Bundespatentgericht:
Beschluss vom 9. Januar 2008
Aktenzeichen: 5 W (pat) 416/06

(BPatG: Beschluss v. 09.01.2008, Az.: 5 W (pat) 416/06)

Tenor

1. Auf die Beschwerde der Antragsstellerin wird der Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamts - Gebrauchsmusterabteilung I - vom 19. Dezember 2005 aufgehoben.

2. Das Gebrauchsmuster 298 25 037 wird gelöscht.

3. Die Beschwerde der Antragsgegnerin wird zurückgewiesen.

4. Die Kosten des Löschungsverfahrens in beiden Rechtszügen trägt die Antragsgegnerin.

Gründe

I.

Die Antrags- und Beschwerdegegnerin zu II Frau N... ist Inhabe- rin des am 25. Februar 2004 als Abzweigung der europäischen Patentanmeldung P 98 94 3893.2 (EP 1 014 916 A1) vom 18. August 1998 angemeldeten und am 29. April 2004 unter der Bezeichnung

"Schaum-Hautcreme mit Harnstoff"

mit 14 Schutzansprüchen eingetragenen Gebrauchsmusters 298 25 037, dessen Unterlagen am 3. Juni 2004 bekannt gemacht wurden und dessen Schutzdauer auf 10 Jahre verlängert ist.

Der eingetragene Schutzanspruch 1 lautet:

1. Schaum-Hautcreme erhältlich durch - Herstellung einer Phase I durch Aufschmelzen bei 75¡ C einer Mischung enthaltend Fettsäuren, insbesondere C10-C22 Fettsäuren, ggf. ungesättigte und/oder mehrfach ungesättigte Fettsäuren, Emulgatoren, Coemulgatoren, wie Triceteareth-4-phosphat,

- gefolgt von einer dosierten Zugabe unter Rühren zu einer - auf 75¡ C temperierten Phase II, die aus einer wässrigen Mischung enthaltend Moisturiser, wie Propylenglykol und/oder mehrwertige Alkohole, insbesondere Glycerin, Emulgatoren, wie Alkyl-Sarcosinate, sowie Hautpflegeadditive, wie Allantoin,

- unter Zusatz von Harnstoff erhalten wird,

- wobei eine homogene Vermischung der Phasen I und II einzustellen ist und die dosierte Zugabe bei einer Temperatur von 75¡ C erfolgt,

- nach Zugabe die Temperatur für eine Zeit zwischen 5 und 20 Minuten bei 75¡ C gehalten wird, wonach - die Temperatur der so erhaltenen Mischung unter ständigem Rühren auf eine Temperatur zwischen 30 und 40¡ C heruntergefahren wird,

- und Abfüllung der erhaltenen Mischung in Darreichungsformen unter Zugabe eines Treibgases.

Bezüglich der eingetragenen Schutzansprüche 2 bis 14 wird auf die Gebrauchsmusterschrift DE 298 25 037 U1 verwiesen.

Die Antragsstellerin (Beschwerdeführerin II und Beschwerdegegnerin zu I) G... GmbH hat zunächst mit Schriftsatz vom 6. Juli 2004 die Teillöschung und zuletzt mit Schriftsatz vom 6. Juli 2005 die Löschung des Gebrauchsmusters in vollem Umfang beantragt. Sie hat insbesondere die Auffassung vertreten, das Gebrauchsmuster sei nicht mehr neu und beruhe auch nicht auf einem erfinderischen Schritt. Weiter hat sie vorgetragen, der Gegenstand des Gebrauchsmusters sei offenkundig vorbenutzt. Außerdem sei die Anspruchskategorie (product by process) der Schutzansprüche unzulässig und müsse zur Löschung führen. Darüber hinaus sei der Gegenstand des Streitgebrauchsmusters gegenüber der europäischen Ursprungsanmeldung unzulässig erweitert. Zur Begründung ihres Vorbringens hat die Antragstellerin u. a. auf folgende Druckschriften hingewiesen:

E1: EP 598 412 A2 E2: K. Schrader, "Grundlagen und Rezepturen der Kosmetika", 2. Aufl. (1989), S. 157, 264, 265, 342 bis 349, 390 bis 394, 410, 436, 437, 470, 471, 501 bis 503, 582, 906 bis 909 E6: DE 19 11 144 B2 Die Antragsgegnerin hat dem Löschungsantrag rechtzeitig widersprochen und beantragt die Zurückweisung des Löschungsantrags gemäß Hauptantrag mit den eingetragenen Schutzansprüchen, hilfsweise im Umfang der mit Schriftsatz vom 28. November 2005 eingereichten Schutzansprüche nach einem der Hilfsanträge I bis IX.

