Bundespatentgericht:
Beschluss vom 10. Januar 2000
Aktenzeichen: 30 W (pat) 87/99
(BPatG: Beschluss v. 10.01.2000, Az.: 30 W (pat) 87/99)
Tenor
Auf die Beschwerde der Markeninhaberin wird der Beschluß der Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 4. März 1999 aufgehoben.
Der Widerspruch aus der Marke 2 183 624 wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
In das Markenregister ist am 27. August 1996 für die Waren
"Arzneimittel, pharmazeutische und veterinärmedizinische Erzeugnisse sowie Präparate für die Gesundheitspflege; diätetische Erzeugnisse für Kinder und Kranke; Pflaster, Verbandmaterial; Desinfektionsmittel"
die Marke 396 15 893 Allergelratiopharm.
eingetragen worden.
Widerspruch erhoben hat die Inhaberin der rangälteren, seit 1993 für die Waren
"Pharmazeutische und veterinärmedizinische Erzeugnisse zur Erkennung, Linderung und Heilung allergischer Erkrankungen, chemische Erzeugnisse für die Gesundheitspflege; Diagnostikmittel für Laborzwecke"
eingetragene Marke 1 186 623 Allerg.E.
Die Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patentamts hat die Verwechslungsgefahr bejaht und die Löschung der jüngeren Marke angeordnet. Die große Warennähe bzw die Warenidentität erfordere einen erhöhten Abstand der beiden Marken, der von dem jüngeren Zeichen nicht eingehalten werde. Bei dem Wortbestandteil "ratiopharm" handele es sich um den Firmennamen der Inhaberin der angegriffenen Marke, was den betroffenen Verkehrskreisen bekannt sei. Diese würden sich daher vermehrt an dem weiteren Bestandteil "Allergel" orientieren, der aber klanglich eine zu große Nähe zu der Widerspruchsmarke aufweise.
Die Markeninhaberin hat Beschwerde erhoben und in erster Linie in Abrede gestellt, daß dem Markenbestandteil Allergel eine prägende Bedeutung zukomme. Zwar könne der Herstellername in den Hintergrund treten, Voraussetzung hierfür sei jedoch, daß der zusätzliche Bestandteil keinen beschreibenden Gehalt habe. "Allergel" aber setze sich aus Allergie und Gel zusammen und weise damit sowohl auf die medizinische Indikation, als auch auf die Darreichungsform und Konsistenz der mit der Marke bezeichneten Ware hin. Mit einer Vernachlässigung des Firmenbestandteils sei damit nicht zu rechnen. Aber selbst wenn man "Allergel" und "Allerg.E" gegenüberstelle, sei ein ausreichender klanglicher Abstand gewährleistet, da bei der Aussprache der Widerspruchsmarke der Punkt vor dem E zwingend zu einer Zäsur führe.
Die Markeninhaberin beantragt, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und den Widerspruch zurückzuweisen.
Die Widersprechende beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Nach ihrer Auffassung ist der Firmenbestandteil "ratiopharm" weithin bekannt und werde vom Verkehr nicht zur Produktbezeichnung verwendet. Für den Verbraucher sei "Allergel" der prägende Bestandteil und er werde sich bei der Benennung der Marke auf diesen beschränken. Angesichts der umfangreichen Produktpalette der sich gegenüberstehenden Waren, was auch einen Vertrieb der Präparate in Drogeriemärkten und Gesundheitszentren nicht ausschließe, sei der klangliche Abstand der Marken bzw der prägenden Markenbestandteile zu gering, um eine Verwechslungsgefahr auszuschließen.
Ergänzend wird auf das schriftsätzliche Vorbringen und den Inhalt des patentamtlichen Beschlusses Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde der Markeninhaberin ist zulässig (§ 66 Abs 1 Satz 1, Abs 2 MarkenG) und hat in der Sache Erfolg. Der Widerspruch war gemäß §§ 42 Absatz 2 Nr 1, 43 Absatz 2 Satz 2 Markengesetz zurückzuweisen, denn zwischen den Marken besteht keine Verwechslungsgefahr im Sinne des § 9 Absatz 1 Nr 2 Markengesetz.
