müssen die Geschäftsführer der GmbH die Erfüllung verweigern (vgl.: Lutter/Hommelhoff a.a.O., § 30 Rn 38).
Dem Anspruch des Klägers steht dabei nicht der Umstand entgegen, dass die Forderung der Schuldnerin gegen Forderungen der X.- und der J. GmbH und nicht unmittelbar gegenüber Forderungen des Beklagten verrechnet wurde. Gesellschafter im Sinne von §§ 30, 31 GmbHG (analog) ist auch, wer mit dem Gesellschafter eine wirtschaftliche Einheit bildet, was grundsätzlich bei miteinander verbundenen Unternehmen im Sinne des § 15 AktG der Fall ist (vgl.: Senertz/Haas a.a.O., Rn 401; Michalski/Heidinger a.a.O., § 30 Rn 80). Davon ist unter anderem auszugehen, wenn - wie im vorliegenden Fall - Leistungsempfänger ein Unternehmen ist, an dem der Gesellschafter der auszahlenden Gesellschaft unmittelbar oder mittelbar in maßgeblicher Weise beteiligt ist (Senertz/Haas a.a.O., Rn 401, KG NZG 2000, 1224 f). Bei der X.- und der J. GmbH handelt es sich um mit dem Beklagten verbundene Unternehmen, da der Beklagte jeweils alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer der beiden Unternehmen war. Insofern ist die Leistung im übrigen mittelbar auch dem Beklagten zugute gekommen.
Keine Auszahlungen im Sinne von § 30 Abs. 1 GmbHG sind jedoch wechselseitige Leistungsbeziehungen zwischen Gesellschaft und Gesellschafter bzw. zwischen den mit dem Gesellschafter verbundenen Unternehmen, wenn Leistung und Gegenleistung - wirtschaftlich besehen - gleichwertig sind und damit (unterbilanz-) neutral (BGHZ 69, 274 ff; BGH NJW 1987, 1194 f; BGH ZIP 1996, 68 ff; Senertz/Haas a.a.O., Rn 446; Lutter/Hommelhoff a.a.O., § 30 Rn 27, 29; Baumbach/Hueck, GmbH-Gesetz, 17. Auflage, § 30 Rn 7). Dass die Gegenleistung des Beklagten bzw. die ihm zuzurechnende Gegenleistung der X.- und J. GmbH vorliegend ungleichwertig war und die Verbindlichkeiten damit verbotswidrig begründet wurden, kann jedoch nicht festgestellt werden.
Vorliegend besteht die Besonderheit, dass die Verrechnung in einen gegenseitigen Vertrag zwischen der Schuldnerin sowie der X. GmbH und der J. GmbH eingebunden war. Ob dieser Vertrag für die Gesellschaft insgesamt wirtschaftlich nachteilig war, ist durch eine Gesamtbetrachtung zu beurteilen, die auch die Gegenleistung des Gesellschafters zu berücksichtigen hat (Senertz/Haas a.a.O., Rn 430). Grundsätzlich fehlt es an einer Gleichwertigkeit, wenn das Geschäft dem so genannten Drittvergleich nicht standhält. Ob ein normales Austauschgeschäft oder eine verdeckte Ausschüttung von Gesellschaftsvermögen vorliegt, richtet sich danach, ob ein gewissenhaft nach kaufmännischen Grundsätzen handelnder Geschäftsführer unter sonst gleichen Umständen zu gleichen Bedingungen den Vertrag auch mit einem Nichtgesellschafter abgeschlossen hätte, ob also die Leistung aus betrieblichen Gründen gerechtfertigt ist (Senertz/Haas a.a.O., Rn 431; BGH NJW 1987, 1194 f; BGH ZIP 1996, 68 ff; OLG Nürnberg NZG 2001, 943 f; KG NZG 2000, 1224 f). War die Gegenleistung des Gesellschafters gleichwertig und ist die Verbindlichkeit damit verbotsfrei begründet worden, ist die Gesellschaft auch nach Eintritt der Unterbilanz verpflichtet, die Forderung des Gesellschafters zu erfüllen (Senertz/Haas a.aO., Rn 446; Lutter/Hommelhoff a.a.O., § 30 Rn 27, 43; Scholz/Westermann, GmbHG, 9. Auflage, § 30 Rn 20).
Ihre Verpflichtung aus dem gegenseitigen Vertrag mit der Schuldnerin haben die mit dem Beklagten verbundenen Unternehmen X.- und J. GmbH erfüllt, indem sie der Schuldnerin die Kaufpreisforderung gegen Herrn M. unter Ziffer V. des Geschäftsanteilsübertragungsvertrags vom 09.03.1994 abgetreten haben.