In den Hilfsanträgen I bis IV wurden dabei verschiedene einschränkende Merkmale in Bezug auf die Zusammensetzung der beanspruchten Schaum-Hautcreme hinzugefügt. Die Hilfsanträge V bis IX entsprechen den Schutzansprüchen gemäß Hauptantrag sowie den Hilfsanträgen I bis IV unter jeweiligem Hinzufügen des Merkmals "Einstellung des pH-Wertes auf 7,6 bis 8,2". Zum Wortlaut der Hilfsanträge I bis IX wird auf die Akten verwiesen.

Der Gegenstand des Schutzanspruchs 1 sei neu gegenüber E6, da daraus keine Schaum-Hautcreme, wie auch aus dem weiteren Stand der Technik, bekannt sei. Insbesondere enthielten die Zusammensetzungen der E6 keine Fettsäuren entsprechend der Schaum-Hautcreme nach Anspruch 1. Da sich der Anspruchsgegenstand eindeutig strukturell bzw. aufgrund der Zusammensetzung vom Stand der Technik unterscheide, bestehe kein Zweifel, dass er dem Gebrauchsmusterschutz zugänglich sei. Der Schutzanspruch 1 in Form eines productbyprocess-Anspruchs sei zulässig, da dieser Anspruch sich nicht in der Angabe von Verfahrensmerkmalen erschöpfe. Die Schaum-Hautcreme des Anspruchs 1 weise auch einen erfinderischen Schritt auf, da keines der genannten Dokumente tatsächlich eine Harnstoffschaumformulierung lehre.

Die Gebrauchsmusterabteilung I des Deutschen Patent- und Markenamts hat auf die mündliche Verhandlung vom 19. Dezember 2005 die Teillöschung des Gebrauchsmusters 298 25 037, soweit es über die Schutzansprüche 1 bis 12 nach Hilfsantrag IX vom 28. November 2005 der Antragsgegnerin hinausgeht, beschlossen und den weitergehenden Löschungsantrag zurückgewiesen.

Zur Begründung hat sie im Wesentlichen ausgeführt, dass die Schutzansprüche nach dem Hauptantrag (die eingetragenen Schutzansprüche) und nach den Hilfsanträgen I bis IV wegen unzulässiger Erweiterung nicht rechtsbeständig seien, da die Einstellung des pH-Werts auf einen Wert zwischen 7,6 und 8,2 zwingendes Merkmal der Abzweigungsanmeldung E5 sei, wogegen die Schaum-Hautcreme mit Harnstoff des Streitgebrauchsmusters im Schutzanspruch 1 ohne diesen Verfahrensschritt beansprucht werde.

Trotz der Aufnahme des Merkmals der pH-Einstellung in die jeweiligen Ansprüche 1 der Hilfsanträge V bis VIII seien die jeweiligen Gegenstände der Ansprüche 1 nicht neu gegenüber E6. Der Gegenstand des Anspruchs 1 nach Hilfsantrag IX sei hingegen gegenüber E6 neu und weise auch einen erfinderischen Schritt auf.

Gegen diesen Beschluss richten sich die Beschwerden der Antragsstellerin und der Antragsgegnerin.

Die Antragsgegnerin verteidigt das Gebrauchsmuster in der mündlichen Verhandlung am 9. Januar 2008 gemäß Hauptantrag im Umfang der Schutzansprüche 1 bis 14 vom 23. August 2007, hilfsweise im Umfang der Schutzansprüche nach einem der Hilfsanträge I bis IX vom 23. August 2007, höchst hilfsweise im Umfang der Schutzansprüche 1 bis 14 nach Hilfsantrag X vom 23. August 2007, wobei sie im Schriftsatz vom 23. August 2007 in Bezug auf die Hilfsanträge II bis IX auf die am 12. Juli 2006 eingereichten Hilfsanträge II bis IX verweist:

Die Schutzansprüche 1 bis 14 gemäß Hauptantrag lauten:

1. Verwendung einer Schaum-Hautcreme erhältlich durch - Herstellung einer Phase I durch Aufschmelzen bei 75¡ C einer Mischung enthaltend Fettsäuren, insbesondere C10-22 Fettsäuren, ggf. ungesättigte und/oder mehrfach ungesättigte Fettsäuren, Emulgatoren, Coemulgatoren, wie Triceteareth-4-phosphat,

- gefolgt von einer dosierten Zugabe unter Rühren zu einer - auf 75¡ C temperierten Phase II, die aus einer wässrigen Mischung enthaltend Moisturiser, wie Propylenglykol und/oder mehrwertige Alkohole, insbesondere Glycerin, Emulgatoren, wie Alkyl-Sarcosinate, sowie Hautpflegeadditive, wie Allantoin,

- unter Zusatz von Harnstoff erhalten wird,

- wobei eine homogene Vermischung der Phasen I und II einzustellen ist und die dosierte Zugabe bei einer Temperatur von 75¡ C erfolgt,

- nach Zugabe die Temperatur für eine Zeit zwischen 5 und 20 Minuten bei 75¡ C gehalten wird, wonach - die Temperatur der so erhaltenen Mischung unter ständigem Rühren auf eine Temperatur zwischen 30 und 40¡ C heruntergefahren wird,

- und Abfüllung der erhaltenen Mischung in Darreichungsformen unter Zugabe eines Treibgases, zum Schutze der Haut und zur Linderung dermatologischer Fehlfunktionen.

