Bundespatentgericht:
Beschluss vom 22. Juni 2006
Aktenzeichen: 23 W (pat) 319/03
(BPatG: Beschluss v. 22.06.2006, Az.: 23 W (pat) 319/03)
Tenor
Das Patent wird mit folgenden Unterlagen beschränkt aufrechterhalten:
Patentansprüche 1 bis 4, Beschreibung, Spalten 1 und 2, überreicht in der mündlichen Verhandlung vom 22. Juni 2006, Beschreibung, Spalten 3 bis 7, Zeichnung, Figuren 1 bis 9 gemäß Patentschrift.
Gründe
I.
Das angegriffene Patent 100 46 301 wurde unter der Bezeichnung "Fahrzeug-Leuchtweitenregelungsvorrichtung" am 19. September 2000 beim Deutschen Patent- und Markenamt unter Inanspruchnahme der Japan-Unionspriorität (Aktenzeichen 11-278753) vom 30. September 1999 angemeldet. Die Erteilung wurde am 13. Februar 2003 veröffentlicht.
Mit Schriftsatz vom 13. Mai 2003 - beim Deutschen Patent- und Markenamt am gleichen Tag per Telefax eingegangen - hat die A... GmbH gegen das "deutsche Patent 100 43 301" Einspruch eingelegt. Im Einspruchsschriftsatz waren die für das gegenständliche Patent zutreffenden Angaben über die Anmelderin und den Prioritätstag sowie die Wiedergabe der Patentansprüche enthalten. Mit einem am 19. Mai 2003 eingegangenen Schriftsatz hat sie die Patentnummer in Richtung auf das angegriffene Patent berichtigt.
Die Einsprechende beantragt, das Patent in vollem Umfang zu widerrufen, wobei sie den Einspruch stützt auf:
DE 196 46 282 A1 (Entgegenhaltung E1)
EP 0 716 954 A2 (Entgegenhaltung E2)
EP 0 894 665 A2 (Entgegenhaltung E3)
DE 44 39 511 A1 (Entgegenhaltung E4)
DE 42 04 097 A1 (Entgegenhaltung E5) undoffenkundige Vorbenutzung durch die Lieferung von Scheinwerfern Nr. 301 049 201 für den Ford Fiesta BE91 an Ford ab 1995 (Entgegenhaltung E6), wovon die Entgegenhaltungen E2 und E3 bereits im Prüfungsverfahren berücksichtigt worden sind und die Entgegenhaltung E4 der deutschen Parallelanmeldung der im Prüfungsverfahren ebenfalls bereits berücksichtigten GB 2 283 556 A entspricht.
Sie macht mangelnde Neuheit gegenüber der E1 geltend.
Darüber hinaus seien auch die Gegenstände der Unteransprüche 2 bis 6 nicht neu.
Die Patentinhaberin hat dem Einspruchsvorbringen in allen wesentlichen Punkten widersprochen.
Mit Schriftsatz vom 14. Juni 2006 hat die Einsprechende ihren Einspruch zurückgenommen.
Die Patentinhaberin hat in der mündlichen Verhandlung zur beschränkten Verteidigung des Streitpatents zuletzt neue Ansprüche 1 bis 4 mit einer angepassten Beschreibung vorgelegt und vertritt die Auffassung, dass der neugefasste Patentanspruch 1 durch den nachgewiesenen Stand der Technik nicht patenthindernd getroffen sei.
Die Patentinhaberin beantragt, das Patent mit folgenden Unterlagen beschränkt aufrechtzuerhalten:
Patentansprüche 1 bis 4, Beschreibung Spalten 1 und 2, überreicht in der mündlichen Verhandlung vom 22. Juni 2006, Beschreibung, Spalten 3 bis 7, Zeichnung, Figuren 1 bis 9 gemäß Patentschrift.
Der verteidigte Patentanspruch 1 hat folgenden Wortlaut:
"1. Fahrzeug-Leuchtweitenregelungsvorrichtung mit einem Gehäuse (2), einem Motor (26), einem von dem Motor (26) angetriebenen Schneckenrad (10), das drehbar und in axialer Richtung fest im Gehäuse (2) gelagert ist, und einer Welle (17), die mit dem Schneckenrad (10) so in Eingriff ist, dass die Welle (17) bei Drehung des Schneckenrades (10) nur axial bewegt wird, dadurch gekennzeichnet, dass ein erster Eingriffsabschnitt (11b) am Schneckenrad (10) vorgesehen ist, der in Eingriff mit einem zweiten Eingriffsabschnitt (9) ist, der einstückig am Gehäuse (2) ausgebildet ist, so dass das Schneckenrad (10) frei drehbar, aber nicht in axialer Richtung; relativ zum Gehäuse (2) bewegbar ist, wobei:
das Gehäuse (2) einen nach außen vorstehenden, zylindrischen Abschnitt (5) umfasst, der den zweiten Eingriffsabschnitt (9) aufweist, und wobei:
der zylindrische Abschnitt (5) einen koaxial angeordneten, inneren, zylindrischen Abschnitt (6) aufweist, an dem der zweite Eingriffsabschnitt (9) ausgebildet ist."
