Bundespatentgericht:
Beschluss vom 15. Februar 2001
Aktenzeichen: 25 W (pat) 13/00

(BPatG: Beschluss v. 15.02.2001, Az.: 25 W (pat) 13/00)

Tenor

Die Beschwerde der Widersprechenden wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Die Bezeichnung Sumagran ist nach einer Beschränkung des Warenverzeichnisses für

"Pharmazeutische Erzeugnisse, nämlich verschreibungspflichtige Migränemittel, Serotoninagonist"

im Markenregister eingetragen. Die Veröffentlichung der Eintragung der angegriffenen Marke erfolgte am 29. Juni 1996.

Widerspruch erhoben hat die Inhaberin der älteren, am 22. April 1991 für

"Pharmazeutische Erzeugnisse und Substanzen für die Vorbeugung, Behandlung und/oder Linderung von Erkrankungen des Zentralnervensystems, von Beschwerden des Magen-Darm-Bereiches, der Migräne und anderer Formen von Kopfschmerzen"

eingetragenen Marke 1 175 285 IMIGRAN.

Die Inhaberin der angegriffenen Marke hat im Beschwerdeverfahren eine Benutzung der Widerspruchsmarke für andere Waren als "verschreibungspflichtige Migränemittel" bestritten. Die Widersprechende hat eine über "Migränemittel" hinausgehende Benutzung ihrer Marke nicht geltend gemacht.

Die Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patentamts hat mit Beschluß vom 9. September 1999 durch eine Beamtin des höheren Dienstes die Verwechslungsgefahr zwischen den Marken verneint und den Widerspruch zurückgewiesen. Die Marken könnten sich - noch ausgehend von der Registerlage - hinsichtlich der Migränemittel auf identischen Waren begegnen. Nicht nur die wegen der Verschreibungspflicht im Vordergrund stehenden Fachleute, die schon eine berufsbedingte Sorgfalt walten ließen, sondern auch Laien würden mit Mitteln, die die Gesundheit betreffen, sorgfältig umgehen. Ausgehend von einer normalen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke sei ein deutlicher Markenabstand zur Vermeidung der Verwechslungsgefahr zu fordern, der unter den genannten Bedingungen aber eingehalten sei. Die Marken unterschieden sich in den ohnehin stärker beachteten Wortanfängen "Suma-" und "IMI-" aufgrund der anderen Vokalfolge und des verschiedenen Anfangslautes im klanglichen Gesamteindruck hinreichend deutlich. Dabei sei zu beachten, daß der Verkehr auch aufgrund des beschreibenden Hinweises in "gran" ("ein sehr kleines Apothekergewicht") sein Augenmerk mehr auf die übrigen - hier unterschiedlichen - Bestandteile richten werde. Eine schriftbildliche Verwechslungsgefahr sei wegen der Abweichungen in der Umrißcharakteristik der ersten Wortteile der Marken ebenfalls nicht zu erwarten. Andere Arten der Verwechslungsgefahr seien nicht ersichtlich.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden mit dem Antrag, den Beschluß der Markenstelle vom 9. September 1999 aufzuheben, die Verwechslungsgefahr zu bejahen und die Löschung der angegriffenen Marke anzuordnen.

Sie regt an, die Rechtsbeschwerde zuzulassen.

Die Marken endeten übereinstimmend mit "-gran" und hätten auch das "m" im Markenanfang gemeinsam. Der Bestandteil "-migran" der Widerspruchsmarke gebe einen Hinweis auf das einschlägige Indikationsgebiet "Migräne". Die Widerspruchsmarke habe sich aufgrund einer intensiven Benutzung seit 1991 zu einer umsatzstarken Marke mit einer überdurchschnittlichen Kennzeichnungskraft entwickelt. Die geringen Unterschiede am Zeichenbeginn reichten auf keinen Fall aus, um den aufgrund möglicher Warenidentität und überdurchschnittlicher Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke erforderlichen Markenabstand zu garantieren und eine Verwechslungsgefahr in klanglicher und schriftbildlicher Hinsicht auszuschließen.

Die Inhaberin der angegriffenen Marke beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Die Marken unterschieden sich im Klang- und Schriftbild so deutlich, daß auch bei Warenidentität der danach zu fordernde erhöhte Markenabstand eindeutig eingehalten sei. Die beiderseitige Rezeptpflicht führe dazu, daß ausschließlich Fachleute involviert seien, die aufgrund ihrer Fachkenntnisse und berufsbedingten erhöhten Sorgfalt die deutlichen Unterschiede in den ohnehin regelmäßig stärker beachteten Wortanfängen um so eher bemerkten. Die beiderseitige Endung "-gran" weise auf den Indikationsbereich "Migräne" hin und sei daher beschreibend und kennzeichnungsschwach.

