Oberlandesgericht Köln:
Urteil vom 11. April 1997
Aktenzeichen: 6 U 194/96
(OLG Köln: Urteil v. 11.04.1997, Az.: 6 U 194/96)
Irreführung über Vorratsmenge; CD-Multiplayer, fehlende Eigenschaft; Umfang des Unterlassungsanspruchs. UWG §§ 3, 13 II 1 1. Wird in einer Werbebroschüre für Computerware in Bezug auf die angebotene Hardware irreführend über die tatsächliche Vorratsmenge geworben, rechtfertigt ein solcher Wettbewerbsverstoß grundsätzlich keine Verurteilung zur Unterlassung einer derartigen Werbung auch für andere Warengattungen, die zum Angebot des Werbenden gehören oder gar für dessen gesamtes Sortiment. 2. Der Verkehr erwartet, daß die in einer Werbebroschüre für Computer, die in gehefteter Form Tageszeitungen beigelegt, mit dem Aufdruck ,Sommer 1995" versehen ist und nahezu das gesamte Angebot des Werbenden im Computerbereich umfaßt, angebotene Ware auch am 15. Tage nach Erscheinen der Broschüre noch vollständig am Lager und somit sofort verfügbar ist. Der Hinweis ,Produkt mal nicht vorhanden€ Kein Problem - wir bestellen für Sie" wirkt dieser Erwartung nicht nur nicht entgegen sondern bestärkt sie noch. 3. Wird für einen CD-Multiplayer mit dem Hinweis geworben ,...Video-CD's...abspielbar", erwarten die angesprochenen Verkehrskreise nicht, daß das Gerät diese Leistung nur erbringen kann, wenn zusätzlich noch ein Modem (,MPEG-Karte") integriert und erworben werden muß. 4. Ist ein CD-Multiplayer entgegen der werblichen Aussage nicht in der Lage, Video-CD's abzuspielen, fehlt ihm eine - ausgelobte - Eigenschaft; eine Irreführung - lediglich - über die Vorratsmenge bzw. das Vorhandensein des beworbenen Gerätes liegt in einem solchen Falle auch dann nicht vor, wenn der Anbieter die beworbene Ware in der angekündigten Ausstattung im Zeitpunkt des Erscheinens der Werbung nur deshalb nicht liefern kann, weil sein Lieferant entgegen anderslautenden Zusagen seinerseits nicht (rechtzeitig) lieferfähig war. (Bestätigung der Entscheidung des Senats vom 28.02.1997 - 6 U 135/96 -).
Tatbestand
Die Parteien sind unmittelbare Wettbewerber als Betreiber von im
selben Einzugsbereich gelegenen Verbrauchermärkten für
Elektroartikel, Unterhaltungselektronik und vieles andere. Die
Klägerin betreibt einen ,P.Markt" in A., die Beklagte hat ihren
Sitz in H.. Neben ihr gibt es bundesweit eine Vielzahl weiterer
rechtlich selbständiger Verbrauchermärkte unter der Bezeichnung ,M.
Markt TV-Hifi-Electro GmbH", so auch einen solchen in A..
Gegenstand des Verfahrens ist eine Werbebroschüre der Beklagten,
die (u.a.) der ,A.er Volkszeitung" (AVZ) vom 24.7.1995 beigefügt
war. Unter der Headline ,M. Markt" findet sich neben der
Óberschrift ,Computer-News" der nicht hervorgehobene Hinweis
,Sommer 1995". Wegen der weiteren Einzelheiten der Ausgestaltung
der Broschüre wird auf das in Hülle Bl.65 befindliche
Originalexemplar Bezug genommen. Die Werbebroschüre ist mit einer
Auflage von ca. 10 Millionen Stück hergestellt und bundesweit von
den verschiedenen M.-Märkten bzw. in deren Auftrag zur Verteilung
gebracht worden.
Die Klägerin hat die in dieser Broschüre enthaltenen
Werbeaussagen in 3-facher Hinsicht angegriffen:
Zum einen werde in dem Prospekt bezüglich eines bestimmten
Philips-Fernsehgerätes nicht darauf hingewiesen, daß es sich bei
dem beworbenen Preis um einen Abholpreis handele. Dies stelle eine
Irreführung dar, weil der Verkehr mit Blick auf die Größe und das
Gewicht des Gerätes erwarte, daß in dem angegebenen Preis auch die
Anlieferung enthalten sei. Tatsächlich berechne die Beklagte indes
Lieferkosten in Höhe von 40 DM. Zum anderen hat sie beanstandet,
daß die 9 im obigen Tenor unter Ziffer I 1 a) aufgeführten Geräte
sämtlich am 8.8.1995 bereits nicht mehr vorrätig gewesen seien.