2. Verwendung gemäß Anspruch 1, wobei die Mischung aus Phase I und II unter Rühren bei 30 bis 40¡ C mit einem Konservierungsmittel versetzt wird.

3. Verwendung gemäß Anspruch 1 oder 2, wobei eine Einstellung des pH-Wertes auf 7,6 bis 8,2 vorzugsweise mit einer hautverträglichen basischen organischen Verbindung erfolgt.

4. Verwendung gemäß mindestens einem der Ansprüche 1 bis 3 enthalten 1 bis 20 Gew.-% Harnstoff.

5. Verwendung gemäß mindestens einem der Ansprüche 1 bis 4, enthaltend - 4 bis 15 Gew.-% Ölin-Wasser-Emulgator,

- 1 bis 10 Gew.-% Fettsäure,

- 0,4 bis 2,3 Gew.-% Coemulgator,

- 1 bis 10 Gew.-% Moisturiser, 0,05 bis 1 Gew.-% Hautpflegemittel sowie Wasser zum Ausgleich auf 100 Gew.-%.

6. Verwendung gemäß mindestens einem der Ansprüche 1 bis 5 enthaltend - 1 bis 3 Gew.-% Glyceryl Stearat,

- 3 bis 6 Gew.-% Getearylalkohol,

- 4 bis 6 Gew.-% Stearinsäure,

- 0,5 bis 2 Gew.-% Paraffin,

- 0,4 bis 2,3 Gew.-% Triceteareth-4-phosphat,

- 1,5 bis 4 Gew.-% Propylenglykol,

- 1,3 bis 4,2 Gew.-% Glycerin,

- 1 bis 3 Gew.-% Cetyl-Sarcosinat,

- 0,05 bis 1 Gew.-% Allantoin sowie - Wasser zum Ausgleich auf 100 % Gew.-%.

7. Verwendung gemäß mindestens einem der Ansprüche 1 bis 6, enthaltend zusätzlich in Phase I eine siliconhaltige Verbindung, wie Dimethicon, vorzugsweise in Mengen von 0,05 bis 1 Gew.-%.

8. Verwendung gemäß mindestens einem der Ansprüche 1 bis 7, enthaltend zusätzlich in Phase I einen oder mehrere rückfettende Stoffe, wie Decyloleat, Isohexadecan, Stearinsäureglykolester, Kokosfettsäureethanolamid, Maisöl, Erdnussöl, Mandelöl, Sesamöl, Olivenöl, Jojobaöl, Wollwachsalkohole, Paraffin, mittelkettige Trigylceride, Ölsäureoleylester, weißes Vaselin, Macrogol-Glycerolhydroxistearat, hydriertes Rizinzusöl, Ricinusöl communis, Avocadoöl, Weizenkeimöl, Palmitinsäureisopropylester, Cetylpalmitat, Myristinsäuremyristilester und/-oder Octyldodecanol.

9. Verwendung gemäß Anspruch 8, enthaltend - 0,5 bis 2 Gew.-% Decyloleat und/oder - 0,5 bis 2 Gew.-% Octyldekanol.

10. Verwendung gemäß Anspruch 8, enthaltend - 3 bis 6 Gew.-% Decyloleat und/oder - 3 bis 6 Gew.-% Octyldekanol.

11. Verwendung gemäß Anspruch 8, enthaltend - 6 bis 9 Gew.-% Decyloleat und/oder - 6 bis 9 Gew.-% Octyldekanol.

12. Verwendung gemäß mindestens einem der Ansprüche 1 bis 11, enthaltend in Phase II zusätzlich hydriasierende (feuchtigkeitsbindende), wie Ethoxydiglycol, Natriumchlorid, Magnesiumchlorid, Sorbit, Dexpanthenol, Natriumlactat.

13. Verwendung gemäß einem der Ansprüche 1 bis 12, enthaltend mehrfach ungesättigte Fettsäuren wie -6-Fettsäuren, reizlindernde Substanzen, wie Kamilleextrakt, und/oder hautwirksame Vitamine.