Wegen der Einzelheiten wird auf den angefochtenen Beschluß der Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patent- und Markenamts sowie auf die Schriftsätze der Beteiligten Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde der Widersprechenden ist zulässig, hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.

Der nach § 42 Abs 2 Nr 1 MarkenG erhobene Widerspruch ist von der Markenstelle zu Recht gemäß § 43 Abs 2 Satz 2 MarkenG zurückgewiesen worden. Es besteht auch nach Auffassung des Senats keine Verwechslungsgefahr im Sinne von § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG.

Nachdem die Inhaberin der angegriffenen Marke eine Benutzung der Widerspruchsmarke für "verschreibungspflichtige Migränemittel" anerkannt und die Widersprechende eine über "Migränemittel" hinausgehende Benutzung nicht geltend gemacht hat, sind auf Seiten der Widerspruchsmarke "Migränemittel" zugrundezulegen, §§ 158 Abs 3 Satz 1 und 2, 43 Abs 1 Satz 3 MarkenG. Dabei ist zugunsten der Widersprechenden nach ständiger Rechtsprechung (vgl BPatG GRUR 1980, 54 "Mastu"; GRUR 1995, 488 "APISOL/Aspisol" sowie zur rechtserhaltenden Benutzung im Rahmen des § 26 Abs 3 MarkenG BGH GRUR 1999, 164, 165 f "John Lobb" und zum Löschungsverfahren BGH GRUR 1994, 512, 514, 515 "Simmenthal" sowie GRUR 1990, 39 "TAURUS" mit Anmerkung von Heil) regelmäßig eine Benutzung der Widerspruchsmarke für die Waren der entsprechenden Hauptgruppe der Roten Liste (Hauptgruppe 61 der Roten Liste 2000 "Migränemittel") ganz allgemein, insbesondere ohne eine Beschränkung auf eine Rezeptpflicht zu berücksichtigen, da die Widersprechende in ihrer wirtschaftlichen Bewegungsfreiheit nicht eingeschränkt werden darf.

Damit können sich die Marken auch unter Berücksichtigung der beschränkten Nichtbenutzungseinrede im Bereich der Migränemittel, aber auch hinsichtlich der Ware "Seratoninagonist" - die Freisetzung von Seratonin verursacht wahrscheinlich Migräne (vgl Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch, 258. Aufl, S 1412) - auf identischen bzw zumindest hochgradig ähnlichen Waren begegnen. Verwechslungsmindernd wirkt sich jedoch die im Warenverzeichnis der angegriffenen Marke verankerte Verschreibungspflicht aus. Denn bei rezeptpflichtigen Präparaten ist jedenfalls überwiegend auf die Verwechslungsgefahr in den Fachkreisen von Ärzten und Apothekern abzustellen (vgl hierzu BGH GRUR 1993, 118, 119 "Corvaton/Corvasal"; GRUR 1995, 50, 52 "Indorektal/Indohexal"), was in gewissem Umfang auch bei nur einseitiger Rezeptpflicht gelten muß (vgl hierzu BGH MarkenR 1999, 154, 156 "Cefallone"; MarkenR 2000, 138, 139 "Ketof/ETOP", jeweils mwN). Wenngleich mündliche Markenbenennungen dadurch nicht ausgeschlossen sind, führt die Rezeptpflicht dazu, daß verminderte Anforderungen an den Markenabstand zu stellen sind, weil Fachleute aufgrund ihrer beruflichen Praxis und Erfahrung im Umgang mit Arzneimitteln regelmäßig sehr sorgfältig sind und deshalb Markenverwechslungen weniger unterliegen als Endverbraucher. Aber auch soweit Endverbraucher als angesprochene Verkehrskreise zu berücksichtigen sind, ist grundsätzlich nicht auf einen sich nur flüchtig mit der Ware befassenden, sondern auf einen durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Verbraucher abzustellen, dessen Aufmerksamkeit je nach Art der Ware oder Dienstleistung unterschiedlich hoch sein kann (vgl BGH MarkenR 2000, 140, 144 ATTACHÉ / TISSERAND; BGH GRUR 1998, 942, 943 li Spalte - ALKA-SELTZER; EuGH MarkenR 1999, 236, 239 unter 24. - Lloyd / Loints) und der insbesondere allem, was mit der Gesundheit zusammenhängt, eine gesteigerte Aufmerksamkeit beizumessen pflegt (vgl BGH GRUR 1995, 50, 53 - Indorektal/Indohexal).