An der erforderlichen Gleichwertigkeit der sich gegenüberstehenden Forderungen fehlt es aber dann, wenn die Kaufpreisforderung gegen Herrn M. nicht werthaltig war. Die Ansicht des Klägers, dass auch bei erwiesener Gleichwertigkeit der Leistungen von einer verbotenen Auszahlung des Gesellschaftsvermögens auszugehen sei, teilt der Senat nicht. Eine entsprechende Abkehr von der zuvor dargestellten Ansicht in Rechtsprechung und Literatur ist weder gerechtfertigt noch ergibt sich dies aus der vom Kläger angeführten Entscheidung des BGH vom 24.11.2003 (ZIP 2004, 263). Denn der BGH hatte dort über die Frage der zu Lasten des gebundenen Vermögens der Gesellschaft erfolgten Kreditgewährung an Gesellschafter zu befinden, was mit dem hier zu beurteilenden Sachverhalt nicht in Einklang steht. Die dem Gesellschafter vom BGH für den Fall der Darlehngewährung auferlegte Darlegungslast beschränkt sich daher auf den Fall der Kreditbewilligung aus dem gebundenen Vermögen und führt auch nicht zu einer von der bisherigen Rechtsprechung abweichenden Verteilung der Darlegungs- und Beweislast.
Dass die der Schuldnerin von der X.- und der J. abgetretene Forderung gegen Herrn M. nicht werthaltig gewesen wäre oder aber erheblich unter den mit ihr verrechneten Leasingforderungen gelegen hätte, hat der darlegungs- und beweisbelastete Kläger nicht hinreichend dargetan bzw. unter Beweis gestellt. Entgegen der Ansicht des Klägers ist für die Anspruchsvoraussetzungen der §§ 30, 31 GmbHG (analog) grundsätzlich die Gesellschaft bzw. der Konkurs- bzw. Insolvenzverwalter darlegungs- und beweisbelastet (vgl.: BGH, WM 2003, 684 und WM 1989, 1168; Lutter/Hommelhoff a.a.O., § 30 RN 26; Michalski/Heidinger a.a.O., § 30 RN 91; Senertz/Haas a.a.O., Rn 578). Ausnahmegesichtspunkte, wie sie in der Entscheidung des BGH vom 17.02.2003 (WM 2003, 684) angeführt sind, liegen hier nicht vor und rechtfertigen keine anderweitige Verteilung der Beweislast. Entscheidend ist, dass es sich bei der Frage der Werthaltigkeit des abgetretenen Kaufpreisanspruchs und damit der Bonität des neuen Gesellschafters M. nicht um Umstände handelt, für deren Beantwortung der Kläger auf die (Buchführungs-)Unterlagen der Schuldnerin angewiesen wäre und die der Beklagte als ehemaliger Gesellschafter eher oder besser - als der Kläger - darlegen könnte. Eine sich aus der besonderen Situation des Insolvenzverwalters ableitende Privilegierung des Klägers in Bezug auf die Darlegungs- und Beweislast kommt daher nicht in Betracht. Nichts anderes ergibt sich auch aus der bereits angeführten, hier aber nicht einschlägigen Entscheidung des BGH vom 24.11.2003 (ZIP 2004, 263).
Zum maßgeblichen Zeitpunkt der Leistungserbringung (vgl.: BGH NJW 1987, 1194 ff) am 09.03.1994 konnte von einer fehlenden Zahlungswilligkeit bzw. Zahlungsfähigkeit des Herrn M. nicht ausgegangen werden.
Die Behauptung des Klägers, dass Herr M. bereits im Frühjahr 1994 insolvent gewesen sei, ist zu pauschal und genügt bereits nicht den Anforderungen an einen hinreichend substantiierten Vortrag. Zudem ist nicht bekannt, ob über das Vermögen von Herr M. überhaupt und insbesondere zeitnah zum Vertragsschluss am 09.03.1994, ein Konkursverfahren eröffnet worden oder dass er zahlungsunfähig gewesen wäre.
