Bundespatentgericht:
Beschluss vom 10. Mai 2001
Aktenzeichen: 17 W (pat) 31/00
(BPatG: Beschluss v. 10.05.2001, Az.: 17 W (pat) 31/00)
Tenor
Auf die Beschwerde der Patentinhaberin wird der Beschluß der Patentabteilung 53 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 30. März 2000 aufgehoben. Das Patent 196 11 945 wird in der erteilten Fassung gemäß Patentschrift DE 196 11 945 C1 aufrechterhalten.
Gründe
I.
Gegen die Erteilung des Patents mit der Bezeichnung
"Einrichtung für den busvernetzten Betrieb eines elektronischen Gerätes mit Microcontroller sowie deren Verwendung"
hat die P... GmbH Einspruch erhoben.
Die Patentabteilung 53 hat nach Prüfung des Einspruchs mit Beschluß vom 30. März 2000 das Patent widerrufen. In den Gründen ist ausgeführt, daß der Gegenstand des Patentanspruchs 1 nicht neu gegenüber der älteren deutschen Anmeldung 195 23 031.0 sei.
Gegen diesen Beschluß richtet sich die Beschwerde der Patentinhaberin.
Der erteilte Patentanspruch 1 lautet:
"Einrichtung für den busvernetzten Betrieb eines elektronischen Gerätes, welches einen Microcontroller (21) und ein Busprotokoll-Modul zur Durchführung einer Kommunikation mit anderen Geräten über einen zweiadrigen Bus umfaßt, dadurch gekennzeichnet, daß die Einrichtung aufweist:
- eine aus einem übergeordneten Potential (UBATT/VBATT) versorgbare, im Signalflußpfad zwischen den beiden Busadern und dem Busprotokoll-Modul (22) angeordnete und in Abhängigkeit von Statussignalen (6/EN, 5/STB) des Microcontrollers (21) wenigstens der zwei Betriebsarten - "Senden und Empfang" (NORMAL),
- "Schlafen (SLEEP)"
fähige Halbleiterschaltung (1^00), welche umfaßt:
- an die beiden Busadern (CAN_H, CAN_L) angeschlossene Empfangsmittel (120), deren Ausgang mit dem Empfangseingang (Rx) des Busprotokoll-Moduls (22) kommuniziert (3) und an die beiden Busadern (CAN_H, CAN_L) angeschlossene Sendemittel (130), umfassend eine Sendeendstufe (133), deren Eingang mit dem Sendeausgang (Tx) des Busprotokoll-Moduls (22) kommuniziert (2),
- einen Weckeingang (7) aufweisende und mit dem Bus (CAN_H, CAN_L) verbundene Weckerkennzeichnungsmittel (111) und Schaltmittel (141) zur Bereitstellung an einem Steuerausgang (1) eines Einschaltsignals (ENA/NINH) nach Erkennung eines Wecksignales von besagtem Eingang (7) oder vom Bus (CAN_H, CAN_L) und zur Abgabe eines Abschaltsignals (NENA/INH) in der Betriebsart "Schlafen" (SLEEP);
- einen aus dem übergeordneten Potential (UBATT/VBATT) versorgbaren Spannungsregler (20) zur Bereitstellung einer geregelten Ausgangsspannung (VCC), mit welcher der Microcontroller (21) und das Busprotokoll-Modul (22) mit Betriebsenergie versorgbar sind, wobei der Spannungsregler (20) einen mit dem vorgenannten Steuerausgang (1) der Halbleiterschaltung (100) kommunizierenden Steuereingang (20.3) aufweist und so beschaffen ist, daß daß er bei Anliegen des Einschaltsignales (ENA/NINH) einschaltet und bei Anliegen des Abschaltsignals (NENA/IHN) abgeschaltet ist".
Die Patentinhaberin ist der Meinung, daß sich die im Patentanspruch 1 angegebene konkrete Schaltung von der älteren Anmeldung unterscheide.
Die Patentinhaberin stellt den Antrag, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und das Patent 196 11 945 in der erteilten Fassung gemäß Patentschrift DE 196 11 945 C1 aufrechtzuerhalten.