14. Verwendung gemäß einem der Ansprüche 8 bis 13, enthaltend,

- 3-7 Gew.-% Calendula-Extrakt,

- 3-7 Gew.-% Hamamelis-Extrakt,

- 3-7 Gew.-% Kamillen-Extrakt,

- 3-7 Gew.-% Teebaumöl-Extrakt,

- 1-5 Gew.-% Decyloleat,

- 1-5 Gew.-% Octyldodecanol.

Die Schutzansprüche 1 bis 14 gemäß Hilfsantrag I entsprechen den Schutzansprüchen gemäß Hauptantrag, wobei im Schutzanspruch 1 anstelle der Verwendung einer Schaum-Hautcreme zum Schutz der Haut und zur Linderung dermatologischer Fehlfunktionen, die Verwendung einer Mischung zur Herstellung einer Schaum-Hautcreme zum Schutz der Haut und zur Linderung dermatologischer Fehlfunktionen beansprucht wird.

Im Hilfsantrag II wurde gegenüber dem Hauptantrag im Schutzanspruch 1 bezüglich der zu verwendenden Schaum-Hautcreme die Angabe "wobei die Schaum-Hautcreme Fettsäuren, Emulgatoren umfassend Alkyl-Sarcosinate, Coemulgatoren, Moisturiser umfassend Glycerin, Hautpflegeadditive und Harnstoff" hinzugefügt.

Im Schutzanspruch 1 des Hilfsantrags III sind gegenüber dem Schutzanspruch 1 des Hilfsantrags II die Fettsäuren auf "C12-C22 Fettsäuren" beschränkt.

Der Schutzanspruch 1 des Hilfsantrags IV weist gegenüber dem Schutzanspruch 1 des Hilfsantrags III die weitere Beschränkung auf, dass die zu verwendende Schaum-Hautcreme "1 bis 10 Gew.-%" C12-C22 Fettsäuren umfasst.

Gegenüber dem Schutzanspruch 1 des Hilfsantrags IV weist der Schutzanspruch 1 des Hilfsantrags V bezüglich der zu verwendenden Schaum-Hautcreme die Angabe auf "und 1 - 20 Gew.-% Harnstoff sowie ein oder mehrere rückfettende Stoffe, wie Decyloleat, Isohexadecan, Stearinsäureglykolester, Kokosfettsäureethanolamid. Maisöl, Erdnussöl, Mandelöl, Sesamöl, Olivenöl, Jojobaöl, Sojaöl, Wollwachsalkohole, Paraffin, mittelkettige Triglyceride, Ölsäureoleylester, weißes Vaselin, Macrogol-Glycerolhydroxistearat, hydriertes Rizinusöl, Ricinusöl communis, Avocadoöl, Weizenkeimöl, Palmitinsäureisopropylester, Cetylpalmitat, Myristinsäuremyristilester und/oder Octyldodecanol umfasst".

Die Schutzansprüche 1 der Hilfsanträge VI bis IX weisen gegenüber den entsprechenden jeweiligen Schutzansprüchen 1 des Hauptantrags und der Hilfsanträge II bis IV bezüglich des zur Kennzeichnung herangezogenen Herstellungsverfahrens jeweils die Angabe " - Einstellung des pH-Wertes auf 7,6 bis 8,2" auf.

Im mit Schriftsatz vom 23. August 2007 höchst hilfsweise gestellten Hilfsantrag X weist der Schutzanspruch 1 in einem der vorstehend genannten Anspruchssätze die Maßgabe auf "...zum Schutz der Haut und zur Linderung von allergischem Kontaktekzem vom Typ I und IV, kumulativsubtoxisches Ekzem, atopische Dermatitis, atopisches PalmoPlantar-Ekzem, Dyshidrosis, Hyperhidrosis, Kontakturtikaria, intertriginöse Ekzeme bei Hämorrhoiden, diverse nässende Pilzinfektionen, z. B. Interdigitalmykose, Perleches, Psoriasis vulgaris, Ulkus cruris, cholinerge Urticaria, Windeldermatitis, sowie zur Prophylaxe und Behandlung des diabetischen Fußes."

Bezüglich des Wortlauts der jeweiligen Schutzansprüche 1 bis 14 der Hilfsanträge I bis III und VI bis VIII bzw. der jeweiligen Schutzansprüche 1 bis 13 der Hilfsanträge IV und IX sowie der Schutzansprüche 1 bis 12 des Hilfsantrags V und der Schutzansprüche 1 bis 14 des höchst hilfsweise beantragten Hilfsantrags X wird auf den Inhalt der Akten verwiesen.