Die sich nach der Registerlage gegenüberstehenden Waren sind teilweise identisch (die beanspruchten "Arzneimittel, pharmazeutischen und veterinärmedizinischen Erzeugnisse sowie Präparate für die Gesundheitspflege" umfassen die speziellen pharmazeutischen Erzeugnisse der älteren Marke bzw stimmen mit den "chemischen Erzeugnissen für die Gesundheitspflege" überein), teilweise deutlich ähnlich (was die übrigen beanspruchten Waren der jüngeren Marke betrifft). Im Warenverzeichnis beider Marken findet sich weder eine Rezeptpflicht, noch eine Beschränkung der Waren etwa auf spezielle schwerwiegende Krankheitsbilder oder apothekenpflichtige Präparate, so daß die Waren neben Fachkreisen im breiten Umfang auch Endverbraucher ansprechen können, zumal bei einem Teil der streitbefangenen Waren der Verkauf ohnehin mehr in Selbstbedienungsdrogerien als in Fachgeschäften mit Bedienung stattfindet. Dies erfordert grundsätzlich einen deutlichen Abstand der Marken. Allerdings wendet der Verkehr - auch das Laienpublikum - beim Umgang mit Waren, die die Gesundheit betreffen, eine größere Sorgfalt auf, als dies bei Verbrauchsartikeln des täglichen Bedarfs der Fall ist (BGH GRUR 1995, 50, 53 - Indorektal/Indohexal) was wiederum eher kollisionsmindernd wirkt.
Was die Kennzeichnungskraft und damit der Schutzumfang der Widerspruchsmarke betrifft, können diese als durchschnittlich eingestuft werden. Allerg weist zwar deutlich hin auf Allergen bzw Allergie, der weitere Bestandteil E ist aber noch hinreichend kennzeichnungskräftig, um der Gesamtmarke eine ausreichende Eignung zur Produktkennzeichnung zu geben. Auch wenn E für den Fachverkehr bei - von der Widersprechenden selbst vorgetragenen Verwendung - der Marke für ein invitro Diagnostikprodukt zur gesamten IgE-Bestimmung (IgE = Abkürzung für Immungloboline der Klasse E) beschreibende Anklänge haben mag, so wirkt die Abkürzung insgesamt doch noch hinreichend verfremdend.
Letztlich sind damit an den zur Verneinung einer Verwechslungsgefahr einzuhaltenden Ähnlichkeitsgrad der Marken nur durchschnittliche Anforderungen zu stellen. Diese werden vorwiegend eingehalten, zumal eine die Verwechslungsgefahr begründende Ähnlichkeit zwischen den Marken Allergelratiopharm und Allerg.E ernsthaft nur in Betracht kommt, wenn dem Bestandteil "Allergel" eine den Gesamteindruck der jüngeren Marke prägende und zudem selbständig kollisionsbegründende Bedeutung zugemessen wird. Davon kann hier nicht ausgegangen werden. Handelt es sich bei einem der Bestandteile einer Marke um eine Herstellerangabe, so ist mit einer Verkürzung auf den übrigen Bestandteil dann zu rechnen, wenn der Verkehr die Waren auf dem betreffenden Warengebiet nicht nach dem Namen des Herstellers unterscheidet, sondern seine Aufmerksamkeit sonstigen Merkmalen zeichenmäßiger Kennzeichnung zuwendet (vgl ua BGH GRUR 1996, 404 - Blendax Pep; GRUR 1997, 897 - IONOFIL; WRP 1998, 919 - Alka Seltzer). Gerade auf dem Arzneimittelsektor besteht die gängige Praxis, daß der Verkehr sich regelmäßig nur desjenigen Zeichenbestandteils bedient, der die eigentliche Produktkennzeichnung