Die Einsprechende beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Die Einsprechende geht davon aus, daß der Fachmann, der das Patent und die ältere Anmeldung lese, ein Entwickler von Halbleiterschaltungen sei. Für ihn spiele es keine Rolle, wenn andere Begriffe und eine andere Aufteilung der Mittel gewählt würden. Unter dieser Voraussetzung nehme die ältere Anmeldung die Lehre des Patents vorweg, insbesondere das An- und Abschalten der Spannungsversorgung und das Vorsehen des Busprotokollmoduls und dessen Anordnung im Signalflußpfad.
Zu den im Prüfungsverfahren genannten vorveröffentlichten Druckschriften hat sie sich im Beschwerdeverfahren nicht mehr geäußert.
II.
Die frist- und formgerecht erhobene Beschwerde ist zulässig. Sie hat auch Erfolg, da der Gegenstand des Patentanspruchs 1 neu gegenüber der angezogenen älteren Anmeldung ist (§ 3 PatG) und auch die übrigen Anforderungen für die Patentfähigkeit erfüllt; ein Widerrufsgrund (§ 21 Abs 1 Nr 1 PatG) besteht daher nicht.
Gegenstand des Patents ist eine Einrichtung wie sie bei Automobilen im Zusammenhang mit einem Bussystem, das die elektronischen Einheiten verbindet, verwendet wird. Dabei soll ein energiesparender Betrieb erreicht werden, indem die Teilnehmer einen Normal- und einen Schlafbetrieb haben.
Die Einrichtung umfaßt einen Mikrocomputer und ein Busprotokoll-Modul und weist eine Halbleiterschaltung auf. Die Halbleiterschaltung ist zwischen Busadern und Busprotokoll-Modul angeordnet. Sie wird aus einem übergeordneten Potential (Batterie) versorgt und hat zwei Betriebsarten - "Senden und Empfangen" sowie "Schlafen" - die von Statussymbolen des Mikrocomputers eingestellt werden.
Die Halbleiterschaltung umfaßt:
Empfangsmittel, die an die beiden Busadern angeschlossen sind und mit dem Empfangseingang des Busprotokoll-Moduls verbunden sind Sendemittel, die an die beiden Busadern angeschlossen sind und deren Eingang mit dem Sendeausgang des Busprotokoll-Moduls kommuniziert Weckerkennungsmittel, die mit dem Bus verbunden sind und einen Weckeingang aufweisen Schaltmittel, die ein Einschaltsignal an einem Steuerausgang bereitstellen, wenn ein Wecksignal am Weckeingang oder vom Bus erkannt wird und ein Abschaltsignal abgeben, wenn in die Betriebsart "Schlafen" umgeschaltet wirdeinen Spannungsregler, der aus der Batterie versorgt wird und den Microcontroller und das Busprotokoll-Modul mit einer geregelten Spannung versorgt und der einen Steuereingang aufweist, der mit der Halbleiterschaltung kommuniziert und bei einem Einschaltsignal einschaltet und bei einem Abschaltsignal abschaltet.
Im Einspruchsverfahren hat die Einsprechende auf die ältere Anmeldung 195 23 031.0 hingewiesen, der die DE 195 23 031 A1 entspricht.
Die Einrichtung nach der älteren Anmeldung enthält nach Figur 6 eine Steuereinheit 81. Der Fachmann wird davon ausgehen, daß diese Eigenschaften wie ein Microcontroller aufweist. Ebenso weiß er, daß diese Einrichtung Busprotokolle verarbeiten kann, sei es durch ein Hard- oder Software-Modul. Die Einrichtung wird aus einem übergeordneten Potential (Batterie) versorgt und hat zwei Betriebsarten - "Senden und Empfangen" sowie "Schlafen" - die von Statussymbolen des Microcontrollers eingestellt werden (vgl. insb. Seite 6, Zeilen 26 bis 35).