Der Senat geht von einer normalen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke "IMIGRAN" aus. Auch wenn insbesondere Fachleute mit entsprechenden Fach- und Sprachkenntnissen in dem Bestandteil "IMI-" einen Hinweis auf mehrere mit diesem Anfangselement gebildete Wirkstoffbezeichnungen (INN) wie "Imidapril", "Imiglucerase", "Imipramin", "Imiquimod" und in "-GRAN" auf "Granula" (pharmazeutisch: Arzneikörper, kleinste Arzneikugeln) erkennen, ergibt sich hieraus keine ursprüngliche Kennzeichnungsschwäche der Gesamtbezeichnung. Denn im Hinblick auf die im Bereich pharmazeutischer Erzeugnisse bestehende Übung, Marken in der Weise zu bilden, daß einzelne Bestandteile Indikation, Art der Zusammensetzung, Wirkung und dergleichen zumindest für Fachleute eindeutig erkennen lassen (vgl BGH GRUR 1998, 815, 817 - Nitrangin), erscheinen die entsprechenden Wortelemente in der Widerspruchsmarke noch hinreichend phantasievoll zusammengefügt. Dies kann im übrigen zugunsten der Widersprechenden auch dann unterstellt werden, wenn man entsprechend des Vortrags des Vertreters der Widersprechenden in der mündlichen Verhandlung in der Buchstabenfolge "-MI-GRAN" einen beschreibenden Hinweis auf das einschlägige Indikationsgebiet "Migräne" sieht.

Allerdings kann nicht von einer gesteigerten Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke ausgegangen werden. Die Widersprechende hat zwar in der mündlichen Verhandlung behauptet, daß die Widerspruchsmarke aufgrund einer seit 1991 erfolgenden Benutzung mit hohen Umsätzen eine über dem Durchschnitt liegende Kennzeichnungskraft besitze, was - da die Inhaberin der angegriffenen Marke in der mündlichen Verhandlung nicht teilgenommen hat - auch unbestritten geblieben ist. Gleichwohl kann dies der Entscheidung nicht zugrundegelegt werden, weil die Kennzeichnungskraft einer Marke keine Tatsache darstellt, die als solche behauptet oder bestritten werden könnte, sondern eine rechtliche Wertung, die dem Gericht aufgrund des Sach- und Streitstandes bzw der präsenten Beweis- oder sonstigen Glaubhaftmachungsmittel obliegt (vgl die zu dieser Problematik instruktiven Ausführungen BPatG GRUR 1997, 840, 842 reSp "Lindora/Linola").

Tatsächliche konkrete Umstände, aus denen sich eine erhöhte Verkehrsbekanntheit und ein gesteigerter Schutzumfang der Widerspruchsmarke ergibt, sind weder vorgetragen noch liquide. Allein aus der - hier lediglich behaupteten - langjährigen Benutzung und Erzielung von hohen Umsätzen, kann ein solcher Schluß nicht gezogen werden. Umsatzzahlen stellen jedenfalls regelmäßig keine ausreichende Grundlage für die Beurteilung der Kennzeichnungskraft einer Marke dar. Selbst umsatzstarke Marken müssen nicht besonders bekannt sein, wie andererseits Marken trotz relativ geringer Umsatzzahlen der damit gekennzeichneten Produkte sehr bekannt sein können. Insbesondere Angaben zum Bekanntheitsgrad in konkreten Prozentzahlen - bezogen auf die angesprochenen Verkehrsbeteiligten - geben Aufschluß zur maßgeblichen Verkehrsgeltung, wobei allerdings auch hier nicht allgemein und abstrakt bestimmt werden kann, bei welchem Prozentsatz etwa die Bejahung einer hohen Kennzeichnungskraft gerechtfertigt ist (vgl dazu EuGH MarkenR 1999, 236, 239 unter 24. "Lloyd/Loint's). Auch Angaben zu Werbeaufwendungen erlauben unter Umständen eher Rückschlüsse auf die Kennzeichnungskraft einer Marke als die Umsatzzahlen (vgl hierzu Althammer/Ströbele MarkenG, 6. Aufl, § 9 Rdn 139 mit weitergehenden Rechtsprechungsnachweisen). Eine gesteigerte Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke ist schließlich auch nicht gerichtsbekannt.