enthält, die zusätzliche Herstellerangabe aber ignoriert (BGH, WRP 1998, 755 - Nitrangin). Das setzt indes voraus, daß der Firmenbestandteil entweder bekannt oder zumindest als solcher erkennbar ist (vgl Althammer/Ströbele, MarkenG, 5. Aufl § 9 Rdn 165; BGH, MarkenR, 1999, 161 - LORA DI RECOARO). Davon kann bei dem Markenteil "ratiopharm" ohne weiteres ausgegangen werden, denn die Inhaberin der jüngeren Marke kennzeichnet, soweit erkennbar, sämtliche ihrer in der Roten Liste angebotenen Arzneimittel unter Verwendung des Firmen- und Herstellernamens als zweiten Bestandteil der Marke (vgl Rote Liste 1999, Verzeichnis der pharmazeutischen Unternehmer, S 447 bis 449). Auch wenn dem Verkehr diese Übung bekannt ist, führt das vorliegend ausnahmsweise nicht zur kollisionsbegründenden Verkürzung der Marke auf den (vermeintlich) produktkennzeichnenden Teil, da eine solche Verkürzung markenrechtlich voraussetzt, daß dieser auch allein zur eigentlichen Produktkennzeichnung geeignet ist, was bei beschreibenden oder an eine Warenbeschreibung deutlich angelehnten Markenbestandteilen nicht der Fall ist. So liegen die Dinge auch hier, denn an der Eignung von "Allergel", kennzeichnend zu wirken, bestehen für den Senat zumindest deutliche Zweifel. Auch wenn dem durchschnittlichen Verkehr die Zusammensetzung des Wortes "Allergel" als eine Kombination aus Allergie und Gel nicht ohne weiteres erkennbar sein wird, so wird ihm die Anlehnung dieses Begriffes an Allergen (Kurzwort aus Allergie und ...gen = Stoffe, die eine Allergie hervorrufen) bzw Allergie kaum entgehen. Produktbeschreibende Markenteile aber sind wie ausgeführt zur Unterscheidung wenig geeignet, so daß dem Firmenhinweis vorliegend ein zumindest gleiches Gewicht bei der Prägung der Gesamtmarke zukommt. Schon bei einer Gleichgewichtslage von Zeichenbestandteilen innerhalb einer Kombinationsmarke besteht aber kein Anlaß, sich bei der Prüfung der Markenähnlichkeit an nur einem Zeichenbestandteil zu orientieren (vgl Althammer/Ströbele aaO § 9 Rdn 157; BPatG, 30 W (pat) 116/96 - Diclodol Stada/Dignodolin; 25 W (pat) 121/95 - MCP Heumann/MCP-ratiopharm; 30 W (pat) 197/96 - Lip-Herpexratiopharm/HERPEX; 30 W (pat) 133/96 - Enalapril - ratiopharm/BENADRYL; 30 W (pat) 125/96 - Captilratiopharm/Captin; 30 W (pat) 231/96 - FAMO STADA/Farmotad; 30 W (pat) 119/96 - novoSolratiopharm/Novuxol; sämtlich bei PAVIS PROMA). Eine Verwechslungsgefahr besteht damit nicht.
Im übrigen müßte selbst bei einer isolierten Gegenüberstellung der Bestandteile Allergen und Allerg.E eine Verwechslungsgefahr daran scheitern, daß die Widersprechende aus dem Bestandteil Allerg keine kollisionsbegründende Rechte herleiten kann, da dieser Bestandteil als deutlich beschreibend schon aus Rechtsgründen für die Begründung einer Verwechslungsgefahr nicht herangezogen werden kann (vgl Althammer/Ströbele aaO § 9 Rdz 137 mRsprnachw).
Die Beschwerde ist deshalb erfolgreich.
Für die Kosten gilt § 71 Absatz 1 Markengesetz.
Stoppel Schramm Schwarz-Angelebr/Fa
BPatG:
Beschluss v. 10.01.2000
Az: 30 W (pat) 87/99
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