Für den Fachmann liegt es auf der Hand, daß die Einrichtung auch eine Halbleiterschaltung umfassen muß, die die übrigen Aufgaben unterstützt. Dazu muß sie aufweisen:
Empfangsmittel, die an die beiden Busadern angeschlossen sind und mit dem Empfangseingang des Busprotokoll-Moduls verbunden sind und Sendemittel, die an die beiden Busadern angeschlossen sind und deren Eingang mit dem Sendeausgang des Busprotokoll-Moduls kommuniziert.
Es sind bei dieser Einrichtung auch Weckerkennungsmittel vorhanden, die mit dem Bus verbunden sind und einen Weckeingang aufweisen (vgl. insb. Seite 6, Zeilen 32, 33 und 68).
Wenn Weckerkennungsmittel vorhanden sind, müssen auch Schaltmittel vorgesehen sein, die ein Einschaltsignal an einem Steuerausgang bereitstellen, wenn ein Wecksignal am Weckeingang oder vom Bus erkannt wird und ein Abschaltsignal abgeben, wenn in die Betriebsart "Schlafen" umgeschaltet wird.
Ebenso ergibt sich zwangsläufig, daß der Spannungsregler (82), der aus der Batterie versorgt wird und selber die Halbleiterschaltung mit einer geregelten Spannung versorgt, einen Steuereingang (Leitung 85) aufweist, der mit der Halbleiterschaltung kommuniziert und bei einem Einschaltsignal einschaltet und bei einem Abschaltsignal abschaltet (vgl. insb. Seite 6, Zeilen 49 bis 58).
Der BGH geht in der Entscheidung "Elektrische Steckverbindung" (Mitt. 1995, Seiten 220 ff) für die Kriterien, nach denen eine Vorveröffentlichung bei der Neuheitsprüfung untersucht werden muß, davon aus, daß eine Doppelpatentierung vermieden werden soll. Dabei rechnet er zum maßgeblichen Gegenstand des Schutzrechts auch alles, was zwar in den Merkmalen des Patentanspruchs und im Wortlaut der Beschreibung nicht ausdrücklich erwähnt ist, aus Sicht des Fachmanns jedoch nach seinem allgemeinen Fachwissen für die Ausführung der unter Schutz gestellten Lehre selbstverständlich oder nahezu unerläßlich ist und deshalb keiner besonderen Offenbarung bedarf. Dazu gehören auch solche Abwandlungen, die nach dem Gesamtzusammenhang der Schrift für den Fachmann derart naheliegen, daß sie sich ihm bei aufmerksamer, weniger auf die Worte als auf ihren erkennbaren Sinn achtenden Lektüre ohne weiteres erschließen, so daß er sie gewissermaßen in Gedanken gleich mitliest, auch wenn er sich dessen nicht bewußt ist (aaO. S 222, li Sp, Abs 2).
Der Fachmann liest vorliegend aus der genannten Druckschrift nicht mit bzw er erkennt daraus nicht ohne weiteres die konkrete Schaltung, die dem Patentanspruch 1 des vorliegenden Patents zugrunde liegt und damit beansprucht wird. Hier sind neben einem Microcontroller und einem Busprotokoll-Modul noch eine separate Halbleiterschaltung, welche zwischen die Busadern und dem Busprotokoll-Modul angeordnet ist. Aufgrund dieser Aufteilung ist auch der Microcontroller und das Busprotokoll-Modul unabhängig von der Halbleiterschaltung mit Betriebsenergie versorgbar, was Grundlage für das konkret beanspruchte Ein- und Ausschalten ist.
Nach Allem ist die beanspruchte Einrichtung neu gegenüber der älteren Anmeldung.
Die im Prüfungsverfahren genannten Druckschriften können weder für sich noch in einer beliebigen Kombination miteinander die Einrichtung nach dem Patentanspruch 1 nahelegen, wie eine Überprüfung durch den Senat ergab. Die Einsprechende hat diese Druckschriften im übrigen auch nicht in Betracht gezogen.
Bertl Dr. Greis Prasch Püschelprö
BPatG:
Beschluss v. 10.05.2001
Az: 17 W (pat) 31/00
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