Schließlich hat sie gerügt, die Bewerbung des im obigen Tenor unter
1 b) näher beschriebenen CD-Multiplayers sei deswegen irreführend,
weil mit dem Gerät entgegen der Ausage ,...VideoCDs, ...
abspielbar" keine Video-CDs abgespielt werden könnten.
Der zuletzt genannte Vorwurf ist bereits Gegenstand eines
Parallelverfahrens gewesen, das die Klägerin gegen eine
Schwestergesellschaft der Beklagten, die M. Markt TV-HifiElectro
GmbH A., geführt hat, die dieselbe Broschüre verteilt hatte. Wegen
der Einzelheiten dieses Verfahrens, in dem der Senat dem Begehren
der Klägerin durch rechtskräftiges Urteil vom 28. 2.1997 weitgehend
stattgegeben hat, wird auf die Akten 42 O 273/95 LG A. = 6 U 135/96
OLG Köln verwiesen, die zum Gegenstand des vorliegenden Verfahrens
gemacht worden sind.
Die Klägerin hat im vorliegenden Verfahren b e a n t r a g t
(Neubezifferung durch den Senat),
I.) die Beklagte zu verurteilen,
1.) es bei Meidung der gesetzlichen Ordnungsmittel zu
unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs
in werblichen Anzeigen, Zeitungsinseraten u.ä.
a) Großgeräte mit einem Preis zu bewerben, wenn dieser nicht als
Abholpreis gekennzeichnet ist und für die Lieferung der Geräte
zusätzliche Lieferkosten verlangt werden - wie geschehen in der
Werbebeilage ,COMPUTER-NEWS Sommer 1995" -
hilfsweise ...
(es folgten 2 Hilfsanträge, wegen deren Wortlauts auf S.7 des
angefochtenen Urteils [= Bl.132] verwiesen wird)
b) Artikel des Sortiments zu bewerben, wenn diese während der
angekündigten Gültigkeitsdauer der Werbung nicht vorrätig sind, wie
geschehen in der Werbebeilage ,COMPUTER-NEWS Sommer 1995" für einen
Pentium 75-CD Minitower, einen Miro D 1564 T 15" Multiscan Monitor,
einen Packard-Bell Pachmate MM-5732-D Multimedia Computer, einen
NEC XV 17" Multisynch Monitor, einen Lexmark WW-150 C Drucker, ein
NEC CDR-272 KIT Quad-Speed-Laufwerk, eine Quantum I Gigabyte
Festplatte und einen Peacock Take Family Rechner,
und/oder
c) Artikel des Sortiments mit Eigenschaften zu bewerben, die
diese tatsächlich nicht aufweisen - wie geschehen in der
Werbebeilage ,COMPUTER-NEWS Sommer 1995" - für einen GoldStar
GDO-202-M CD-Multiplayer mit der Beschreibung ,Video-CD's ...
abspielbar";
2.) ihr Auskunft darüber zu erteilen, in welchem Umfange sie die
vorstehend zu Ziff.1) bezeichneten Handlungen begangen hat, wobei
die Angaben nach Werbeträgern, Auflage der Werbeträger,
Erscheinungsorten und zeitlicher Abfolge aufzuschlüsseln sind;
II.) festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet ist, ihr den
Schaden zu ersetzen, der ihr durch die vorstehend unter Ziffer I 1)
aufgeführten Handlungen entstanden ist und künftig noch entstehen
wird.
Die Beklagte hat b e a n t r a g t,
die Klage abzuweisen.
