Oberlandesgericht München:
Beschluss vom 21. Juli 2008
Aktenzeichen: 7 U 4388/07
(OLG München: Beschluss v. 21.07.2008, Az.: 7 U 4388/07)
Tenor
I. Die Berufung des Beklagten gegen das Endurteil des Landgerichts München I vom 3.8.2007 wird einstimmig zurückgewiesen.
II. Der Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 133.447,18 EUR
festgesetzt.
Gründe
Die Berufung des Beklagten war durch einstimmigen Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, da sie keine Aussicht auf Erfolg hat. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern eine Entscheidung des Berufungsgerichts aufgrund mündlicher Verhandlung.
Auf den Hinweisbeschluss vom 5.6.2008 kann Bezug genommen werden. Zu dem Schriftsatz des Beklagten vom 30.6.2008 ist Folgendes anzumerken:
1. Eine Zurückweisung des Beschlusses nach § 522 Abs. 2 ZPO schreibt das Gesetz zwingend vor, wenn sämtliche Richter des erkennenden Senats davon überzeugt sind, dass die Berufung keine Aussicht auf Erfolg hat, die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung aufweist und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert. Bei der berufungsgerichtlichen Überprüfung ist im vorliegenden Fall entscheidend, ob der Beratungsvertrag vom 22.5.1999 (Anlage K 4) nichtig ist. Der Beratungsvertrag liegt als Urkunde vor. Der Vertrag ist gemäß den §§ 133, 157 BGB auszulegen. Hierzu bedarf es der Anberaumung einer mündlichen Verhandlung nicht.
2. Das Landgericht hat zutreffend den Beratungsvertrag vom 22.5.1999 (nachfolgend als Beratungsvertrag bezeichnet) als nichtig angesehen.
5a) Der Beklagte war bei Abschluss des Beratungsvertrages am 22.5.1999 Aufsichtsrat der mit notariellem Vertrag vom 14.5.1999 gegründeten E€.@COM AG. Zulässig nach § 114 AktG sind nur Verträge mit Aufsichtsräten über Dienst- oder Werkleistungen, die nicht in den Aufgabenbereich des Aufsichtsrats fallen. Um Umgehungen des § 113 AktG zu verhindern, muss der Beratungsvertrag eindeutige Feststellungen darüber ermöglichen, ob die zu erbringende Leistung außer- oder innerhalb des organschaftlichen Pflichtenkreises des Aufsichtsratsmitglieds liegt und ob der Vertrag darüber hinaus keine verdeckten Sonderzuwendungen € etwa in Form einer überhöhten Vergütung € enthält. Dazu gehört, dass die speziellen Beratungsgegenstände und das dafür zu entrichtende Entgelt so konkret bezeichnet werden, dass sich der Aufsichtsrat ein eigenständiges Urteil über die Art und den Umfang der Leistung sowie über die Höhe und die Angemessenheit der Vergütung bilden kann. Verträge, die diese Anforderungen nicht erfüllen, sind nicht nach § 114 Abs. 1 AktG genehmigungsfähig, sondern nichtig (§§ 134 BGB i. V. m. § 113 AktG; vgl. BGH NJW 2007, 298, 299).
6b) Die vorgenannten vom Bundesgerichtshof gestellten Anforderungen erfüllt der Beratungsvertrag nicht. Nach § 1 Abs. 1 des Beratungsvertrages bezieht sich die Beratungstätigkeit des Beklagten insbesondere auf die technische Konzeption und Planung der Software-Infrastruktur und der notwendigen Geräte- und Kommunikationstechnik. Weiterhin soll er Kontakt zu den einschlägigen Forschungsaktivitäten der Technischen Universität M. halten. Zu seinen Aufgaben gehört die Vorbereitung und Installation einschlägiger Forschungs- und Entwicklungsvorhaben in Kooperation mit Forschungseinrichtungen, insbesondere der Technischen Universität. Er soll die Verbindung zum deutschen Forschungsnetz e. V. initiieren und pflegen und die Interessen der E€@COM AG in der Mitgliederversammlung vertreten, sobald E€@COM AG dem DFN beigetreten ist. Diese weit gefasste Tätigkeitsbeschreibung, lässt eine strikte Trennung der außerhalb der Aufsichtsratsfunktion liegenden Beratungstätigkeit und der Tätigkeit, die der Aufsichtsrat im Rahmen der ihm obliegenden, auch in die Zukunft wirkenden Überwachungsfunktion wahrzunehmen hat, nicht zu. Insoweit obliegt es dem Aufsichtsrat, durch Beratung mit dem Vorstand auf die künftige Geschäftspolitik Einfluss zu nehmen und in diesem Sinne an der Leitungsaufgabe des Vorstandes teilzunehmen (vgl. Hüffer AktG, 6. Aufl., § 111 Rn. 4 und 5).
