Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg:
Beschluss vom 9. September 2013
Aktenzeichen: OVG 12 S 85.12

(OVG Berlin-Brandenburg: Beschluss v. 09.09.2013, Az.: OVG 12 S 85.12)

Tenor

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 2. November 2012 wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Beschwerde trägt der Antragsteller.

Der Wert des Verfahrensgegenstandes wird für beide Rechtsstufen auf 2 764 EUR festgesetzt.

Gründe

Das Verwaltungsgericht hat den auf die Verpflichtung des Antragsgegners gerichteten Eilrechtsschutzantrag, die Vollstreckung aus dem Beitreibungsbescheid vom 11. Mai 2012 einstweilen einzustellen, für zulässig, aber unbegründet erachtet. Gegen die Rechtmäßigkeit dieses Bescheides bestünden keine Bedenken.

Die sich dagegen richtende Beschwerde hat keinen Erfolg. Das Beschwerdevorbringen, das nach § 146 Abs. 4 VwGO den Umfang der Überprüfung durch das Oberverwaltungsgericht bestimmt, rechtfertigt keine Änderung oder Aufhebung des erstinstanzlichen Beschlusses.

1. Die vom Antragsteller gegen die Wirksamkeit der dem Beitreibungsbescheid zugrunde liegenden Regelung des § 9 Abs. 3 BbgRAVG erhobenen Bedenken greifen nicht durch. Wie das Verwaltungsgericht zutreffend festgestellt hat, existiert eine verfassungsrechtliche Vorschrift, die dem Landesgesetzgeber eine an § 84 BRAO angelehnte Gestaltung des Vollstreckungsverfahrens untersagt, nicht. Zwar hätte der Landesgesetzgeber auf die Sonderregelung des § 9 Abs. 3 BbgRAVG verzichten können mit der Folge, dass die Beitragsbescheide unmittelbar nach dem Verwaltungsvollstreckungsgesetz vollstreckbar gewesen wären. Auch mag es in gewisser Weise systemwidrig sein, dass er in § 9 Abs. 3 BbgRAVG zusätzlich noch den Erlass eines Beitreibungsbescheides gefordert hat. Rechtlich unzulässig ist dieses jedoch nicht (vgl. bereits Beschluss des Senats vom 5. Juli 2010 € OVG 12 S 1.10 € juris Rn. 6, mit dem der vom Antragsteller für seine Auffassung herangezogene, inzwischen überholte [VG Potsdam, Beschluss vom 7. Oktober 2010 € VG 3 L 372.10 € juris] Beschluss des VG Potsdam vom 15. Dezember 2009 € VG 3 L 314/09 € geändert worden ist).

2. Auch die gegen die formelle Rechtmäßigkeit des Beitreibungsbescheides vom 11. Mai 2012 erhobenen Einwände des Antragstellers sind unbegründet (vgl. auch hierzu bereits den Beschluss des Senats vom 5. Juli 2010, a. a. O. Rn. 9). Der Bescheid lässt trotz seines Briefkopfes (€Versorgungswerk der Rechtsanwälte in Brandenburg € Köperschaft des öffentlichen Rechts€) keinerlei Zweifel daran, dass er vom Vorsitzenden des Vorstandes des Versorgungswerkes erlassen wurde. Dieser hat das Original des Bescheides sowie die Vollstreckbarkeitserklärung der Ausfertigung persönlich unterzeichnet. Die dem Antragsteller durch den Gerichtsvollzieher zugestellte beglaubigte Abschrift des für vollstreckbar erklärten Beitreibungsbescheides gibt dies zutreffend wieder. Die vom Antragsteller in diesem Zusammenhang gezogene Parallele zur €rechtsmissbräuchlichen Anwendung der Generalklauseln€ während der Zeit des Nationalsozialismus liegt neben der Sache.

3. Die Beschwerde ist auch unbegründet, soweit sie sich gegen die Beitreibung der Säumniszuschläge und Zinsen richtet. Der Beitreibungsbescheid wurde auch insoweit vom zuständigen Vorsitzenden des Vorstandes des Versorgungswerkes erlassen. Ihm vorausgegangen ist die nach § 9 Abs. 2 BbgRAVG erforderliche vorherige Festsetzung der Säumniszuschläge und Verzugszinsen durch den Bescheid des hierfür zuständigen Versorgungswerkes vom 4. April 2012 (vgl. zu dieser Notwendigkeit den Beschluss des Senats vom 5. Juli 2010, a. a. O. Rn. 11).