Sie hat bezüglich des Antrages zu 1 a) behauptet, der
Lieferpreis für das Fernsehgerät sei kein Abholpreis gewesen und es
sei auch keine Lieferpauschale gefordert worden. Hinsichtlich des
Antrags zu 1 b) hat sie die Auffassung vertreten, der Verbraucher
erwarte nicht, daß 2 Wochen nach dem Erscheinen der Werbebroschüre
die angebotenen Artikel noch vollständig vorrätig seien. Gegen den
Antrag zu 1 c) hat die Beklagte dieselben Einwände vorgebracht, die
in der erwähnten Parallelsache bereits die dortige Beklagte erhoben
hatte: Die Werbung entspreche der ursprünglichen Angabe des
Herstellers. Dieser habe nach Fertigstellung der angegriffenen
Broschüre indes mitgeteilt, daß das Gerät mit der vorgesehenen
Ausstattung wegen technischer Probleme nicht geliefert werden
könne. Einen Tag vor dem Beginn des Vertriebs der Beilage habe sie
die Nachricht des Herstellers erhalten, daß das Gerät erst
verspätet ausgeliefert werden könne und daß Video-CD auf ihm nicht
abspielbar seien. In dieser Situation sei ihr angesichts der
bundesweiten Auflage von ca. 10 Millionen Exemplaren weder die
Stornierung der Auslieferung, noch die Beifügung einer
Berichtigungsmitteilung zumutbar gewesen.
Das L a n d g e r i c h t hat eine Beweisaufnahme durchgeführt,
wegen deren Ergebnisses auf die Niederschrift Bl.53 ff Bezug
genommen wird, und sodann die Klage bezüglich des Antrags zu 1 a)
und der zugehörigen Annexanträge abgewiesen und die Beklagte im
übrigen antragsgemäß verurteilt. Der Verbraucher erwarte angesichts
der Aufmachung der Broschüre, daß auch Wochen nach deren Erscheinen
die dort aufgeführten Artikel noch sofort verfügbar vorrätig seien.
Demgegenüber habe die Beweisaufnahme ergeben, daß die in dem Antrag
zu 1 b) aufgeführten in der Broschüre beworbenen Artikel sämtlich
am 8.8. 1995 nicht vorrätig gewesen seien. Die Beklagte müsse auch
für die irreführende Angabe über die tatsächlich nicht vorhandene
Möglichkeit, mit dem GoldStar CDMultiplayer auch Video-CDs
abzuspielen, einstehen. Denn sie habe unvorhersehbare
Lieferschwierigkeiten nicht schlüssig dargelegt. Sofern man das
Vorbringen der Beklagten im Schriftsatz vom 16.6.1996 abweichend
als ausreichend substantiiert ansehen wolle, sei es gem. § 296
Abs.2 ZPO als verspätet zurückzuweisen, weil die darin beantragte
Vernehmung des Zeugen W. die Erledigung des Rechtsstreits verzögern
würde und das verspätete Vorbringen auf eine grobe Nachlässigkeit
der Beklagten zurückzuführen sei.
Gegen dieses Urteil richtet sich die B e r u f u n g der
Beklagten. Diese rügt im einzelnen:
Der Urteilstenor gehe bezüglich beider Unterlassungsanträge über
die Verletzungsform hinaus und sei auch teilweise zu vage und daher
nicht vollstreckungsfähig.
Der Vorwurf mangelnder Lagerhaltung sei unberechtigt, weil sie
nicht verpflichtet gewesen sei, noch 14 Tage nach Erscheinen der
Beilage die beworbenen Produkte vorrätig zu haben. Der Verkehr gehe
nicht davon aus, daß nach 14 Tagen alle beworbenen Geräte noch
vorhanden seien. Dies ergebe sich schon daraus, daß sie eine
Massenanbieterin und eine so weitgehende Bedarfsplanung nicht
möglich sei. Óberdies beziehe sich die Werbebeilage auf den ganzen
Sommer 1995, weswegen ebenfalls der Kunde nicht erwarte, daß die
Geräte ständig vorgehalten würden. Dies gelte insbesondere
angesichts des nachfolgend wiedergegebenen Hinweises: ,Produkt mal
nicht vorhanden€ Kein Problem - wir bestellen sofort für Sie!"
Dieser Hinweis befindet sich - von der letzten Seite abgesehen -
auf jeder Seite der Broschüre.
Auch der Vorwurf, der CD-Multiplayer weise beworbene
Eigenschaften nicht auf, sei nicht berechtigt. Die Beklagte macht
hierzu ,ihren" Berufungsvortrag in der oben erwähnten Parallelsache
auch zum Gegenstand ihres Vorbringens im vorliegenden Verfahren: Es
treffe zu, daß das Gerät auch VideoCD's abspielen könne. Hierzu sei
zwar eine sog. ,MPEG-Karte" erforderlich, insoweit könne ihr aber
allenfalls der Vorwurf gemacht werden, hierauf nicht hingewiesen zu
haben. Das wiederum bringe jedoch der Tenor des angefochtenen
Urteils nicht zum Ausdruck. Der Verstoß sei im übrigen aber auch
nicht geeignet, den Wettbewerb wesentlich zu beeinträchtigen.