Für eine unzureichende Bonität des Herrn M. könnte zwar die Nichtzahlung der Kaufpreisforderung gegenüber der Schuldnerin sprechen. Auch wenn es sich insoweit um ein nicht unbeachtliches Indiz handelt, reicht dies allein aber nicht aus. Abgesehen davon, dass dem (pauschalen) Klägervortrag einer "mehrfachen Aufforderung" nicht zu entnehmen ist, wann und in welcher Art und Weise die Schuldnerin bzw. der Kläger vor der zugrunde liegenden Klage eine Zahlung des Kaufpreises von Herrn M. verlangt hat, spricht gegen die Zahlungsunfähigkeit des Herrn M., dass er bis Ende 1994 DM 780.000 für den Kauf der Gesellschaftsanteile an den Beklagten gezahlt hat, wobei nach dessen Vortrag am 19.04.1994 und damit zeitnah zum Vertragsschluss ein (Teil-)Betrag von 295.000 DM an den Beklagten geleistet wurde. Zudem hat Herr M. bis Ende 1996 einen weiteren, 30.000 DM übersteigenden Betrag an den Beklagten gezahlt. Außerdem hat der Beklagte auch auf schriftliche Auskünfte von Kreditinstituten zu der Bonität des Herrn M. verwiesen, welche zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses diesbezügliche Zweifel nicht erkennen ließen. Gleiches soll auch für die eigenen Erfahrungen der Schuldnerin gelten, welche sie aus der Vielzahl der mit Herrn M. abgeschlossenen Leasingverträgen gewonnen hat.
Dass Herr M. nach dem Vortrag des Klägers seine gegenüber der Schuldnerin bestehenden monatlichen Leasingraten in Höhe von etwa 77.000 DM nur bis einschließlich Mai 1994 gezahlt habe, steht im Hinblick auf das zulässige Bestreiten des Beklagten bislang nicht fest. Im übrigen vermag dies, auch mit Blick auf seine Stellung als Alleingesellschafter, eine Zahlungsunfähigkeit nicht zu begründen, sondern kann in gleicher Weise auf erst nachträglich entstandenen, anderen Gründen bzw. einer sich nachfolgend gebildeten anderweitigen Motivation beruhen. Denn bereits aus dem eigenen Vortrag des Klägers ergibt sich, dass nicht sicher ist, ob Herr M. seine Verpflichtungen wegen finanzieller Probleme oder aus anderen Gründen, etwa wegen der von ihm gegen den Beklagten erhobenen rechtlichen Einwendungen gegen die Wirksamkeit des notariellen Vertrages vom 09.03.1994, nicht erfüllt hat. Gerade für Letzteres spricht, dass Herr M. von dem Beklagten die Rückabwicklung des notariellen Vertrages verlangte und dies - im Ergebnis erfolglos - auch gerichtlich (vgl. Verfahren 11 O 198/94 LG Aachen und 18 U 91/96 OLG Köln) durchzusetzen versuchte. Will sich aber der Käufer von dem Vertrag lösen, liegt eine hierauf beruhende und subjektiv ggfls. sogar für berechtigt empfundene Weigerung zur Erfüllung der Vertragspflichten nahe. Eine bereits bei Vertragsschluss fehlende Erfüllungsbereitschaft des Herrn M. liegt daher eher fern bzw. ist aus den vorgenannten Gründen zumindest nicht erwiesen. Dies auch deshalb, da der Kläger vorliegend nicht behauptet oder konkret dargelegt hat, dass und ggfls. woraus sich Bedenken an einem von Anfang an fehlenden Willen des Herrn M. zur Vertragserfüllung ergeben sollten.
Aufgrund der sich über mehrere Monate erstreckenden Vertragsverhandlungen zwischen dem Beklagten und Herrn M. sowie den vorgenannten und das zwischen ihnen bestehende Verhältnis beschreibenden Gesichtspunkten sind auch keine Anzeichen für ein kollusiven Zusammenwirken des Beklagten mit Herrn M. zum Nachteil der Schuldnerin zu erkennen, zumal auch der Kläger hierzu nichts konkretes vorträgt. Für den Senat ist auch nicht ersichtlich, dass die Schuldnerin zum Erwerb der Kaufpreisforderung gegenüber Herrn M. gezwungen bzw. - nach Ansicht des Klägers - sogar genötigt wurde. Vielmehr hat der damalige Geschäftsführer der Schuldnerin, der zwischenzeitlich verstorbene Zeuge T., den die Schuldnerin betreffenden vertraglichen Vereinbarungen zugestimmt.
Eine fehlende Zahlungsfähigkeit des Herrn M. lässt sich auch nicht aus der unsubstantiierten Behauptung des Klägers, dass Herr M. durch Geschäfte in Litauen und Weißrussland hohe private Verluste erlitten habe, ableiten. Denn der Vortrag des Kläger verhält sich weder zu Art und Höhe der angeblichen Verluste noch zu dem Zeitraum, in dem diese entstanden sein sollen. Insbesondere Letzteres ist hier aber entscheidend, wobei der Vortrag des Klägers, speziell der Hinweis auf die Anfang 1995 durch den Geschäftsführer T. angeblich veranlasste Zahlungsaufforderung und die ihm daraufhin gegenüber ausgesprochene Kündigung, zudem eher darauf hindeutet, dass die behaupteten wirtschaftlichen Schwierigkeiten erst nach dem 09.03.1994 aufgetreten sind.