Die Ähnlichkeit der Marken ist nach Auffassung des Senats in keiner Richtung derart ausgeprägt, daß unter Berücksichtigung der genannten Umstände die Gefahr von Verwechslungen im Sinne des § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG zu bejahen wäre. Dies gilt auch insoweit, als im Hinblick auf die Möglichkeit von Warenidentität eher strenge Anforderungen an den Markenabstand zu stellen sind.

In klanglicher Hinsicht stimmen die Marken zwar in der Silbenzahl, im Sprech- und Betonungsrhythmus wie auch in dem Buchstaben "m" am Anfang der zweiten Sprechsilbe sowie in der Endsilbe "-gran" überein. Auch wenn man nicht von einer Kennzeichnungsschwäche des gemeinsamen Endbestandteils "-gran" wegen des beschreibenden Hinweises auf "Granula" (pharmazeutisch: Arzneikörper, kleinste Arzneikugeln), bzw der von der Markenstelle genannten Bedeutung oder auch des Hinweises auf das beiderseitige Indikationsgebiet "Migräne" ausgeht und deshalb eine aufmerksamere Betrachtung der vorangehenden Markenbestandteile durch die angesprochenen Verkehrskreise berücksichtigt, unterscheiden sich die Bezeichnungen in den ohnehin regelmäßig stärker beachteten Wortanfangsbestandteilen (vgl zB BGH GRUR 1995, 50 ff, 53 - Indorektal/Indohexal; MarkenR 1999, 154, 156 - Cefallone) "Suma-" bzw "Imi-" hinsichtlich der Anfangslaute und Vokalfolge so markant, daß Verwechslungen auch im maßgeblichen Gesamteindruck nicht zu befürchten sind.

Im schriftbildlichen Vergleich ist ein Auseinanderhalten der Marken unter den genannten Umständen in allen üblichen Wiedergabeformen aufgrund der auffallend verschiedenen Wortanfänge, der figürlichen Abweichung in den Wortanfängen und der etwas unterschiedlichen Wortlängen auch unter Berücksichtigung der vorhandenen Übereinstimmungen ebenfalls gewährleistet. Hierbei ist noch zu berücksichtigen, daß das Schriftbild der Marken erfahrungsgemäß sehr viel besser eine ruhige oder auch wiederholte Wahrnehmung der Bezeichnung gestattet als das schnell verklingende gesprochene Wort.

Fachleute können schließlich in dem Bestandteil "Suma-" der angegriffenen Marke gerade im Hinblick auf das vorliegende Indikationsgebiet einen Hinweis auf die Wirkstoffbezeichnung "Sumatriptan" (Seratonin-Agonist) sowie in dem Bestandteil "Imi-" auf die oben genannten Wirkstoffbezeichnungen (INN) erkennen und auch aufgrunddessen die Marken auseinanderhalten.

Nach Auffassung des Senats besteht auch nicht die Gefahr, daß die Marken im Sinne des § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG gedanklich miteinander in Verbindung gebracht und dadurch verwechselt werden. Gegen die Annahme einer - von der Widersprechenden auch nicht behaupteten - assoziativen Verwechslungsgefahr unter dem hier allein in Betracht kommenden Gesichtspunkt der Serienmarkenbildung spricht hier schon das Fehlen eines als Markenstamm mit Hinweischarakter auf das Unternehmen der Widersprechenden geeigneten Wortelements.

Nach alledem war die Beschwerde der Widersprechenden zurückzuweisen.

Der Senat hat auch keinen Anlaß gesehen, die von dem Vertreter der Widersprechenden in der mündlichen Verhandlung angeregte Rechtsbeschwerde zuzulassen. Die Zulassung der Rechtsbeschwerde ist hier weder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung geboten, noch aus Gründen der Rechtsfortbildung angezeigt (§ 83 Abs 2 MarkenG), da die vorliegende Kollisionsentscheidung keine klärungsbedürftigen grundsätzlichen Rechtsfragen aufwirft.

Zu einer Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen bot der Streitfall keinen Anlaß, § 71 Abs 1 MarkenG.

Kliems Engels Brandt Pü






BPatG:
Beschluss v. 15.02.2001
Az: 25 W (pat) 13/00


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