Außerdem sei die den CD-Multiplayer betreffende Werbeaussage
ohnehin bereits deswegen nicht wettbewerbswidrig, weil der Umstand
der unterstellten Unrichtigkeit des Prospektes ihr - wie in erster
Instanz bereits dargestellt worden sei - erst kurz vor der
Verteilung der Werbung bekannt geworden sei. Den diesbezüglichen
Beweisantritt durch Vernehmung des Zeugen W. habe das Landgericht
zu Unrecht als verspätet zurückgewiesen.
Zu weitgehend sei auch die Verurteilung zur Auskunftserteilung,
weil jedenfalls kein Anspruch darauf bestehen könne, die Auskunft,
so wie dies im einzelnen tenoriert sei, aufzuschlüsseln.
Schließlich sei auch die Schadensersatzpflicht zu Unrecht
festgestellt worden. Zum einen sei nicht ersichtlich, inwiefern der
Klägerin ein Schaden entstanden sein könnte, und zum anderen treffe
sie - bezüglich des zweiten Vorwurfes - ohnehin kein
Verschulden.
Die Beklagte b e a n t r a g t,
unter Abänderung des landgerichtlichen Urteils die Klage
insgesamt abzuweisen.
Die Klägerin, die zunächst andere Fassungen ihrer Anträge
angekündigt hatte, b e a n t r a g t,
die Berufung mit der Maßgabe zurückzuweisen, daß die
Unterlassungsanträge wie folgt neu gefaßt werden:
die Beklagte zu verurteilen, es bei Meidung eines vom Gericht
für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes
bis zu 500.000 DM, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, oder
Ordnungshaft bis zu 6 Monaten zu unterlassen, im geschäftlichen
Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs in werblichen Anzeigen,
Zeitungsinseraten u.ä.
a) Artikel des Sortiments zu bewerben, wenn diese am 15. Tage
nach Erscheinen der Werbung nicht vorrätig sind, wie geschehen in
der Werbebeilage ,COMPUTER-NEWS Sommer 1995" für einen Pentium
75-CD Minitower, einen Miro D 1564 T 15" Multiscan Monitor, einen
Packard-Bell Pachmate MM-5732-D Multimedia Computer, einen NEC XV
17" Multisynch Monitor, einen Lexmark WW-150 C Drucker, ein NEC
CDR-272 KIT QuadSpeed-Laufwerk, eine Quantum I Gigabyte Festplatte
und einen Peacock Take Family Rechner,
und/oder
b) Artikel des Sortiments mit Eigenschaften zu bewerben, die
diese tatsächlich nicht aufweisen - wie geschehen in der
Werbebeilage ,COMPUTER-NEWS Sommer 1995" - für einen GoldStar
GDO-202-M CD-Multiplayer mit der Beschreibung ,Video-CD's ...
abspielbar"
wie nachfolgend wiedergegeben:
(es folgt eine Ablichtung der gesamten Broschüre entsprechen den
Seiten 3-14 dieses Urteils.)
Die Klägerin, die zu Beginn des Berufungsverfahrens
diesbezüglich noch wie in erster Instanz eine Frist während der
gesamten angekündigten Gültigkeitsdauer der Werbung in Anspruch
genommen hatte, vertritt die Auffassung, daß jedenfalls am 15. Tag
nach Erscheinen die beworbenen Artikel noch vorrätig sein müßten.
Insbesondere weil es sich bei der Werbung ausweislich der Angabe
,Sommer 1995" um ein Periodikum handele, müssten längere Fristen
bevorratet werden und dürften nicht nach 14 Tagen alle Produkte
nicht vorrätig sein. Sie vertritt weiter die Auffassung, einen
Anspruch auf Unterlassung bezüglich aller Waren des Sortiments zu
haben, weil es gleichgültig sei, ob nicht vorrätige Computer oder
ebensowenig vorrätige Waschmaschinen beworben würden.