Der Widerspruch des Antragstellers vom 11. April 2012 gegen diesen Bescheid hinderte den Vorsitzenden des Versorgungswerkes nicht daran, auch den Säumniszuschlag i. H. v. 188,75 Euro und die Verzugszinsen i. H. v. 1.429,50 Euro in den Beitreibungsbescheid vom 11. Mai 2012 aufzunehmen. Gemäß § 9 Abs. 3 Satz 1 BbgRAVG werden rückständige Beiträge, Säumniszuschläge und Zinsen aufgrund des von dem Vorsitzenden des Vorstandes ausgestellten, mit der Bescheinigung der Vollstreckbarkeit versehenen Bescheides nach den Vorschriften beigetrieben, die für die Vollstreckung von Urteilen in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten gelten. Die Zwangsvollstreckung darf nach Satz 2 der Norm jedoch erst zwei Wochen nach Zustellung des vollstreckbaren € also mit der Bescheinigung der Vollstreckbarkeit versehenen € Bescheides beginnen. Die Regelung unterscheidet nicht zwischen rückständigen Beiträgen, Säumniszuschlägen und Zinsen. Sie setzt für die Beitreibung sowohl der Beiträge als auch der Säumniszuschläge und Zinsen die vorherige Festsetzung durch Bescheid voraus (vgl. bereits den Beschluss des Senats vom 16. Juli 2007 € OVG 12 S 40.07), lässt sodann aber die zeitgleiche Vollstreckung sowohl wegen der Beiträge selbst als auch wegen der Säumniszuschläge und Verzugszinsen zu. Hiervon ist der Senat bereits in der Vergangenheit ohne weiteres ausgegangen (vgl. etwa die Beschlüsse vom 5. Juli 2010 € OVG 12 S 1.10 € und 11. Januar 2012 € OVG 12 8.11).

Ebenso wie den Beiträgen zum Versorgungswerk kommt auch den Säumniszuschlägen und Zinsen eine nicht nur untergeordnete Finanzierungsfunktion zu, weshalb auch sie zu den öffentlichen Abgaben und Kosten i. S. d. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO gehören mit der Folge, dass der Widerspruch gegen die Festsetzungsbescheide keine aufschiebende Wirkung hat (vgl. für Säumniszuschläge nach dem Kommunalabgabengesetz i. V. m. der Abgabenordnung OVG Berlin-Brandenburg, Beschlüsse vom 14. März 2011 € OVG 9 S 50.10 € und 25. September 2005 € OVG 9 S 10.05, jeweils juris; OVG Hamburg, Beschluss vom 17. Oktober 2005, NVwZ-RR 2006, 156; eingehend Koch, NVwZ 2007, 782 m. w. Nw.; vgl. zur Gegenansicht etwa OVG Lüneburg, Beschluss vom 8. Juli 2013 € OVG 9 ME 110/12 € juris; Bay. VGH, Beschluss vom 4. Oktober 2011 € VGH 4 CS 11.1116 € juris; Thüringer OVG, Beschluss vom 23. November 2007 € OVG 4 EO 536/07 € juris, jeweils m. w. Nw.). Dass die nach § 9 Abs. 2 Satz 3 BbgRAVG i. V. m. § 36 Abs. 6 Satz 2 der Satzung zulässige Erhebung von Verzugszinsen dazu dient, den beim Mitglied infolge des Verzuges mit der Beitragsleistung entstandenen Zinsvorteil abzuschöpfen und ihn dem Versorgungswerk zur Verfügung zu stellen, liegt auf der Hand. Auch der nach § 9 Abs. 2 Satz 2 BbgRAVG i. V. m. § 36 Abs. 6 Satz 1 der Satzung zulässige Säumniszuschlag dient nicht allein oder ganz überwiegend dazu, den Beitragsschuldner zur rechtzeitigen Beitragszahlung zu veranlassen, sondern soll daneben den infolge des Verzuges entstandenen zeitweiligen Einnahmeausfall und damit einhergehenden Zinsnachteil ausgleichen. Denn der Verzugszins nach § 36 Abs. 6 Satz 2 der Satzung darf erst erhoben werden, wenn der Beitragsschuldner mehr als drei Monate in Zahlungsverzug ist. Zwar kann er sodann - neben dem Versäumniszuschlag - ab Fälligkeit der offenen Beitragsforderung erhoben werden; für jeden Zahlungsverzug von weniger als drei Monaten sieht die Satzung jedoch als Ausgleich des dem Versorgungswerk entstandenen Zinsnachteils lediglich die Erhebung des Säumniszuschlages vor.

Mithin durfte der Antragsgegner mit dem Beitreibungsbescheid neben der offenen Beitragsforderung auch den bis dahin festgesetzten Säumniszuschlag sowie die bis dahin angefallenen Verzugszinsen geltend machen. Gegen die Höhe dieser Gesamtforderung wendet sich die Beschwerde nicht.

4. Die geltend gemachte Verletzung rechtlichen Gehörs liegt nicht vor. Der Antragsteller kann sich nicht darauf berufen, dass das Verwaltungsgericht einer vom Antragsgegner erbetenen Verlängerung der Frist zur Antragserwiderung nicht entsprochen hat. Davon abgesehen hat das Gericht den Eilantrag vollumfänglich abgelehnt; dazu bedurfte es einer Fristverlängerung für den Antragsgegner nicht.

5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 1 GKG. Der Senat hat von der ihm in § 63 Abs. 3 Satz 1 GKG eingeräumten Möglichkeit Gebrauch gemacht und den Wert des Verfahrensgegenstandes auch für das erstinstanzliche Verfahren geändert. Da sich die Funktion des streitigen Beitreibungsbescheides nicht in einer Androhung des Zwangsmittels erschöpft, war der Streitwert gemäß Nr. 1.6.1 Satz 1 des Streitwertkatalogs (siehe etwa Kopp/Schenke, VwGO, 18. Aufl., Anhang zu § 164) auf ¼ und nicht, wie nach Satz 2 der Regelung vom Verwaltungsgericht angenommen, auf 1/8 der streitigen Forderung festzusetzen, mithin auf 2.764 Euro.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).






OVG Berlin-Brandenburg:
Beschluss v. 09.09.2013
Az: OVG 12 S 85.12


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