Die Antragsgegnerin ist der Auffassung, dass Kern der Erfindung die Verwendung einer Mischung als Schaum-Hautcreme zum Schutz der Haut und zur Linderung dermatologischer Fehlfunktionen sei. Ausgehend von der von der Antragsstellerin im Verlauf des Beschwerdeverfahrens genannten, einen milden Reinigungsschaum betreffenden Druckschrift E33: AT E 52 185 B sei die beanspruchte Verwendung nicht nahegelegt. Auch die Druckschriften E1 und E6 könnten weder für sich betrachtet noch in Zusammenschau mit E33 den Gegenstand des Gebrauchsmusters nahelegen. Bezüglich des Einflusses von Harnstoff auf Schaum-Hautcremes verweist sie auf

(10) Gutachten von Herrn Professor Dr R. Daniels von der Eberhard Karls Universität Tübingen

(10.8) R. Hüttenrauch, U. Möller, "Bedeutung der Wasserstruktur für die Stabilität von Ölin-Wasser-Emulsionen", Pharmazie 38(4) 267 - 268 (1993).

Im Übrigen sei ein productbyprocess-Anspruch im vorliegenden Fall zulässig und der Gegenstand des Schutzanspruchs 1 des Hauptantrags nicht unzulässig erweitert, da der Offenbarungsgehalt der zugrunde liegenden Gebrauchsmusteranmeldung bzw. der zugrunde liegenden Patentanmeldung keinen Hinweis enthalte, dass eine pH-Wert-Einstellung erfindungswesentlich wäre.

Die Antragsgegnerin beantrag sinngemäß, den Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 19. Dezember 2005 aufzuheben und den Beschluss dahingehend abzuändern, dass das Gebrauchsmuster teilgelöscht wird, soweit es über Schutzansprüche 1 bis 14 gemäß Hauptantrag vom 23. August 2007 hinausgeht;

hilfsweise den Beschluss dahingehend abzuändern, dass das Gebrauchsmuster teilgelöscht wird, soweit es über die jeweiligen Schutzansprüche gemäß einem der Hilfsanträge I bis X jeweils vom 23. August 2007 hinausgeht.

Die Antragsstellerin beantragt, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und das Gebrauchsmuster 298 25 037 vollumfänglich zu löschen.

Sie tritt dem Vorbringen der Antragsgegnerin entgegen und verweist im Zusammenhang mit dem Vorwurf der unzulässigen Erweiterung zusätzlich auf die der Gebrauchsmusterabzweigung zugrunde liegende Anmeldung E30: WO 99/08649 A2.

Sie hält weiterhin im vorlegenden Fall die Charakterisierung des Gegenstandes des Schutzanspruchs 1 durch einen productbyprocess-Anspruch für nicht zulässig, da sich die Verfahrensschritte im Endprodukt nicht wiederspiegelten und der Anspruch nicht das Erfordernis der eindeutigen und klaren Definition der Erfindung erfülle. Auch fehle es den nunmehr beanspruchten Gegenständen des Streitgebrauchsmusters an der sachlichen Schutzfähigkeit, da die Zusammensetzungen gegenüber E6 und der von ihr im Beschwerdeverfahren eingeführten E33 nicht neu seien und die beanspruchte Verwendung der Hautschutzcreme ausgehend von E1 nahegelegt sei.

II.

Die zulässige Beschwerde der Antragsstellerin ist begründet, weil der geltend gemachte Löschungsgrund der fehlenden Schutzfähigkeit (§ 15 Abs. 1 Nr. 1 GebrMG) besteht. Sie führt zur vollständigen Löschung des streitbefangenen Gebrauchsmusters.

1. Die jetzt gemäß Hauptantrag und Hilfsantrag I verteidigten Schutzansprüche 1 bis 14 sind zwar aus den eingetragenen Unterlagen ableitbar, weil sich ihre Gegenstände aus den eingetragenen Schutzansprüchen 1 bis 14 i. V. m. S. 5 Abs. 4 der eingetragenen Unterlagen bzw. S. 3 Abs. [0017] der Gebrauchsmusterschrift DE 298 25 037 U1 entnehmen lassen. Sie gehen auch nicht über die Gegenstände der im Löschungsverfahren vor der Gebrauchsmusterabteilung I des Deutschen Patent- und Markenamts verteidigten eingetragenen Fassung der Schutzansprüche hinaus. Das gleiche gilt für die Schutzansprüche 1 bis 14 der Hilfsanträge II und III und die Schutzansprüche 1 bis 13 bzw. 1 bis 12 der Hilfsanträge IV und V, deren jeweiliger Schutzanspruch 1 sich zusätzlich auf S. 3 Abs. [0016] (Hilfsantrag II), S. 3 Abs. [0014, 0016] (Hilfsantrag III), S. 3 Abs. [0014, 0016, 0020] (Hilfsantrag IV), S. 3 und 4 Abs. [0013, 0014, 0016, 0020, 0023] i. V. m. Anspruch 8 (Hilfsantrag V) und S. 4 Abs. [0026, 0028] (Hilfsantrag X) der DE 298 25 037 U1 stützt. Der Senat hat aber erhebliche Bedenken, ob die nunmehr verteidigten jeweiligen Schutzansprüche 1 dieser Anträge, wie auch bereits der eingetragene Schutzanspruch 1 durch das Weglassen des Merkmals, "Einstellung des pH-Wertes auf 7,6 bis 8,2" gegenüber der der vorliegenden Gebrauchsmusterabzweigung zugrunde liegenden internationalen Anmeldung E30 überhaupt zulässig sind, womit der von der Antragstellerin weiterhin vorgebrachte Löschungsgrund der unzulässigen Erweiterung gegeben wäre, der auch im angegriffenen Beschluss der Gebrauchsmusterabteilung des deutschen Patent- und Markenamts zur Löschung der seinerzeit geltenden Schutzansprüche nach Hauptantrag und den Hilfsanträgen I bis IV führte.