Zu dem Multi-Player bezieht sie sich auf ihren Vortrag in der
Parallelsache: Die Angabe ,Video-CD's ...abspielbar" sei unwahr und
damit in zweifacher Hinsicht irreführend. Interessenten würden
nämlich weder über die fehlende Möglichkeit, Video-Cds abzuspielen,
noch darüber aufgeklärt, daß die für ein derartiges Abspielen
notwendige MPEG-Karte auf lange Sicht nicht erhältlich sei. Der
Verstoß sei auch wesentlich. Denn der Absatz konkurrierender Geräte
sei nachhaltig beeinträchtigt worden, weil es sich um ein
Billigangebot gehandelt habe.
Der Auskunftsanspruch bestehe auch in der aufgeschlüsselten
Form, weil sie anders ihren Schaden nicht ermitteln könne.
Schließlich bestehe auch ein Schadensersatzanspruch, weil nach
der Lebenserfahrung anzunehmen sei, daß enttäuschte Kunden andere
Geräte erworben hätten.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes wird auf die
gewechselten Schriftsätze, die sämtlich Gegenstand der mündlichen
Verhandlung waren, und die Akten des Verfahrens 42 O 273/95 LG
Aachen = 6 U 135/96 OLG Köln, die ebenfalls zum Gegenstand der
mündlichen Verhandlung gemacht worden sind, Bezug genommen.
Gründe
Die zulässige Berufung hat nur zu einem kleinen, den Umfang der
Ansprüche betreffenden Teil Erfolg und ist im übrigen
unbegründet.
Die Klage ist zunächst zulässig, insbesondere sind die
Voraussetzungen der Klagebefugnis gem. § 13 Abs.2 Ziff.1 UWG
ersichtlich gegeben. Der Senat sieht hierzu von näheren
Ausführungen ab, nachdem die Parteien diese Frage selbst - zu Recht
- nicht problematisiert haben.
Die Klage ist - soweit sie Gegenstand des Berufungsverfahrens
und nicht in erster Instanz abgewiesen worden ist - auch ganz
überwiegend aus §§ 3, 13 Abs.2 Ziff.1 UWG begründet.
Erfolg hat die Berufung nur insofern, als das Landgericht der
Klägerin die Ansprüche in einem Umfange zugesprochen hat, wie sie
nicht bestehen.
Das gilt zunächst für die Formulierung: ,Artikel des
Sortiments", die zu weit geht. Der Senat hat dies bezüglich des den
CD-Multiplayer betreffenden Unterlassungsanspruchs bereits in
seiner Entscheidung vom 28.2.1997 in der Parallelsache (dort S.9 f)
begründet. Hierauf wird Bezug genommen. Der Senat sieht von einer
ausdrücklichen Wiederholung seiner Ausführungen ab. Die Akten der
Parallelsache waren Gegenstand des vorliegenden Verfahrens.
Außerdem ist die Klägerin beider Verfahren identisch und sind die
Beklagten beider Verfahren - wie schon die einheitliche Verwendung
der Broschüre im ganzen Bundesgebiet und die Auflistung der
M.-Märkte in Deutschland auf der letzten Seite der Broschüre zeigen
- wirtschaftlich eng miteinander verbunden. Óberdies haben auch die
Parteien, die in beiden Instanzen jeweils von denselben
Rechtsanwälten vertreten worden sind, die auch die entsprechenden
Parteien in der Parallelsache vertreten haben, jeweils auf ,ihr"
dortiges Vorbringen Bezug genommen.
Aus den Gründen, die der Senat a.a.O. bezüglich des
CD-Multiplayers ausgeführt hat, ist die Formulierung ,Artikel des
Sortiments" auch für den die mangelnde Bevorratung betreffenden
Unterlassungsanspruch zu weitgehend. Die Verurteilung ist - wie es
oben tenoriert worden ist - auf das Computersortiment zu begrenzen.
Die festgestellten Verstöße belegen zwar, wie sogleich auszuführen
sein wird, eine mangelnde Bevorratung im Bereich des
Computersortiments, aber nicht darüber hinausgehend im Bereich des
gesamten, sehr viel weiterreichenden Sortiments der Beklagten.
Insbesondere kann entgegen der von der Klägerin in erster Instanz
hierzu geäußerten Auffassung allein aus der Tatsache, daß die
Beklagte die Notwendigkeit der Bevorratung noch nach 14 Tagen in
Abrede stellt, nicht der Schluß gezogen werden, es drohe ein
entsprechender Verstoß auch in anderen Segmenten ihres
Sortiments.