Hinsichtlich der geltenden Unteransprüche 2 bis 4 und weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II.
Die Zuständigkeit des (technischen) Beschwerdesenats des Bundespatentgerichts für die Entscheidung über den Einspruch ergibt sich aus § 147 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 PatG. Danach ist das Patentgericht zuständig, wenn - wie im vorliegenden Fall - die Einspruchsfrist nach dem 1. Januar 2002 zu laufen begonnen hat und der Einspruch vor dem 1. Juli 2006 eingelegt wurde.
III.
Der form- und fristgerecht erhobene Einspruch ist zulässig. Er hat im Ergebnis jedoch nur insoweit Erfolg, als das Streitpatent - wie von der Patentinhaberin beantragt - beschränkt aufrechtzuerhalten war.
1. Zwar hat die Einsprechende in ihrem Einspruchsschriftsatz versehentlich eine hinsichtlich einer Ziffer falsche Patentnummer angegeben, jedoch kann im vorliegenden Fall das angegriffene Patent innerhalb der Einspruchsfrist ohne weiteres ermittelt werden. Aus den Angaben der Anmelderin , dem Prioritätstag und der wortwörtlichen Wiedergabe der Patentansprüche im Einspruchsschriftsatz ist ohne weiteres durch eine einfache Datenbankrecherche die zutreffende Patentnummer ermittelbar. Gleiches gilt für den Abbuchungsauftrag und die Zuordnung der Gebühr zum Streitpatent (BPatGE 27, 84). Die falsche Patentnummer kann daher auch nach Fristablauf berichtigt werden (BPatGE 39, 186).
Gegen die Zulässigkeit des Einspruchs im Übrigen bestehen keine Bedenken, da die Einsprechende innerhalb der Einspruchsfrist gegenüber dem erteilten Patentanspruch 1 den Widerrufsgrund der mangelnden Neuheit geltend gemacht hat und die entsprechenden Tatsachen im Einzelnen angegeben hat, indem sie im Einspruchsschriftsatz den erforderlichen Zusammenhang zwischen der Darstellung des Standes der Technik insbesondere nach der Druckschrift E1 und sämtlichen Merkmalen des Patentanspruchs 1 des Streitpatents hergestellt hat.
2) Der verteidigte Patentanspruch 1 ist zulässig, denn er ist eine Zusammenfassung der erteilten Ansprüche 1 bis 3. Die verteidigten Ansprüche 2 bis 4 entsprechen den erteilten Ansprüchen 4 bis 6.
Hinsichtlich der ursprünglichen Offenbarung der Merkmale der verteidigten Patentansprüche bestehen keine Bedenken.
So finden die erteilten Patentansprüche 1 und 2 technisch inhaltlich ihre Stütze in den ursprünglichen Ansprüchen 1 und 2, die erteilten Ansprüche 3 bis 5 sind auf S. 4 letzter Absatz bis einschließlich S. 5, zweiter Absatz der ursprünglichen Beschreibung offenbart, der Anspruch 6 schließlich entspricht technisch inhaltlich dem ursprünglichen Anspruch 3.
3) Nach den Ausführungen der Patentinhaberin in der mündlichen Verhandlung geht der verteidigte Patentanspruch 1 im Oberbegriff von einem Stand der Technik aus, wie er aus der Druckschrift E4 bekannt ist. Als nachteilig wird dabei angesehen, dass zur axialen Lagerung des Schneckenrades zwei Bauteile (Hülse und Halter), erforderlich sind und der Einbau des Schneckenrades erschwert ist, vgl. Spalte 1, Zn. 45 bis 49 der in der mündlichen Verhandlung überreichten angepassten Beschreibung.
Der Erfindung liegt demgegenüber die Aufgabe zugrunde, eine Fahrzeug-Leuchtweitenregelungsvorrichtung derart zu verbessern, dass der Einbau des Schneckenrades vereinfacht wird, vgl. Sp. 1, Zn. 55 bis 58 der geltenden Beschreibung.
Gelöst wird diese Aufgabe durch die im verteidigten Patentanspruch 1 aufgeführten Merkmale.
Erfindungswesentlich ist dabei, dass die freie Drehbarkeit unter axialer Fixierung bei der Lagerung des Schneckenrades dadurch erfolgt, dass das Gehäuse der Anordnung einen nach außen vorstehenden, zylindrischen Abschnitt umfasst, der den zweiten (der Lagerung des Schneckenrades dienenden) Eingriffsabschnitt aufweist, wobei der zylindrische Abschnitt einen koaxial angeordneten, inneren, zylindrischen Abschnitt aufweist, an dem der zweite Eingriffsabschnitt ausgebildet ist, vgl. insb. die Figur 6 mit Erläuterungen.