Keine Bedenken bestehen im vorliegenden Fall jedenfalls gegen die Eintragung eines Gebrauchsmusters für die auf die Verwendung einer bekannten Zusammensetzung, nämlich zum Schutz der Haut und zur Linderung dermatologischer Fehlfunktionen, gerichteten Ansprüche nach Haupt- und sämtlichen Hilfsanträgen (vgl. BGH GRUR 2006, 135 - Arzneimittelgebrauchsmuster). Auch die Charakterisierung der zu verwendenden Zusammensetzung durch ein Herstellungsverfahren mittels eines productbyprocess-Anspruchs ist zulässig, da auf diese Weise charakterisierte Erzeugnisse dem Gebrauchsmusterschutz zugänglich sind (vgl. Bühring Gebrauchsmustergesetz 6. Aufl. § 1 Rdn. 156).

2. Dies kann vorliegend aber letztlich dahin stehen, da die Gegenstände der Schutzansprüche 1 bis 14 nach Hauptantrag sowie den Hilfsanträgen I bis III, VI bis VIII und X bzw. der Schutzansprüche 1 bis 13 nach den Hilfsanträgen IV und IX sowie der Schutzansprüche 1 bis 12 nach dem Hilfsantrag V nicht schutzfähig sind, da sie nicht auf einem erfinderischen Schritt beruhen (§ 1 GebrMG).

3. Dem Streitgebrauchsmuster in seiner verteidigten Fassung liegt nunmehr die Aufgabe zugrunde, eine Schaum-Hautcreme bereitzustellen, die sich zum Schutz der Haut und zur Linderung dermatologischer Fehlfunktionen eignet, wie die Antragsgegnerin in der mündlichen Verhandlung zutreffend vorträgt.

Gelöst wird diese Aufgabe durch den Gegenstand des verteidigten Schutzanspruchs 1 nach Hauptantrag mit folgenden Merkmalen:

1. Verwendung einer Schaumhautcreme, erhältlich durch 1.1 Herstellung einer Phase I durch Aufschmelzen bei 75¡ C einer Mischung enthaltenda) Fettsäuren, insbesondere C10-C22 Fettsäuren, ggf. ungesättigte und/oder mehrfach ungesättigte Fettsäuren, b) Emulgatorenc) Coemulgatoren, wie Triceteareth-4-phosphat, 1.2 gefolgt von einer dosierten Zugabe unter Rühren zu einer 1.3 auf 75¡ C temperierten Phase II, die aus einerd) wässrigen Mischung enthaltende) Moisturiser, wie Propylenglykol und/oder mehrwertige Alkohole, insbesondere Glycerin, f) Emulgatoren, wie Alkyl-Sarcosinate, g) Hautpflegeadditive, wie Allantoin, 1.4 unter Zusatz vonh) Harnstoff erhalten wird, 1.5 wobei eine homogene Vermischung der Phasen I und II einzustellen ist und die dosierte Zugabe bei einer Temperatur von 75¡ C erfolgt, 1.6 nach Zugabe die Temperatur für eine Zeit zwischen 5 und 20 Minuten bei 75¡ C gehalten wird, wonach 1.7 die Temperatur der so erhaltenen Mischung unter ständigem Rühren auf eine Temperatur zwischen 30 und 40¡ C heruntergefahren wird, und 1.8 Abfüllung der erhaltenen Mischung in Darreichungsformen unter Zugabe einesi) Treibgases 2. zum Schutz der Haut und zur Linderung dermatologischer Fehlfunktionen.