Zu weit geht der Antrag bezüglich beider Unterlassungsansprüche
und der Annexansprüche schließlich auch dadurch, daß - in überdies
unklarer und nicht abgegrenzter Weise - die Unterlassung nicht nur
in Werbebroschüren, sondern auch ,in werblichen Anzeigen,
Zeitungsinseraten u.ä." verlangt wird. Der Verstoß in einer
Werbebroschüre kann sich erheblich von einem solchen in den anderen
aufgeführten Werbemitteln unterscheiden, zumal die
streitgegenständliche Broschüre angesichts der Óberschrift ,Sommer
1995" und ihres Umfanges darauf ausgelegt war, von dem Verbraucher
verwahrt zu werden, während dies für Zeitungsanzeigen nicht gilt,
wo sich dementsprechend auch die Frage der Bevorratung anders
stellt.
Ausgehend von der erwähnten Entscheidung, in der der Senat den
abgewiesenen Teil der Klage mit 1/5 bewertet hat, ist der im
Berufungsverfahren der Abweisung unterliegende Teil der Klage im
vorliegenden Verfahren mit 25 % anzusetzen.
Soweit der obige Tenor in seinem Wortlaut im übrigen von den
zuletzt gestellten Anträgen der Klägerin abweicht, handelt es sich
um redaktionelle Klarstellungen, die keine Kostenfolgen nach sich
ziehen.
Abgesehen von den vorstehenden Einschränkungen sind die
geltendgemachten Ansprüche aus den nachfolgenden Gründen
begründet.
Die Bewerbung der 8 in dem obigen Tenor unter I 1 a)
aufgeführten Geräte in der Werbebroschüre ist im Sinne des § 3 UWG
irreführend, weil die Geräte nicht in hinreichendem Umfange
bevorratet worden sind.
Es entspricht gefestigter Rechtsprechung (vgl. BGH GRUR 88, 311
mit Hinweisen auf weitere Entscheidungen und die Nachweise bei
Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 19.Aufl., § 3 UWG, RZ 361 f),
von der abzuweichen kein Anlaß besteht, daß es grundsätzlich als
irreführend anzusehen ist, wenn eine in der Publikumswerbung
angebotene Ware zu dem angekündigten oder nach den Umständen zu
erwartenden Zeitpunkt nicht oder nicht in ausreichender Menge
vorhanden ist. Das gilt auch bezüglich der angegriffenen Werbung
der Beklagten. Dem kann die Beklagte nicht mit Erfolg
entgegenhalten, sie sei angesichts der Breite ihres Sortiments und
der hohen Zahl der verkauften Produkte nicht in der Lage, die
beworbene Ware in einer der üblichen Nachfrage entsprechenden Menge
vorzuhalten. Das trifft nämlich nicht zu und der Verbraucher
erwartet trotz dieser Umstände, daß die beworbenen Produkte in dem
von der Beklagten betriebenen Verbrauchermarkt auch vorrätig sind.
Die Beklagte kann die Größe ihrer Lagerkapazität ohne weiteres in
der Weise der Größe des Verbrauchermarktes und der Breite des dort
angebotenen Sortiments anpassen, daß - entsprechend ihrem Angebot -
die Nachfrage nach der beworbenen Ware sofort befriedigt werden
kann. Dementsprechend erwartet dies der mit der Broschüre beworbene
Verbraucher auch.
Der Verbraucher erwartet auch, daß die Beklagte die angebotenen
Produkte am 15. Tag nach dem Erscheinen der Broschüre noch
vollständig am Lager und damit sofort verfügbar hat. Denn die
Broschüre erweckt aus mehreren Gründen den Eindruck, daß es sich
nicht etwa um ein kurzfristiges, mengenmäßig begrenztes Angebot,
sondern um dasjenige Angebot handelt, daß die Beklagte im
Computerbereich generell und über längere Zeit zur Verfügung hat. -
10 -
Fortsetzung: 6 U 194/96A Datensatznummer: 2099
OLG Köln:
Urteil v. 11.04.1997
Az: 6 U 194/96
Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/39c08a7cb9d6/OLG-Koeln_Urteil_vom_11-April-1997_Az_6-U-194-96