Es ist unmittelbar einsichtig, dass diese Anordnung mit einem inneren zylindrischen koaxialen Abschnitt, der beim Einbau des Schneckenrades zurückfedert, die Montage des Schneckenrades vereinfacht, vgl. dazu in Fig. 6 den zylindrischen Abschnitt mit Bezugszeichen 6.
4) Der Gegenstand des verteidigten Patentanspruches 1 erweist sich gegenüber dem im Verfahren befindlichen Stand der Technik als patentfähig.
Die Neuheit des - zweifellos gewerblich anwendbaren - Gegenstandes des geltenden Patentanspruches 1 ergibt sich implizit aus den nachfolgenden Ausführungen zur erfinderischen Tätigkeit.
Der zuständige Durchschnittsfachmann ist hier als ein mit der Kraftfahrzeugbeleuchtung befasster berufserfahrener Entwicklungsingenieur der Fachrichtung Maschinenbau mit Fachhochschulausbildung zu definieren.
Der Gegenstand des geltenden Patentanspruches 1 ist diesem Fachmann durch die Druckschrift E4 weder für sich, noch in einer Zusammenschau mit dem weiteren im Verfahren befindlichen Stand der Technik nahegelegt.
Die Lehre des verteidigten Patentanspruches 1 beruht auf einer erfinderischen Tätigkeit, denn keine der im Verfahren befindlichen Druckschriften gibt dem Fachmann einen Hinweis oder eine Anregung zur Ausbildung eines koaxial angeordneten Zylinders, an dem ein entsprechender Eingriffsabschnitt, der der Lagerung des Schneckenrades dient, ausgebildet ist.
Die gattungsbildende Druckschrift E4 führt von der Problemlösung nach dem kennzeichnenden Teil des verteidigten Patentanspruches 1 insofern weg, als sie eine völlig andere Art der axialen Fixierung eines Schneckenrades, nämlich mittels zweier Bauteile (Hülse und Halter) vorschlägt.
Eine Anregung für die Merkmale nach dem kennzeichnenden Teil des Anspruches 1 erhält der Fachmann auch nicht durch den weiteren Stand der Technik.
Zwar ist es aus der Druckschrift E1 bekannt, zum Zwecke des vereinfachten Aufbaus bei einer Fahrzeug-Leuchtweitenregelungsvorrichtung das die Leuchtweitenverstellung bewirkende Zahnrad (Bezugszeichen 33 in Fig. 2) um seine Längsachse verdrehbar, jedoch in Achsenrichtung unverschiebbar zu lagern, indem entsprechend dem ersten Merkmalskomplex des Kennzeichens des verteidigten Patentanspruches 1 ein erster Eingriffsabschnitt (36) an einem der Verstellung dienenden Zahnrad vorgesehen ist, der in Eingriff mit einem zweiten Eingriffsabschnitt (35) ist, der einstückig an dem Gehäuse (26) ausgebildet ist.
Eine Anregung, den entsprechenden Eingriffsabschnitt entsprechend dem verteidigten Patentanspruch 1 an einem koaxial zu einem nach außen vorstehenden, zylindrischen Abschnitt, an dem der zweite Eingriffsabschnitt ausgebildet ist, angeordneten, inneren zylindrischen Abschnitt des Gehäuses anzubringen, um etwa den Einbau eines Schneckenrades weiter zu vereinfachen, ist dieser Schrift jedoch nicht zu entnehmen.
Der Gegenstand der mit Druckschrift E6 geltend gemachten offenkundigen Vorbenutzung entspricht hinsichtlich seines Aufbaus demjenigen der Druckschrift E1, so dass die vorstehenden Ausführungen hierzu entsprechend gelten.
Die restlichen Entgegenhaltungen liegen vom verteidigten Patentgegenstand alleine schon deswegen weiter weg als die Druckschrift E1, weil sie schon das Merkmal, wie ein Zahnrad entsprechend dem ersten Merkmalskomplex im Kennzeichen des verteidigten Patentanspruches 1 gelagert sein soll, nämlich mit einem Eingriffsabschnitt am Zahnrad, der in Eingriff mit einem Eingriffsabschnitt an einem Gehäuse ausgebildet ist, nicht aufweisen. Eine Anregung zur Verwirklichung der restlichen kennzeichnenden Merkmale, welche den Gegenstand noch weiter präzisieren, ist durch diesen Stand der Technik gar nicht möglich.
Die Fahrzeug-Leuchtweitenregelungsvorrichtung gemäß dem verteidigten Patentanspruch 1 ist daher patentfähig.
6) Die geltende Beschreibung erfüllt die an sie zu stellenden Anforderungen hinsichtlich der Angabe des Standes der Technik, von dem die Erfindung ausgeht, sowie der Erläuterung der Erfindung anhand der Figuren.
7) Das Patent war daher - wie beantragt - beschränkt aufrechtzuerhalten.
BPatG:
Beschluss v. 22.06.2006
Az: 23 W (pat) 319/03
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