Zur Lösung der Aufgabe konnte der Fachmann, ein Diplomchemiker oder Pharmazeut, der sich in das spezielle Gebiet der Bereitstellung von Zusammensetzungen zur kosmetischen und insbesondere dermatologischen Behandlung der Haut intensiv eingearbeitet hat, von E1 ausgehen. Aus E1 sind nämlich Hautschutzmittel in Schaumform bekannt, die Stearinsäure als Fettsäure, Glycerylstearat und Cetearylalkohol als Emulgatoren, Trilaureth-4-Phosphat als Coemulgator, Wasser, Propylenglykol und Glycerin als Moisturiser, Natriumcetylsarcosinat als Emulgator, Allantoin als Hautpflegeadditiv und Treibgas zur Abfüllung der erhaltenen Mischung in Dosen entsprechend den Merkmalen a) bis g) und i) des geltenden Schutzanspruchs 1 enthalten. Diese Zusammensetzungen werden nach E1 als Hautschutzmittel zum Schutz der Haut verwendet (vgl. Sp. 4 Z. 1 bis 46). Die die Haut schützende Wirkung wird dabei nicht nur dem in sehr geringer Menge von 0,05 bis 0,3 Gew.-% bei E1 als zwingender Bestandteil zugesetzten Polytetrafluorethylen zugeschrieben, dessen Zusatz beim Streitgebrauchsmuster wegen der nicht abschließenden Angabe der Inhaltsstoffe in den Schutzansprüchen nicht ausgeschlossen ist, sondern auch den oben genannten weiteren Bestandteilen, vgl. Sp. 2 Z. 3 bis 28 i. V. m. Sp. 3 Z. 25 bis 48 und Sp. 4 Z. 1 bis 46. Bis auf den Zusatz von Harnstoff entsprechen die bekannten Hautschutzmittel den gemäß Schutzanspruch 1 zu verwendenden Zusammensetzungen. Weitere unterschiedliche Merkmale der zu verwendenden Schaum-Hautcreme gemäß Schutzanspruch 1, die von dem zu ihrer Charakterisierung herangezogenen Herstellungsverfahren ausgehen könnten, sind nicht erkennbar. Die Antragsgegnerin hat hierzu auch nichts vorgetragen.

Aus der DE 19 11 144 B2 (E6) erhält der Fachmann die Anregung der Zusammensetzung gerade Harnstoff zuzusetzen, um die Aufgabe zu lösen und eine Schaum-Hautcreme bereitzustellen, die sich gleichzeitig zur Linderung dermatologischer Fehlfunktionen eignet. Aus E6 sind nämlich Ölin-Wasser-Emulsionen in Form von Schaumaerosolen bekannt, die Harnstoff enthalten. Harnstoff wird dabei aufgrund seines glättenden, wohltuenden und heilenden Effekts bei leichten infektiösen Läsionen in Cremes als Zusatz in Hautbehandlungsmitteln empfohlen. Dabei sind die Hautbehandlungsmittel der E6 bis auf den Gehalt an Fettsäure weitgehend entsprechend den gemäß Schutzanspruch 1 des Streitgebrauchsmusters zu verwendenden Zusammensetzungen aufgebaut (vgl. Anspruch 1, Sp. 1 Z. 25 bis 33, Sp. 2 Z. 53 bis 55, Sp. 3 Z. 43 bis 52 i. V. m. den Beispielen 5 und 6). Darüber hinaus wird der Fachmann auch aufgrund seines allgemeinen Fachwissens darin bestärkt, gerade Harnstoff zur Lösung der Aufgabe zuzusetzen, denn Harnstoff weist bekanntlich in Emulsionen und Shampoos wundheilende und wasserretinierende Wirkungen auf und wird in Emulsionen gegen Kontaktdermatitis eingesetzt (vgl. E2 S. 157). Der Gegenstand des Schutzanspruchs 1 ist daher vom Stand der Technik nahegelegt.

Die Auffassung der Antragsgegnerin unter Hinweis auf 10.8 und das Gutachten 10, dass der Fachmann Harnstoff einer Schaum-Hautcreme wegen seiner emulsionsbrechenden Eigenschaften nicht zusetzen würde, kann nicht durchgreifen, da aus E33 die Verträglichkeit von Harnstoff in milden Reinigungsschäumen bzw. Emulsionsschäumen bekannt ist. Diese Schäume weisen nämlich, wie die Antragsgegnerin selbst einräumt, eine Zusammensetzung gemäß Schutzanspruch 1, also mit Harnstoff auf, das als nichtverschließendes Feuchthaltemittel sogar in einer Menge von 10 bis 60 % eingesetzt wird, vgl. insbesondere Anspruch 1. Zur Lösung der Aufgabe wird der Fachmann im Gegensatz zur Auffassung der Antragsgegnerin jedoch nicht von der E33 als nächst liegendem Stand der Technik ausgehen, da die Schäume der E33 zur Reinigung eingesetzt werden und die Formulierung auf diese Verwendung abgestellt ist und deshalb reinigungsaktive Bestandteile enthält, wie die Haut irritierende grenzflächenaktive Mittel, z. B. Natriumkokosglycerylethersulfonat (S. 8 Abs. 2 und 3). Die Verwendung zum Schutz der Haut und zur gleichzeitigen Linderung dermatologischer Fehlfunktionen wird deshalb bei E33 auch nicht in Betracht gezogen.