Der Einwand, dass es sich bei der Beratung hinsichtlich der technischen Konzeption und Planung der Software-Infrastruktur und der notwendigen Geräte- und Kommunikationstechnik um abgrenzbare, der Aufsichtsratstätigkeit nicht zuzuordnende Tätigkeit handelt, greift nicht durch. In § 1 Abs. 1 des Beratungsvertrages sind als Aufgabengebiet weitere Tätigkeiten beschrieben, nämlich das Kontakthalten zu den einschlägigen Forschungsaktivitäten der Technischen Universität, die Vorbereitung und Installation einschlägiger Forschungs- und Entwicklungsvorhaben in Kooperation mit Forschungseinrichtungen, insbesondere der Technischen Universität, die Initiierung und Pflege der Verbindung zum deutschen Forschungsnetz e. V. und die Vertretung der Interessen der E€@COM AG in dessen Mitgliederversammlung. Eine Trennung nach aufsichtsratsbezogenen und nicht aufsichtsratsbezogenen Tätigkeiten wird im Beratungsvertrag nicht vorgenommen. Insbesondere ist eine Zuordnung nach einzelnen Beratungstätigkeiten weder nach der in § 1 des Beratungsvertrages enthaltenen Beschreibung der im Rahmen des Beratungsvertrages zu leistenden Dienste noch nach der in § 3 des Beratungsvertrages enthaltenen Regelung über den Beratungsumfang von 4 € 9 Tagen pro Monat im Durchschnitt, der in § 2 des Beratungsvertrages vereinbarten unbestimmten Dauer des Beratungsvertrages und der in § 4 des Beratungsvertrages enthaltenen Vergütungsregelung von einheitlich monatlich 15.000,-- DM zuzüglich Umsatzsteuer möglich. Wenn aber die speziellen Beratungsgegenstände und das dafür zu entrichtende Entgelt nicht mehr so konkret bezeichnet werden, dass sich der Aufsichtsrat ein eigenständiges Urteil über die Art und den Umfang der Leistung sowie über die Höhe und die Angemessenheit der Vergütung bilden kann, sind diese Verträge nichtig. Dies ist hier der Fall.
c) Die nach § 4 des Beratungsvertrages vereinbarte Gegenleistung von 15.000,-- DM monatlich, die der Beklagte mit Rechnung vom 29.9.2000 in Höhe von 225.000,-- DM zuzüglich Mehrwertsteuer der E€@COM AG in Rechnung stellte, ist im Hinblick auf das Grundkapital von 525.000,-- EUR auch nicht als ganz geringfügige Leistung mit vernachlässigenswerten Umfang anzusehen, die von dem Umgehungsschutz der §§ 113, 114 AktG ausgenommen werden könnte (vgl. BGH NJW 2007, 298).
d) Dass nach § 1 Abs. 2 des Beratungsvertrages der Beklagte im Falle eines möglichen Konfliktes zwischen seiner Beratungstätigkeit und seiner Aufsichtsratsfunktion diesen dem Vorsitzenden des Aufsichtsrats und dem Vorstand er E€@COM anzeigen und seine Beratung einzustellen hatte, verhilft dem Vertrag nicht zur Wirksamkeit. Denn für die Beurteilung der Nichtigkeit des Vertrags ist auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses und die im Vertrag vorgenommene Leistungsbeschreibung und Vergütung abzustellen.
Die nach § 114 AktG notwendige vertraglich formulierte Trennung der Tätigkeit aus dem Dienst- oder Werkvertrag von der Funktion des Aufsichtsrats ist hierdurch nicht dokumentiert.
3. Soweit der Beklagte auf Seite 3 des Schriftsatzes vom 30.6.2008 beanstandet, dass der Senat Falsches zum Sachverhalt ausführt, ist darauf zu verweisen, dass aus dem Vortrag des Beklagten im Schriftsatz vom 28.7.2005 Seite 22
"Das geplante (und dann auch realisierte) Investitionsvolumen in der Anlaufphase bis zum Aufbau eines einsatzfähigen Geschäftsbetriebes überstieg den Betrag von EUR 10 Mio. Beweis: wie vor
Es erschien naheliegend, diese Investition in die Hände eines Fachmannes zu legen, um den es sich bei dem Beklagten handelt wie die als Anlage K 12 vorgelegte Presseinformation eindrucksvoll belegt. Dabei war man umso mehr auf den Beklagten angewiesen, als den Technik-Vorstand, Prof. Dr. W., aufgrund seiner Professur nur halbtags zur Verfügung stehen konnte. Der Aufbau des operativen Geschäftes der e€com AG hing demzufolge mindestens zur Hälfte an dem Beklagten. Beweis: wie vor
Dies gilt umso mehr, als nur durch die Mitwirkung des Beklagten sichergestellt werden konnte, dass die für den operativen Geschäftsbetrieb bei der extra-com erforderliche Infrastruktur zu vertretbaren Kosten € nämlich einen Bruchteil der Kosten externer Dienstleister € aufgebaut werden konnte."
zu entnehmen ist, dass der Beklagte bei dem Aufbau eines einsatzfähigen Geschäftsbetriebs mit einem Investitionsvolumen von 10 Mio. EUR mitgewirkt hat und der Aufbau des operativen Geschäftsbetriebs vom Beklagten maßgeblich mit gestaltet wurde und nach seiner Vorstellung mindestens die Hälfte der für den Aufbau des Geschäftsbetriebes notwendigen Aktivitäten dem Beklagten zuzurechnen sind. Auch dies spricht gegen eine genau abgegrenzte Beratungstätigkeit, denn als Aufsichtsrat ist man gemeinhin in das operative Geschäft nicht eingebunden.
Die Berufung ist als unbegründet zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Der Streitwert ist gemäß den §§ 45 Abs. 1 GKG, 3 ZPO auf 133.447,18 EUR festzusetzen.
OLG München:
Beschluss v. 21.07.2008
Az: 7 U 4388/07
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