Gleiches gilt auch für den Vortrag, dass die Sparkasse X. eine ihr von Herrn M. abgetretene Lebensversicherung verwertet habe, da auch insoweit der Zeitpunkt der Verwertung nicht konkretisiert wurde.
Eine Ungleichwertigkeit der sich gegenüberstehenden Leistungen zum Nachteil der Schuldnerin ergibt sich ebenfalls nicht aus der vertraglichen Regelung über die Fälligkeit der jeweiligen Forderungen. Gemäß Ziffer V. des Geschäftsanteilsübertragungsvertrages wurde über die Fälligkeit des Anspruchs der Schuldnerin gegen den neuen Alleingesellschafter M. eine Vereinbarung außerhalb der Urkunde getroffen, deren Inhalt im einzelnen nicht bekannt ist. Da der Kläger vorliegend die nicht erfolgte Zahlung seitens des Herrn M. reklamiert, ist jedoch von einem zeitnahen Eintritt der Fälligkeit auszugehen. Ähnlich verhält es sich bei den Ansprüchen der Gemeinschuldnerin gegen die Firmen X.- und J. GmbH, da die Leasingforderungen ausweislich Ziffer VI. der notariellen Urkunde vom 09.03.1994 (erst) ab dem 01.04.1994 fällig geworden sind. Im übrigen ist die vor der ursprünglich vereinbarten Fälligkeit der Leasingforderungen vorgenommene Verrechnung für die Schuldnerin nicht nachteilig, da das Risiko einer fehlgeschlagenen Forderungsrealisierung im Fälligkeitszeitpunkt reduzierte wurde.
Unerheblich ist schließlich der vom Kläger angeführte Umstand, wonach der von Herrn M. zu zahlende Kaufpreis für den Erwerb des Darlehensanspruchs wegen des Kapitalersatzes und der fehlenden rechtlichen und wirtschaftlichen Durchsetzbarkeit überhöht gewesen sei. Denn dieser Gesichtspunkt vermag eine Ungleichwertigkeit zu Lasten der Schuldnerin nicht zu begründen, da ein geringerer Wert der Darlehensforderung nur den neuen Darlehensgläubiger (Herrn M.) und nicht die den Kaufpreisanspruch gegen ihn beanspruchende Schuldnerin treffen würde.
Abgesehen von der somit nicht nachgewiesenen Ungleichwertigkeit der ausgetauschten Leistungen zum Nachteil der Schuldnerin würden sich Bedenken an einem Verlust von liquider Haftungsmasse der Schuldnerin auch für den Fall ergeben, dass die verrechneten Leasingforderungen der Schuldnerin bereits - in Teilen - an finanzierende Kreditinstitute (Bankhaus Merck, Finck & Co. sowie die Sparkasse X.) übertragen worden wären. Entgegen der Ansicht des Klägers wäre die Schuldnerin damit nicht einer ihr allein zustehenden (vollwertigen) Forderung verlustig gegangen. Vielmehr hätte sich die Werthaltigkeit der von der Schuldnerin selbst erbrachten (Gegen-)Leistung reduziert, zumal für die X.- und die J. GmbH die Gefahr einer (erneuten) Leistung an den "richtigen" Gläubiger (§ 407 BGB) bestand. Ob die X.- bzw. die J. GmbH oder der Beklagte nach seinem Vortrag für die in Rede stehenden Leasingforderungen trotz der Verrechnung weitere 408.830,10 DM an das Bankhaus N., G. & Co. und weitere 550.000 DM an die Sparkasse X. gezahlt haben sollten, bedurfte hier jedoch ebenso keiner weiteren Aufklärung, wie die zwischen den Parteien umstrittene Frage einer Abtretung der Leasingforderungen der Schuldnerin an ihre finanzierenden Kreditinstitute.
Nach allem ist das Vorbringen des Klägers ohne Erfolg.
Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 708 Nr.10, 711 ZPO.
Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen, weil die Sache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch im Hinblick auf die Rechtsfortbildung oder die Einheit der Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erforderlich ist.
Der Gegenstandwert des Berufungsverfahrens wird auf € 581.495,42 € festgesetzt.
OLG Köln:
Urteil v. 17.03.2005
Az: 18 U 169/03
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