Der Gegenstand des Schutzanspruchs 1 des Hauptantrags beruht nach alledem nicht auf einem erfinderischen Schritt.

4. Die Gegenstände der jeweiligen Schutzansprüche 1 der Hilfsanträge I bis X beruhen ebenfalls nicht auf einem erfinderischen Schritt.

Der Schutzanspruch 1 nach Hilfsantrag I entspricht in der Sache dem Schutzanspruch 1 des Hauptantrags, da er die Verwendung einer Mischung zur Herstellung einer Schaum-Hautcreme zum Schutz der Haut und zur Linderung dermatologischer Fehlfunktion beansprucht, ohne dass im Schutzanspruch vom Schutzanspruch 1 des Hauptantrags abweichende Merkmale angegeben sind. Der Schutzanspruch 1 ist daher auch gleich dem Schutzanspruch 1 des Hauptantrags zu beurteilen.

Auch die jeweiligen Gegenstände der Schutzansprüche 1 der Hilfsanträge II bis IX beruhen aus den vorstehend zum Schutzanspruch 1 des Hauptantrags genannten Gründen ebenfalls ausgehend von E1 nicht auf einem erfinderischen Schritt. E1 erfüllt nämlich auch weitgehend sämtliche in den Schutzansprüchen 1 dieser Hilfsanträge vorgenommen Beschränkungen der stofflichen Zusammensetzung (vgl. E1 Sp. 4 Z. 12 bis 46). Auf die die Schaum-Hautcreme umfassenden Bestandteile nach Schutzanspruch 1 des Hilfsantrags II wurde bereits beim Hauptantrag hingewiesen. Die Beschränkungen in den Schutzansprüchen 1 der Hilfsanträge III und IV auf C12-C22 Fettsäuren und deren Gehalt von 1 bis 10 Gew.-% werden in E1 durch den Gehalt an 3,5 bis 6,5 Gew.-% Stearinsäure vorweggenommen. Die aus E1 bekannten Mittel enthalten auch die im Schutzanspruch 1 des Hilfsantrags V als rückfettende Stoffe genannten Decyloleat und Octyldodecanol, und die Menge an Harnstoff von 1 bis 20 Gew.-% wird von der bei E6 angegebenen Menge von 2 bis 30% umfasst. Die in den jeweiligen Schutzansprüchen 1 der Hilfsanträge VI bis IX gegenüber dem Hauptantrag und den Hilfsanträgen I bis IV zusätzlich angegebene Maßnahme der Einstellung des pH-Werts auf 7,6 bis 8,2 wird bei der Herstellung der Schäume der E1 ebenfalls durchgeführt, vgl. Sp. 4 Z. 38 bis 40. Auch die im Schutzanspruch 1 des Hilfsantrags X genannten medizinischen Indikationen fallen im Wesentlichen unter die Angaben in E1 und E6 (vgl. E1, Sp. 1 Z. 49 bis 54, Sp. 3 Z. 29 bis 40; E6, Sp. 2 Z. 10 bis 15).

5. Die nachgeordneten Schutzansprüche 2 bis 14 gemäß Hauptantrag und den Hilfsanträgen I bis III, VI bis VIII und X bzw. der Schutzansprüche 2 bis 13 nach den Hilfsanträgen IV und IX sowie der Schutzansprüche 2 bis 12 nach dem Hilfsantrag V betreffen Merkmale, die im entgegengehaltenen Stand der Technik E1 und E6 bereits weitgehend beschrieben sind. Ein bestandfähiger Rest ist für den Senat in diesen Ansprüchen nicht zu erkennen. Die Antragsgegnerin hat auch nicht vorgetragen, dass ihnen ein eigenständiger schutzfähiger Gehalt zukäme. Sie werden von dem Löschungsausspruch zum Hauptantrag und den Hilfsanträgen erfasst.

6. Damit erweist sich die zulässige Beschwerde der Antragsgegnerin als nicht begründet.

7. Die Kostenentscheidung beruht auf § 18 Abs. 2 Satz 2 GebrMG i. V. m. § 84 Abs. 2 Satz 1 und 2 PatG, §§ 91 ff. ZPO. Die Billigkeit erfordert keine andere Entscheidung.

Müllner Dr. Proksch-Ledig Dr. Gerster Pr






BPatG:
Beschluss v. 09.01.2008
Az: 5 W (pat) 416/06


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/3bc2107ee283/BPatG_Beschluss_vom_9-Januar-2008_Az_5-W-pat-416-06




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